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Mittwoch, 11. April 2012 – Philanthropie

Hello, Freunde der Bankenversteher,

Es sei allgegenwärtig in der Branche, auf die Kunden herabzublicken und sich stets zu fragen, wie man ihnen noch mehr Geld aus der Tasche ziehen kann“, schreibt ein Wissenschaftler über die Banker, der sie in London im Rahmen einer Feldstudie in vielen Gesprächen beobachtet hat.

In internen Vorbereitungsgesprächen laute die erste Frage der Investmentbanker stets: an welcher Stelle kassieren wir ab? Wäre an dieser Stelle nicht interessant gewesen, die Betrogenen zu befragen, warum sie nicht bemerkten, dass sie über den Tisch gezogen wurden?

Diese Beobachtungen stützen die öffentliche Abrechnung eines ehemaligen Goldman-Sachs-Mitarbeiters, Greg Smith, der seinem früheren Arbeitgeber in einem New York Times-Artikel vorwarf, die Kunden rücksichtslos auszunehmen.

Überhaupt muss man sich fragen, warum die Gepflogenheiten dieses ehrenwerten Berufs so lange im Verborgenen bleiben konnten.

Die Linken werden abwinken, das alles wisse man längst, die Banker seien eine Verbrecherbande im Rahmen der Legalität.

Die Rechten mokieren sich über die dogmatischen Vorurteile der Linken und wollen gar nicht wissen, was wirklich abläuft. Natürlich wissen sie es auch, halten aber

das Böse dieser Welt für inkorrigierbar, also sollte man sich arrangieren. Jeder Verbesserungsversuch verschlimmere den argen Zustand der Welt.

Gestern waren in ARTE kleine Einblicke in das schlichte Leben eines der reichsten Männer dieser Welt zu sehen. Er heißt Warren Buffet, sieht aus wie eine in sich ruhende Mischung aus weißhaarigem Presbyter und Edeka-Filialleiter. Er arbeite nicht um des Geldes willen, seine Arbeit mache ihm Spaß. Das viele Geld brauche er nicht und tatsächlich lebt er schlicht und unauffällig.

Wer auf ehrliche Weise sein Geld verdient habe, hätte das Vorrecht und die Pflicht, es unter jene zu verteilen, die es nötiger hätten als er und seine Familie. Wäre sein Job zufällig Arzt, würde er mit derselben Leidenschaft Menschen heilen. Zufälligerweise aber verdiene er mit seiner Arbeit sehr viel Geld, das er postwendend der Gesellschaft zurückgebe.

Prozentual müsse er weniger Steuern an den Staat abführen als seine Mitarbeiter, das halte er für absurd. In den letzten 20 Jahren seien die Steuern für Reiche kontinuierlich gesenkt worden, anstatt erhöht zu werden.

Von Dynastien halte er nichts, seine Kinder erhielten nur einen Bruchteil seines Vermögens als Erbschaft, ansonsten müssten sie selbst zeigen, was sie zustande bringen.

Sein Vater habe ihn sehr geliebt und ihm erklärt: tue einfach dein Bestes. Auch er liebe seine Kinder, ein höheres Glück könnten Menschen nicht erfahren, als bedingungslos geliebt zu werden.

Fast sein ganzes Vermögen stecke er in philanthropische Stiftungen oder gebe sie in die Obhut seines Freundes Bill Gates, der sie an die Armen, Schwachen und Kranken dieser Welt weitergebe.

Auch eine französische Milliardärin namens Rothschild wurde gezeigt, die sich mit Leidenschaft der praktischen Menschenliebe widmet und darin die wahre Berufung und Pflicht der Reichen sehe. Anders könnten die Probleme der Welt nicht gelöst werden, als dass jene sich besonders engagierten, die es sich leisten können, von ihrem Überfluss abzugeben.

Kein Zweifel, dass es unter den Superreichen Menschen gibt, die mit dem Luxusprahlen der Neureichen nichts am Hut haben und der Menschheit mit ihrem Geld dienen wollen.

Natürlich wurde weder Warren Buffett, noch Bill Gates oder Frau Rothschild die Frage gestellt, inwiefern sie des Glaubens sein können, ihren Reichtum ehrlich verdient zu haben. Was nicht unterstellen soll, sie hätten gegen Gesetze verstoßen.

Wir meinen den Unterschied zwischen moralisch und legalisch, zwei Begriffen Kants, mit denen er wahre Moralität von jener „scheinmoralischen“ Einstellung unterscheidet, die sich lediglich an die Buchstaben der Gesetze hält.

In seiner Verfluchung der Pharisäer unterscheidet der Galiläer zwischen Geist und Buchstaben des Gesetzes. Die heuchelnden Frommen würden sich starr am Buchstaben festhalten und darüber den Geist verletzen.

Die kodifizierten Gesetze sind zu Beginn der schreibenden Hochkultur aus dem unkodifizierten Geist entstanden: wo soll der Gegensatz herrühren?

Aus der Schwierigkeit oder Unmöglichkeit, das ganze Leben – das in den arbeitsgeteilten Zivilisationen schnell unübersichtlich wurde – in geschriebenen Gesetzen einzufangen.

Und dem Umstand, dass der „abstrakte“ Geist des Anfangs im konkreter werdenden Alltag unvermeidlich dazu neigt, antagonistisch zu werden und sich am Ende selbst zu widersprechen.

Aus dem Geist guter Absicht wurde der unbewusste oder gespürte, aber jedenfalls schwer auf den Begriff zu bringende Ungeist des immer verwickelteren und ambivalenteren Fortschritts. Am Ende steht der römische Satz: fiat justitia, pereat mundus, es walte Gerechtigkeit, und wenn die Welt dabei unterginge.

Das Gesetz, angetreten Mensch und Welt zu retten, hat sich hoffnungslos in sich selbst verheddert, sodass es am Ende der zivilisatorischen Präzisierung und Kodifizierung sich in sein eigenes Gegenteil verkehrt.

Aus dieser merkwürdigen Tatsache hat Hegel die Dialektik des Geistes geschlossen, wonach anfängliche Identität sich zu Widersprüchen fortentwickelt, um auf höherer Stufe wieder zur Harmonie zu gelangen. Die Epoche des Widerspruchs wäre danach unvermeidlich.

Wäre Jesus Hegelianer gewesen, hätte er die Pharisäer zwar des Widerspruchs zeihen können, doch ihnen gleichzeitig zugestehen müssen, dass sie eine nicht überspringbare und notwendige Epoche der Antithesen repräsentierten. Ab jetzt aber, mit seinem öffentlichen Auftreten, sei diese Epoche vorbei. ER, der Entdecker des Widerspruchs, verkündige ab jetzt den Eintritt der nächsten Epoche der Eliminierung aller Gegensätze (des „Buchstabens“) und des Beginns der finalen Synthese (des „Geistes“).

Erneut sehen wir den Zimmermannssohn auf den Spuren des Sokrates, der auch nichts anderes tat, als die Athener der „Heuchelei“ zu überführen. Sie sprächen immer von Polis und Demokratie, würden aber in ihrer alltäglich-dumpfen Mentalität diese einstigen Zielvorstellungen – Platon hätte von Ideen gesprochen – durch unerkannte Widersprüche gefährden und in Trümmer legen.

Jesu Vorwurf der Heuchelei an die Pharisäer wäre demnach überflüssig, hysterisch und von machtbewusster Überheblichkeit.

(Seltsame Ähnlichkeiten zur Grass-Affäre, wo säkulare Juden just die Rolle jenes Aggressors spielen, der sie vor 2000 Jahren zu Opfern machte, indem er sie als kaltblütig-heuchelnde Täter angriff, was uns Freuds These der Identität des Angreifers mit dem Opfer in vollem Umfang bestätigen kann. Indem ich jemanden zum Täter stilisiere, will ich ihn zur Strecke bringen. Die Aufhellung der psychischen Verstricktheit zwischen deutschen Tätern und jüdischen Opfern plus unbewusste Rollenrotation hat noch nicht mal begonnen.)

Sokrates hat seine dumpfen Athener nicht in die Hölle geschickt, er hielt sie auch nicht für Heuchler. Er hielt sie für Irrende, die sich in der Kompliziertheit der Welt vertan und zu falschen Schlüssen gekommen seien, die durch mäeutisches Bewusstmachen und logisches Durchforsten wieder zurecht gebracht werden könnten.

Aus der Sicht des Sokrates wären die Pharisäer und Schriftgelehrten auch keine Heuchler gewesen – dazu fehlte ihnen der dazu notwendige bewusste Zynismus –, sondern Denkschwache und Irrende, die sich aus richtigen Voraussetzungen im Verlauf der Begebenheiten in sich verheddert hätten.

Zwei Beispiele der jesuanischen Konfrontation mit den Buchstaben-Gehorsamen.

Am Sabbath wandert die Jesusgruppe über Land und beginnt Ähren zu pflücken, um ihren Hunger zu stillen, was im Gesetz verboten war. Doch Jesus verteidigt seine Jünger, der Sabbath sei um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Sabbaths willen. Der ursprüngliche Sinn des Sabbath-Gesetzes sei Barmherzigkeit mit dem Menschen. Dagegen verstießen die recht-gläubigen, aber nicht recht-denkenden Hüter des Gesetzes, dem sie seinen ursprünglichen Geist weggenommen hätten. ( Neues Testament > Matthäus 12,1 ff / http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/12/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/12/“>Matth. 12,1 ff)

Eine ähnliche Geschichte mit der erstorbenen Hand, die Jesus am Feiertag heilte, was er dem Buchstaben nach nicht gedurft hätte. ( Neues Testament > Matthäus 12,9 ff / http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/12/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/12/“>Matth. 12,9 ff)

Waren die Gesetze ursprünglich erfunden worden, um den Menschen zu nützen, haben sie sich inzwischen selbständig gemacht und sind den Menschen über den Kopf gewachsen, um sie zu schädigen.

Um den unvermeidlichen Prozess der Sklerotisierung und Selbstverfälschung der Gesetze zu verhindern, müssten sie regelmäßig überprüft werden, ob ihr überkomplexer „Buchstabenstatus“ noch dem ursprünglich schlichten „Geiststatus“ entspricht oder letzteren inzwischen ad absurdum führt.

Kants Moralität entspricht dem Geist, seine Legalität dem Buchstaben des Gesetzes. Natürlich könnte im Verlauf einer solchen Dauerüberprüfung das Ergebnis sein, dass ursprüngliche Schlichtheiten und gutgemeinte Absichten auch verändert werden müssten, weil sie dem Zweck des Gesetzes – dem Menschen zu nützen – nicht mehr entsprächen.

Nebenbei sehen wir die unbewusste Identität Hegels mit Sokrates & Jesus, deren Werk er fortzusetzen gedachte, indem er die zweite antithetische Stufe der Dialektik beenden und die Epoche der finalen Versöhnung einläuten wollte.

Allerdings am wenigsten mit den Mitteln sokratischer Argumente, sondern mit Hilfe eines Weltgeistes, der mit jesuanischer Gewalt seinen Gang von Ost nach West über die Völker hinweg exekutiert und nur die auserwählten Nationen – unter ihnen Deutschland an erster Stelle – an die Spitze bringt. Der unheilige Rest in den Orkus!

Solche Fragen dürften den Menschenfreunden Buffet und Gates nicht erspart werden, wenn sie in unüberbietbarer Naivität behaupten, sie hätten ihre Schätze ehrlich erarbeitet und verdient. Fehlte grade noch: im Schweiße ihres Angesichtes.

Ihre Arbeit besteht nämlich darin, sich den Profit all jener Unzähligen, die sich wirklich plagen müssen und fast nichts bekommen, in legalischer Korrektheit anzueignen.

Die reichen Philanthropen fragen nicht nach der Moralität der Legalität. Würden sie das, müssten sie schnell konzedieren, dass die Gesetze sich längst in die Fratzen ihrer ursprünglichen guten und gerechten Absichten – sofern vorhanden – verwandelt hätten und das ganze falsche System sich ändern müsse. Private Mildtätigkeit habe den Vorteil, sich dort engagieren zu können, wo der Staat aus diversen Gründen unerwünscht sei.

Marx dachte nicht anders als Hegel, nur auf ökonomischer Basis. Die Geschichte müsse den Prozess der Selbstverfälschung des ursprünglich guten Gesetzes – des kommunistischen – so lange in sich verbrennen, bis der neue Kommunismus am Ende der Geschichte wie Phönix aus der Asche stiege.

Das geschieht nur mit Gewalt und Revolution, Einsichtsprozesse gibt es nicht. Die bösen und uneinsichtigen Ausbeuter müssen aussterben, bevor die guten Proleten als Lieblingskinder der Heilsgeschichte das Reich der Freiheit ausrufen.

Bei Jesus, Hegel und Marx bleiben die Menschen Marionetten der Geschichte, die den Fortschritt ins Himmelreich selbständig und autark durchführt. Die einzige Mäeutik, die dem Bodenpersonal überlassen wird, steht im berühmten Satz aus dem Vorwort zum Kapital. Der Enzweck des Werkes sei es, das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen, die naturgemäße Entwicklungsphasen weder überspringen noch wegdekretieren könne. „Aber sie kann die Geburtswehen abkürzen und mildern.“

Mit anderen Worten, Marx bespricht mäeutisch keine Menschen, sondern die Geschichte. Die gesamte Geschichte ist ein einziger Schwangerschaftsprozess, der das heilige Kind nach langer Leidenszeit in strahlendem Triumph entbinden wird. Man könnte auch sagen, die irdische Zeit ist die Mutter, die das göttliche Kind unterm Herzen trägt und am Ende zur Welt bringen wird, indem sie sich selbst aufopfert.

Marxens Geschichte ist frauenfeindlich. Das Weib kann sich nur rechtfertigen, indem sie den männlichen Erlöser gebiert – und den Geist aufgibt. Wer muss hier nicht an Maria, die Leihmutter und Brutmaschine des Herrn denken?

Alle modernen Geschichtsphilosophen, Fortschrittsdenker und Evolutionisten von Lessing über Hegel, Schelling und Marx übertragen – ob sie es wissen oder nicht – das Krippengeschehen in Bethlehem auf den Geschichtsverlauf. Das Wort ward Fleisch, Gott ward Mensch, das Ewige begattet das Irdische, damit der göttliche Sohn der Liebe in der Zeit ausgetragen werden kann. Die Geburt des Gottes ist der Beginn der wahren Endzeit und das Ende der leidenden Vorzeit.

Wir stehen im Advent des Seins, das die Zeit bringen wird. Alle modernen Fortschrittsideologen projizieren ein mythisches Geburtsgeschehen auf ihre zukunftsfixierte Zeitachse und erwarten das Jesuskind am Ende der Geschichte. Sei es in ökonomischer, technischer oder in sonstiger Version.

Auch Untergangspropheten und Pessimisten wie Oswalt Spengler sind demselben Schema verhaftet. Für sie ist das Ende der Geschichte die Fehl- und Todgeburt eines göttlichen Heilands, den die irdische Mutter Zeit unfähig war, gesund auszutragen. Schande über das Weib, das die Hoffnungen des Vaters und seiner irdischen Menschenkinder so jämmerlich betrog.

Der Begriff Philanthropie ist völlig aus dem Zeitgeist gefallen. Er heißt Freundschaft mit den Menschen, nicht zu verwechseln mit Agape, der Menschenliebe. Was ist der Unterschied zwischen den beiden ähnlich klingenden Begriffen?

Agape oder Caritas ist jene Tugend der Jenseitsgläubigen, mit deren Hilfe sie das Himmelreich erringen wollen. Von einer Veränderung des hoffnungslosen Diesseits kann keine Rede sein. Die Armen habt ihr alle Zeit, jeder bleibe in seinem Stande, in den Gott ihn berufen hat, Sklave bleibe Sklave, Herr bleibe Herr.

Philanthropie ist ein griechischer Begriff, den die antiklerikale Aufklärung wieder aufnahm, um durch Humanität die Welt real zu verbessern. Sei es mit privaten Liebestaten, sei es vor allem mit Politik, die für gerechte und freie Verhältnisse für alle Menschen sorgen soll.

Die Christen benötigen die Notstände irdischer Staaten wie Insekten die Wunden anderer Tiere, von denen sie sich ernähren. Und gibt es die nicht, müssen sie hergestellt werden.

Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, aber die Kranken. Also bedarf der Arzt der Kranken, um seine Nützlichkeit unter Beweis zu stellen. Das meinte Schmidbauer mit seinem Buch über die vielen pädagogischen und therapeutischen „hilflosen Helfer“, die auf Schwache angewiesen sind, damit sie sich profilieren können. Also werden sie alles tun, um Hilflose aus dem Boden zu stampfen.

Das war die Politik der Kirche im Mittelalter, die Bettlerheere schuf, um ihre Gnade und Barmherzigkeit an ihnen zu üben, Macht und Geld zu erringen und gleichzeitig die Welt mit Caritas zu beeindrucken. Liebe ist für Christen eine private PR-Maßnahme zum Zweck ihrer Seligkeitsrendite.

Aus der Hochpreisung der Nächstenliebe stammt die weit verbreitete Meinung, die Antike hätte keine Liebe gekannt. Der Klassiker von Gerhard Uhlhorn über „Die christliche Liebestätigkeit“ beginnt mit dem ersten Kapitel über die Antike: „Eine Welt ohne Liebe“.

Uhlhorn verwechselt heilsegoistische Scheinliebestaten mit dem antiken Grundsatzgedanken, durch Politik solche Missstände gar nicht erst aufkommen zu lassen, damit man sie nachträglich mühsam korrigieren müsse.

Deshalb die vielen Kämpfe der Griechen von Solon bis zu den Stoikern, die ihre demokratische Polis zu einem Hort der Gerechtigkeit machen sollten. Nicht ohne Erfolg. Das ganze Vokabular des Sozialen und Politischen haben die modernen Staaten von den Griechen übernommen.

Nur ein kleines Zitat über die Stoiker zum Abschluss: „Der einzelne erscheint hier ganz wesentlich zugleich um der andern und um des Ganzen willen da, wird betrachtet als dienendes Organ des sozialen Organismus. Er kann nicht für sich leben, ohne für den andern zu leben. Der Weise erkennt es als Pflicht, auch für die kommenden Geschlechter um ihrer selbst willen Sorge zu tragen.“ (Robert von Pöhlmann: „Geschichte der sozialen Frage und des Sozialismus in der antiken Welt“)

Woran erkennt man einen guten Staat? Daran, dass er kein bevormundender Staat, sondern eine Polis mit gleichberechtigten Bürgern ist, die mit politischen – und das heißt: allgemeinen – Mitteln dafür sorgen, dass kein Mitglied des Gemeinwesens vor die Hunde geht.

Ein Staat, der Nächstenliebe nötig hat, ist ein kranker Staat. Die Nächstenliebe eines geordneten Gemeinwesens ist eine humane Politik.

 

Bei der SZ scheint sich etwas zu bewegen. Sie veröffentlichten das Gedicht von Grass, Heribert Prantl führte mit dem Angeklagten ein großes Gespräch. Selbst Alfred Grosser und Uri Avnery, die man sonst nicht leicht in deutschen Gazetten findet, dürfen ihre abweichenden Meinungen erläutern. Sie halten die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den Dichter für völlig daneben und lächerlich.

Der affektive Streit wird vor allem unter „rechtgläubigen“ und „selbsthassenden“ Juden geführt. Nichtjüdische Stimmen von Rang und Namen sucht man bislang vergebens. Zwei Juden, drei Meinungen: da hält man sich als neutraler Mitteleuropäer am besten raus. Courage ist schließlich kein deutsches Wort.

Gesamtkommentar zur Grass-Affäre siehe: Kontroversen – Günter Grass – Israel-Gedicht