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Montag, 26. November 2012 – Wiederholung der Romantik

Hello, Freunde der Erde,

die Erde ist zum Auslaufmodell geworden. Ohnehin verglüht sie in Milliarden Jahren. Es wird Zeit, dass wir sie ruinieren, bevor sie es selbst tut.

Amerika, du hast es besser, du hast Milliardäre ohne Schlösser, die in Mars-Containern die Zukunft erobern und danach ins Ewige abschwirren.

Elon Musk will seine Muskeln spielen lassen und einen Exodus mit 80 000 Erwählten auf den roten Planeten starten. „Auf dem Mars lässt sich eine selbsterhaltende Zivilisation starten und zu etwas richtig Großem entwickeln“. Was im irdischen Jammertal unmöglich war, muss mit neuem Gerät und an neuem Ort mit links zu schaffen sein.

Nun wissen wir, wie der Schöpfer sein Erdenprojekt kurz vor Erschaffung in den Medien des Universums angepriesen hat: Es wird alles sehr gut werden. Auf der neuen Erde lässt sich eine selbsterhaltende Zivilisation starten und zu etwas richtig Großem entwickeln. Wenn aber nicht, machen wir eine neue Schöpfung und versteigern die alte in Ebay.

Fehlt was? Richtig, das Heilige. Mit dem „heiligen Gral des Raketenbaus“ muss  Genesis II gelingen. Versprochen, sagte Elon und will seinem Namen alle Ehre machen. El Eljon ist der höchste Gott. ( Altes Testament > 1. Mose 14,19: "Und er segnete ihn und sprach: Gesegnet sei Abram von Gott, dem Allerhöchsten [5=hebr. El Elyon. El = »Der Starke / Mächtige« ist ein wichtiger hebr. Gottesname und wird wie Elohim mit »Gott« übersetzt], dem Besitzer des Himmels und der Erde!" / http://www.way2god.org/de/bibel/1_mose/14/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/1_mose/14/“>Gen. 14,20)

(Christoph Seidler im SPIEGEL: Ein Milliardär hebt ab)

 

Anetta Kahane muss die Deutschen lieben, denn sie ist sehr streng mit ihnen. Israel muss sie weniger mögen, denn mit diesem Land beschäftigt sie sich

so gut wie nie. Auch den Deutschen empfiehlt sie, sich nicht so obsessiv mit dem Nahost-Problem zu beschäftigen. Das heilige Land solle man lieben und nur Gutes drüber reden, mehr sei nicht nötig. Was habt ihr nur einen Narren gefressen an diesem unbedeutenden Fleckchen Erde, ruft sie ihren deutschen Zeitgenossen zu? Mali und Kongo sind doch auch leckere Problemzonen?

Da muss Uri Avnery wohl daneben gelegen haben, als er sagte, mit Freunden ist man strenger als mit emotional Fernstehenden.

In Wahrheit beschäftigen sich die Deutschen offiziell am wenigsten mit Israel – dies aber affektiv-obsessiv. Wie es ungeliebten Freunden geziemt.

(Anetta Kahane in der BZ über deutsche Obsessionen)

Merkel war zu Besuch beim Zentralrat der Juden, brachte hübsche Verbalgeschenke mit und erhielt als Gegengeschenk Generaldispens zum bevorstehenden Jubiläumsjahr des größten abendländischen Judenhetzers namens Luther. Solange Luther nicht Giordano Bruno heiße und gottesfürchtig sei, solange Lutheranerin Merkel persönlich Bürgschaft leiste für ihren Glaubensheros, solange werde man alle Einwände vorläufig zurückziehen, erklärte Graumann.

In der Beschneidungsfrage habe man in den letzten Monaten viel „besessene Belehrungen“ über sich ergehen lassen müssen, beklagte sich Graumann, weshalb Merkel einen Gesetzesvorschlag versprach, wonach Belehrungen gegenüber unfehlbaren Religionen zukünftig unter Strafe gestellt werden sollen.

Sodann sprach Merkel über die Selbstbestimmung der Demokratien und forderte Toleranz der Monotheismen gegen Gottlose, Ketzer und Agnostiker.

(Die TAZ reiht sich allmählich in die Phalanx der Gottesblätter ein. Argumentationslose Artikel gegen gottlose Vereine werden klaglos veröffentlicht, Gegenmeinungen unterdrückt, Merkels Religionslobbyismus erstreckt sich bereits bis ins linke Lager.)

Neben dem Kindeswohl – dass Kinder über Religion und Penisbeschaffenheit selbst entscheiden sollten – sprach die Kanzlerin auch über die Lebbarkeit demokratischer Rituale, die durch religiöse Rituale nicht gefährdet werden dürften. Beim Thema Antisemitismus warnte sie davor, den Begriff inflationär zu benutzen. Nicht jedes unausgegorene und überzogen formulierte Gefühl solle man gleich mit dem Teufel etikettieren.

Verbal abrüsten, meine lieben jüdischen Freunde, war ihre Formel in der geschlossenen Runde, die spontanen Beifall erhielt. Oft rufe einer prophylaktisch: haltet den Dieb, nur um von seiner eigenen Kleptomanie abzulenken. Das gleiche treffe auch beim Antisemitismus-Streit zu.

Zum Dank erhielt Merkel einen jüdischen Chanukkaleuchter, den sie zur ökumenischen Erbauung unter den evangelischen Weihnachtsbaum stellen könne.

(Hier Richard Herzinger in der WELT über Merkels Besuch beim Zentralrat der Juden)

Peter Ullrich ist Mitautor an einer Studie über Antisemitismus und Rechtsextremismus und hat in der TAZ seine Kernthesen vorgestellt. Rechtsextremes Gedankengut sei keine periphere Erscheinung, sondern in allen Teilen der Gesellschaft anzutreffen.

(Wie viel „Antisemitismus“ wird allein durch die Heuchelpolitik der Regierung gegenüber Israel erzeugt? Bei Jauch ging Westerwelle mit keinem Wort auf die Leiden der Palästinenser ein, sprach ständig vom Existenzrecht Israels, das nicht bedroht werden dürfe, was schon seit Dekaden von keinem vernünftigen Palästinenser mehr bedroht wird. Vom Existenzrecht der Palästinenser sprach er nicht.

Zudem gebe es eine besondere Wertegemeinschaft mit der einzigen Demokratie in Nahost, so der Außenminister, ohne die demokratische Wahl der Hamas zu erwähnen, die von allen westlichen Demokratien in die Tonne gestoßen wurde. Den Besetzten eine fehlende Demokratie vorzuwerfen, wenn man ihnen nicht mal einen eigenen funktionierenden Staat gönnt, dass ist keine Heuchelei mehr, das ist schwarz-gelbe Produktion antisemitischer Gefühle in Deutschland.

Würde Israel eine vorbildliche Friedenspolitik betreiben oder Berlin die menschenverachtende Politik Jerusalems vorbildlich kritisieren, würde sich der hiesige Antisemitismus um 75% reduzieren. Den „selbstgemachten“ Sekundär-Antisemitismus der Deutschen haben hiesige Forscher nicht mal theoretisch ausgemacht. Das ganze Thema muss längst unter die Rubrik: Glauben und Spekulieren, und aus der Wissenschaft ausgeschlossen werden.)

Rechtsextreme Einstellungen basierten auf Denkweisen, die unsere gesamte Gesellschaft prägten. Nationalismus sei nicht denkbar, ohne die Annahme, dass es ein deutsches Volk gebe, das eine singuläre Herkunft und gemeinsame Interessen und Tugenden habe. 62% aller Deutschen wollten einen Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit ziehen; 38% haben keine Lust mehr, von deutschen Verbrechen an Juden zu hören. So Ullrich.

Diese Sätze sind zu pauschal und müssten erläutert werden. Kein Mensch kann sich Tag und Nacht mit der bösen Vergangenheit beschäftigen. Die Deutschen müssen die Chance erhalten, normale Mitglieder der Völkergemeinschaft zu werden, wenn auch mit einer abnormalen Vergangenheit.

Andererseits ist die ständige Reizung eines diffusen Schuldgefühls noch lange keine adäquate Bearbeitung der Vergangenheit, die mit Neugierde und Erkenntnis zu tun haben muss. Die eingeschliffenen Erinnerungsrituale der Eliten fördern keine Einsichten, im Gegenteil, sie erwecken den Eindruck, die professionellen Pathetiker hätten bereits alles durchschaut, der Rest sei mechanische Reproduktion von Floskeln.

Dabei ist die gedankliche Vergangenheit der Deutschen, aus der das Unheil kroch, so gut wie unbekannt. Merkel hat sich in alle wirtschaftlichen und politischen Details des Westens eingearbeitet. Hat sie jemals ein kritisches Buch über die „Deutschen Christen“ gelesen? Hat sie jemals von Friedrich Heer „Der Glaube des Adolf Hitler“ in der Hand gehabt? Oder das Buch des amerikanischen Historikers Robert P. Ericksen „Theologen unter Hitler“? Hat sie jemals Nietzsche gelesen, den pubertären Schwarm aller Nazi-Jugend?

Weiß sie, dass der Sonderweg Deutschlands seit der Romantik eine Abkehr von den Prinzipien der Aufklärung war, die Vorwegnahme des Hass-Disputs zwischen den deutschen Ideen von „1914“ gegen die Gedanken der Französischen Revolution von „1789“?

Was für ein Zufall, dass in der WELT der Artikel des französischen Journalisten Romaric Godin erschienen ist, der sich gegen das momentane Franzosenbeleidigen wehrt – unter dem Titel: „Schluss mit dem French Bashing à la 1914“.

Was weiß die Elite über die heilsgeschichtlichen Begriffe „1000-jähriges Reich“ und „Drittes Reich“, Begriffe, die man ohne Kenntnisse über Joachim di Fiore nicht verstehen kann? Wie die Gesamtbevölkerung sind auch die Eliten rein atmosphärische Christen, in Bibelkenntnissen und Theologie so kundig wie in Molekularbiologie.

Kennen sie den Unterschied zwischen Anti-Klerikalismus und Anti-Christentum? Zwischen ecclesia patiens und ecclesia militans? Zwischen „verjudetem“ und „judenfreiem“ Christentum? Wissen sie, dass fast alle deutschen Evangelen und die Mehrheit der Katholiken begeisterte Nazis waren?

(Dass die Katholiken dem Führer gegenüber etwas reservierter waren als die Evangelen, hängt damit zusammen, dass sie bereits einen unfehlbaren Führer im Vatikan besaßen, der anfänglich ein Bewunderer der Nazibewegung war, erst später ein bisschen Alibi-Kritik zu äußern wagte. Aber dies nur deshalb, weil SA und SS die moralische Verkommenheit und die Privilegien der Kirchen angriffen. Natürlich nur aus taktischen Gründen, denn die Moral der Popen war ihnen gleichgültig.

Nicht gleichgültig aber war ihnen die Macht der Kirchen. Der Papst ähnelte ihrem Führer viel zu sehr, da mischte sich Eifersucht mit strikter Bekämpfung der „illoyalen“ Haltung der Katholiken im Untertanenbereich eines fremden Theokraten.

Der Sonderweg der Deutschen ist im Kern die theologische Auserwähltheit der Deutschen (in Ausschließung der jüdischen) als Abwendung von der verweltlichten, moralisch verkommenen und vernunftgesteuerten Aufklärung des Westens.

Unter dem gelenkten Wohlwollen der Alliierten haben es die Kirchen meisterhaft verstanden, ihre 99%ige braune Vergangenheit mit einem wurmstichigen Stuttgarter Schuldbekenntnis und vielen lügenhaften Umdeutungen ins leuchtende Gegenteil zu verkehren. Selbst Martin Walsers bewunderter Theologe Karl Barth war Judenhasser (und nach dem Krieg ein Bewunderer des stalinistischen Sozialismus).)

Nur ein geringer Teil der Deutschen, so Ullrich, seien „ideologisierte Judenhasser“. Deren Ideologien fußten auf Gedankengebilden, die in der Gesellschaft weit verbreitet und salonfähig seien.

Das haben die uniformen Medien bis heute nicht zur Kenntnis genommen, die stets nur von „kruden Dumpfbacken vom rechten Rand“ daherschwallten. Ein Großteil des angeblichen Antisemitismus ist nichts anderes als unterdrückte Kritik an Israel, die in den Untergrund gezwungen wurde und sich dort mit „echten“ Antisemitismus-Elementen mischte. Natürlich konnte sich originärer Antisemitismus mit Israelkritik tarnen. Das Gegenteil war genau so möglich.

Legitime Israelkritik wurde im Gewande eines Antisemitismus-Vorwurfs permanent vom Tisch gefegt. Differenzierungen waren hierzulande nicht an der Tagesordnung. Wer zuerst Antisemitismus schrie, war automatisch der beste Philosemit des Landes. In regelmäßigen Hetzjagden wurden einzelne Bösewichter wie Grass herausgegriffen, um sie an den Pranger zu stellen, damit der Rest der Verdächtigen ungeschoren davon kam.

Sollte eines Tages erneut ein antisemitischer Sturm über Deutschland gehen – was Gott verhindern mag –, so wird er nicht von den Rändern kommen.

Allerdings könnte einem der Atem stocken, wenn Himmler, einer der schlimmsten Judenschlächter aller Zeiten, von Historiker Peter Longerich beschrieben wird, er sei „weniger antisemitisch denn antichristlich“ gewesen. Nicht offensichtliche Taten zählen, sondern vermutete verdrängte und verleugnete Es-Inhalte.

„Antisemitismus ist ein gesellschaftliches Problem und keine individuelle Pathologie.“ Man könne ihn nicht bekämpfen durch „Ausschluss“ der Anderen, sondern „durch einen kritischen Blick auf unsere gesamte Gesellschaft und uns selbst“, so das Fazit Ullrichs.

Hinzuzufügen wäre allerdings: die Gesellschaft ist kein Brei, sie besteht aus konkreten Individuen, die sich hinter einer anonymen Gesellschaft nicht verstecken dürfen.

(Peter Ullrich in der TAZ: „Erregung und Ausschluss“)

Auch Jakob Augstein analysiert den Missbrauch des inflationären Antisemitismus-Vorwurfs.

Besonders die Blätter des überaus philosemitischen Springer-Verlags unterlassen nichts, um das deutsche Element immer mehr in aggressiver Fremdenhäme herauszuplärren. Sei es als Verachtung untüchtiger und amoralischer Staaten wie Griechenland, sei es als narzisstische Selbstbewunderung deutscher Eigenschaften. Immer noch das beste Klima zur Erzeugung von Selbstdünkel und zunehmender Verachtung der Anderen.

Hier ein Beispiel: Der Triumph eines deutschen Weltmeisters in röhrender Verschmutzung der Umwelt wird beschrieben als „Streicheleinheit für die deutsche Seele“. Der „Junge“ aus Heppenheim (siehe Hitlerjunge Quex) zeige , dass die „vergessenen, verschmähten, sogar verlachten „deutschen Tugenden“ noch etwas wert sind“.

Und worin bestehen deutsche Tugenden? „Niemals aufgeben, selbst in aussichtslos erscheinenden Situationen.“

Solche Sätze hätten jedem Tagesbefehl eines deutschen Ostgenerals zur Ehre gereicht. Es sind Tugenden hirnloser und fanatischer Soldaten. Als der Führer bereits tot war, glaubten Deutsche mit deutschen Tugenden noch immer an den Endsieg: „Niemals aufgeben, selbst in aussichtslos erscheinenden Situationen.“

Seit der Romantik hatten die Deutschen das Gefühl, ein besonderes Gedächtnis für die mittelalterliche ursprüngliche Einheit Europas zu besitzen, um sie eines Tages unter deutscher Führung wieder zu beleben. Deutschland sollte der europäische „Orient“ werden, so Novalis, das Land, aus dem das Licht kommen werde. Die stille, geistige Bildung dieses Landes müsse seinen Bewohnern im Laufe der Zeit „notwendig ein Übergewicht über die anderen, durch Krieg, Spekulation und Parteigeist beschäftigten Nationen geben.“

Parteigeist war das verächtliche Synonym für Demokratie. („Ich kenne keine Parteien“, sagte Kaiser Willem, „ich kenne nur noch Deutsche“.) Nur auf deutschem Boden könne eine Wiederbelebung der Religion stattfinden. Nur hier finde Religion Schutz vor „der plumpen Barbarei und dem kalten irdischen Sinne des Zeitalters.“

Die Vorliebe für das Griechische schwand wie Schnee an der Sonne und wurde ersetzt durch die Liebe zur deutschen Vergangenheit. Goethes Götz und all seine frühen Stücke, die von Gräcomanie noch nicht angekränkelt waren, packten und begeisterten die romantischen Jünglinge, die in den Germanen ihre neuen Vorbilder sahen.

Nicht Himmler war der erste, der die Archäologie des urtümlichen Germanentums betrieb und das Christentum als jüdisch verunreinigtes heroisches Himmelsstürmen betrachtete. Mit der „Entjudung“ des ursprünglichen Christentums ging eine erste judenfeindliche Einstellung durchs Revier der romantischen Dichter und Denker. Übrigens bei denselben, die in Berliner Salons geistreicher Jüdinnen jahrelang aus- und eingegangen waren.

Beim evangelischen Theologen Schleiermacher war es am offensichtlichsten. Die damals beginnenden Konversionen bedeutender Juden zum Christentum lehnte Schleiermacher aufs schärfste ab. Es gäbe schon genügend gleichgültige Christen, schrieb er. „Und diese Zahl sollte man vermehren? Ein judaisierendes Christentum solle man der christlichen Gemeinschaft inokulieren? Das Gegenteil vielmehr tue not!“

Die Gleichstellung der Juden knüpfte Schleiermacher an die Forderung, dass die Juden ihre Religion zuvor beschneiden lassen und der Hoffnung auf ihren jüdischen Messias öffentlich entsagen müssten. Schon in seinen historischen Anfängen habe das Christentum allein durch schärfste Opposition „gegen den damaligen Weltzustand, gegen die Aufklärungsbildung des Römertums und gegen die Äußerlichkeit des Judentums, gegen das Weltliche und Endliche überhaupt sich durchzusetzen und die Welt zu überwinden vermocht.“

Die heutige deutsche Situation wird immer mehr zur frappanten, gänzlich bewusstseinslosen Wiederholung der fremden- und judenfeindlichen Romantik – im Gewande eines trügerisch zur Schau getragenen Philosemitismus.

Nicht alle, die Herr Herr sagen, werden in das Reich der Himmel gelangen. Wer Ohren hat zu hören, der höre.