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Mittwoch, 14. März 2012 – Bedürfnis und Befriedigung

Hello, Freunde der Einwanderung,

gibt es eine Einwanderung ins deutsche Sozialnetz? Ein längerfristiges Aufenthaltsrecht haben nur EU-BürgerInnen, die hier zu arbeiten gedenken. Diese Gruppe hat dasselbe Recht auf Hartz4 wie Einheimische. Nur Arbeitsunwillige dürfen ausgewiesen werden.

Deutschland will auch der ersten Gruppe das Recht auf Sozialleistungen verweigern, obgleich dies gegen EU-Recht verstößt. An allen Ecken und Enden wird der europäische Gedanke ramponiert. Von jenen, die angeblich allein das Projekt Europa vorantreiben: den komplex denkenden Eliten.

Mehr als ein Fünftel aller Beschäftigten verdient unterhalb der Niedriglohnschwelle von 9,15 Euro, durchschnittlich 6,68 Euro. 4 Millionen arbeiten gar unter 6 Euro. Darunter viele Frauen, Ossis und Minijobber.

Da die Unterbezahlten – einst Ausgebeutete genannt – vom Staat gestützt werden müssen, subventioniert der Staat die Industrie. Hartz4 für die Ausbeuter. Da lohnt sich doch die Leistung der Malocher – für die Unternehmer.

Westerwelle hat nicht erklärt, für wen sich die Leistung lohnen soll.

Wie viel Lebensmittel wirft jeder Bürger im Jahr weg? Durchschnittlich 81 Kilo. 65% dieser Abfälle waren essbar. Die Deutschen klammern sich an

das Mindesthaltbarkeitsdatum, solche Wortungetüme gibt’s nur im Deutschen. Man gönnt sich ja sonst nichts außer dem Besten, also muss die Banane fleckenlos sein, wenn sie nicht im Biomüll landen will.

Wird der Biomüll nicht zum besten Humus verarbeitet? Wer wird also vom schnöden Wegwerfen reden? Wir sorgen nur für die Beschleunigung der Warenumläufe vom Hersteller über Aldi und den Käufern – von Verbrauchern kann man ja nicht reden, höchstens von Wegwerfern – zurück zum Ursprung.

Je mehr weggeworfen wird, je mehr wird gekauft, je mehr kostbare Erde entsteht am Ende der Pipeline. Ist doch sinnvoll oddr? Wenn das keine Synthese aus Zaster und Naturschutz ist.

Es gibt noch eine bessere Methode, Lebensmittel zu entsorgen. Man stecke sie in bunte Verpackungen, füge versteckte Fette, Süßstoffe hinzu und ein Überraschungsgeschenk für die Kleinen – verführe und stopfe sie damit, dass sie rund und mollig werden.

Dann haben die Ärzte und die Fitness-Center Zulauf, die Pharmaindustrie blüht auf, die Kindertherapeuten wollen wir auch nicht vergessen: so stellen sich ganz neue und überraschende ökologische, ähh, ökonomische Kreisläufe her. Wohlstand muss was kosten, sonst taugt er nichts. Oder so: Wohlstand gibt’s nicht zum Nulltarif, stimmt’s?

Ein Dogma der Wirtschaftswissenschaftler ist die Überzeugung, dass die Bedürfnisse des Menschen nicht begrenzt sind. Sie haben kein Ziel.

Der Naivling denkt, er habe ein Bedürfnis, um es zu befriedigen. Dann hat er eine Weile seine Ruhe, bis sich die elementaren Bedürfnisse wieder melden, sie werden gestillt, dann haben sie erneut eine zeitlang Ruhe und so fort bis ans selig Ende. Von den hebräischen Patriarchen hieß es: sie starben alt und lebenssatt.

Im Alter lassen die Bedürfnisse nach, selbst der Hunger nach Leben. Hab ich ein saftiges Leben geführt, kann ich im Alter lebenssatt sagen: Es war schön, euch kennengelernt zu haben, meine Lieben. Das Leben war eine schöne Gewohnheit (wie Lebenskünstler Goethe sagte). Nun habe ich das Bedürfnis, keine Bedürfnisse mehr zu haben.

Solche Vorstellungen sind hoffnungslos veraltet und mit einer Volkswirtschaft, die etwas auf sich hält, schlechthin inkompatibel.

Die Wirtschaft ist nicht für den Menschen da, sondern umgekehrt: der Mensch wird geboren, verwandelt sich durch hochstehende Bildungseinrichtungen und verantwortungsbewusste Eltern in wertvolle Konsumenten.

Von weitem können sie Pepsi von Coca Cola unterscheiden, malochen ein ganzes Leben lang für die Herstellung der Produkte, führen dieselben im Eiltempo dem Biomüll oder dem gelben Sack zu und lassen die Kreisläufe aus Produktion und Konsumtion immer heißer laufen.

Bedürfnis – Sättigung, Bedürfnis – Sättigung, da capo al fine, das wäre ja die ewige Wiederholung des Gleichen. Also nichts Neues von der Wiege bis zur Bahre. Der Horror für ein abendländisches, auf Neuigkeiten geeichtes Leben.

I cant get no satisfaction, der Song wilder Rebellen wurde zur Hymne des Konsumismus. Bei Goethe klang dieselbe Botschaft so: „Werd ich zum Augenblicke sagen, Verweile doch, du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, Dann will ich gern zugrunde gehen“.

Das moderne Bedürfnis kennt kein Ziel. Sondern Zwischenetappen der Völlerei. Die alten Römer konnten gar nicht so viel futtern, wie sie appetent waren, also kitzelten sie sich im Rachen. Immer dem Motto nach, je mehr ich kotze, je mehr kann ich konsumieren.

Consumere heißt schließlich vertilgen. Als pflichtbewusster Konsument habe ich dafür zu sorgen, dass das überreiche Lebensmittelangebot vernichtet wird.

Würde mich nichts mehr verlocken und verleiten, dürfte ich endlich bedürfnislos sein. Bedürfnislosigkeit ist noch immer die unbewusste Leittugend, der der Mensch nachstrebt. In einer Lebensmittelvernichtungskultur ist Bedürfnislosigkeit eine befremdliche und BIP-schädliche Illoyalität.

Solidarisch sein heißt vernichten, produzieren, vernichten, bis ins Unendliche.

Produzieren heißt kreativ sein, jetzt kommen wir der Sache näher. Bin ich kreativ, bin ich ein Mini-Kreator ex nihilo. Aus dem Nichts kann ich nichts schaffen, wenn ich nicht für das Nichts sorge. Also muss ich das Hergestellte subito vernichten = konsumieren, damit ich aus dem neu entstandenen Nichts gottähnlich schaffe und schöpfe – bis ich er-schöpft bin.

„Für moderne Anhänger des Fortschritts ist Sättigung nicht wünschenswert“, schreibt ein moderner Ökonom. Ein anderer formuliert noch genauer: „Ganze Generationen haben bis heute in Jobs gearbeitet, die sie hassen, nur damit sie kaufen können, was sie gar nicht wirklich brauchen.“ (Aus: „Die Ökonomie von Gut und Böse“ von Tomáš Sedláček)

Womit wir beim Geist wären, von dem man – wiederum naiv – annimmt, er stünde im Widerspruch zur Materie.

„Wladimir: Sag es doch, wenn es auch nicht wahr ist.

Estragon: Was soll ich denn sagen?

W: Sag: ich bin zufrieden.

E: Ich bin zufrieden.

W: Ich auch.

E: Ich auch.

W: Wir sind zufrieden.

E: Wir sind zufrieden. Schweigen. Was wollen wir jetzt machen, da wir zufrieden sind?

W: Wir warten auf Godot.“

Wenn Godot Gott ist, bedeutet Warten auf Godot den lebenslangen Bedürfnisbefriedigungsaufschub (dieses Ungetüm muss ein Psychologe erfunden haben), bis Gott erscheint. Die wahre Befriedigung findet erst im göttlichen Reich statt. Solange wir im Fleisch sind: no satisfaction. Das irdische Leben ist für ein Wesen mit unsterblicher Seele nicht satisfaktionsfähig.

„Schon seid ihr satt geworden“, schilt Paulus die selbst-zufriedenen Korinther. ( Neues Testament > 1. Korinther 4,8 / http://www.way2god.org/de/bibel/1_korinther/4/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/1_korinther/4/“>1.Kor. 4,8)

„Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden. Selig seid ihr, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden.“ Ihr werdet, nicht jetzt. „Selig seid ihr, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.“ Ihr werdet lachen, nicht jetzt. „Wehe euch, die ihr jetzt satt seid, denn ihr werdet hungern. Wehe euch, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet trauern und weinen.“ ( Neues Testament > Lukas 6,20 ff / http://www.way2god.org/de/bibel/lukas/6/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/lukas/6/“>Luk. 6,20 ff)

Lachen, Freuen, ist der Inbegriff vitalen Gesättigtseins: auf Erden strengstens verboten. Zu den höheren Bedürfnissen (nach Maslow) gehört auch, von der Gesellschaft akzeptiert zu werden, das Gefühl, seinem heimatlichen Dorf, seiner vertrauen Stadt anzugehören.

Nicht nach dem Evangelisten: „Wehe, wenn alle Menschen gut von euch reden, denn ebenso taten ihre Väter den falschen Propheten.“ ( Neues Testament > Lukas 6,26 / http://www.way2god.org/de/bibel/lukas/6/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/lukas/6/“>Luk. 6,26) „Wer Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes.“ ( Neues Testament > Jakobus 4,4 / http://www.way2god.org/de/bibel/jakobus/4/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/jakobus/4/“>Jak. 4,4)

Erst wenn das Reich Gottes anbrechen wird, werden die Menschen wirklich und wahrhaftig gesättigt sein. Erst dann „werden sie nicht mehr hungern und werden nicht mehr dürsten und die Sonne wird sie nicht treffen noch irgendeine Glut.“ ( Neues Testament > Offenbarung 7,16 / http://www.way2god.org/de/bibel/offenbarung/7/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/offenbarung/7/“>Offbg. 7,16)

In der Offenbarung des Johannes ist Sonne der Inbegriff der schädlich-feindlichen Natur.

In Platons Höhlengleichnis, auch bei Aristoteles, ist sie das verehrungswürdige Symbol für Weisheit und Erleuchtung.

Das Zeitalter der Aufklärung nannte sich Epoche des Lichts.

Heute haben wir es in selbsterfüllender Prophezeiung so weit gebracht, dass Sonne allmählich zur apokalyptischen Glut wird.

Auch das Wetter hat sich theologisiert, womit der Kreis sich schließt: Jahwe begann seine Karriere als Wettergott, nun wird er auf omnipotenter Ebene zum Gott des endzeitlichen Donnerwetters.

Der faustische Mensch, das Urmodell des neuzeitlichen Suchers und grenzenlosen Strebers ist – der Christ, der hienieden nicht auf seine Kosten kommen darf, sondern erst, wenn er im Himmel angekommen sein wird. „Entsagen sollst du, sollst entsagen,“ ist die Konsequenz der Devise, hier auf Erden nie auf seine Kosten kommen zu dürfen.

Nun verstehen wir, warum die Franzosen einen lebensunfähigen Menschen einen Cretin nennen. Cretin kommt von le chretien.

Christen dürfen kein erfülltes Leben auf Erden führen. Das Christentum entstand als Trost für jene, die kein sinnvolles Leben führen konnten. Als verheißene Erfüllung aller Bedürfnisse im Dermaleinst.

Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, die Satten brauchen niemanden, der sie mit himmlischem Milch und Honig lockt. Die sich ihres Lebens freuen, sind auf niemanden angewiesen, der ihnen das jenseitige Paradies in Regenbogenfarben schildert. Jenseitige Kompensation ist überflüssig, wenn irdischem Leben nichts mangelt.

Christen könnten heute ein erfülltes Leben führen, sie schwimmen in Überfluss: jetzt dürfen sie es nicht mehr. Sie leben im materiellen Paradies, doch verdammt zur lebenslänglichen Unzufriedenheit.

Das erinnert an den antiken König Midas, der sich wünschte, alles, was er berühre, sollte zu Gold werden. Als ihm der Wunsch erfüllt ward, drohte er zu verhungern und zu verdursten, denn alles Essen hatte sich in Gold verwandelt. Bei Übersättigten in Dubai ist es nicht ungewöhnlich, Menüs mit feinstem Blattgold zu überziehen, wie ich gestern in einer Doku sah.

Der Kapitalismus ist eine religiöse Transit-Kultur, auf Erden wirst du nimmermehr Wurzel fassen. Die Alternative zu dieser lebensfeindlichen Ideologie ist eine lebensfreundliche, die hier auf Erden glücklich und zufrieden sein darf. Richtig: eine Philosophie des lachenden, fröhlichen, tanzenden, selbstzufriedenen Spießers.

Der Spießer ist das Gegenteil zu Faust, dem nie zufrieden sein dürfenden Jenseitsstürmer, der erst im Augenblicke des nahenden Todes sich erlöst fühlen darf. Auch dies nur mit Hilfe freundlicher Engel.

Spießer aller Länder, vereinigt euch, nur ihr werdet den neoliberalen Moloch erledigen.

Der amerikanische Psychologe Maslow hat der ewig unzufriedenen, unbegrenzt bedürftigen Ökonomie der Moderne das passende Bedürfnismodell geliefert, um sie auch in psychologischer Hinsicht abzusegnen.

Seine Bedürfnispyramide unterscheidet zwischen niederen Grund- oder Existenzbedürfnissen, die einigermaßen gesättigt sein müssen, dass nächsthöhere Bedürfnisse nach a) Sicherheit b) sozialer Akzeptanz und Liebe c) Achtung und Anerkennung und d) nach Selbstverwirklichung auf ihre Kosten kommen können.

Das klingt merkwürdig, als ob es Kinder gäbe, die man nur mit Flasche – ohne Liebe, Anerkennung und Sicherheit – befrieden könnte. Offenbar hat Maslow nie von den Experimenten des Kaisers Friedrich II gehört, der Neugeborene füttern ließ, ohne dass man mit ihnen sprechen durfte. Nach kurzer Zeit starben die Kleinen.

Maslow macht den Menschen zu einem Bausatz, ähnlich einem Ikeaschrank, den man nach Vorschrift zusammenbaut: erst den Boden, dann die Wände, am Schluss die Decke und Türen. Dass Menschen einheitliche Organismen sind, keine mechanischen Pyramiden, scheint dem Amerikaner entgangen. Vermutlich war er leidenschaftlicher Hobbyschreiner.

Sein Modell ist ideal verwertbar im Dienst einer unendlich wachsenden Produktionsindustrie. Verweigere dem Menschen die Befriedigung seiner höheren Bedürfnisse nach Geliebt- und Akzeptiertwerden und du kannst ihn in einen nimmersatten, grenzenlos kaufenden und vernichtenden homo consumens verwandeln.

Verpass ihm eine unsterbliche Seele, richte sein Streben himmelwärts, lass ihn nie im Irdischen heimisch werden, dann wird der Erlöser dich segnen und du wirst zur Belohnung eine unendliche Ökonomie erhalten. Der Glaube wird deinen Reichtum stützen, der Reichtum deinen Glauben fördern.