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Tagesmail

Montag, 11. Februar 2013 – Katholische Soziallehre und Oskar

Hello, Freunde der Arbeit,

was tun gegen Arbeitslosigkeit? Die Menschen wollen arbeiten. Allein sie dürfen nicht, denn Arbeitslosigkeit ist das strategische Ziel der Arbeitgeber, um die entstehenden Reservearmeen zur Lohnverkürzung derer zu nutzen, die gnädigerweise einen Arbeitsplatz kriegen – aber bestimmt nicht zum Zweck, ihr Leben ausreichend zu finanzieren.

Arbeitslosigkeit ist gewollt und kein Zufall. Unbefristete Arbeitsverträge auf sicherer Lohnbasis schmelzen wie Schnee unter der Sonne. Der technische Fortschritt setzt immer mehr Arbeitswillige frei. Hurra, hätte man noch vor 30 bis 40 Jahren gesagt. Dann wird die schrumpfende Maloche unter den Menschen aufgeteilt, die Früchte der Arbeit als Produkt und Lohn unter den Menschen gerecht verteilt – das wären echte Fortschritte gewesen.

Doch die christianisierte Moderne steht unter dem Fluch von Sünde und Strafe: für alles Gute, was sie geleistet hat, muss sie „Kosten“ zahlen. Etwas eindeutig Gutes gibt es nicht. Niemand stellt die Frage, ob die Kosten den Gewinn übertreffen, sodass kein Fortschritt, nicht mal Stillstand möglich sind, sondern bilanzierter Rückschritt – dies aber in reißender Dynamik und beschleunigtem Tempo.

Was die Menschheit nötig hätte, wäre ein globales Sabbatical, ein kollektives Innehalten. Was haben wir erreicht? Was fehlt? Was müssen wir noch leisten? Der kleinste Betrieb muss Bücher führen und jährliche Bilanzen in Soll und Haben vorlegen. Nur die Menschheit insgesamt schlampt sich mit Mutmaßungen

über ihre tatsächlichen Erfolge und Misserfolge durch die Jahre des Herrn.

Es gibt kein rationales Ziel der menschlichen Entwicklung. Gibt es kein rationales Ziel, gibt es keine rationale Überprüfung. Jeder Vorgesetzte macht mittlerweilen eine Zielvereinbarung mit seinen Abhängigen, um nach einer bestimmten Zeit zu schauen, ob die Ziele erreicht wurden. Die Weltgemeinschaft denkt gar nicht daran, im Großen zu tun, was sie im Kleinen praktiziert. Individuell will der Kapitalist ein homo rationalis sein, im Gesamttross bevorzugen sie das James Dean-Spiel: wer zuerst vor dem Abgrund bremst, hat verloren.

Nun fordern über 100 Prominente, die Arbeitslosigkeit durch Arbeitszeitverkürzung abzumildern. „Ein Überangebot an den Arbeitsmärkten führt zu Lohnverfall“, heißt es im Brief. Angesichts steigender Arbeitslosigkeit in Europa gelte es zu verhindern, „weiterhin die Krisenlasten der lohnabhängigen Bevölkerungsmehrheit und den Arbeitslosen aufzubürden“, zitiert Eva Völpel in der TAZ.

Bei uns gibt es drei Millionen Arbeitslose, dazu kommen über drei Millionen Teilzeitbeschäftigte, die im Schnitt etwa 15 Stunden in der Woche arbeiten, was zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig ist. Die Gewerkschaften meiden das Thema. Ihre Clientel besteht aus Arbeitsplatzbesitzern, die ihre Arbeit mit niemandem teilen wollen.

Heinz-Josef Bontrup, einer der Initiatoren: „Selbst mancher Gewerkschaftsvorstand «kapiert Dinge aus dem ersten Semester Ökonomie nicht. Man muss die Ware Arbeitskraft verknappen, sonst bekommt man die Löhne nicht hoch»“. Die Gewerkschaften werden immer mehr zu Bodyguards der Arbeitsbesitzer. Wer keine Maloche hat, hat keinen starken Verband auf seiner Seite.

Was sind Strukturreformen? Wenn‘s den Kleinen an den Kragen geht. Die ökonomische Kampfsprache ist zu 90% eine Lügensprache. Nicht mal die linke Presse denkt daran, ein Glossarium der häufigsten Begriffsverdrehungen beizufügen.

In Deutschland, sagte Merkel in Davos, musste es erst über 5 Millionen Arbeitslose geben, bevor es zu Strukturreformen kommen konnte. Das war die Leistung eines SPD-Mannes namens Schröder, der vor 7 Jahren an gleicher Stelle verkündet hatte, dass „wir einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut [haben], den es in Europa gibt“. Da meldet einer mit stolz geschwellter Brust bei den Reichen, dass er die Armen erfolgreich zur Ader gelassen hat.

Merkel will den Wettbewerb auf schärfstem Niveau. In ihren Worten: Europa brauche eine „Kohärenz in Sachen Wettbewerbsfähigkeit“, die sich keinesfalls am Mittelmaß orientieren dürfe. Ziel sei vielmehr eine Wettbewerbsfähigkeit, die „uns Zugang zu den globalen Märkten ermöglicht“.

Die Wettbewerbsfähigkeit liegt nicht an der Sachkompetenz fähiger Mitarbeiter, sondern an den geringsten Löhnen für Mitarbeiter, die so gut sein können, wie sie wollen. Wenn ihre Löhne zu hoch sind, können die obersten Leistungsbringer ihren internationalen Rivalen nicht mehr davoneilen. Also müssen sie die obersten Leistungsbringer Ballast abwerfen. Sei es durch Freisetzen (= Entlassen) ihrer Mitarbeiter, sei es durch Senken der Arbeits“kosten“.

Arbeiter und Angestellte kosten vor allem und bringen nicht viel. Wenn der Betrieb unten rum verschlankt worden ist, sprintet der leitende Manager befreit an allen internationalen Konkurrenten vorbei. „Von Deutschland lernen, heißt siegen lernen“ ist ihre Parole.

Diese Methode der absichtlichen Arbeitslosenwachstumsmethode war schon in Margaret Thatchers Regierungszeit ein offenes Geheimnis der Politik. Thatchers damaliger Notenbanker: „Die Erhöhung der Arbeitslosigkeit war mehr als wünschenswert, um die Arbeiterklasse insgesamt zu schwächen. […] Hier wurde […] eine Krise des Kapitalismus herbeigeführt, die die industrielle Reservearmee wiederherstellte und die es den Kapitalisten fortan erlaubte, hohe Profite zu realisieren.“

So gesehen ist eine Politik, die die Arbeitslosigkeit nicht senkt, sondern erhöht, durchaus marktkonform. Naomi Klein, weltberühmte Kapitalismuskritikerin, schrieb von einer Schocktherapie. Die Eurokrise ist für Merkel weder Unglück noch Zufall: „Die Eurokrise kommt Angela Merkel und denen, die Sir Alan Budd als „Kapitalisten“ bezeichnet, nicht nur gelegen, sie ist vielmehr der entscheidende Hebel, mit dem man den Sozialstaat erfolgreich entkernen kann.“

Es ist nur konsequent, Europa kaputt zu sparen. Wenn kein Geld mehr da ist für Hängemattenbesitzer, können endlich Strukturreformen durchgeführt werden.

 

Jauch hat eine famose Talkidee. In der ersten Sendung macht er Murks, in der zweiten bietet er über den Murks ein Gespräch an. Fortsetzung des Murkses folgt.

Seit gestern Abend wissen wir, woran Oskar Lafontaine glaubt: an die katholische Soziallehre. An die Kirche glaubt er nicht, aber daran, dass sie in unersetzbarer Weise Werte an den Pöbel vermittelt. In der Gesellschaft gebe es einen immensen Werteverfall. Ob Oskar an die Werte der Abweisung vergewaltigter Frauen oder an Kinderschänden im Namen der Liebe gedacht hat? Bestimmt nicht. Noch ein „Aufklärer“ wie Habermas, der die Demokratie ohne Klerus untergehen sieht. An die Werte der Demokratie scheint der Jesuitenzögling nicht zu glauben. Ein exquisiter Glauben muss etwas sein, was das Bestehende transzendiert.

An der Liaison der schönen Kommunistin mit dem katholischen Urgestein der Linken kann man die geheime Sehnsucht paarungsbereiter deutscher Ideologien ablesen. Schon Dutschke, bergpredigender Marxist, liierte sich mit einer amerikanischen Theologin. Wenn man Jesus, Marx und Erhard – der laut Wagenknecht bei der Linken am besten aufgehoben wäre – zu einer fröhlichen Dreieinigkeit verbände, erschiene mit Sicherheit das Reich der Freiheit und ein Herz-Jesu-Marxist wie Norbert Blüm wäre Kanzler auf Lebenszeit.

Die katholische Soziallehre entstand im 19. Jahrhundert aus Notwehr der Kirchen gegen die gottlose Flut marxistischer Arbeiter, die der Kirche enteilten, weil jene nicht die geringste Anstrengung unternahm, weder den Frühkapitalismus im Kindbett mit einem Kissen zu ersticken noch die ausgemergelten und ihrer Familie entfremdeten Malocher gegen die feisten Ausbeuter, pardon, die damaligen innovativen Arbeitsplatzbeschaffer, zu unterstützen.

Zuerst gab es, wieder einmal, ein paar gute, aber völlig vereinzelte und in der kirchlichen Hierarchie nicht gern gesehene Hirten wie Kolping auf der katholischen oder Hermann Wichert auf der lutherischen Seite, die dem Elend gute Ablasstaten entgegensetzten. Doch die genügten nicht, um den Abfall der Massen vom Glauben aufzuhalten.

Also mussten endlich der Vatikan und der – 1870 unfehlbar gewordene – Papa christianorum an die Front. Der hieß damals Leo XIII und schrieb die Enzyklika Rerum novarum: über neue Dinge. So neu war der Geist des Kapitalismus nun auch nicht, wenn man darunter versteht, dass die einen superreich sind, die andern am Hungertuch nagen.

Im Mittelalter war es zufällig die Kirche selbst, die zu den blutsaugenden Ausbeutern gehörte. Allerdings nicht auf dem Niveau naturschädigender Produktion, sondern mit Hilfe der letzten Ölung und Beerbung großer Vermögen am Sterbebett und mit Hilfe künstlich geschaffener riesiger Bettlermassen, die vom Klerus als allseits verfügbare und mobile Hilfstruppen gegen Widersacher eingesetzt werden konnten.

Doch mit der neuen Produktionsökonomie war eine aus calvinistischen Wurzeln geborene Macht angetreten, die dabei war, die Welt mit Haut und Haaren zu fressen und die Macht der Priester abzulösen. Bei Adam Smith ist die tiefe Abneigung gegen die geistliche und wirtschaftliche Macht der Kirche mit Händen zu greifen. Die Geburt des Kapitalismus ist ohne Hass auf den Papismus nicht zu verstehen. „Die Kirche hat einen guten Magen, hat ganze Länder aufgefressen /Und doch noch nie sich übergessen; /Die Kirch‘ allein meine liebe Frauen, /Kann ungerechtes Gut verdauen.“

Diese Kirche nun erfand sich ganz neu und wurde antikapitalistisch. Nein, das Anti passt nicht. Die Kirche wollte noch nie verändern, was zur unveränderlichen Bosheit der Welt gehört. Wie immer begnügte sie sich damit, einen Status quo der streitenden Parteien mit ihrer Hilfe herzustellen, Frieden, Frieden zu predigen, gegen die umstürzlerischen Revolutionäre Stellung zu beziehen, den Reichen ins Gewissen zu reden, nicht zu übertreiben und die Armen zum Dulden unveränderlicher Übel zu ermahnen.

Die Kirche will nichts Grundsätzliches ändern. Das Grundsätzliche ist Sache des Gottes. Dessen Vertreter auf Erden sind dazu da, das Unerträgliche dauerhaft erträglich zu machen und den lieben Kinderlein Ruhe, Sanftmut und Duldsamkeit zu predigen. First of all: es gibt eine unveränderliche Ordnung der Dinge, die ein bisschen vernünftig ist und nicht in Frage gestellt werden darf.

Im Gegensatz zu Augustin und dem Luthertum, die das absolut Böse in der Welt betonen, hatte der Katholizismus, unter dem Einfluss des heidnischen Aristoteles, ein wenig an der irdischen Vernunft genascht – zumindest in weltlich-politischen Dingen. Nur der geistliche Überbau war den überirdischen Tugenden vorbehalten. Die ewige Seligkeit war ein Gnadenakt. Die schnöde Welt durfte von der schnöden Vernunft und dem Naturgesetz reguliert werden.

Diese Rolle der Vernunft hat Benedikt XVI. – der just eben zurücktrat – in Regensburg so in den Vordergrund gestellt, als sei sie vom Klerus erfunden worden. Ganz nach dem Motto: was die Kirche im Köcher hat, hat sie direkt vom Himmel empfangen.

„Vor allem ist also von der einmal gegebenen unveränderlichen Ordnung der Dinge auszugehen, wonach in der bürgerlichen Gesellschaft eine Gleichmachung von hoch und niedrig, von arm und reich schlechthin nicht möglich ist. Es mögen die Sozialisten solche Träume zu verwirklichen suchen, aber man kämpft umsonst gegen die Naturordnung an. Es werden immerdar in der Menschheit die größten und tiefgreifendsten Ungleichheiten bestehen. Ungleich sind Anlagen, Fleiß, Gesundheit und Kräfte, und hiervon ist als Folge unzertrennlich die Ungleichheit in der Lebensstellung, im Besitze. Dieser Zustand ist aber ein sehr zweckmäßiger sowohl für den einzelnen wie für die Gesellschaft. Das gesellschaftliche Dasein erfordert nämlich eine Verschiedenheit von Kräften und eine gewisse Mannigfaltigkeit von Leistungen; und zu diesen verschiedenen Leistungen werden die Menschen hauptsächlich durch jene Ungleichheit in der Lebensstellung angetrieben. Die körperliche Arbeit anlangend, würde der Mensch im Stand der Unschuld freilich nicht untätig gewesen sein. Die Arbeit, nach welcher er damals wie nach einem Genusse freiwillig verlangt hätte, sie wurde ihm nach dem Sündenfalle als eine notwendige Buße auferlegt, deren Last er spüren muß. „Verflucht sei die Erde in deinem Werke; mit Arbeit sollst du von ihr essen alle Tage deines Lebens.“ In gleicher Weise werden immer auch die übrigen Beschwernisse auf dieser Erde wohnen, weil die Folgen der Sünde als bittere Begleiter an der Seite des Menschen bis zu seinem Tode haften. Leiden und dulden ist einmal der Anteil unseres Geschlechtes, und so große Anstrengungen man auch zur Besserung des Daseins machen mag, die Gesellschaft wird niemals frei von großer Plage werden. Die, welche vorgeben, sie könnten es dahin bringen, und die dem armen Volke ein Leben ohne Not und nur voll Ruhe und Genuß vorspiegeln, täuschen fürwahr die Menschen mit einem Truge, welcher nur größere Übel zur Folge haben wird, als die sind, an denen die gegenwärtige Gesellschaft krankt. Das Richtige ist, die Dinge nehmen, wie sie wirklich sind, und das Linderungsmittel, wie gesagt, anderswo aufsuchen.“ (Rerum novarum)

Wir wissen nicht, ob Oskar dieses Gründungsdokument der katholischen Soziallehre kennt. Kennt er es, hat er den Traum des Marx vom Reich der Freiheit und den gemäßigten Traum des Eduard Bernstein von einem zwar arbeitsreichen, aber zufriedenstellenden Leben auf Erden dem Wind übergeben. Eine Alternative zum naturzerstörenden Kapitalismus gibt es dann nicht.

Lafontaine will, wie die Kirchen, die schlimmsten Wunden mit einem Pflaster versehen. An Heilung ist nicht zu denken. Das wäre eine Utopie und die steht – ganz im Geiste der Priester – unter Lust- und Paradiesverbot. (Mit der besonders dämlichen Begründung, im Paradies sei es langweilig.)

Die kritischsten Geister in Neugermanien können ohne Beihilfe des Himmels weder denken noch fühlen. Der Begriff Heilung ist zum Copyright der Erlöser geworden. Wer sich erkühnt, diesen Begriff der menschlichen Autonomie zurückzuerobern, wird unter den Verdacht totalitärer Zwangsbeglückung gestellt. Nur Gott darf heilen, der Mensch ist ein zum Bankrott verurteilter Rohrkrepierer.

Nach der Enzyklika gibt es: a) Keine Gleichheit unter den Menschen. b) Eine demokratische Gleichwertigkeit ohnehin nicht. Wir befinden uns in den Epochen des klerikalen Widerstands gegen jedwede Volksherrschaft. c) Ungleichheit ist ein notwendiges Stimulans, um die Menschen zur Arbeit anzutreiben. d) Die Welt bleibt ein Jammertal voller Plagen in Dulden und Leiden, die Sünde ein bitterer Begleiter des Menschen. e) Träume einer selbstbewussten Menschheit, die jegliche Erbsünde abgelegt hat, sind Hybris wider den Himmel. e) All dies ist Naturordnung und wird es immer bleiben.

Das griechische Naturrecht als Abdruck eines kosmischen Gleichgewichts, wo Menschen ihr Leben in Glück verbringen, ist von Papisten bei gleichem Titel ins Gegenteil verkehrt worden. Worauf es vor allen ankommt, ist die Überzeugung, „daß es vor allem auf die Wiederbelebung christlicher Gesinnung und Sitte ankommt, ohne welche alle noch so vielversprechenden Maßnahmen menschlicher Klugheit, wahres Heil zu schaffen, unvermögend bleiben.“

Der geheime Impetus der katholischen Soziallehre ist die Rückführung der Arbeiter zum christlichen Leben. Weltliche Sozialpolitik ist indirekte Missionierung. Mit Ermahnungen zur Friedenspflicht, zum Ertragen des unwürdigen und gedemütigten Malocherdaseins will der Vatikan seine verlorene Weltgeltung zurückerobern.

„Mit voller Zuversicht treten Wir an diese Aufgabe heran und im Bewußtsein, daß Uns das Wort gebührt. Denn ohne Zuhilfenahme von Religion und Kirche ist kein Ausgang aus dem Wirrsale zu finden; aber da die Hut der Religion und die Verwaltung der kirchlichen Kräfte und Mittel vor allem in Unsere Hände gelegt sind, so könnte das Stillschweigen eine Verletzung Unserer Pflicht scheinen. Allerdings ist in dieser wichtigen Frage auch die Tätigkeit und Anstrengung anderer Faktoren unentbehrlich: Wir meinen die Fürsten und Regierungen, die besitzende Klasse und die Arbeitgeber, endlich die Besitzlosen, um deren Stellung es sich handelt. Aber Wir sagen mit allem Nachdruck: Läßt man die Kirche nicht zur Geltung kommen, so werden alle menschlichen Bemühungen vergeblich sein; denn die Kirche ist es, welche aus dem Evangelium einen Schatz von Lehren verkündet, unter deren kräftigem Einfluß der Streit sich beilegen oder wenigstens seine Schärfe verlieren und mildere Formen annehmen kann; sie ist es, die den Geistern nicht bloß Belehrung bringt, sondern auch mit Macht auf eine den christlichen Vorschriften entsprechende Regelung der Sitten bei jedem einzelnen hinwirkt; die Kirche ist ohne Unterlaß damit beschäftigt, die soziale Lage der niederen Schichten durch nützliche Einrichtungen zu heben; sie ist endlich vom Verlangen beseelt, daß die Kräfte und Bestrebungen aller Stände sich zur Förderung der wahren Interessen der Arbeiter zusammentun, und hält ein Vorgehen der staatlichen Autorität auf dem Wege der Gesetzgebung, innerhalb der nötigen Schranken für unerläßlich, damit der Zweck erreicht werde.“

Am wichtigsten ist die Zusammenarbeit mit Fürsten und Eliten in Politik und Wirtschaft, die Besitzlosen werden gerade noch erwähnt. Unlösbare Widersprüche und Klassenkonflikte gibt es nicht, die zum Umsturz der Verhältnisse berechtigen könnten. Mit Hilfe der großen Macht der Kirche kann jeder Streit beigelegt oder so gemildert werden, dass er erträglich wird.

Wer Gutes mit Macht verbreitet, muss als Faschist gelten. Die Besitzverhältnisse werden nicht in Frage gestellt. Das Eigentum ist heilig wie bei calvinistischen Angelsachsen. Wer allerdings keinen Besitz hat, ist nicht berechtigt, die Verhältnisse auf den Kopf zu stellen.

Auch Müntefering machte auf sich aufmerksam, als er entrüstet zurückwies, in Deutschland gäbe es noch Klassenkonflikte. Für die SPD und die heutige Linke ist Marx vergeblich gestorben. Beide sind koalitionsfähiger miteinander, als sie wahrhaben wollen. Ohne „Erbsünde“ geht es auch bei Marx nicht. Die Revolution ist das Zeichen inkorrigierbarer Verderbtheit der Kapitalisten, die nicht überzeugt, sondern nur beseitigt werden können.

Im Reich der Freiheit allerdings wäre der grundsätzliche Dualismus beendet. In der katholischen Lehre gibt’s hienieden – trotz angeblicher Vernunftordnung – keine grundsätzliche Lösung des menschlichen Elends. Lernfähige Vernunft wird mit erbsündiger Irrationalität durchsäuert und korrumpiert. Auch in der Vernunft steckt die Schlange des Bösen.

Alexander von Rüstow hat in seinem Monumentalwerk „Die Ortsbestimmung der Gegenwart“ die Ökonomie vom Ungeist erbsündigen Christentums befreien wollen. Unter dem Druck wieder erstarkter Kirchen in der Adenauerzeit wurde sein Werk verschwiegen und verdrängt. Selbst Fachleute kennen heute seinen Namen nicht mehr.

In der katholischen Soziallehre hat der Klerus die Oberhoheit über die deutsche Wirtschaft erobert. Bei CDU, Geißler, Blüm, Fritz Kuhn, vielen Grünen und Sozialdemokraten bestimmt der Vatikan die Wirtschaft der BRD. Da wollten Linke und Exmarxisten auch nicht abseits stehen. Oskar, der Jesuitenzögling, hat die unveränderliche Ordnung der bösen Welt getreu verinnerlicht.