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Mittwoch, 13. Februar 2013 – Ratzinger und der Kommerz

Hello, Freunde der Erfahrung,

das Gegenteil der Erfahrung ist das unbeschriebene Blatt, das white paper oder die tabula rasa. Der Mensch bringt von Natur aus keine Erkenntnisse mit, alles empfängt er von außen. Man könnte das die Ideologie der Journalisten nennen. Was sie nicht selbst gesehen haben, darüber haben sie kein Urteil. Wer nicht 10 Jahre in New York war, hat über Amerika zu schweigen. Alle Erkenntnisse kommen von außen durch die Sinne, weshalb man diese Schule Sensualismus nennt.

Der Brite John Locke gilt als moderner Vater der außengeleiteten Erfahrung. Man könnte sie auch die Philosophie der Seefahrer und Welteroberer nennen. Man muss die Welt kennen lernen, sie besetzen und deren Früchte ins Stammland einführen, das nicht viele Innenreize zu bieten hat. Versteht sich, dass zurückgebliebene deutsche Stubenhocker wenig Welterfahrung haben und sich alles aus ihrem weltfremden Gehirn saugen mussten.

Was man vor aller sinnlichen Erfahrung hat, nennt Kant a priori: von vorneherein. (Im Gegensatz zum a posteriori: im Nachhinein oder erfahrungsgemäß.) Erfahrungen muss man sich erwerben, das A priori besitzt jeder von Natur aus.

Die Lehre von der Gleichheit aller Menschen kann nur vom gleichen apriorischen Erbe abgeleitet werden, das uns die Natur von Geburt aus mitgibt. Erfahrungen hingegen machen die Menschen ungleich. Insofern der Kapitalismus die Ungleichheit der Menschen predigt, muss er ein außengeleiteter Sensualismus sein mit

unterentwickeltem autonomem Denkvermögen.

Je verschiedener die Erfahrungen der Menschen, je ungleicher ihr Erkenntnis- und Bedürfnisstand. Gibt es von Natur aus keine gleiche Moral, sind Sensualisten von der Welt ihrer verschiedenen Außenwelten abhängig. Sensualisten hängen vollständig von ihrer Außenwelt ab. Der außengeleitete Mensch muss ein Sensualist – oder ein Postmoderner sein. Jeden Tag muss er sich neu erfinden, wenn sich die Signale von außen ändern. Wenn zur Außenwelt nicht nur Raum, sondern die sich unaufhörlich verwandelnde Zeit gehört, ist der Sensualist ein Wendehals oder Mitläufer der jeweiligen Zeiten, Epochen und Ereignisse.

Ist es zeitgemäß, Demokrat zu sein, ist man Demokrat. Kommen andere Moden übers Land, stößt man Demokratie wieder ab. Obwohl der Sensualismus in England entstanden ist, entspricht dieser Wankelmut nicht der demokratischen Standfestigkeit der Engländer, die mit der Anbindung an Europa Schwierigkeiten haben, weil sie um ihre Eigenständigkeit fürchten.

Der außengeleitete Mensch ist der ideale Konsument, weil er durch Werbung und Propaganda mühelos zu beeinflussen ist. Kapitalistische PR-Agenten sind Sensualisten. Bei Menschen mit stabilen Prinzipien stoßen sie auf härtesten Widerstand, denn diese hassen es, von außen an der Nase herumgeführt zu werden.

Woher kommt bei Sensualisten die eigenständige menschliche Denkkraft, die die Außenreize zu sichten, zu bewerten und zu bedenken hätte? Das ist noch heute ein Problem des sensualistischen Journalismus.

Platon hatte die sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit nicht geleugnet. Mit Sinneseindrücken beginnt auch bei ihm jedes Erkennen. Dennoch war er weder Sensualist, noch kantianischer Apriorist. Er blieb Anhänger der sokratischen Wiedererinnerung, wenngleich seine Ideenlehre weit über alles hinausgeht, was Sokrates in praktischer Hinsicht lehrte.

Für ihn gab es nichts Wahres, das wir nicht komplett in uns hätten, wenngleich unter dem Schleier des Verdrängens und Vergessens. Unsere inneren Wahrheiten müssen wir durch Denken und Streiten erarbeiten. Wer nicht selber denkt, lässt seine naturgegebenen Wahrheiten brach liegen. Die äußerlichen Sinneseindrücke entbinden mäeutisch die dazugehörigen Ideen, die wir als zeitlose Wahrheiten schon immer in uns haben.

Sinnliche Eindrücke sind zeitlich und vergänglich. Der unvergängliche Kern der sinnlichen Wahrnehmungen liegt in zeitlosen Ideen. Sinnliche Eindrücke sind nur vorübergehend wahr. Ihr Wahrheitskern hingegen ist unvergänglich.

Platon ist das Gegenteil zu den Zeit-Philosophien der Postmoderne. Nichts hasst der Zeitgeist mehr als Unvergängliches und Zeitloses. Prinzipielle Wahrheiten können weder altern noch sich erneuern. Wären sie wirklich wahr, wäre jede Veränderung und Erneuerung eine Beschädigung und Vernichtung der Wahrheit.

Inbegriff zeitloser Wahrheit ist die Mathematik. 2 und 2 waren schon immer 4, auch in jenen Zeiten, als die Menschen noch gar nicht rechnen konnten. Der Mensch ist von der Wahrheit abhängig, die Wahrheit nie vom Menschen. Wahrheit existiert als objektive Idee: unabhängig von der Tatsache, dass der Mensch sie entdeckt und zu seiner subjektiv-objektiven Wahrheit macht.

Das weist die gesamte Moderne höhnisch zurück, die sich von der objektiven Wahrheit abwandte und sich der subjektiven zugewandt hat. Wahrheit wird vom Menschen mitgestaltet, geprägt, erfunden, konstruiert, ja bei Fichte vollständig „gesetzt“. Das Ich setzt das Nicht-Ich, heißt auf Deutsch: der allmächtige Mensch erschafft die Natur aus Nichts.

Wie fast alle deutschen Denker vermeidet Fichte klare Begriffe, um seine Abhängigkeit von der abendländischen Religion nicht offen zu legen. Ihre gigantischen Systeme wollen sie nur ihrem Ingenium zu verdanken haben. Keinen Vorläufern und schon gar keinen Religionsstiftern. Hätten die deutschen Idealisten in Klardeutsch geschrieben, hätte man ihre eigenen Fündlein auf wenigen Seiten zusammenfassen können. Jeder hätte gemerkt, dass sie entweder Plagiatoren der griechischen Philosophie oder der Religion waren.

Die meisten Philosophien sind miserable Kompromisse aus beiden Elementen, aus Vernunft und Offenbarung. Die faulen Kompromisse führten dazu, dass Vertreter der Offenbarung sich als Vernünftler aufblasen und Vernünftler noch immer bei der Offenbarung unterschlüpfen. Die vom Menschen abhängige Wahrheit ist die „subjektive Wendung“ der Moderne, die kein Mensch versteht, wenn er nicht den Wahrheitsbegriff des christlichen Schöpfers versteht.

Gottes Wahrheit ist die, die er selber erschaffen hat. Da seine Geschöpfe gottebenbildlich sein sollen, erfinden, kreieren und schaffen sie unaufhörlich neue Wahrheiten aus dem magischen Nichts.

Bei den Griechen war alles vom Kosmos abhängig, der auch dann existierte, wenn es den Menschen nicht gäbe oder wenn er die Natur nicht zur Kenntnis nähme. Die christogene Moderne kennt keine menschenunabhängige Wahrheit. Gäbe es keinen Menschen, gäbe es auch keine Wahrheiten.

Bei Hegel existiert der Baum nur so lange, solange er vom Menschen wahrgenommen wird. „Das Hier ist zum Beispiel der Baum. Ich wende mich um, so ist diese Wahrheit verschwunden, und hat sich in die entgegengesetzte verkehrt: Das Hier ist nicht ein Baum, sondern vielmehr ein Haus“. Über den ökologischen Satz: die Natur braucht uns nicht, wir brauchen die Natur, hätten alle deutschen Idealisten – selbst Kant – nur den Kopf geschüttelt.

Der objektive Wahrheitsbegriff der Antike ist das genaue Gegenteil des christlich-modernen. Der Grieche muss die Wahrheit in der Natur suchen – er selbst gehört zur Natur. Die Moderne schreibt der Natur die Wahrheit vor oder erschafft sie in verschiedenen Graden der Potenz, die bis zur Omnipotenz reichen können.

Eine ökologische Katastrophe wäre ohne subjektiven Wahrheitsbegriff nicht denkbar, denn ein gottgleiches Subjekt der Erkenntnis gäbe es nicht, das schalten und walten will, wie es ihm gefällt. a) Der gottähnliche Mensch ist gar nicht in der Lage, die Natur zu zerstören. Sie kann von ihm nach Belieben repariert und neu erschaffen werden. b) Er soll sie in vorauseilendem Gehorsam zerstören, weil das Alte erst vergangen sein muss, damit das Neue als Messias erscheinen kann.

Wahrheit ist Übereinstimmung von Gedanken mit der Realität – das könnte man durchaus als gemeinsame Wahrheitsdefinition der Antike und der Moderne nehmen. Dennoch kommen beide Wahrheitstheorien zu diametral verschiedenen Konsequenzen.

In der Antike hat sich der Mensch der Wahrheit des Kosmos unterzuordnen, damit Gedanken und Realität identisch werden. In der Moderne hat die Natur sich der Allmacht des Menschen unterzuordnen, damit beide zur unio rationalis kommen.

Genau genommen muss sich der antike Mensch der Natur nicht unterordnen. Denn er ist selbst Natur und hat alle Wahrheit schon immer in sich. Würde er mit sich identisch werden, wäre er in Harmonie mit der Natur – und umgekehrt: wäre er in Harmonie mit der Natur, wäre er mit sich identisch. Die Harmonie zwischen Mensch und Natur ist nicht das Ergebnis einer Vergewaltigung, wo eine Seite der anderen Gewalt antut.

Anders in der Moderne. Hier ist der Mensch nur mit seinem endlichen Leib und Geist Teil der Natur. Neben dem endlichen Geist gibt es aber noch die unendliche Seele, die ein Teil der Übernatur ist und mit der Natur gar nicht identisch werden kann. Die Seele sprengt alles Natürliche, die Folgen zeigen sich täglich unverhüllter.

Kant will Sinnlichkeit und Verstand versöhnen. Ohne Sinneseindrücke bleibt Denken blind, Gedanken ohne Inhalt bleiben leer. Weil man Gott weder sehen, hören, schmecken, tasten oder riechen kann, kann man seine Existenz nicht beweisen. Gottesbeweise ade! Nichtgottesbeweise allerdings auch! Der moderne Atheismus, nicht anders als seine Antipodin, die „aufgeklärte Theologie“, sind beide auf vorkantisches Niveau zurückgefallen. Jede Fraktion macht sich anheischig, den lebendigen oder toten Gott aus seinen abgenagten Gebeinen zu erschließen.

Das Problem ist nicht, ob man Gott beweisen kann oder nicht, sondern welche selbsterfüllende Prophezeiung vernünftig ist, weil sie vernünftige und menschliche Verhältnisse herstellen will. Auch die Vernunft glaubt an Dinge, die es noch nicht gibt. Wäre alles Vernünftige schon realisiert, lebten wir bereits im Paradies. Also muss Vernunft daran glauben, dass durch die Tätigkeit des autonomen Menschen vernünftige Verhältnisse hergestellt werden können.

Vernunft muss humane Verhältnisse entwerfen, in die Zukunft projizieren und es für möglich halten, dass die Projektionen durch selbsterfüllende Arbeit nach und nach Realität werden. Das ist vernünftiger Glaube. Im Gegensatz zum christlichen, der neurotische, wirre, sich widersprechende und menschenschädigende Jenseitsprojektionen verwirklichen will oder glaubt, dass ein Gott sie persönlich herstellen wird.

Würden die Fieberträume der Geisterseher Realität werden, würde die übergroße Mehrheit der Menschheit in einer unausdenkbar grausamen, ewigen Foltersituation enden – und eine winzige Minderheit säße lachend im Schoße Abrahams.

Es ist sonnenklar, dass diese Endzeitvisionen des christlichen Glaubens bei allen Debatten um Sinn und Unsinn des Credos komplett außen vor bleiben. Selbst eifrigste Vertreter des orthodoxen Glaubens genieren sich, die finalen Elemente des Katechismus auch nur zu erwähnen, geschweige zu verteidigen. Als geübte Lügner im Dienste des Heiligen scheuen sie sich nicht, Himmel und Hölle glattweg zu verleugnen. Nur Fanatiker wie Mosebach, Spaemann, Matussek, (Hofpapist des SPIEGEL), oder sonstige Lohmänner kennen keine Hemmungen, 99% der verkommenen Menschheit in ein ewiges Guantanamo zu schicken. Mercy vielmals, ihr nächstenliebenden Schnuckelchen.

Womit wir zwanglos beim deutschen Papst angelangt wären, der außer überflüssigen Büchern nichts zuwege gebracht hat – außer dem Blitz- und Donnerschlag, die Menschheit schon vor seinem Ableben von sich zu befreien. Eine außergewöhnliche Leistung, jedem Nachfolger innig zu empfehlen bevor er den unfehlbaren Papststuhl besetzt.

Überhaupt könnten alle Kirchen den gelehrten Bayern zum Vorbild nehmen und die Menschheit von ihren totalitären Alpträumen für immer befreien. Das wäre ein Akt der Caritas und Diakonie, der wahrhaft auf Gegenliebe bei der Menschheit stieße. Solltet ihr uns Gottlose wahrhaft als eure Nächsten lieben, dann befreit uns von euren selbsterfüllenden Teufeleien – und wir würden mit Begeisterung an euren Glauben glauben. Versprochen.

Warum verlässt der geplagte alte Mann wirklich sein mächtiges Amt, mit dem er Macht über eine Milliarde von Menschen ausübte? Weil er die Schnauze voll hatte von seiner verweltlichten Kirche und sah, dass seine von tiefer Resignation bestimmten Appelle bei seinen törichten Schafen nicht mehr ankamen.

In der Herde wird nur noch kopflos gemuht und geblökt. Die ganze Schwarmintelligenz der Laien besteht in dem Kunststück, die Kirche wegen zeitloser Glaubensfestigkeit als Fels in der Brandung zu bewundern – und dennoch fortlaufend Anpassungsleistungen an den Zeitgeist zu fordern.

Oh, heilige Kirche sei modern, doch wehe, du wirst es. Das ist ein tückischer Double Bind der Schafe, den selbst die Weisesten der Hirten nicht mehr ertragen und nun zum professionellen Burnout der obersten Seelsorger geführt hat. Dass Papa a.D. sich frühzeitig pensionieren lässt und seinem Herrn im Himmel als Stellvertreter nicht mehr rund um die Uhr zur Verfügung steht, ist ein gewichtiger Akt im Kampf gegen den ausbeutenden Kapitalismus des Himmels. In Freiburg hielt er eine Abschiedsrede probehalber, aber sein störrisches Glaubensvolk hat wieder einmal nichts gehört und nichts bemerkt. (Die Papstrede in Freiburg)

Warum entfliehen immer mehr Gläubige den Kirchen? (Die sich noch immer Christen nennen?) Muss die Kirche sich ändern? Das war die bange Grundfrage des obersten Hirten. Nein, nicht die Kirche, sondern Du und Ich, pardon, nur Du, denn du willst ja noch Christ sein.

Worin soll die Änderung des einzelnen Gläubigen bestehen? Dass er den jesuanischen Sendungsauftrag immer besser in die Tat umsetzt: „Macht alle Menschen zu meinen Jüngern. Verkündet das Evangelium allen Geschöpfen.“ In der Pflicht missionierender Fremdbeglückung haben die Frommen nachgelassen. Wenn die Gläubigen ihren Glauben lebten und nicht alles relativierten, würde der Glaube sich deutlich von der Welt unterscheiden.

Um ihrer frommen Glaubwürdigkeit willen müssten sie mehr ent-weltlichen. Göttliche Liebe will sich verströmen, sie kann nicht bei sich bleiben und muss die Welt verändern. Durch einen Kommerz. Durch einen Tausch zwischen Gott und den Menschen.

Um Himmels willen: ist der Glaube ein Tauschgeschäft? Ein do ut des, ich gebe, damit du gibst? Das Mysterium des Glaubens ist ein Tausch auf ungleicher Ebene. Gott hat dem Menschen die Freiheit gegeben, damit er sich für Ihn entscheide. Eine Freiheit, die höllisch bestraft wird, wenn sie sich falsch entscheidet.

Der Tausch ist ein einseitiges Geschenk Gottes an den Menschen, der diesem nichts Gleichwertiges zurückgeben kann. Dass man mit überdimensionierten Geschenken andere beschämen kann, ist aus dem Brauch des Potlatch bei gewissen Südseeinsulanern bekannt.

Die Nächstenliebe der Christen ist ein Potlatch der schlimmsten Art. Mit Taten der Liebe sollen dem Empfänger glühende Kohlen aufs Haupt gesammelt werden. Die Armut des Bettlers nimmt Gott als Reichtum. Das sind Mauschelspiele der extravaganten Art.

Weder Mensch noch Kirche haben dem Schöpfer etwas Sinnvolles zu bieten. Sie seind unnütze Knechte, wie Luther zu formulieren pflegte. Gott haben sie nichts zu bieten, dies aber in eifriger Form.

Die Kirche ist immer in der Gefahr, sich satt, behaglich und herrschsüchtig in der Welt einzurichten und sich den Maßstäben der Welt anzupassen. Welchen Maßstäben? Demokratischen? Also soll Kirche betont antidemokratisch werden? Den Freuden dieser Welt? Also soll sie sexual- und lebensfeindlich bleiben? Wollen Fromme etwas Besseres sein als andere Menschen? Sie wollen Auserwählte sein und mit dem heidnischen und gottlosen Mehrheitsmob nichts zu tun haben: „Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin.“ ( Neues Testament > Johannes 17,16 / http://www.way2god.org/de/bibel/johannes/17/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/johannes/17/“>Joh Neues Testament > Johannes 17,16 / http://www.way2god.org/de/bibel/johannes/17/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/johannes/17/“>. 17,16)

Nur indem die Kirche sich absondert und ent-weltlicht, kann sie die Welt missionieren. Nein, die Kirche soll keine weltliche Macht sein, jeder Gläubige soll Gott in seiner Innerlichkeit finden. Wenn das so ist, warum gibt der Vatikan nicht seine Macht auf? Warum wird nicht jeder Priester ein zweiter Franz von Assisi?

Ratzinger traut sich nicht, seinen mächtigen Club aufzulösen, um vorbildlich ohnmächtig zu werden. Was er sich nicht traut, soll jeder Christ mit seinem privaten Leben kompensieren? Wenn der allmächtige Gott unendlich über dem Gläubigen und gleichzeitig in ihm ist, hat jeder Fromme die Allmacht des Herrn in sich. Eine famose Machtlosigkeit.

Der christliche Glaube sollte ein Skandal sein, ein Ärgernis. Die Ungläubigen sollten sich ärgern über den allmächtigen Gott am Kreuz: was für ein Unsinn, dieser Glaube, in dem die Allmacht sich als ohnmächtiges Jesulein tarnt, ja, als Opfer am Kreuz. Tatsächlich ist der Skandal längst zum Nichtskandal geworden. Weil die Menschheit sich an den Unsinn des Credos gewöhnt hat. Sie ist taub geworden für die unendlichen Widersprüche.

Statt des wahren Skandals gäbe es nur noch erschreckende Skandale der Kirche, so Ratzinger. Doch jetzt kein falsches Wort, Papst, sonst werden die hämischen Gegner der Kirche Dich beim Wort nehmen. Sollte die Kirche sich tatsächlich radikal aus der Welt in die Wüste zurückziehen wie einst die ersten Anachoreten in Ägypten? Gottlob kriegt der Oberhirte gerade noch die Kurve. So ernst soll man die Entweltlichung nun auch nicht nehmen:

„Das heißt nicht, sich aus der Welt zurückzuziehen.“ Gott sei Dank, die Macht der Kirche kann erhalten bleiben, die finanzielle Ausbeutung der halbsäkularen Staaten wird hemmungslos fortgesetzt. Alles bleibt, wie‘s ist. Papa wollte nur vorsichtig eine Taube fliegen lassen, ob die Schäfchen seine geheimen Sorgen verstehen. Die verstehen gar nichts. Und die Taube, verfolgt von gottlosen Möwen, wird sofort zurückgezogen.

Schön, dass wir wieder miteinander geredet haben, pardon, ich euch die Meinung geigen konnte – ohne dass ihr es gemerkt hättet. Wie nennen Verhaltenstherapeuten diese Methode? „Wasch mich, Therapeut, aber mach mich nicht nass“.

Ratzinger, Nachfolger Petri – der Fels, auf dem die Kirche steht – muss immer seine Gläubigen verstehen. Doch die wollen ihn nicht verstehen. Der Fels flieht vor denen, die verständnislos auf ihm herumtrampeln.