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Montag, 03. Dezember 2012 – Einsicht in die Notwendigkeit

Hello, Freunde der Intelligenz,

Intelligenz sei das Ergebnis eines Genom-Unfalls vor 500 Millionen Jahren, der Preis für höhere Intelligenz ein hohes Risiko für geistige Störungen, so Genomforscher. Wenn Intelligenz eine Störung der Natur ist, ist der intelligente Mensch ein terroristisches Wahngebilde gegen die Natur.

Nichtintelligente Tiere wären intelligenter als der Mensch, der seine Unfähigkeit, in der Natur zu leben, als „kognitive Leistungsfähigkeit“, als Erkenntnisfähigkeit preist. Was erkennt Intelligenz, wenn nicht die Fähigkeit des Überlebens auf Erden?

Die hochintelligenten Genomforscher wollen mit ihren neuen Erkenntnissen dazu beitragen, Verhaltensgestörte zu kurieren. Da müssten die schon die ganze Menschheit kurieren, wenn sie nicht selbst verhaltensgestört sein wollen.

Dass die Menschheit verhaltensgestört, pardon, intelligenzgestört ist, beweist der Artikel im SPIEGEL: Nach neuesten Berechnungen könnte die Erderwärmung nicht um zwei, sondern um fünf Prozent ansteigen. Schweigen wir über die Folgen. Es hört eh niemand zu. In deutschen Gazetten kein einhelliger alarm-storm. War was? Lasset uns beten.

Wissen wir doch, die höchste Form der Intelligenz ist – wenn wir unserem obersten Polithirten folgen – die Religion oder der Fideismus. Nicht der des Volkes, sondern der Elite. Der Elite-Fideismus unterscheidet sich vom Vulgärrationalismus durch Erleuchtung und Erlösung. Vulgus ist Volk, ratio die Vernunft. Gauck verachtet die Vernunft des Volkes oder die Weisheit der Welt, er bevorzugt die Torheit Gottes.

Wie apart von Joachim Mini-Bismarck, den Vulgärrationalismus in die Nähe von antisemitisch und fremdenfeindlich zu bringen. Hier tickt das kollektive

Gedächtnis, Abteilung Unbewusstes. Hat man doch vor dem Krieg den zersetzenden Vulgärrationalismus den Gehirn-Juden in die Schuhe geschoben.

Wie lange dauert es, bis die Kategorien, die ganz im Stil der Vorkriegszeit angekarrt werden, ins Gegenteil kippen und die altbewährten Assoziationen das Feld beherrschen? Der Rechtsradikalismus kommt nicht aus den Rändern der Gesellschaft, er kommt aus der Mitte von Bellevue und Altar.

Gauck fährt in den Vatikan, um seinen protestantischen Bückling zu machen. Aus vatikanischer Perspektive lebt der Bundespräsident in Ehebruch. Also darf er seine ehebrecherische Buhlin nicht in des Papstes Privatgemächer mitbringen. Doch er selbst ist Ehebrecher, warum darf nur er seinen Kotau machen?

Das ist ungerecht, aber bergpredigt-kompatibel: „Ich aber sage euch: Jeder, der seine Frau entlässt – außer wegen Unzucht – gibt Anlass, dass ihr gegenüber Ehebruch begangen wird; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.“ Ein Mann kann durchaus fremdgehen, sein Weib darf ihn unter keinen Umständen entlassen.

Schon Sarko durfte seine Bruni nicht mitnehmen. Selbst wenn die Ehebrecherinnen Handschuhe tragen, der Papst berührt keine befleckten Hände – außer die mächtiger Männer.

Nach Paulus dürfen selbst ungläubige Männer von gläubigen Frauen nicht in die Wüste geschickt werden, solange die Ehe dem ungläubigen Manne gefällt: „Wenn eine Frau einen ungläubigen Mann hat, und dieser lässt es sich gefallen, mit ihr zusammenzuleben, so soll sie den Mann nicht entlassen.“ ( Neues Testament > 1. Korinther 7,13 / http://www.way2god.org/de/bibel/1_korinther/7/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/1_korinther/7/“>1.Kor. 7,13)

Die Begründung klingt nach echter Liebe: „Denn der ungläubige Mann ist durch die Frau geheiligt und die ungläubige Frau ist durch den Bruder geheiligt.“ (Der gläubige Mann ist Bruder, die gläubige Frau aber keine Schwester, kleine Freudsche Fehlleistung des weiberhassenden Völkermissionars.)

Doch wenige Verse später ist‘s mit der seelenerrettenden Liebe der Eheleute schon aus: „Denn was weißt du, Frau, ob du deinen Mann retten wirst? Oder was weißt du; Mann, ob du deine Frau retten wirst?“ Seltsame Fragen, wer kann Menschen retten außer Christus? Sonst würde die Ehe mit einem frommen Partner zum Seligkeitserwerb genügen. Der ungläubige Mann dürfte jede Woche eine neue Sau durchs Dorf jagen, seine bessere Hälfte müsste zu Hause für ihn beten.

Die europäischen Elite-Fideisten der oberen Machtetagen pilgern nach Rom, nicht um sich zu prostituieren – das wäre zu wenig –, sondern um sich zu prostrahieren (Prostration = in voller Körperlänge vor Bischof oder Papst hinwerfen). Verglichen mit Elite-Prostrahierern sind Vulgärprostituierte Leuchten der Tugend.

 

Noch ein Vulgärgenosse der Pinot Grigio-Extraklasse: Peer von Steinbrück, der das Kindergeld auf keinen Fall um 10 Euro erhöhen würde. Das wäre für den Staat gleich eine Milliarde aus dem Fenster geschmissen. „Man weiß auch nicht, wo das Geld hingeht.“ Gottlob weiß der Kandidat, wo die Billionen zur Bankenrettung hingehen.

Es geht wohlgemerkt nicht um Erhöhung der Sätze für Hart4-Schlawiner, sondern um Kindergeld, das alle Eltern bekommen – außer Hartz4-Schlawinern.

So also schätzt Vater Steinbrück, der mit Sicherheit seine eigenen Kinder von seiner Frau erziehen ließ, deutsche Normalo-Eltern ein. Mit zehn Euros könne man sich nicht mal zwei ordentliche Flaschen Pinot Grigio kaufen, denn: „eine Flasche, die nur 5 Euro kostet, würde ich mir nicht kaufen.“ Sein Vorgänger, Ex-Kanzler Schröder, trug auch nur standesgemäß Armani und rauchte Havannas, eine Zigarre sicherlich nicht unter 20 Euro.

Einen solch exquisiten Kandidaten haben sich die Proleten redlich verdient. Es war schon immer etwas teurer, einen geschmackssicheren Proletenführer zu haben. Und schon steigen die Umfragewerte für den schneidigen Haudrauf.

Was wäre, wenn alles Vergangene unter Wiederholungszwang stünde, sofern es nicht genügend durchgearbeitet wurde? Das war mal eine Erkenntnis, die vor zwei, drei Dekaden täglich durch die Gazetten und die pathetischen Erinnerungsreden der Staatenlenker ging. In der Erinnerung liegt das Geheimnis der Versöhnung, nölte Nina Ruge im Intellektuellenkanal 3-Sat und Gast Avi Primor lächelte mild.

Heute kennen Nina Ruge und die Medienmeute diesen Satz nicht mehr. Wahrheiten kommen und gehen, was interessiert unsere Meinungshüpfer ihr Geschwätz von gestern? Heute gibt’s keinen Blick zurück, weder in Zorn noch in Neugierde, schon gar nicht zur Bewältigung der Vergangenheit. Denn die Vergangenheit ist schon bewältigt, es gibt gar keine mehr. Die Vergangenheit ist abgeschafft.

Wie immer hat es niemand bemerkt, dass das gottesfürchtige Amerika den Blick nach hinten sogar mit Strafe belegt hat. Lots Frau wurde zur Salzsäule, weil sie nach hinten schaute und schon hat Gott die weibliche Neugierde, pardon, Altgierde, mit Umwandlung in Salz bestraft. Es hätte schlimmer kommen können, war Salz doch in salzlosen Gegenden so viel wie pures Geld.

Nach vorne schauen, in die Zukunft schauen, das sind die Dogmen der Gegenwart, die gerade dabei ist, auch abgeschafft zu werden. Denn Gegenwart ist nicht lang. Eben war sie noch, husch, schon ist sie vorbei und unterstützt die Vergangenheit gegen die Zukunft. Eine Zeit mit Hang zum Gestern ist nicht zukunftstauglich oder zukunftsfest.

„Gedenket nicht mehr der früheren Dinge, und des Vergangenen achtet nicht. Siehe, nun schaffe ich Neues. Schon sprosst es, seht ihr es nicht.“ ( Altes Testament > Jesaja 43,18 f / http://www.way2god.org/de/bibel/jesaja/43/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/jesaja/43/“>Jes. 43,18 f)

Die allerneuste Moderne ist die Wiederholung jesajanischer Prophetie, die Gerhard von Rad so beschreibt: „So schroff hatte bisher noch kein Prophet den Anbruch des Eschaton (der letzten Dinge) markiert und ihn von dem bisherigen Geschichtswalten Jahwes abgerückt.“

Alle Alttestamentler sprechen von Deuterojesaja (dem zweiten Jesaja), weil das ganze Buch aus verschiedenen Gründen unmöglich von einem Verfasser stammen kann. Und Deuterojesaja, der Schreiber des obigen Verses, ist „fest davon überzeugt, dass diese Wirkung – dass ein Neues kommt – eine weltweite sein wird.“

Wenn Jahwe sein Werk an Israel ausgerichtet hat, dann wird sich bei den Völkern eine universale Götzendämmerung ereignen, denn die Heiden werden der Ohnmacht ihrer Götter inne. Sie werden sich schämen, sie werden zu Jahwe kommen. Sie werden zu Israel kommen mit dem Bekenntnis: „ Nur bei dir ist Gott und nirgends sonst, keine Gottheit außerdem“, nur „bei Jahwe ist Heil und Stärke“.

Das ist die sichere Hoffnung israelischer Ultras, die der Meinung sind, allmählich sei es an der Zeit, dass die Heiden sich ergeben, ihre falschen Götter abservieren und Jerusalem zum Mittelpunkt der Welt küren.

Das abgetane Frühere ist „das Erste“, das vergangen ist. Das Erste ist der erste Schöpfungspfusch Jahwes, den er schon nach dem Sündenfall zertrümmern wollte. Doch außer zu einer kleinen Sintflut konnte der Schöpfer sich zu keinem Generalcrash durchringen. Aber jetzt, morgen, übermorgen, wird es kommen. Das Erste, das Alte ist vergangen, nun muss endlich das Neue kommen. Gott will nicht länger an seinen Schöpfungspfusch erinnert werden.

Zu den Schöpfungsbewahrern scheint er nicht zu gehören. Im Gegenteil. Auch Lukas erinnert an Lots Frau: „Denket an Lots Frau. Wer sein Leben zu erhalten sucht, der wird es verlieren und wer es verliert, der wird es neu gewinnen.“

Als die Jünger fragten, wo Jesu apokalyptische Prophezeiungen stattfinden werden, antwortete der Herr unmissverständlich: „Wo die Leichen sind, sammeln sich die Adler.“ Bei Matthäus: „Wo das Aas ist, sammeln sich die Adler.“ Die Adler sind die Gewinner der Geschichte, die Leichen, das Aas die Verlierer des Kapitalismus. Das wird das Endstadium der Heilsgeschichte sein, dem wir uns beschleunigt annähern.

Ähnlichkeiten mit der Gegenwart wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Je deutlicher heute die Parallelen mit der Vergangenheit sind, je weniger werden sie gesehen. Nur die biblischen Amerikaner wollen sie und rechnen mit nichts anderem als mit außeramerikanischen Leichen – und amerikanischen Adlern, desgleichen die israelischen Ultras.

Nur die aufgeklärten bibelschwachen Urchristen aus Deutschland wähnen sich über biblische Mythen erhaben. Hat Rudolf Bultmann doch die ganze Heilige Schrift so gründlich entmythologisiert, dass kein Käßmann-Auge trocken bleibt.

Man muss es noch mal sagen, die Moderne hat es geschafft – mit freundlicher Unterstützung heiliger Mythen – von drei Zeiten eine vollständig abzuschaffen. Und die Gegenwart werden sie auch noch schaffen.

Da der Mensch an sich noch immer in der Gegenwart leben muss, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich nach vorne zu beugen – wie Markus Lanz, dem homo novus der Zukunft – und ständig auf dem Sprung in die Zukunft zu sein. Hinter sich stößt der moderne Mensch die Gegenwart in die verlorene Vergangenheit, vorwärts stürzt er sich blind in die noch nicht vorhandene Zukunft. Mit dem Hintern in der Vergangenheit, mit verbundenen Augen ins kommende Nirwana.

Fromme sprechen vom Sprung in Gottes allmächtige Hand. Wer dieses Bild verstanden hat, hat die Moderne bis ins Mark durchschaut. Sprung, ständiges Abheben in die Zukunft, Gegenwart hinter sich pulverisieren, das ist die Formel der dynamischen Schon-nicht-mehr-Gegenwart.

Sprung ist ein Zentralgedanke in der Theologie des Sören Kierkegaard, der fälschlicherweise unter die Philosophen gezählt wird. Es ist der Sprung in den Glauben. Ich lasse alles Natürliche fahren und werfe mich mit geschlossenen Augen Gott entgegen, der die Zukunft ist.

Der Weg ins Christsein lässt sich nicht mit natürlicher Stetigkeit und stabiler Kausalität durchführen. Wirf allen Ballast ab und rette dich in letzter Not durch einen kühnen Sprung ins Mysterium. Dann wirst du in Gottes riesigen Händen landen – oder nicht.

Der Glaube Kierkegaards ist mit Vernunft nicht vereinbar. Denn Vernunft steht für natürliche Kausalität, die in christlichen Kreisen einen schlimmeren Ruf genießt als Hitler und Stalin zusammen. Wer von natürlicher Kausalität leben muss, dem wäre besser, er wäre in der untersten Hölle, als dass er von natürlichen Dingen abhängig ist.

Kausalität, das schützende Netzwerk der Natur, die ihre Lebewesen sanft trägt und ernährt, ist eine Despotin, der man mit allen Mitteln entrinnen muss – um der Despotie Gottes in die Hände zu fallen. Ist der Mensch der Natur untertan, muss er ein Sklave des Kosmos sein. Nach Kierkegaard ist christlicher Glaube das, was Griechen den „göttlichen Wahnwitz“ nannten.

Für Griechen war Kausalität etwas Schützendes, das zuverlässige Geflecht irdischen Geborgenseins. Doch je mehr sich die christliche Zeitenwende näherte, je mehr wurde aus verlässlichem Schutz und Trutz ein verhängnisvolles Gefesseltsein an die Ketten des Schicksals, denen man entrinnen musste, um sich frei zu fühlen.

Diesem Wunsch nach naturloser Freiheit kam das Christentum freudig entgegen: Freiheit wurde zum gewalttätigen Losreißen von der Natur und zum Springen ans Ende der Heilsgeschichte.

Natura non saltat, Natur macht keine Sprünge, das war der Glaube der Alten an die Natur. Wer springen will, muss im Namen Gottes Natur zerstören.

Hegels Dialektik ist eine Mischung aus Kippbewegungen der Natur und „übernatürlichen Sprüngen“. Gegen den Satz, es gebe keine Sprünge in der Natur, wendet er ein, dass der Übergang des Quantitativen ins Qualitative sehr wohl „ein Abbrechen des Allmählichen und ein qualitatives Anderes gegen das vorhergehende Dasein ist.“

Ohne wunderhafte Quantensprünge kommt auch Hegels Spirale nicht aus. Auch sie muss das bloß Natürliche sprengen, um sich nach oben zu entwickeln. Seine Synthese aus Christentum und Griechentum landet letztendlich im christlichen Wunder: Natura saltat.

Selbst Engels Gesetze der Dialektik lehnen den Satz ab, dass Natur keine Sprünge mache. Auch bei den Materialisten geht’s nicht ohne göttliche Bocksprünge. Was ist der einzige Unterschied zwischen Christentum und Sozialismus? Die einen beten.

Von welchem Ludwigshafener Sozialisten ist der Satz: „Nur ein Atheist kann ein guter Christ, gewiss aber auch nur ein Christ kann ein guter Atheist sein? Heilsgeschichtler aller Ideologien, vereinigt euch. Mit gewaltsamen Sprüngen wollten die sozialistischen Planwirtschaften den Vorsprung des Westens ein- und überholen. Bis die gewalttätigen und das Volk ausbeutenden Sprungorgien auf der Nase landeten und der materielle Springinsfeld seinen Geist aufgab.

In der Geschichte gibt es keine Sprünge. Was nicht in glasklarer Bewusstheit vor Augen der Menschen liegt, wird jeden Sprungversuch vereiteln. Das zwanghafte Schielen in die Zukunft ist der Versuch, alle Fesseln der Vergangenheit zu lösen und mit Siebenmeilenstiefeln ins Unbekannte zu springen.

Je mehr wir verdrängen, je mehr bestimmt uns das Verdrängte. Je weniger wir von der Vergangenheit wissen und ihr davoneilen wollen, je mehr liegen wir an den Ketten ihrer Kausalität. Wer Kausalitäten leugnet, hat sich ihnen bereits ergeben. Wer sich mit ihnen befreundet, lernt mit ihnen – und nicht gegen sie – das Maß seiner Freiheit zu erkennen.

Den Kampf zwischen knechtender und befreiender Kausalität fochten bereits die Stoiker und Epikuräer aus. Für die Stoa gab es einen unaufbrechbaren Kausalzusammenhang. Der atomistischen Atomlehre warfen sie willkürliche Verletzung der Kausalität vor, denn Epikur – fast wie Hegel und die marxistische Dialektik – hatte eine akausale Abweichung in seine atomaren Abläufe eingebaut, um den freien Willen zu retten.

Die Stoiker hingegen hielten an einer lückenlosen Kausalität fest. Den Epikuräern war dies identisch mit der Verurteilung des Menschen zur vorherbestimmten Unfreiheit und Passivität.

Noch Alexander von Rüstow hat den deterministischen Passivismus der Stoiker für die Entstehung des Neoliberalismus verantwortlich gemacht, der sich in absolutem Gehorsam den ökonomischen Gesetzen der Evolution unterworfen hätte. Das ist nicht ganz falsch, doch Rüstow hat die Gesetze des christlichen Gottes völlig übersehen. In der Tat neigte der römische Stoizismus zur absoluten Unterordnung unter die jeweils herrschenden politischen Gewalten.

Der frühe Stoizismus allerdings war von einer quietistischen Ergebenheit ins Schicksal (heimarmene) weit entfernt. Der Berater des römischen Sozialrevolutionärs Gracchus war der stoische Philosoph Blossius. So sehr die Stoiker die Naturgesetzlichkeiten anerkannten, so ließen sie keinen Augenblick einen Zweifel an der Eigenverantwortung des Menschen. Als Gattenmörderin Klytemnästra alle Schuld an ihrer Tat einem Dämon zuweisen wollte, antwortete der Chor unbeeindruckt: „Der Mensch allein trägt die Verantwortung für sein Tun.“

Hegels berühmte Formel kann man untertänig oder revolutionär deuten: Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit. Legt man den Akzent auf Notwendigkeit – den Gesetzen der Wirklichkeit müssen wir uns fügen, alles andere ist Illusion –, entkommt man nicht der absoluten Passivität gegen das System. Legt man aber den Akzent auf Einsicht, kommt man zur Folgerung: wer Naturgesetze kennt, kann sie für seine Zwecke nutzen.

Technik beruht auf genauester wissenschaftlicher Kenntnis der Naturgesetze – im Dienst menschlicher Zwecke. Ob diese Zwecke sinnvoll sind oder die Freiheitsgrade des Menschen überdehnen, bis die Natur jault und zurückschlägt, steht auf einem andern Blatt.

Die revolutionäre Deutung der Hegel‘schen Formel prägte den Linkshegelianismus, die Untertänigkeit unter den preußischen König predigten die Rechtshegelianer.

Heute müssten wir unmissverständlicher formulieren: Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit, um oberhalb oder innerhalb der Notwenigkeit jenes Reich der Freiheit durch Einsicht zu errichten, das uns die Natur zugesteht – solange sie von uns nicht geschädigt wird. Notwendigkeit lässt Freiheit zu, sofern Freiheit die Notwendigkeit nicht überstrapaziert.

Naturgesetze sind kein Stahlkorsett, das dem Menschen den Atem abschnürt, sodass er nicht mehr laufen kann. Sie sind ein weites bequemes und schützendes Gewand, mit dem wir uns drehen und wenden, hüpfen und tanzen können. Wäre Kausalität nur Strangulation, wie könnte die Evolution so ungeheuer viele und immer neue Exemplare verschiedener Lebewesen erfinden?

Kausalität ist ein- und ausatmende, sich frei bewegende und erfinderische Notwendigkeit. Wer nur beklemmende Notwendigkeit sieht, macht sich zu ihrem Sklaven. Wer nur Freiheit sieht, macht sich zum omnipotenten Gott.

Der Mensch ist weder Sklave noch Gott der Natur. Zwischen beiden Extremen schwankt er hin und her und hat seine Rolle als Wesen des rechten Maßes noch nicht gelernt.

Die Moderne ist die Epoche des Maßlosen, das man nach Hegel an seinem „Fortgang ins Unendliche“ erkennen kann. Das rechte Maß wäre das Geheimnis der „Eintracht zwischen Mensch und Natur“.

Vergangenheit ist verfestigte und akkumulierte Kausalität, der wir solange unterliegen, solange wir keine Einsicht über sie gewonnen haben.

Nach dem hoffnungsvollen internationalen Aufbruch der Nachkriegszeit wird die Gegenwart zunehmend zum bewusstseinslosen Plagiat aller unaufgearbeiteten Vergangenheiten.

Wer Vergangenheit nicht erkennt, hat seine Zukunft bereits hinter sich.