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Montag, 25. Februar 2013 – Shin-Bet

Hello, Freunde der Lehrer,

ein Drittel aller Lehrer muss vorzeitig in den Ruhestand. In einer Fachklinik am Chiemsee suchen jährlich 400 bis 500 Lehrer Hilfe. Viele Lehrer schleppen sich in die Schule, obgleich sie sich krank und leer fühlen. „Sie müssen ständig und letztlich unendlich viele Entscheidungen treffen“, sagt ein ärztlicher Experte. Lehrer bringen Kindern nichts mehr bei, sie müssen Entscheidungen über deren Leben treffen. Sie sind zu Schicksalsentscheidungsmaschinen geworden.

Ein Pädagoge war ein Knabenbegleiter, im alten Rom oft ein griechischer Sklave. Über die Biografien ihrer anvertrauten Kinder hatten sie keine Macht. Heute sind Lehrer Machtmenschen geworden. Sie stellen Weichen, maßen sich an, den Kindern ihren zukünftigen Lebensplatz, die angemessene Gesellschaftsschicht zuzuweisen. Sie denken mit den Gehirnen der Industrie und bereiten die Kinder auf ein beschädigtes Leben vor, indem sie sie prophylaktisch beschädigen. Schulen mit ausgebrannten Lehrern und verängstigten Schülern haben mit Pädagogik nichts zu tun.

(Lisa Sonnabend in der SZ)

 

Der Volksentscheid über Stuttgart 21 beruhte auf falschen Daten. Was das Renommierobjekt wirklich kostet, sickert erst langsam in die Öffentlichkeit. Zu viel, meinen die Stuttgarter, die sich aus Befürwortern in Gegner der Gigantomanie verwandelt haben. Mindestens eine Generation lang soll eine Stadt im Chaos leben. Kinder, die jetzt aufwachsen, werden die Welt als Baustelle

erleben. Schlichter Geißler wird in einer Zeitung als Propagandist des Projekts zitiert, in einer andern als Gegner.

Der Turmbau zu Babel drang dem Herrn allzu weit in sein himmlisches Wohnzimmer und er legte sein Veto ein, indem er den Baumeistern die Sprache verwirrte. In Stuttgart wird der babylonische Turm in die Tiefe gebaut. Verwirren muss der Herr die Sprache und Zahlen der Betreiber nicht mehr, das besorgen die von selbst. Oder könnte es sein, dass dieses Mal der Herr der Tiefe sein Veto eingelegt hat? Haben die bibelfesten Pietisten nicht die „Tiefe des Satans erkannt“? ( Neues Testament > Offenbarung 2,24 / http://www.way2god.org/de/bibel/offenbarung/2/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/offenbarung/2/“>Offbg. 2,24) Nun schlägt der Gottseibeiuns zurück.

(Ines Pohl in der TAZ)

 

Am 20. März wird Obama in Nahost erwartet. Alle warten auf den großen Durchbruch. Er wird nicht kommen. Die alte Streitfrage: Wedelt der Schwanz mit dem Hund oder der Hund mit dem Schwanz? Auf jeden Fall wird der Hund nicht bellen. Er wird ein wenig knurren, aber beißen wird er nicht.

Beide Seiten des Konflikts sind eifrig dabei, die Spannungen im Vorfeld anzuheizen. Die Schwachen unter Einsatz ihres Lebens. Die Palästinenser fordern die Entlassung ihrer Landsleute aus der Administrativhaft, ein beeindruckender Begriff für etwas, was es in einem Rechtsstaat nicht geben darf: eine Haft ohne Gerichtsurteil. Amerika ist auch nicht faul und pflegt diesen hohen Rechtsstandard, obgleich ihr erster Mann ein Rechtsprofessor ist.

Samer al-Wissawi verweigert schon seit 218 Tagen die Aufnahme normaler Nahrung. Stirbt er im Gefängnis, „wird die Region in Brand geraten.“ Die Welt schaut zu mit der erbärmlichsten aller Entschuldigungen: dieses Problem sei nicht lösbar. Gott sei Dank hat der Herr unlösbare Probleme auf die Erde geschickt, auf dass wir demütig werden im Scheitern.

(Susanne Knaul in der TAZ)

„Wo ist der weise Mann, der für Israel denkt“? Im folgenden Film über Israels Politik erzählt ein Protagonist, als Junge dachte er, „in Jerusalem gebe es in einem Gebäude am Ende eines langen Korridors eine geschlossene Tür. Und dahinter sitze ein weiser Mann, der für das ganze Land denke. Und später war er dann wirklich in diesem Gebäude. Und da war keine Tür, und da war kein Büro, und da saß niemand, der für das ganze Land dachte. Das ist so eine gute Metapher für die Situation Israels. Es gibt niemanden, auf den wir Bürger uns verlassen können. Da ist niemand.

In seinem Dokumentarfilm „Töte zuerst“ – der für den Nobelpreis vorgeschlagen ist – hat der Regisseur Dror Moreh sechs ehemalige Chefs des israelischen Geheimdienstes zum Nahostkonflikt interviewt. Das Ergebnis ist „extrem überraschend“. Alle sechs – mit Sicherheit keine linken Spinner, sondern hartgesottene Burschen – sind übereinstimmend der Meinung, dass die Besatzung der palästinensischen Gebiete unmoralisch sei. „Sie sind für eine Zweistaatenlösung, sehen die Chancen darauf täglich schwinden und glauben, durch die Unfähigkeit der politischen Spitze steuere Israel auf eine Katastrophe zu.“

Die Geheimdienstler sind dafür, dass Israel mit seinen Feinden redet, selbst mit den ärgsten wie dem Dschihad oder Ahmadinedschad. Alle sechs sagen übereinstimmend, dass es – mit Ausnahme der Regierung Rabin – jeder israelischen Regierung an Strategie gefehlt habe.

„Vor allem heute, der heutigen Regierung fehlt jegliche Strategie. Was mich bei der Arbeit an diesem Film wirklich erschüttert hat, war zu erfahren, wie viele Chancen auf Frieden die Ministerpräsidenten, die Verteidigungsminister über die Jahre verpasst haben. Wie viele verpasste Gelegenheiten es gab. Auf beiden Seiten.“

Möglicherweise hat der Film schon dazu beigetragen, dass die Wahlen zu Ungunsten von Netanjahu ausgefallen sind.

Warum hat der Regisseur mit dem 6-Tage-Krieg begonnen? „Die Grenzen von 1967 sind die Kernfrage des israelisch-palästinensischen Konflikts. 1967 hat Israel das Westjordanland besetzt, Gaza, Sinai und die Golan-Höhen. Für mich ist das der Ausgangspunkt. Wenn wir dieses Problem lösen wollen, muss Israel wahrscheinlich zu den Grenzen von 1967 zurück.“

Der Film endet bitter. Keiner der sechs Shin-Bet-Chefs scheint für Israels Zukunft noch Hoffnung zu haben. Dror Moreh: „Ich persönlich bin durch die Arbeit an diesem Film auch noch viel hoffnungsloser als zuvor. Unsere Regierung will uns immer weismachen, dass sie alles unternehmen, was in ihrer Macht liegt, um Frieden zu erreichen – allein, die Palästinenser wären immer dagegen, würden jeden Versuch torpedieren. Und wenn man dann von diesen sechs Männern hört, dass längst eine Einigung hätte erzielt werden können, wenn nur der Wille dagewesen wäre, das ist wirklich deprimierend.“

Der Film soll auch vor Palästinensern gezeigt werden. Gerade weil Shin-Bet bei den Unterdrückten verhasst ist, wird er einen besonderen Eindruck hinterlassen. Von Seiten der jetzigen Regierung werde man sagen, die Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen.

„Aber die ehemaligen Shin-Bet-Chefs haben sich daraufhin öffentlich zu Wort gemeldet und erklärt, dass sie vollkommen hinter der Aussage des Films stehen: Die Fortsetzung und Aufrechterhaltung der Besatzung einer zivilen Bevölkerung wird zum Ruin Israels führen und in eine Katastrophe. Mir kann man leicht widersprechen, aber diesen sechs: unmöglich!“

a) Die Fortsetzung der jetzigen Besatzungspolitik wird zum Ruin Israels führen.

b) Durch die Unfähigkeit der politischen Spitze steuert Israel auf eine Katastrophe zu.

c) Keine israelische Regierung – außer der Rabins – hatte eine Friedensstrategie.

d) Alle bisherigen Friedenschancen wurden auf beiden Seiten verpasst.

(FAZ-Interview von Johanna Adorján mit dem Regisseur Dror Moreh)

Betrachtet man sich diese Aussagen der Hoffnungslosigkeit von Menschen, die durch ihre Geheimdiensttätigkeit die Lage am besten beurteilen müssten, kann man sich nur fragen, warum diese Erkenntnisse in Deutschland nicht zur Kenntnis genommen werden. Die hiesigen Antisemitismus-Wächter scheinen unfähig, das Land ihrer Träume real zu sehen. Also müssen sie alle Aussagen unterbinden, die die desolate Lage Israels illusionslos zeigen. Anders kann man nicht erklären, warum sie jedem die Augen auskratzen, der nur in die Nähe der Aussagen der Geheimdienstchefs kommt.

Deutschland stellt sich blind und taubstumm und übt jetzt schon seine Unschuldsrolle für den Fall, dass auch nur ein Bruchteil von dem passieren wird, was die Sechs unisono prognostizieren. Deutschland will nie mehr schuldig werden am Schicksal der Juden – und tut alles, um erneut schuldig zu werden. Indem es sich verhält wie die drei Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.

Wenn es Antisemitismus sein soll, von außen Druck zu machen, damit die Regierung in Jerusalem auf ihre Feinde zugeht und konkrete Schritte zum Frieden anbietet, dann muss jeder Deutsche sich als Antisemit zu erkennen geben. Alles andere bedeutet: die Deutschen haben aus ihrer Geschichte nichts gelernt. Gründet in jeder Ortschaft Antisemitismus-Zirkel mit dem einzigen Ziel: der deutschen Regierung einzuhämmern, dass sie in Israel Tacheles reden muss. Auch bei den Palästinensern. Doch die Mächtigen müssen voran gehen.

Zwei gleichberechtigte Partner gibt es hier nicht. An denen, die die Macht haben, liegt es, ob Nahost eine Zukunft hat. Deutschlands historische Schuld kann nicht durch weitere Schuld vermindert werden.

Was tut sich nach den Wahlen in Israel, nachdem Netanjahu einen Schuss vor den Bug erhalten hat? Was ist vom neuen Hoffnungsträger Yair Lapid zu halten? Uri Avnerys Meinung: „Der einzige Beitrag von Yair Lapid zu israelischer Folklore ist bis jetzt sein Ausspruch, er werde keinen Schritt machen, um Benjamin Netanyahu zu blockieren, da dies bedeuten würde, sich mit „den Suabis“ zu verbinden.“

Die Suabis gehören zur arabischen Minderheit in Israel, die auf dem Papier gleichberechtigt, in Realität aber eine rechtlich benachteiligte Gruppe darstellt. Mit anderen Worten: Lapid legt sich nicht mit Netanjahu an, um eine Minorität zweiter Klasse zu unterstützen. Wenn das nicht verheißungsvoll klingt. (Uri Avnery: „Die Suabis“)

Avnery geht in seinem letzten Rundbrief auf die generellen Ursachen der israelischen Problematik ein. „Israel wird offiziell als „Jüdischer und demokratischer Staat“ definiert. Mancher sieht dies als Oxymoron an – wenn er jüdisch ist, kann er nicht demokratisch sein; wenn er demokratisch ist, kann er nicht jüdisch sein. Die offizielle Doktrin meint dazu, dass der Staat seinem Wesen nach jüdisch sei, dass aber alle seine Bürger die gleichen Rechte hätten (oder haben sollten). Nüchtern betrachtet, ist Israel mit diesem grundsätzlichen Widerspruch nie wirklich klar gekommen: welche Stellung hat eine nationale Minderheit in einem Staat, der völlig mit der nationalen Mehrheit identifiziert wird? Wie können arabische Bürger in einem Staat wirklich gleich sein, wenn dieser behauptet „der Nationalstaat des jüdischen Volkes“ zu sein?“

Was ist jüdisch, wenn es um einen demokratischen Staat geht? Die Deutschen sollten sich nicht überheben. Auch bei ihnen schwirrt noch das Bluts- und Volksprinzip im Kopf herum. Selbst Russlandsdeutsche gelten noch immer nicht als echte Deutsche, geschweige Immigranten aus anderen Nationen, selbst wenn sie einen deutschen Pass haben.

Merkt die israelische Gesellschaft nicht die latente und manifeste Diskriminierung anderer Ethnien, die sich auch als gleichberechtigte Israelis verstehen? Uri: „Viele Israelis erklären, dass sie die Diskriminierung verabscheuen, aber behaupten, dass andere demokratische Länder ihre eigenen nationalen Minderheiten auch nicht besser behandeln.“

Soll, was andere auch schlecht machen, deshalb legitim sein? Merkwürdige Rechtsauffassung, die sich zurzeit in der Weltpolitik verbreitet. Hahnemann, geh du voran, du hast die größten Stiefel an. Jede Nation schaut auf die andere und will keine Avantgarde mehr in Menschenrechtsfragen sein. Und alle schauen auf das große Vorbild in Gods own country. Doch Gott muss dort pennen oder solche läppischen Rechtsfragen für belanglos halten – wie schon immer.

Die Israelis haben sich bei der Definition des Jüdischen völlig verfranst, weshalb die meisten Juden es ablehnen, eine klare Definition des Jüdischen zu geben. Poltische Probleme aber können durch intellektuelle Unklarheit nicht gelöst werden.

Jüdischsein darf keine Religionszugehörigkeit sein. Sonst droht der Vorwurf der Theokratie. Jüdischsein darf keine Rasse sein. Sonst droht der Vorwurf des Rassismus. Tertium non datur?

Jüdischsein könnte eine Pietätsgemeinschaft zur Erinnerung an den Holocaust sein: zur Verhinderung aller weiteren Genociden, gleichgültig aus welchen Motiven. Doch der zionistische homo novus wollte sich nicht mehr am Archetyp des leidenden Opferjuden orientieren, sondern einen siegenden, mutigen Sabre kreieren.

Als die deutschen Holocaustüberlebenden, oft nach schrecklichen Irrfahrten, das verheißene Land betraten, wurden sie von den Sabres nicht mit Freuden aufgenommen. Im Gegenteil: die mühsam Entronnenen wurden als Seifenstückchen diskreditiert. Die psychischen Spannungen zwischen den Zionisten, die ein ganz neues Kapitel der jüdischen Geschichte aufschlagen wollten und dem Häufchen Elend, das sie aus den Schiffen strömen sahen, muss außerordentlich gewesen sein. Umso eindrucksvoller die gelungene Integrationsarbeit der jungen Nation, die so viele höchst unterschiedliche Ethnien in der neuen und uralten Heimat friedlich aufzunehmen und einzugliedern wusste.

All diese mühselige und erfolgreiche Arbeit wäre gefährdet, wenn die Prognosen der sechs Geheimdienstchefs zuträfen. Und wer will das Gegenteil behaupten? Israel muss eine Zukunft haben. Das wird nur gehen, wenn das Land seine biblische Auserwähltheit und religiöse Paranoia – so Avraham Burg – ablegt und sich als gleichberechtigtes Volk in die Reihe gleichberechtigter Völker eingliedert.

Es ist Unsinn, dass die Welt das kleine Land hasst. Doch es muss aufhören, aus Reaktion auf den Hass der Welt sich so zu verhalten, dass es hassenswert wird. Bis jetzt lautet das Grundmotto israelischer Politik – nicht unähnlich den Deutschen in ihrer Geschichte: viel Feind, viel Ehr. Solche Selbsterhöhungen durch Aufsummieren der Feinde und Gegner erträgt keine Welt, die zu einem planetarischen Dorf zusammengeschrumpft ist.

Die Zukunft Israels steht auf dem Spiel und in Deutschland, dem Land „unbedingter Solidarität“, wird alles verschwiegen und unter dem Vorwand der Antisemitismus-Prophylaxe unter den Teppich gekehrt. Die aggressive Heftigkeit hiesiger Antisemitismus-Wächter kann nur damit erklärt werden, dass sie schreckliche Ängste haben müssen, die wahre Situation des Landes zur Kenntnis zu nehmen.

Niemand kann ihnen diese Gefühle zum Vorwurf machen. Welcher Deutsche dies nicht verstehen will angesichts des Leids, das ihnen seine Vorväter zugefügt haben, hat kein Herz im Leib. Doch Ängste müssen sich als Ängste zu erkennen geben. Sie dürfen nicht als machtausübende Drohungen auftreten: wehe, ihr Deutschen, wenn ihr Israel kritisiert. Dann erklären wir euch unisono zu Antisemiten. Das ist eine nachvollziehbare, aber gefährliche Reaktionsbildung, die den Erfordernissen wahrer Solidarität mit Israel nicht gerecht wird.

Israels Zukunft ist gefährdet, wenn es weiterhin eine Demütigungs-, Besatzungs- und Kriegspolitik gegenüber seinen Nachbarn betreibt. Die Räumung Gazas war kein Friedensschritt, sondern eine taktische Maßnahme Scharons zur Stabilisierung der israelischen Machtposition.

Es ist falsch, dass israelische Friedensschritte mit kriegerischen Mitteln seitens der Palästinenser beantwortet wurden. Mit Ausnahme Rabins habe keine israelische Regierung eine Friedenspolitik betrieben, sagen die Chefs von Shin-Bet eindeutig.

Israel muss vor sich selbst gerettet werden, wenn es eine Chance haben will. Das wird nur gelingen, wenn es verlässliche Freunde hat, die dem Land unmissverständlich ihre kritische Meinung sagen. Zu diesen Freunden gehört Deutschland nicht.