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Tagesmail

Montag, 16.04.2012 – Verpestete Luft

Hello, Freunde Israels,

gestern Abend gab‘s eine Fortsetzung der unendlichen Reihe Günther Jauch und das deutsche Glück der Ausgewogenheit. Der Presseclub kennt nur nationale Themen, Israelfragen sind ihm unbekannt.

Doch Jauch ist mutig und wagt sich ohne Handschuhe und Mundschutz an die brandheißesten Themen. Schließlich ist er Journalist, wenn er im Nebenberuf nicht gerade Deutschlands beliebtester Schwiegersohn ist, eine Rolle, die er bis ins biblische Alter von 80 fortzusetzen gedenkt.

Laut Wikipedia ist Talk – in pulverisierter Form Talkum genannt, oft verwechselt mit Talg – ein häufig vorkommendes Mineral der Klasse Silikate und Germanate, vermutlich von Germanen aus der Gegend der Externsteine erfunden. Es entwickelt Kristalle von mattweißer, blassgrüner Farbe, bleibt also verlässlich-undurchsichtig.

Reiner Talk ist farblos, besitzt die geringste Belastungshärte, was den unschätzbaren Vorteil hat, nicht in Trümmer zu gehen, weil er ohne kristalline Härte ohnehin dauer-zerbröselt ist. Aufgrund seiner geringen Härte neigt er zu Stapel- und Hochstapelfehlern.

Das Mineral ist wasser- und dialogabweisend und fühlt sich seifig, schmierig oder fettig an, weshalb es auch Speckstein genannt wird.

Donauschwaben waren schon immer ihrer Zeit voraus und nannten talkig, was man

auf Hochdeutsch ölig-geschwätzig nennen müsste.

Wer immer noch nicht weiß, was Talk ist, setze den Buchstaben „S“ vor das glitschige Wort und erhalte Stalk. Wenn er sich dann von stalkenden Talks ständig bedroht und verfolgt sieht, dämmert ihm vielleicht die untergründige Bedeutung öffentlich-rechtlicher Specksteinprogramme.

Das Geheimnis der Talkshows ist ihre Besetzung. Die im Hintergrund agierende Redaktion komponiert die Sendung wie Lafer seine Tiroler Speckknödel mit beschwipsten Pflaumen. Kennt man die Besetzungsliste, könnte man Inhalt und Ablauf des Talks a priori entwerfen.

Was hiermit ein Angebot an die ARD wäre, um ihr marodes Vorabendprogramm mit Jauchs bestem Freund in den grünen Bereich zu heben. Man zeichne die Live-Sendung auf, damit das Leben keine Überraschung bietet (was inzwischen ohnehin passiert), lässt wache, frühreife Kinder die vermutete Show fiktiv vor- und nachempfinden und vergleiche die Fiktion mit der erschütternd voraussagbaren Realität.

Die Welt 2.0 wird die Wirklichkeit Nullnull regelmäßig in den Schatten stellen. (Das Leben vorwegnehmend aufzuzeichnen, um es als authentisches mechanisch zu repetieren, nennt man in neoliberalen Jagdgründen Bildung und Erziehung, Fachleute sprechen auch von Sozialisation.)

Im SWR2 werden immer drei Experten eingeladen, die Meinung der Redaktion wird von der Majorität der Zweien vertreten, die für das richtige Gesamtergebnis zu sorgen haben.

Bei Maischberger gibt es je zwei Antagonistenpaare, einen Betroffenen für erwünschte akkordierende Stimmung und den objektiven Experten, der das Gewusel auf den entscheidenden Schlüsselbegriff bringen soll: eine changierende Kompromissbildung aus SPIEGEL, ZEIT, FAZ und SZ.

Bei Jauch standen Augstein – einer der wenigen deutschen Journalisten, der sich dem Mainstream widersetzte – gegen Wolffsohn, eine ängstlich guckende Grass-Freundin mit keiner Meinung gegen einen bulligen Minister mit korrekter Meinung. Ein Schauspieler jüdischer Herkunft war für die Rolle des Betroffenen vorgesehen. Michael Lüders, klar sprechender Orientalist, durfte im stummen Chor des Publikums Platz nehmen und zwei Sätze sagen.

Auf der Seite der Grassgegner oder -feinde war verbale Abrüstung angesagt. Nein, natürlich sei Grass kein Antisemit, aber er benutze antisemitische Klischees, er bewirke Antisemitisches.

Es war wohl nicht opportun, den deutschen Helden der Tinte allzu sehr in derselben zu ertränken, im Gegenteil. Seine Beschreibung eines überlebenden Treblinkahäftlings sei so ergreifend, dass Wolffsohn fast die Tränen kamen.

Auch Reich-Ranicki wiederholte in einem eingespielten Filmchen kein „ekelhaft“ und „erbärmlich“, manches klang wie ein Versöhnungsangebot.

Die Demontagen des Dichters als Dichter von Henri Levy über Louis Begley bis zu fast allen Feuilletonchefs der großen Gazetten wurden mit keinem Wort erwähnt. Die Außenstimmung des hitzigen Streits wurde nicht „abgebildet“, um ein Lieblingswort der Intellektuellen zu benutzen, die von Wahrheit als Abbildung (= Klischee) der Wirklichkeit sonst nichts wissen wollen.

Bin ich kein Mörder, wenn ich nur mörderische Mittel benutze oder mörderische Wirkungen bewirke? Die neuen friedlich klingenden Formeln Wolfssohns wurden von niemandem hinterfragt.

Wie überhaupt nur der Moderator das Recht des Fragens als Lizenz vom Himmel erhalten hat. „Ich stelle hier die Fragen“, stellen die Moderatoren ihre Alpha-Funktion unmissverständlich fest. Dialoge und Klärungsversuche unter den Teilnehmern sind verboten. Wer gegen die ungeschriebenen Regeln der TV-Funktionäre verstößt, war das letzte Mal im rotierenden Talkzirkus.

Dass Grass Probleme mit Juden und Israelis haben müsse, habe man schon früh sehen können, so Wolffsohn, als er sich im heiligen Land wie ein Elefant im Porzellanladen aufgeführt habe.

Elefanten sind feinsinnige und behutsame Riesen. Was also meinte der Bundeswehrhistoriker? Hat Grass damals die israelische Politik kritisiert? Darf man das nicht, wenn man Gast ist in einem befreundeten Land?

Was verbindet Wolffsohn mit dem spanischen König? Beide schießen gerne Elefanten, selbst wenn sich dieselben weit entfernt von Porzellanläden aufhalten. Auch habe Grass es gewagt, dem israelischen Schriftsteller Kaniuk zu widersprechen – also Antisemitismus? Oder nur Benutzung antisemitischer Versatzstücke?

Bin ich kein Bösewicht, wenn ich Böses tue, aber Gutes bewirke? Dann wäre Mephisto ein engelgleicher Undercoveragent unter harmlosen Teufeln.

Bin ich unschuldig, wenn ich zwar Böses bewirke, Böses jedoch nicht beabsichtigt hatte?

Liegen die Wirkungen meines Tuns in einer medial steuerbaren Öffentlichkeit allein bei mir? Wird meine Gesinnung durch unüberschaubare Verbreitungskanäle nicht beliebig ins Gegenteil verkehrt?

Keine Fragen, keine Antworten.

Natürlich hat auch der Elefantenjäger Kritik an Netanjahu. Als sein Nachbar die Zustände in Gaza kritisierte, nickte er ihm innig und verständnisvoll zu.

Die deutsch-jüdische Intelligentsia ist so was von kritisch eingestellt gegenüber Netanjahu. Doch dezent wie sie ist, lässt sie sich das selten anmerken.

Weniger dezent ist man gegenüber jenen, die es wagen, ihre Deutungshoheit in Antisemitismus-Dingen anzuzweifeln.

Wer war nicht eingeladen im plappernden Circus maximus? Kein israelkritischer Jude, kein Uri Avnery, kein Araber, kein Palästinenser, kein Ausländer, kein Schirrmacher, kein Joffe. Die ganz Großen steigen nicht in die Manege der nicht gleichgeschalteten, aber völlig konformen Quasselforen.

Was wäre passiert, wenn Grass seine Teilnahme zum Streitgespräch zugesagt hätte? Hätte Jauch gewagt, ihn überhaupt einzuladen? Hätte Broder die Herausforderung angenommen?

Der angstfreie Diskurs des Herrn Habermas hat‘s nicht ins Leben geschafft, schon gar nicht ins Rampenlicht der Großmatadoren.

Warum war Heide Simonis anwesend, obgleich sie nichts zu sagen hatte? Um des Schluss-Gags willen. Im Schlussfilmchen, dem Höhepunkt der choreografierten Augsburger Puppenkiste, sah man den Nobelpreisträger seine Landesherrin schwungvoll im Tanze herumwirbeln. Applaus. Abspann!

Der wütende und beißkräftige Rottweiler der öffentlichen Debatte wurde dem erstaunten Publikum vom ARD-Dompteur als Schoßhündchen mit Schleife im Haar präsentiert. Doch, doch, energisch kann er sein: „Am Sonntagabend wird nicht durcheinander gequasselt“.

 

Heute ist David Remnicks Kommentar zu Israel in der ZEIT erschienen:

Hier kann man Zahlen lesen, die man sonst nicht findet. In einer Umfrage des vergangenen Jahrs seien 51% aller Israelis der Meinung gewesen, dass scharfe öffentliche Kritik am israelischen Staat verboten werden sollte. Netanjahu wird nicht müde zu betonen, dass derartige Kritik das Werk von Feinden sein.

(Niebel hielt es bei Jauch für richtig zu sagen, dass er das israelische Einreiseverbot für SS-Mitglied Grass verstehen könne. Er vergass zu erwähnen, dass auch SS-Chomsky, SS-Finkelstein und sonstige SS-Europa-Kritiker an der Unrechtspolitik der Besatzer keine Einreisegenehmigung erhalten.)

Seine Hauptkritik an Israel fasst Remnick in folgendem Satz zusammen: „Wenn die Regierung täglich von der existentiellen Bedrohung durch den Iran spricht und zu einem Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen drängt, dann übersieht sie die existentielle Bedrohung, die sich im Lande selbst zusammenbraut.“

Am Anfang des politischen Zerfalls stehe die mittlerweilen 45 Jahre währende Besatzungspolitik. Das ist mehr als eine Generation. Wie viele Jugendliche und Heranwachsende haben noch keinen einzigen freien Tag in ihrem Leben erlebt?

Mit einer demokratiefeindlichen, ja rassistischen Kultur gefährde die Besatzerpopulation im Westjordanland das ganze israelische Kernland. Dazu gehörten inzwischen mehr als 300 000 Menschen, unter ihnen Avigdor Lieberman, der faschistoide Außenminister, der die Todesstrafe für arabische Parlamentsangehörige fordert, die es wagen, sich mit Hamasführern zu treffen.

Wie dermaleinst McCarthy, der Kommunistenfresser in Amerika, plädiert Lieberman für Einschränkung von Menschenrechtsorganisationen und für Gesetze zur Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Die Fundamentalisten im Land werden täglich aggressiver. Schulmädchen, deren Kleidung ihnen nicht züchtig erscheint, werden von ihnen bespuckt. Orthodoxe Soldaten sollten sich lieber erschießen lassen, als an Veranstaltungen teilzunehmen, bei denen Frauen singen.

Frauen dürften auch nicht für öffentliche Ämter kandidieren, weil der Ehemann die Familienmeinung repräsentiere. Vor wenigen Jahren entrüsteten sich moderne jüdische Frauen, wenn sie hörten, die jüdische Religion behandle die Frau als minderwertiges Wesen. Längst ist die Debatte verstummt.

Alice Schwarzer attackiert aufs schärfste die Unterdrückung muslimischer Frauen, die das Kopftuch als Zeichen ihrer Erniedrigung tragen müssten. Über die Unterdrückung ultrafrommer jüdischer Frauen äußert sie sich nicht.

Ultra-Rabbiner erließen eine Verordnung, wonach es verboten ist, Land an Nichtjuden zu verpachten oder zu verkaufen.

Während die rechte jüdische Lobbygruppe AIPAC in Amerika stramm an der Seite Netanjahus steht, will der Regierungschef von liberalen amerikanischen Juden nichts wissen, die sich immer mehr vom ehemaligen Land ihrer Sehnsicht abkoppelten. Sein eigener Vater bescheinigt ihm, dass er einen Staat der Palästinenser nur unter Bedingungen bejahe, die jene niemals akzeptieren werden.

 

Uri Avnery hat sich zu Grass geäußert. Undenkbar, dass er – wie alle „selbsthassenden“ Israelis à la Zuckermann oder Gideon Levy – in eine deutsche Talkshow eingeladen werden würde. Vor vielen Jahren war er einmal bei Sabine Christiansen zu sehen.

Grass ist für ihn kein Antisemit, in der Sache übertreibe er zum Teil maßlos, doch deutsche Kritik an Israel sei notwendig.

Der Grund für die Missachtung selbstkritischer, nüchterner Israelis liegt in der Gleichschaltung der deutschen Medien. Die keine wäre, sonst müsste es jemanden geben, der den Schalter betätigte, sagte Augstein bei Jauch.

Natürlich gibt es eine Institution, die sich als Hüter des Schalters betätigt: es ist das schlechte Gewissen der Deutschen, das sich unter anderem in schwärmerischem Philosemitismus äußert.

Es ist das vorauseilende reuige Über-Ich, das die Taten der Väter heimsucht bei den Kindern bis ins dritte und vierte Glied. Man braucht keinen totalitären Despoten, wenn man ein christliches Schuldbewusstsein verinnerlichen musste.

Ihr Deutsche habt ein Problem mit uns, gebt es endlich zu, sagen die Juden und werfen jenen vor, an ihrer Scham und Schuld herumzuwürgen. Sie haben völlig Recht.

Warum sind die Deutschen unfähig, sich zu ihren seelenzerfressenden Gefühlen zu bekennen? Weil sie im psychischen Untergrund immer noch protestantisch sind, weil ihre Schuld ihnen noch immer unermesslich dünkt. Unermessliche Schuld erfordert unermessliche Strafe. Bis hierher hat Broder Recht, darüber hinaus ist er von Züchtigungsphantasien geplagt.

Wären die Deutschen seelische Katholiken, hätten sie längst mit vielen Beichten ihr Herz erleichtert. Gelernte Lutheraner haben sich in 500 Jahren an das zerknirschte Bewusstsein gewöhnt, das nie enden und vergehen darf. Erstens weiß kein bußfertiger Lutheranhänger, ob Gott ihm wirklich verziehen hat, (es gibt bei ihnen keine autoritären Priester, die diese Seelenpein ultimativ auslöschten), zweitens ist die Zerknirschung selbst die Strafe.

Wie können Deutsche sich frei von ihrer Vergangenheit fühlen, wenn ihnen ihre Schuld unendlich dünkt und ihre Selbstbestrafung keinen Deut geringer ausfallen darf? Sie brüten in autistischer Seelenzermürbung, weil kein Gott ihnen signalisiert, dass es genug sei.

Auch die Juden denken nicht daran, ihnen die Wohltat der Versöhnung anzubieten. Die von ihnen abverlangten Opfer scheinen ihnen ebenfalls unermesslich.

Gleichzeitig aber fühlen sich die Deutschen so aufgeklärt und kirchenfern, dass sie Schuld für lächerlich empfinden, auch wenn man ihnen ihre desolat zernarbte Seele im Spintomograph der Gehirnforscher zeigen würde.

In dieser Gespaltenheit verharren die Nachfolger der Täter, die mit ihren Vätern stärker in Schuld & Sühne verbunden sind, als sie sich zugeben. Fleißig und gehorsam, wie sie sind, haben sie sich ersatzweise auf die äußerliche Bewältigung ihrer Vergangenheit gestürzt, um die mahnenden Stimmen in ihrer Brust zum Schweigen zu bringen.

Heute glauben sie, sie hätten ihre Vergangenheit entsorgt, weil sie viele Holocaust-Museen, Erinnerungsstätten, Stolpersteine errichtet hätten, in der Schule das Dritte Reich mit allen Schandtaten ermüdend oft durchgearbeitet und jedes Jahr einen Bußgang nach Auschwitz und Treblinka durchgeführt hätten.

Sie zählen ihre guten Taten und berechnen sie wie Ablasszahlungen für ihre Sünden. Ihr Bewusstsein ist auf der Stufe katholischer Werkerei stehen geblieben, ihr Inneres aber zweifelt an der schuldvergebenden Fähigkeit ihrer gutgemeinten Taten.

Zum Katalog ihrer guten Werke gehört ihre Überidentifikation mit den Opfern – ihr Philosemitismus. Alles, was von Israel kam, war gut, alles, was von dessen Feinden kam, war böse. Das Gegenbild des Antisemitismus, der alles für böse hält, was von Juden kommt, weil es von Juden kommt.

Doch diese simple Form seelischer Selbstentlastung ist lange vorbei. Je mehr Nachrichten über die Schandtaten der Israelis nach Europa drangen, je mehr kippte die Idolisierung der Opfer in Dämonisierung der neuen Täter.

Wenn Opfer selbst zu Tätern werden können, kann die Last der deutschen Täter nicht gar so groß sein, wie es den Tätern bislang schien. Da tat sich eine neue Form der Selbstentlastung auf, anfänglich im Modus des Verbotenen und Ungehörigen. War es nicht zu simpel – ja alttestamentarisch -, die eigenen Untaten gegen die neuen Untaten der jetzigen Täter aufzurechnen? Auge um Auge, Vergleich um Vergleich?

Die gegenwärtigen Untaten der Israelis gerieten immer mehr zu Analogien früherer NS-Taten. Erbittert schlugen die ehemaligen Opfer zurück, die am Anfang ihrer Staatengründung die Vision hatten, einen ganz neuen jüdischen Menschentypus auf dem Boden des zionistischen Staates zu schaffen und sich eingestehen mussten, dass sie vor dem Scheitern standen.

Uris scharfe Kritik an „seinem“ Staat war auch der verzweifelte Versuch, seine Utopie zu retten. Doch je mehr die Zeit voranschritt, je mehr versank der zionistische Traum in Schutt und Asche.

So wenig die Deutschen Auskunft geben können über die Altlasten ihrer Seele, so wenig ihre polaren jüdischen Brüder über die Neulasten ihres von vorne beginnenden politischen Bewusstseins, das alles besser machen wollte als die verrotteten Staaten der Gojim.

Gaza sei kein Warschauer Ghetto, die Besatzungspolitik kein Aufguss nationalsozialistischer Gräuel. Natürlich nicht. Doch nicht alles, was nicht nationalsozialistisch ist, ist koscher und menschenrechtlich unbedenklich.

So belügt sich jede Seite, so gut sie kann und glaubt, durch Attacken auf die vermeintlichen Freunde sich von ihrer spezifischen Schuld zu entlasten. Vergebens.

Die Spirale der gegenseitigen latenten und offiziellen Vorwürfe eskaliert und nimmt – unter dem absurden Vorzeichen unbedingter Solidarität – immer verhängnisvollere Ausnahmen an.

Grassens Gedicht hat eine brennende Lunte in das vergiftete, unaufrichtige und bewusstseinslose Beziehungsgestrüpp der beiden Kain und Abel-Nationen geworfen. Das ist zu wenig und zu einsichtslos. Die entbrannte Debatte hat bislang nur die Luft verpestet. Wir müssen von vorne beginnen.