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Mittwoch, 15. August 2012 – Autarkie

Hello, Freunde Tunesiens,

Tunesische Frauen wollen keine Ergänzung der Männer sein. Sie demonstrieren auf der Straße für volle Gleichberechtigung. Die Frau sei keine Bürgerin zweiten Ranges, erklären sie, sie habe gleiche Rechte und Pflichten wie ein Mann.

Ein Jahr nach der Vertreibung des Diktators mit eminent weiblicher Beteiligung wollen die Frauen nicht wieder zu Anhängseln der Männer degradiert werden und setzen sich zur Wehr. Die Revolution geht weiter.

 

„Wir sind besser als die anderen“, schreibt BILD, die das Licht der Deutschen nicht unter den Scheffel stellen will. Damit liegt sie auf dem Niveau der demütigen Bergpredigt, die keine Scheu kennt, sich zum Licht der Welt zu deklarieren.

Natürlich meint Hugo Müller-Vogg die wirtschaftliche Lage Deutschlands. Doch seit Ayn Rand wissen wir, dass kapitalistische Wirtschaft pure Moral ist.

Also erleuchtet das Licht des Zasters die nichtkapitalistische Finsternis und die Finsternis hat es nicht begriffen. Ihr muss heimgeleuchtet werden, bis zur Nacht der Planet zu glühen beginnt.

Wenn es dunkel wird über der Hälfte des Planeten, werden Lichtfluten ausgesandt, um dem Fürst der Finsternis Erleuchtung zu bringen. Das satanische Reich der Finsternis steht kurz vor der absoluten Niederlage. „Nur noch an wenigen Orten der Erde herrscht nach Sonnenuntergang wirklich Finsternis.“

Dummerweise schadet zuviel Kunstlicht der Natur. Doch seit wann

hat der Fürst des Lichts auf Belange der Natur Rücksicht genommen, um seine gleißenden Blendungen in die letzten Ritzen des lichtscheuen Tier- und Pflanzengewimmels eindringen zu lassen?

Die Pest des permanenten Lichts gehört längst zu den ökologischen Generalsünden. Das künstliche Licht ist das Licht des Geistes, unter dem alles Natürliche zugrunde geht.

 

Auch die Aufklärung ist ohne Lichtmetaphorik nicht zu denken. Bei den Engländern ist Enlightenment sowohl Aufklärung wie Erleuchtung der Gläubigen. Das lädt zu folgenreichen Verwechslungen ein. Welches Licht erleuchtet uns und mit welchen Methoden?

Die natürliche Sonne kann‘s nicht gewesen sein, die von biblischen Offenbarern gemeint war, sonst hätte Josua der Sonne nicht gebieten können: Sonne, stehe still zu Gibeon. Waren doch die Aufklärer stolz auf die Entdeckung unverbrüchlicher Naturgesetze und strikt gegen Wunder eingestellt, die nichts waren als die Durchlöcherung eherner Naturregeln.

Man höre sich genau die folgende Begründung an, warum die natürliche Sonne nicht angebetet werden darf: „…dass du, wenn du deine Augen gen Himmel aufhebst und Sonne, Mond und Sterne schaust, das ganze Heer des Himmels, dich nicht verführen lässest, sie anzubeten und ihnen zu dienen, da der Herr, dein Gott, sie doch allen Völkern unter dem ganzen Himmel zugeteilt hat.“

Was allen zugeteilt ist, woran auch Heiden Anteil haben, ist vom Unglauben kontaminiert und nicht verehrungswürdig. Die Gläubigen könnten ja mit den Gottlosen etwas gemeinsam haben. Glauben heißt separat sein, separat glauben, separat handeln. Ähnlichkeiten mit Unreinen sind rein zufällig und müssen zurückgewiesen werden.

Sollten griechische Philosophen auch tugendhaft gewesen sein, muss Kirchenvater Augustin dennoch alle Gemeinsamkeiten zurückweisen. Sokrates, und sei er noch so vorbildlich gewesen, war unerleuchteter Grieche, die Tugenden der Heiden waren goldene Laster.

Erlöserglauben ist Separatismus und Sonderweg, Vernunft ist Allgemeinheit. Das Licht der Erlöser ist die Sonne über der Sonne, das übernatürliche Sondereigentum derer, die nach der Endzerstörung der Welt mit allen Gestirnen zum wahren Überlicht Gottes vordringen.

Das Licht der Vernunft scheint aus dem Menschen, der sie durch Lernen entzünden muss. Das Licht der Offenbarung scheint von oben und muss von der überwältigten Kreatur kritiklos übernommen werden.

Beispielhaft die Bekehrung des Saulus zu Paulus: „..und plötzlich umstrahlte ihn ein Licht vom Himmel und er stürzte zu Boden.“ Wenn die Offenbarung über den Menschen kommt wie der Heilige Geist über Maria, muss der Überwältigte erst mal zu Boden, bevor der Herr ihn gnädig wieder auf die Beine stellen kann.

Das Licht der Vernunft, jedem Menschen per Natur zuteil geworden, ist das Gegenteil zum Licht der Offenbarung. Doch die gleiche Metaphorik lädt zur Verwechslung ein, zumal bei jenen schwachen Geistern, die Gegensätze nicht ertragen – wie Hegel, der Meister aller faulen Synthesen.

Die Besten sind keine Kopfnicker. Sie sind nur die Letzten, um die Ersten zu sein. Sie mimen die Letzten, ihre Demut ist Mittel zum Zweck. Wie Netzer kommen sie unscheinbar aus der Tiefe des Raumes, um vor dem Tor des Gegners auf die Pauke zu hauen.

Von den Christen lernen, heißt siegen lernen. „Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berge liegt, kann nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und stellt es unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet es allen, die im Hause sind. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie euren guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, preisen.“

Der Unterschied zwischen Kopfnickern und Triumphalisten ist der Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Christen. Es ist kein prinzipieller, sondern ein taktisch-psychologischer. Solange man keine Macht in der Welt besitzt, hat man den Kopf zu beugen. Hat man in der Welt das Ruder übernommen, betritt die gehäutete ecclesia triumphans die Bühne des Geschehens.

Wegen historischer Zurückgebliebenheit und Unbedeutendheit waren die Deutschen lange Zeit aufs Kopfnicken angewiesen. Erst mit Anschwellen der breiten Weltbeglückungsbrust kam‘s zum heiligen Paradigmenwechsel. Ein deutscher Führer war beseelt vom militanten Jesus, der die mammonistisch-jüdischen Geldwechsler mit der Peitsche aus dem Tempel trieb.

Josef Goebbels, gläubiger Katholik, war vernarrt in den als Deutschen wiedergeborenen Pantokrator, der den Völkern zeigen wollte, wer das 1000-jährige Reich auf Erden verwirklichen konnte.

Es ist zur systematischen Verschleierung geworden, abendländische Neurosen und Charakterverbiegungen mit Namen griechischer Figuren zu benennen. Das Fehlverhalten der Christen ist entweder teuflisch oder griechisch, was ungefähr dasselbe ist. Niemals aber abelanisch, esauanisch, davidisch, lazaronisch, apokalyptisch, petrinisch oder paulinisch.

Wer sein Licht auf den Berg stellt, damit es alle Welt sehen kann, ist nicht messianisch-wahnhaft oder gottebendlich-psychotisch. Es ist narzisstisch. Verglichen mit dem Bergprediger ist Narziss ein harmloser Privatier, nicht mal selbstverliebt, denn sein Selbst war ihm unbekannt. Sein einziges Opfer aus Sehnsucht nach dem objektiv Schönen war er selbst. Zwangsbeglücken wollte er niemanden.

Mit dem hybriden Salz der Erde, das die ganze Welt versalzen soll, kann Narziss nicht verglichen werden. Wenn das Salz die Welt nicht beglückt, ist es „zu nichts mehr nütze, als dass es hinausgeworfen und von den Leuten zertreten wird.“ Wie wär‘s mit den angemessenen Diagnosen: der hat einen Salz-Tick oder einen Licht-über-dem-Scheffel-Wahn?

BILD jedenfalls stellt das Licht der Deutschen nicht unter den Salzstreuer: Wir sind die besten. Worin zum Beispiel? Im Aufnehmen syrischer Flüchtlinge? Im ökologischen Kampf gegen CO2? Im Unterstützen benachteiligter Jugendlicher? Im aufrechten Verteidigen der Demokratie und allgemeiner Gesetze gegen die Wucherung separatistischer Ausnahmegesetze?

Iwo. Klar muss jetzt der Zwischenruf kommen, von Gutmenschentum wachse keine Konjunktur. Erst müsse der Schornstein rauchen (bitte nicht), damit ein paar Almosen für die Loser abfallen. Das erklärt nicht, warum zumeist die ärmsten – und nichtchristlichen – Staaten die hilfreichsten sind.

Wessen Mitleid sich auf milde Gaben beschränkt, anstatt die Weltwirtschaft umzubauen, sodass jedes Volk sich langfristig selber ernähren kann, ohne vom Terror einer westzentrierten Globalisierung ausgenommen zu werden, dessen Mitleid ist schlecht kaschierte Verachtung.

Wir sind besser:

a) in der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Zu Deutsch: im beliebigen Heuern und Feuern. Im ruhelosen Vagabundieren auf der Suche nach dem lukrativsten Arbeitsplatz. In gestörten Fernbeziehungen, zerrütteten Familien, wachsender Einsamkeit und zunehmenden psychischen Defekten.

b) in der Hartz4-Reform. Zu Deutsch: in abgesunkener Mittelschicht, gedemütigter und abgehängter Unterschicht, in krimineller Vernachlässigung geistig und sozial unterversorgter Kinder, in massenhaften Jobs, von denen niemand leben kann, in ständigen Ängsten vor dem Absturz, in der Absonderung und Separierung der Erfolgreichen von den Verlierern.

c) in vernünftigen Tarifabschlüssen. Zu Deutsch: In Löhnen und Gehältern, die europaweit zurückgeblieben sind, vom Zuwachs der Profite nicht profitieren, unfähig sind, die Waren anderer Länder zu kaufen, um das Ungleichgewicht der Länder zu reduzieren.

d) im Eindämmen der Staatsschulden. Zu Deutsch: unter dem Diktat eines privatistisch verstandenen Knebelkurses werden Sozialleistungen in den Keller gefahren, die Mär von den überverdienstlichen Leistungsträgern hat die Demokratie in eine Pluto- oder Timokratie (Herrschaft der Reichen und Wenigen) verwandelt. Die Reichen werden nicht proportional gerecht zur Kasse gebeten, zudem verschieben sie mit mafiöser Energie ihre Gelder in steuerbevorzugte Oasen.

Woher soll uns Hilfe kommen, wenn nicht vom Salz der Erde und vom Licht auf dem Berge? Von Paulus? War der Völkermissionar Vertreter einer antikapitalistischen Autarkie? Er lehnte den Tausch ab, wollte seine Erweckungsleistungen nicht in Heller, Pfennig und Sachleistungen bezahlt bekommen.

Heil gegen Money? Undenkbar für den Zeltmacher, der arbeitete, um unabhängig zu bleiben. Nicht nur unabhängig von der schnöden Welt, sondern von den eigenen Brüdern und Schwestern. Sollte hier ein verborgenes Misstrauen gegen seine eigenen Geschwister zum Vorschein kommen?

War Paulus als Gegner des Tausches auch Gegner des Kapitalismus? Nicht im Geringsten. Denn Tausch in seiner Urform ist mit Kapitalismus und Konkurrenz unvereinbar.

Wer beim Tauschen nicht betrügt, kann nicht reicher werden als der, mit dem er tauscht. Entweder werden sie beide reicher oder bleiben auf demselben Niveau arm.

Eine echte Tauschgesellschaft wäre eine homogene und gerechte Gesellschaft. Kein Metzger wird reicher oder ärmer als der Bäcker, bei dem er seine Schnitzel in Brötchen tauscht.

Die Utopie einer gerechten Gesellschaft ist eine Tauschgesellschaft. Zumindest Teile ihrer Produktion kann sie in gleichberechtigtem Geben und Nehmen unter die Leute bringen.

Paulus ermahnt seine Adressaten, ihre eigenen Angelegenheiten zu besorgen und mit eigenen Händen zu arbeiten, damit „ihr wohlanständig wandelt gegenüber denen, die draußen sind, und nichts bedürft.“

Wer von einem anderen nichts braucht, kann nichts mit ihm tauschen. Die Autarkie des Urchristentums will mit der Welt nichts zu tun haben. Sie will in Zurückgezogenheit dem Himmel leben.

Wären autarke Gesellschaften nicht das Ei des Kolumbus, um die Probleme übervorteilender Konkurrenzwirtschaften zu lösen? Wenn jeder für sich selbst sorgt, ist für alle gesorgt? Plädiert der FDP-Spruch für Autarkie?

Im Gegenteil, die Neoliberalen wollen die undurchsichtigen Abhängigkeiten noch immer verstärken, um im Nebel des Undurchschaubaren den Rahm abzuschöpfen.

Autarkien sind verpönt, weil sie nicht selten mit faschistischen Utopien verkoppelt sind. Platons Politeia, Fichtes Erziehungsstaat, die wirtschaftlichen Vorstellungen der Nationalsozialisten waren auf Autarkie geeicht, sonst wäre der Weltkrieg mangels Masse früher zu Ende gegangen. Wer sich abschließt und von niemandem abhängig sein will, macht sich verdächtig.

Wir stoßen hier auf eine scharfe Zweiwertigkeit des Kapitalismus, der einerseits auf bedingungslosem und misstrauischem Wettbewerb aller gegen alle beruht, andererseits auf einem riesigen Vertrauen in die Verlässlichkeit und Solidität der ökonomischen Partner. Meinem Geschäftspartner soll ich vertrauen und ihn gleichzeitig zur Bedeutungslosigkeit degradieren.

Das sind zwei Verhaltensweisen, die sich psychologisch auffressen. Die ganze Wirtschaft wäre ein Nullsummenspiel, wenn beide Elemente gleich stark wären. Momentan scheint das vertrauensvolle Zusammenarbeiten noch das Übergewicht zu haben, sonst könnten Wohlstand und Reichtum der Welt nicht ansteigen. Gleichzeitig gibt es noch immer so viele Verlierer, dass der Aspekt des Schädigens nicht klein sein kann.

Langfristig aber könnte rivalisierende Missgunst die kooperative Vertraulichkeit zu Fall bringen. Spätestens, wenn die Ressourcen der Welt zu Ende gehen und ein unerbittlicher Fight von jedem gegen jeden beginnt. Ändert sich die Weltwirtschaft nicht, ist diese kriegerische Utopie unvermeidlich.

Paulus hat kein Vertrauen: weder zur Welt, noch zu seiner Gemeinde. Zur Vertrauensbildung mit seinen Mitmenschen ist er unfähig. Sein auserwählter Elitismus bleibt mit sich allein. Seine himmlische Asozialität würde es nicht mal zur Tauschgesellschaft bringen, um die Probleme der Menschheit langfristig zu lösen. Wozu auch? In Kürze kommt der Herr und beendet die Geschichte der Welt. Wozu noch langfristige Politplanung für eine verworfene Menschheit?

Die Autarkie des Paulus ist eine Tugend fürs Himmelreich, keine wirtschaftliche Maßnahme zur vernünftigen Gestaltung der Welt. Der dialektische Umschlag von Bedürfnislosigkeit in Dominanz über die Welt liegt der künftigen ecclesia triumphans im Blut. Kaum an die Macht gekommen, fordert das geistliche Schwert die Oberhoheit über alle politischen und wirtschaftlichen Vorgänge. Die Kirche kommt aus der Tiefe des demütigen Raumes, um als alleinseligmachendes Licht auf dem Berg den Endsieg zu feiern.

Wirtschaft und Politik werden zu Instrumenten der Welteroberung. Der Kapitalismus ist aus dem unscheinbaren Ei autistischer Bedürfnislosigkeit geschlüpft und ins gigantische Gegenteil gekippt. Die Erde macht er sich hemmungslos untertan.

Die globale Wirtschaft rühmt sich, zum Frieden der Welt beizutragen. Wer miteinander handele, führe keinen Krieg. Gegenbeispiele auf allen Ebenen gibt’s genug (siehe den drohenden Krieg mit dem Iran, einem der wichtigsten Erdöllieferanten der Welt).

Zeigt sich, dass globale Wirtschaft die Vorherrschaft der einen und die Verliererposition der anderen zementiert, werden benachteiligte Völker keine Friedenspflicht mehr akzeptieren.

Autarkie ist Selbstgenügsamkeit. Ohne Kurswechsel zur Autarkie der Staaten wird sich der hypertrophe Warentransport zwischen den Völkern nicht eindämmen lassen.

So viel Autarkie wie möglich, so wenig Abhängigkeit und Luftverschmutzung wie nötig. Frieden auf der Welt wird nicht durch wirtschaftliche Verflechtungen garantiert, sondern durch befriedete und in sich ruhende Nationen, die ausbeutende Supermächte nicht mehr hassen müssen.

Der herrschende Neoliberalismus entwickelt sich mehr und mehr zu einem Blutsaugersystem und unterminiert die immer dünner werdende Vertrauensbasis bei gegenseitiger Abhängigkeit. Durch erzwungene Abhängigkeit kann Vertrauen auf Dauer nicht aufrechterhalten werden.

Der Gedanke einer global vernetzten Welt ist superb. Doch das Netz muss aus Geist und freiwilliger Zuwendung geknüpft werden, nicht aus stumpfsinnigem Hin- und Herkarren überflüssiger und schädlicher Dinge.

Schon in den 70er Jahren gab es den Begriff der Autarkie (self-reliance) bei dem führenden tansanischen Politiker Nyerere, der sich durch Abkoppelung von der westlichen Weltwirtschaft eine größere Selbständigkeit der „unterentwickelten“ Länder erhoffte.

Ohne maximale Autarkie ist dem ständigen Ungleichgewicht zwischen starken und schwachen Nationen nicht beizukommen. Das jetzige globale Netz ist ein Machtinstrument in den Händen der führenden Wirtschaftsnationen.

Die Theorie der Autarkie verdanken wir Aristoteles. Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen und kann allein nicht leben. Vegetieren schon, aber nicht gut leben. Er muss eine Ordnung finden, in der er nicht nur vor Feinden geschützt ist, sondern in der er alles findet, was er zum vollen Menschsein benötigt. Es muss genügend Menschen geben, die in gleichberechtigter Zusammenarbeit für ein sinnvolles Leben sorgen.

Die ideale Ordnung ist die demokratische Polis, in der alles vorhanden ist, was den Menschen zum Menschen macht: Selbstregierung, Gleichheit aller Menschen, ein körperlich und seelisch geglücktes Dasein. „Dieses in der Natur angelegte Gemeinschaftsstreben erreicht in der Polis das Endziel der Autarkie, das völlige Selbstgenügen, welches das Wesen des Glücks ausmacht.“

Bekanntlich hat die athenische Polis das Ziel des allgemeinen Glücks nur teilweise erreicht, denn ohne Sklavenwirtschaft wäre das intensive Denk-, Kunst- und Mußeleben des Stadtstaates nicht möglich gewesen.

Heute sind wir vom Ziel autarker Glücksbezirke weiter entfernt denn je in der Geschichte der Menschheit. Zwar ist die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse in den reichen Staaten gesichert, doch der atemlose Konkurrenzbetrieb macht alle Beteiligten kränker und unglücklicher.

Nervöse Unruhen und Spannungen zwischen den Nationen steigen, die Natur wird zerstört. „Ein wahrhaft glückliches Dasein ist nicht das der Isolierung, in welchem der Mensch nur sich selbst lebt, sondern nur ein solches, in dem er als ein geselliges Wesen zugleich für Familie, Freunde und Mitbürger lebt.“

Somit scheidet das welthassende Jenseitsstreben des Paulus als Grundlage einer humanen Autarkie aus.

Anders in Griechenland. Thukydides rühmt die Notwendigkeit der Autarkie, als er Perikles sagen lässt, dass die athenische Stadt „im Krieg und Frieden völlig auf sich selbst stehen kann.“ Heute wissen wir, dass es militärische Autarkie nicht mehr geben kann.

Doch eine friedensstiftende müssen wir suchen. Nicht als Abgrenzung und ungesellige Provinzialität, sondern in autonomer Selbständigkeit, die eine freiwillige Freundschaft zur Welt erst ermöglicht. Menschen müssen als Menschen zusammen kommen können. Nicht als triumphierende Produktionsroboter, die nur tote Dinge rund um den Globus rotieren lassen.

Sondern als neugierige und anteilnehmende Wesen, die ihre Gefühle des Wohlwollens und der unaufhebbaren Zusammengehörigkeit des Menschengeschlechts austauschen.