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Tagesmail

Montag, 08. Oktober 2012 – Unterschichten sind selbst schuld

Hello, Freunde der SPD,

ist es wichtig, wie viel er verdient hat? Wäre es nicht wichtiger, zu fragen, warum er ständig Geld bei jenen verdient, die er eines Tages kontrollieren müsste? Vor allem: ist er nicht nebenbei Abgeordneter, der seinen Job schwänzt, wenn er ständig durch die Gegend tingelt, um nicht zu den armen Schluckern zu gehören, die man Gewählte des Volkes nennt?

Schulschwänzer werden von Polizisten eingesammelt, ihre Eltern sollen sogar bestraft werden. Warum werden nicht Volksvertreter von Polizisten eingesammelt, die den wichtigsten Job dieser Republik schwänzen?

Hat er ein Geheimwissen, das er der Öffentlichkeit nicht mitteilt, das nur jene erfahren, die ihn bezahlen können? Hat er keins, warum wird er zu Vorträgen eingeladen?

Elite kennt sich, Elite trifft sich. Sollte er Karriere machen, hat man sich schon die Hand geschüttelt und die Telefonnummern ausgetauscht. So keimfrei und unanstößig ist Korruption.

Bei Hartz4-Leuten – er stehe „nach wie vor zu Hartz4“, sagte er bei Jauch – hat er noch keine Vorträge gehalten. Wie wär‘s mit dem Thema: „Wie kann ich mich gegen Politiker wehren, die mich zum Abschaum der Gesellschaft stempeln?“

Die letzte Frage bei Jauch war die wichtigste: warum sind Sie nach vierzig Jahren wieder der Kirche beigetreten? Weil ein Mann Gottes ihn in einem langen Nikodemus-Gespräch davon überzeugte, dass Gott ein friedliches Prinzip sei.

Die SPD weiß, wo im entscheidenden Moment der heiligmäßige Hammer hängt. Auch Atheist Schröder wurde – welch Überraschung – just in jenem Moment

wieder fromm, als er Kanzler war. Bei jedem ökumenischen Gottesdienst saß er in der ersten Reihe, direkt unter der Kanzel, gut sichtbar für Phönix-Kameras. Phönix ist der Sender für Chefredakteure.

(TAZ-Interview von Anja Maier mit Gregor Hackmack)

Die SPD war einmal die Partei der Proleten. Nur, was sind Proleten? Gibt’s die noch? Sind Proleten die unterste der Unterschichten oder geht’s noch tiefer in die Hölle einer normalen Gesellschaft?

Hölle liegt immer unten. Ganz tief im Innern der Erde oder im Bauch der Natur, womit wir wissen, dass der Kern der Natur höllisch ist.

Himmel ist immer ganz oben, zumeist auf einem Berg, möglichst in der Nähe des Vollkommenen. Alles bei Dante nachzulesen. Mose begegnet Jahwe auf dem Sinai, der Herr hält seine berühmte Predigt auf einem Berg: „Als er aber die Volksmenge sah, stieg er auf den Berg“.

Von oben nach unten lässt sich trefflich offenbaren. Wenn heute jemand etwas aus sich machen will, will er nach oben. Oben sind Reiche, Mächtige, Götter und Erlöser, der Platz ist eng und die meisten fallen aus Gründen des Gedränges wieder nach unten.

Eine moderne Gesellschaft will keine Schichten- oder Ständegesellschaft sein, sonst gäb‘s ja keine Tellerwäscher in der Steilwand auf dem Weg zum Millionär. Eine dynamische Nation sieht viele Aufzüge und Paternoster nach oben – und wieder retour.

Wenn‘s ständig rauf und runter geht, die Stabilität der Schichten schwindet, spricht man von prekären, unsicheren Verhältnissen. Ein Prekariat ist eine Wackelschicht mit Falltendenzen nach unten.

Satte Mittelschichten übrigens haben keinen ausgeprägten Hang nach oben, sonst wären sie ja nicht satt. Wer mit seiner Situation zufrieden ist, gilt in Deutschland als Biedermeier und Spießer. Edlere Naturen drängt‘s immer ganz nach oben, weshalb Amerika vornehmlich aus edlen Naturen besteht und Deutschland verspießert und verbiedermeiert.

Ganz oben, das kann eine göttliche oder eine menschliche Erfindung sein. Wer den Berg besteigt, respektiert Gottes primäre Schöpfung. Wer einen babylonischen Turm – man könnte von der dreisten Nachahmung eines Berges sprechen – bis an die Wolken baut, darf sich nicht wundern, dass er seine Mitmenschen plötzlich nicht mehr versteht und der Turm zusammenbricht. Wären sie doch nur auf einen göttlich beglaubigten Berg gestiegen. Auf Hybris steht lebenslängliche Sprachverwirrung mit mühseligem Pauken von Fremdsprachen in sogenannten Schulen.

Heutige Spitzenmanager sind durchweg Dreisterne-Kletterer und Messmer-Klone. Ganz oben auf Gottes Riesen haben sie nicht nur einen prächtigen Überblick über die Welt, die sie erobern werden und die ihnen zu Füssen liegt, sondern halten auch Zwiesprache mit ihrem Schöpfer, der ihnen ins Ohr flüstert: Ihr seid meine lieben Söhne, an denen ich Wohlgefallen habe.

Mose und Jesus sind die Erfinder der Alpinisten und Himalajabezwinger. Wer ein solches Massiv bezwungen hat, der kann auch en masse Bücher über grenzüberschreitende Herausforderung – pardon: challenge and response – verfassen und den Menschen in den Niederungen die Botschaft vom inneren Schweinehund bringen, den man gefälligst überwinden müsse, wenn man zukunftsfest werden will.

„Die Welt gehört denen, die neu denken“, schreibt berg-gemäß Zukunftsdenker Henryk M. Broder. Das Neue liegt immer oben, entweder direkt im Himmel oder auf den Bergen, die dem Himmel an nächsten.

Der Westen hat das ganz schnell gerafft, dass man die Welt mit dem Neuen gewinnen kann, weshalb der westliche Nachwuchskader darauf spezialisiert wird, ständig neuen Schrott auf den Markt zu werfen.

Wenn Natur, die spießerhaft und biedermeierlich nur auf Altes steht, zu mehr als 50% aus Neuem besteht, wird sie uns das Licht ausknipsen, hat sie uns von ihren Pressesprechern mitteilen lassen – den geistlosen Tieren, den noch geistloseren Pflanzen und den völlig geistfreien Gletschern und Eisschichten in der Arktis, wozu auch die Weltmeere gehören, die so dumm sind, dass sie riesige Müllschichten der Menschen sammeln, worinnen die Fische elendiglich krepieren, weshalb die Menschen sich mit künstlich gezüchteten Forellen begnügen sollten.

Dieses Gift der Zivilisation – alles Endmoränen des Neuen, denn das Alte macht keinen Müll, es verwandelt sich allweil in Natur, weil es Natur ist – kriegen sie in keiner Mülldeponie los. Was uns die Natur mitteilt per Lärm, Gestank, gleißendem Licht, Hitze, Wassermangel und sonstigen Petitessen, hört sich bei uns niemand an.

Oh, pardon, mit Ausnahme der Grünen-Chefin Claudia Roth, und die weiß sofort Bescheid und kündigt die Konversion der Industrie in garantiert grüne Industrie an. Denn Wachstum muss sein, die Natur wächst in die Länge, Breite und vor allem in die Tiefe. Die neuen Weltraumteleskope sind der lichtschnell wachsenden Natur unmittelbar auf den Fersen und haben festgestellt, dass noch unendlich viel Platz für Müll vor dem Orion und gleich links hinter dem Großen Wagen sein müsste.

Also Proleten. Proleten sind Leute aus dem alten Rom, die nichts hatten als nur ihren in zu engen und stinkenden Wohnhöllen gezeugten Nachwuchs. Also genau wie heute: Nichtshaber zeugen am meisten Kinder, um Kindergeld zu kassieren, damit sie nicht malochen müssen.

Gottlob ist der wachsame Staat ihnen auf die Schliche gekommen und hat ihnen den Geldhahn zugedreht. Wenn sie nämlich Hartz4 kriegen, ist‘s aus mit der kostenlosen Staatsknete für die überflüssigen, ungebildeten, pornosüchtigen und sauffreudigen Bälger, die auf Bildungsferne pfeifen und einen fetten Hamburger für einen guten Fraß halten.

Sie verdicken und verdummen, wie der smarte Ex-Grüne Oswald Metzger festgestellt hat. Weshalb er sofort abgenommen hat, um in den vielen Talkshows intelligenter rüberzukommen.

Freiburg ist übrigens die intelligenteste Stadt weit und breit, weil sie am sportlichsten ist. An der Dreisam, die auch immer schlanker wird, damit sie zur Stadt passt, siehst du keinen einzigen Fettsack mehr. Die werden aus der Innenstadt verbannt und müssen in besondere Wohnviertel umziehen, wo in Hochhäusern die Aufzüge aus volkspädagogischen Gründen nicht funktionieren, damit die Verfetteten den Krankenkassen nicht übersignifikant auf der Tasche liegen.

Bei solch notwendigen Absonderungen der schadhaften Volkselemente von den gesunden, schönen und guten sprechen die Soziologen von Segregation (=Trennung). Das ist seltsamerweise gar nichts Neues, sondern ein uralter theologischer Brauch, bei dem die Spreu vom Weizen getrennt wird.

In der ZEIT ist ein bewegender Bericht über die Unterschicht von der Autorin Özlem Topçu erschienen. Ein reinrassiger Deutscher wird sich an diesem Thema nicht die Finger schmutzig machen. (Özlem Topçu in der ZEIT: „Arm, aber stark“)

Ethnologisch ist es hoch interessant, dass in Deutschland nicht nur kein Nachbar seinen Nachbarn mehr kennt, sondern dass es ganze Schichten gibt, die mehr als 5 Millionen umfassen und in der Republik so gut wie unbekannt sind.

Es war ein SPD-Aufsteiger, der den bemerkenswerten Satz formulieren konnte: „Niemandem wird künftig gestattet sein, sich zulasten der Gemeinschaft zurückzulehnen. Wer zumutbare Arbeit ablehnt, der wird mit Sanktionen rechnen müssen.“

Der Mann wusste, wovon er sprach, er hatte schließlich die Ochsentour von ganz unten nach ganz oben geschafft. Wenn er’s geschafft hat, sprach er in Demut von sich, wird’s jeder andere wohl auch schaffen können. Bei uns kann tatsächlich jeder gegen das Kanzlergitter treten, weswegen wir schon Millionen Kanzler produziert haben. Schließlich haben wir auch Millionen Nationaltrainer, mit denen selbst ein Löw nicht mithalten kann.

Ein anderer SPDler, der Clement heißt (=der Mildtätige), hat noch rücksichtsloser die Wahrheit herausgeplärrt, nämlich, dass bestimmte Organismen, die auf Kosten anderer Lebewesen leben, von Biologen Parasiten genannt werden.

Auch CDUler wie der gemütliche Schwabe Kauder spricht von „Verwahrlosung in Teilen der Gesellschaft“.

Der Historiker Nolte formuliert vornehmer. Er will zeigen, dass er selbst noch kein Proll und von giftigen Dämpfen aus der Tiefe noch nicht durchgiftet ist. Schon in vorindustriellen Zeiten seien die Unterschichten „höchst sperrig und resistent gegenüber der Disziplinierung durch eine hegemoniale adlige oder bürgerlichen Kultur“ gewesen. Die klerikalen Disziplinierer hat Nolte natürlich vergessen.

Heute finde eine „fürsorgliche Vernachlässigung“ der unteren Schichten statt. Der Staat sei nicht mehr imstande, den Parasiten die Hosen stramm zu ziehen, weil er ein überhumanisiertes verweichlichtes Weltbild habe. Die Unterschichten befinden sich sogar im Vormarsch gegen die gut situierten Mittelschichten, kontaminieren sie mit wüsten Wörtern, rüpelhaftem Verhalten und seltsam anmutender Stummelsprache.

Man sollte meinen, die Linken seien Freunde der Unterschichten und unternähmen alles, um ihr Los zu erleichtern und sie alle ins Bundeskanzleramt zu hieven. Denkste. Wer hat den Begriff Lumpenproletariat erfunden, womit er den „Auswurf, Abfall, Abhub aller Klassen“ meinte? Die „passive Verfaulung der untersten Schichten der alten Gesellschaft“. Nicht nur der alten, wie wir heute wissen.

Eine frühe Feministin und Journalistin der Arbeiterklasse bezeichnete den Abfall als „Entartete, die mit Anwartschaft auf sozialen Schiffbruch geboren werden.“ Also Lumpenkinder mit genetisch eingebautem Verfaulungsprozess.

Man sieht, dass Herr Schröder nicht die Ausnahme ist, die sich um die Belange tüchtiger Arbeiter und Handwerker kümmert, aber nicht um die Letzten, die von den Hunden gebissen werden.

Marx spricht auch von Pauperismus (pauper=arm) und definiert den Pauper als den aller Energie beraubten Proleten. Zu dieser untersten und verkommensten Schicht zählt er Vagabunden, entlassene Soldaten, entlassene Zuchthaussträflinge, Gauner, Gaukler, Tagediebe, Taschendiebe, Spieler, Zuhälter, Bordellhalter, Lastträger (!), Literaten (!!!), Orgeldreher, Lumpensammler, Scherenschleifer, Kesselflicker, Bettler (!!!), kurz „die ganze unbestimmte, aufgelöste, hin- und hergeworfene Masse, die die Franzosen „la boheme“ nennen.“

Die Boheme ist mittlerweilen zur Künstlerschicht aufgestiegen und hat sich von der wahren verkommenen Unterschicht gelöst.

Lumpenproletariat sei anfällig für reaktionäre Umtriebe, weil es käuflich sei und sich gern als „Mobilgarde der Reaktion“ aufhetzen lasse. Daher die heutige Furcht vor Populisten, die der Masse mit haltlosen Versprechungen etwas vorgaukeln können.

Das unterste Pack habe kein Bewusstsein über seine Lage, lasse sich nicht organisieren und sei für jede Bestechung der Klassengegner offen. Für eine Zusammenarbeit mit der fleißigen, politisch hellwachen, lernbegierigen und disziplinierten Arbeiterklasse käme das unterste Geschmeiß nicht in Frage.

Was folgt aus diesem Hass auf die Verkommenen für die Linken von heute? Hier gibt’s einen schwarzen Fleck bei den Rettern der Schwachen. Sie geben nicht zu, dass sie wie Marx nur an die braven, fleißigen Arbeiter, Handwerker und Angestellten denken. Und eben nicht an den Abschaum, was sie mit viel schlechtem Gewissen verdrängen.

So ergibt sich die seltsame Ähnlichkeit zwischen linken Verächtern der Bettler und rechten Verächtern bis in die höchsten Oberschichten. Von frommen Calvinisten gar nicht zu reden, die Bettler als Gestrafte Gottes auf Erden betrachten.

Um sich die Verachtung dieser hoffnungslosen Schichten nicht klar machen zu müssen, wird sie mit dem Verdacht legitimiert, das Lumpengesindel könne keiner rechtsreaktionären Versuchung widerstehen und würde jedem Rattenfänger in die Hände fallen.

Zur Erinnerung: die fanatischsten Anhänger der NS-Rattenfänger waren die Mittel- und Oberschichten.

In Amerika herrschen die gleichen Werte, also dieselben Verachtungswerte gegenüber Verkommenen. Zwei Wissenschaftler behaupten, es existiere ein Proletariat, das sich bewusst von den Werten der übrigen Gesellschaft absetze und eigene Wertesysteme entwickle.

Zu dieser abweichenden Parallelwelt gehören Drogen- und Alkoholabhängige, entlassene Strafgefangene, psychisch Kranke (!!), Obdachlose, Wohlfahrtsbezieher, Schulschwänzer (!), illegale Einwanderer und minderjährige Mütter (!!). Symbol der Unterschicht wurde die minderjährige, alleinerziehende, farbige Mutter mit Sozialhilfebezug, die so genannte Welfare Queen.

In einer Männergesellschaft muss natürlich ein Weib den größten Abscheu erwecken, früher hätte man sie als Hexe verbrannt. Die Unterschicht habe gemeinsame bad values und sei durch zu großzügige staatliche Unterstützung korrumpiert worden. Derselbe Erklärungsansatz wie bei Nolte: der Staat zieht durch Überfürsorglichkeit seinen Abschaum selbst.

Wenn die Unterschichten sich bewusst eine Gegenmoral erfinden, ist die moralische Gesellschaft aus dem Schneider. „Auffälliges Verhalten“ sei keine Reaktionsbewegung auf den Verstoß aus der Gesellschaft. Es gebe keine kausalen Gründe, die die Segregierten in Trotz und Hass getrieben haben. Sie selber haben sich aus freien Stücken das Böse ausgesucht.

Wobei Augustins freier Wille der modernen Gesellschaft noch immer den Dienst der Entlastung anbietet. Die Bösen sind böse, weil sie böse sein wollen. Aus Freiheit haben sie sich für das Schlechte entschieden.

Mertons Anomie-Begriff kann an Erklärung weitaus mehr liefern. Alle Menschen einer Gesellschaft haben dieselben Ziele. Wenn es bestimmten vernachlässigten Schichten nicht gelingt, mit anerkannten regulären Methoden wie Fleiß, Bildung, Aufstiegswillen, sich Anerkennung, Respekt, vielleicht sogar Sympathie und Bewunderung zu verschaffen, sind sie gezwungen, dieselben Ziele mit unangepassten, moralisch verbotenen Methoden zu gewinnen. Also mit Kriminalität, Sucht, Verwahrlosung und Zerstörung.

Die Moral der Verkommenen ist Spiegelbild der verdrängten und verleugneten Moral der Erfolgreichen. Was etablierte Schichten böse nennen, wird zum Guten der Bösen und Verworfenen. Mit ihrer gegenläufig aggressiven und schädigenden Moral wollen die Bösen sich an den Guten und Erfolgreichen rächen, die sie eben nicht so gut behandelten, wie jene glauben machen wollen.

Sage mir, wie die Unterschicht einer Gesellschaft tickt und ich sage dir, was sie verdrängt und an die Schwächsten der Gesellschaft weiterleitet. Das Unbewusste mit allen verdrängten bösen Triebregungen hat einen soziologischen Ort – und das ist die Unterschicht.

Das Es einer Gesellschaft ist das ausgesonderte Lumpenpack, auf das alle verleugneten Bösartigkeiten projiziert werden. Ich und Über-Ich bleiben in der Hand der Mittel- und Oberschichten, die die jeweils herrschenden und wechselnden Tugendkataloge verkünden und alle Menschen nach unten drängen, die zur Einhaltung dieser Tugenden nicht in der Lage sind. Nicht mal dem Scheine nach.

Seit Jahrhunderten schon werden von den modernen Klassengesellschaften die gleichen Unterschichten ausgeschlossen, gebrandmarkt und gedemütigt. Die Engländer sprechen von blaming the victim, das Opfer ist an seinem Opferstatus selber schuldig. Zweimal wird das Opfer erniedrigt und verleumdet. Einmal durch den Zwang, Opfer zu werden. Sodann durch den hämischen Vorwurf, am Opferstatus selbst schuld zu sein.

Hier erkennen wir, dass wir uns in religiösen Gesellschaften befinden, die seit Beginn ihrer Religionserfindung diesen Vorgang der Opferschelte als eisernen Bestand ihres Heiligen praktizieren. Götter sind die Oberschicht, die ihre Unterschicht – die von ihnen erschaffenen oder abhängigen Menschen – zu ihren Opfern machen, die an ihrem Schicksal selbst schuld sein sollen.

Schon im Gilgamesch-Epos sind die Menschen nicht so, wie sie sein sollen – obgleich sie genau so von den Göttern gemacht oder geprägt wurden.

Im babylonischen Mythos beauftragen die Götter den Pestgott Namtar, die Menschen zu vernichten. Denn sie waren schlecht und irreparabel – also müssen sie vom Erdboden verschwinden.

Das biblische Buch der Genesis hat viele babylonische Elemente übernommen und verschärft. Ein allmächtiger Gott erschafft Wesen, die anfänglich sehr gut sein sollen. Durch eigene Schuld verfallen sie in Sünde und müssen eliminiert werden. „Als aber der Herr sah, dass der Menschen Bosheit gross war auf Erden und dass alles Dichten und Trachten ihres Herzens die ganze Zeit nur böse war, da reute es den Herrn, dass er den Menschen geschaffen hatte auf Erden. Und er sprach: Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vom Erdboden vertilgen.“

Die Rede gottgleicher Oberschichten und Eliten ist bis heute dieselbe geblieben. Die Unterschichten, die sie über Jahrhunderte hinweg durch Exklusion selbst züchteten, haben ihre Misere ganz allein verursacht. Für ihre Schuld, ihre übergroße Schuld müssen die zweifach geschändeten Opfer lebenslang bestraft werden – bis ins dritte, vierte und hundertste Glied.

Allen Sprösslingen der Unterschicht sollten bei ihrer Geburt bunte Grußkarten überreicht werden mit dem kecken Satz: Lasst alle Hoffnung fahren, liebe Kinder, die ihr in die Schicht der Versager eintretet.