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Tagesmail

Mittwoch, 10. Oktober 2012 – Götzenmacherei

Hello, Freunde der Finanztransaktionssteuer,

immerhin elf EU-Staaten haben sich auf die Steuer gegen Zocker geeinigt. Die ganze Zeit hieß es, eine solche Steuer sei nur in internationalem Rahmen sinnvoll, Amerika und England würden aber niemals mitmachen. Nun geht es doch. Vor wenigen Jahren noch galt die von ATTAC vorgeschlagene Steuer als unmachbar und utopisch.

Die EU erhofft sich Einnahmen in der Höhe von etwa 57 Milliarden, die nun für den Klimaschutz ausgegeben werden sollen. Schäuble gab zu, dass er und viele Ökonomen geirrt hätten: der Markt reguliert sich nicht selbst.

Das war das Credo des Neoliberalismus, bei Nacht und Nebel so nebenbei vom Tisch gefegt. Keine riesigen Schlagzeilen in den Medien, in den Kommentaren kaum zu finden. Das wäre, als ob der Papst die Existenz Gottes widerrufen würde – und keiner würde sich drum scheren.

Es ist nicht so, dass die Gesellschaft lernunfähig wäre – sie schämt sich nur, dabei ertappt zu werden. Beim Kind wird jeder Lernakt mit „Toll, prima gemacht“, verstärkt und dem Kind zurückgemeldet. Die Erwachsenen verhüllen vor Scham ihr Gesicht, wenn sie mal was eingesehen haben.

Woran erkennt man zwei Kilometer gegen den Wind eine kapitalistische Gesellschaft? Die Lernfähigkeitskurve von der Kindheit bis ins erwachsene Leben nimmt

kontinuierlich und rapide ab.

(Malte Kreutzfeldt in der TAZ zur Finanztransaktionssteuer)

 

Ein Markt kann sich gar nicht selbst regulieren, denn ein solches Monstrum gibt’s nicht. Es gibt nur Menschen, die nach bestimmten Regeln mit- und gegeneinander handeln.

Markt ist ein Spiel, aber ohne spielerischen Charakter, sondern mit einschneidenden Folgen fürs Leben. Hast du ein Schachspiel verloren, bist du nicht pleite – es sei, du hast mit dem Spiel deine Existenz aufs Spiel gesetzt wie bei Glücksspielen. Zu sagen, der Markt reguliert sich von selbst, ist genauso intelligent, wie zu sagen, das Brettspiel Mensch ärgere dich nicht spielt sich von selbst, wenn man nur das Brett aufgestellt und die Figuren gerichtet hat.

Der Markt verdankt sich der plastischen, aber gefährlichen Eigenschaft des Menschen, kollektive Ereignisse zu beschreiben, als seien sie riesige Wesen, Großmenschen, die ein eigenes Leben führen könnten. Es gibt auch keinen Staat, keine Gemeinde, keinen Bundestag. Nicht der Staat, nicht der Markt, nicht Institutionen tun etwas, sondern Menschen im Staat, im Markt und in den Institutionen.

Der Mensch versteckt sich gern hinter seinen Blasenbildungen, um nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden. Dabei sind jene Blasenbegriffe nur Kürzel zum schnellen Gebrauch und insofern sinnvoll. Wenn sich aber die Kürzel verselbständigen und zu Großwesen mutieren, denen die Menschen Geist und Leben einhauchen, wird’s gefährlich. Denn diese fiktiven Kolosse werden tatsächlich so, wie sie behandelt werden.

Nicht, weil es sie gibt, sondern weil die Menschen sie behandeln, als ob es sie gäbe. Menschen folgen ihren Phantasie-Produkten, als seien sie real. So entstehen Religionen und Mythen. Unsere Vorstellungskraft ist so überwältigend, dass wir vor den externalisierten Produkten unseres Kopfes niederknien und anbeten, als seien sie objektive Megagestalten, die von unserem Wollen und Begehren, Fürchten und Imaginieren unabhängig sind.

Die praktische Fähigkeit der bündigen Ausmalung, der praktischen Abkürzung unübersichtlicher oder unanschaulicher Prozesse zu gigantischen Wesen führt uns ins Verderben, wenn wir deren Entstehungsprozesse vergessen und den Geist, den wir selbst aus der Flasche gelassen haben, als mächtigen Gott betrachten, dem wir uns unterwerfen müssen. Wir unterwerfen uns nur unseren eigenen Erfindungen, als hätten wir sie in der Natur vorgefunden.

Man könnte vom Prozess der Selbst-Halluzinierung sprechen. Wir beleben die unbekannte Natur mit Gestalten unserer Einbildungskraft, um der Natur den Charakter der Fremdheit zu nehmen. Das wäre solange ein unvermeidlicher und sinnvoller Reduktions-, Erkenntnis- und Benennungsakt, solange wir die Entstehung des Aktes nicht vergessen und verdrängen.

In dem Moment, wo wir die Macht unserer Subjektivität unterschätzen, unterwerfen wir uns den Kreationen unseres Gehirns, als seien sie objektive Mächte der Natur. Anders Natur erkennen als mit den Werkzeugen unseres Erkennens ist nicht möglich. Gleichwohl müssen wir den Prozess dieses Erkennens selbst erkennen und durchschauen, um seine Fehlerquellen einzuschätzen und aus dem Erkannten herauszurechnen.

Es ist wie bei der „persönlichen Gleichung“ der Astronomen, die die kleinsten Verkrümmungen ihres Sehapparates kennen müssen, um ihre objektiven Daten nachzujustieren.

Mama, heut Nacht hat mich ein böser Mann geärgert: wär es nicht seltsam, wenn die Mutter sofort die Polizei benachrichtigen würde, um nach einem Wüstling zu fahnden, anstatt zu fragen, ob das Kind geträumt haben könnte?

Dasselbe bei der Psychoanalyse oder der introspektiven Selbsterkenntnis. Wenn ich meine neurotischen Defizite kenne, kann ich sie bei der Erziehung meiner Kinder nach und nach „herausrechnen“, um meine seelischen Hypotheken nicht unkontrolliert an den Nachwuchs weiterzugeben. Wir müssen die Verkrümmungen unseres Erkenntnisapparates mit-erkennen, um unsere Umgebung möglichst verzerrungsfrei wahrzunehmen.

Kant wollte nichts anderes. Seine Kritik der reinen Vernunft war Erforschung möglicher und wirklicher Fehlerquellen des vernünftigen Erkennens. Sein Fazit: unser Gehirn beeindruckt uns selbst so außerordentlich, dass wir zwischen subjektiven Produkten desselben und denen der Außenwelt nicht mehr präzis unterscheiden.

Unter Gott kann ich mir viel zusammenspintisieren. Wenn aber meine sogenannten Erkenntnisse nicht von sinnlichen Phänomenen – Signalen der Natur – begleitet und abgesichert sind, bleiben sie die Träume eines Geistersehers. Eingebildete Taler sind noch lange keine wirklichen Taler.

Der Erkenntnisakt ist ein doppelter. Ich muss denken, vermuten, Thesen aufstellen, raten – aber das Ergebnis dieses subjektiven Fürwahrhaltens muss ich objektiv an der Außenwelt absichern. Die Natur muss zu meinen Hypothesen selbst Ja oder Nein sagen.

Das klang ein bisschen großkotzig bei Kant, dass die Natur vor das Forum der Vernunft geladen wird, um „genötigt zu werden“, bestimmte Fragen zu beantworten. Die Natur muss nicht genötigt werden, denn sie verbirgt nichts – wenn sie richtig gefragt wird, sodass sie mit einem kargen Ja oder Nein antworten kann. Das geschieht im Experiment.

Bis hierher hatte Kant noch Respekt vor der Natur, dass er ihr das entscheidende letzte Wort gab. Doch was würden wir von einem Richter halten, der den Zeugen nicht nur befragt, sondern ihm die Antwort in den Mund legt und ihn nötigt, genau die Antwort zu geben, die er von ihm hören will? Diese Grenze hat Kant zum Teil überschritten.

Seit Francis Bacon wurde die Natur auf die Streckbank gelegt – gefoltert –, um zu sagen, was die Folterer hören wollten.

Ab Fichte und den modernen „Konstruktivisten“ gab‘s kein Halten mehr. Was ich wissen will, erfinde, konstruiere ich selber und schreibe es der Natur vor. Ich erfrage, was ich selbst erfunden habe und degradiere die Natur zum Anrufbeantworter, den ich selbst bespreche. Die Natur ist entweder nicht erkennbar oder nur insofern erkennbar, als ich sie erkennbar mache.

Der Imperialismus der äußeren Welteroberung wird hier komplettiert vom Imperialismus der Naturerkenntnis. Ich erkenne, was ich selbst bestimme und der Natur vorschreibe. Das war die Krönung des Satzes: Macht euch die Erde untertan.

Minderwertige Natur erkennen? Was ich erkenne, bestimme ich noch immer selbst. Meine gottgleiche Erkenntnisfähigkeit schafft erst, was ich erkennen will. Erkennen wird zum Creare. Ich erkenne nur, was ich ex nihilo erschaffe. Abgemildert kann ex nihilo auch bedeuten: die chaotische Masse der Natur wird von meinem Erkenntnisakt geprägt, strukturiert und damit erkenntnisfähig gemacht.

Da war die Frage irgendwann unvermeidlich: ist Erkenntnis überhaupt möglich? Die Erkenntnis der Wirklichkeit? In konstruktivistischen, rein subjektiven Erkenntnismodellen natürlich nicht. Sie war auch gar nicht notwendig, denn das omnipotente Subjekt macht das Ganze mit sich selbst aus. Sexologisch könnte man sagen, die moderne Menschheit entwickelte sich immer mehr zum solistischen Mann, der auf kein äußeres Weib angewiesen sein will und es „sich selber macht“.

Der moderne Erkenntnisbegriff ist ein einsamer männlicher Masturbationsakt. Wenn es heißt: Adam erkannte sein Weib, so erkannte er noch naiv-natürlich. Zum Erkennen braucht man immer zwei: Subjekt und Objekt, Erkennender und erkannte Natur. Hätte Adam seine Eva vergewaltigt, wäre sein Erkenntnisakt ungefähr auf baconisch-kantischem Niveau gewesen.

Der heutige postmoderne Konstruktivismus hat sich vom Weibe – der Außenwelt – völlig getrennt und erkennt nur, was er selbst autistisch produziert. Der moderne Wissenschaftler will von Natur nicht mehr abhängig sein. Seine Labore ähneln immer mehr realitätsfernen Riesenhöhlen, in denen das Machogehirn mit sich selbst kopuliert. Die alte Natur muss vernichtet werden, damit eine neue aus dem Gehirn des homo autisticus kreiert werden kann.

Die „subjektive Wendung“ der modernen Philosophie, die schon mit Augustin begonnen hat, endet in der Gotterklärung des allmächtigen Subjekts, des Menschen, der die Welt praktisch und theoretisch, handelnd und erkennend, bis ins Mark dominiert. Der moderne Mensch versteht und erklärt, was er verstehend und erklärend bestimmt.

Kein Wunder, dass Derrida im ersten Gespräch mit Gadamer das Verstehen des Deutschen als besitzergreifend und dominant ablehnte. In der Tat ist Gadamers Verstehenslehre (Hermeneutik) ein Spätprodukt der Romantik und folgt den Spuren des romantischen Haupttheologen Schleiermacher, der sich zum absoluten Herrn des Verstehens machte. Was in der Bibel steht, bestimme noch immer ich.

Die heutigen Gottesflüsterer sind alles kleine Schleiermacher-Klone. Was sie nicht selbst gedeutet haben, ist des Teufels. Wenn Verstehen sich nicht überprüfen lässt von jenem, der verstanden werden soll, ist es ein autoritärer Hoheitsakt: wir verstehen uns doch, Bürschchen!!

Verstehen ist heute kein Koitus mit einem andern, sondern eine onanistische Selbststimulierung. Heute fragt kein Mensch einen andern, also muss auch keiner mehr antworten. Der Hagestolz, der niemanden mehr benötigt, ist die geheim gehaltene Götzenfigur der heutigen Wissenschaft.

Max Stirner, Zeitgenosse von Marx, hat‘s auf den Punkt gebracht (weshalb er heute völlig verdrängt wird): „Und doch ist kein Ding durch sich heilig, sondern durch Meine Heiligsprechung, durch Meinen Spruch, Mein Urteil, Mein Kniebeugen, kurz durch Mein – Gewissen.“ Die Welt ist das Produkt Meines Willens und Meiner Vorsehung.

An diesem Punkt hat sich die Gottähnlichkeit des biblischen Menschenbildes auf den Thron des Universums gesetzt. Das kann nicht mehr überboten werden.

Was in praktischer Hinsicht noch fehlt, ist nur eine Frage der Zeit: der selbstgemachte Roboter mit eigener Denk- und Empfindungsfähigkeit, der uns Menschen in allen Dingen übertrifft. Die Unsterblichkeit des Menschen. Die Eroberung des Universums. Das Verlassen der ausgebrannten und ausgesaugten Erde. Tusch, Bachtrompeten und Halleluja.

Der alte Mann mit dem weißen Bart wird abgelöst von Silicon-Valley-Bubis (allüberall in der Welt) mit den digitalen Riesenrechnern an Stelle des Kopfes.

Die Evolution hatte einst einen Riesenschritt vorwärts gemacht – wenn es überhaupt ein Vorwärts und Rückwärts gibt –, als sie die Fortpflanzung von einsamer Selbstbestäubung auf zwei Wesen erweiterte, die sich erkennend verbandeln mussten. Sagen wir‘s mal andersrum: und Eva erkannte ihren Gehilfen Adam.

Inzwischen hat der Mann sich entschlossen, sich von Weib und Mutter Natur zu lösen und mit triumphalem Geheul zur Selbstbestäubung zu regredieren, um die polare Existenz der Menschheit in den letzten Millionen von Jahren ungeschehen zu machen. Vorwärts Kameraden, wir müssen zurück.

Sollte hier jemand die intelligente Frage stellen: die Naturwissenschaft funktioniert doch, also kann der „konstruktivistische Subjektivismus“ doch nicht ganz falsch sein – so hätte er nicht ganz Unrecht. Sie funktioniert noch.

Wie lange noch? Solange die tatsächliche Wissenschaft noch immer besser ist als die Theorie derselben, da sie sich noch an der Natur orientiert und sich von ihr durch Experimente überprüfen lässt. Noch gibt es eine große Kluft zwischen konstruktivem Geschwall und solider polarer Erkenntnis, die ganz selbstverständlich die Natur nicht als unsere Konstruktion betrachtet. Sondern als begehrte Lustpartnerin unseres Erkennenwollens.

Wo stehen wir? Der Mensch macht sich ein Bild von der Welt, stülpt es der Welt über, endlich verwechselt er das Bild mit der Welt. Der Mensch erkennt sich nicht mehr in der Natur, sondern in sich selbst. Neugierig schaut er in den Spiegel und hält sein Ebenbild für die Welt.

Er hat verlernt, seine eigenen Einfälle von den Naturwahrheiten zu unterscheiden. Ohne eigene Einfälle geht es nicht. Man sollte nur lernen, Mein und Dein zu trennen. Und nicht heimlicherweise alles der Natur abluchsen und es dann als eigene Erfindungen ausgeben. Steht schon im 10. Gebot: Du sollst nicht begehren der Erkenntnisse der Natur und sie als deine ausgeben.

Dabei war das Problem schon Jesaja bekannt:

„Wer formt auch einen Gott und giesst ein Bild, dass es nichts nütze? Siehe, alle seine Genossen werden zuschanden und seine Werkmeister sind ja nur Menschen.“ Aus Eschenholz macht der Mensch einen Gott und „wirft sich nieder, formt es zum Bilde und kniet vor ihm. Sie erkennen es nicht und sehens nicht ein, denn ihre Augen sind verklebt, dass sie nicht sehen und ihre Herz ist verstockt, dass sie nicht klug werden. … Wer sich mit Asche abgibt, den hat ein betrogenes Herz verführt, er rettet nicht seine Seele, noch überlegt er: Ists nicht Trug, woran ich mich halte?“

Es geht nicht darum, dass der Mensch tut und macht, denkt und arbeitet, um sein Leben zu fristen. Es geht darum, die selbstgemachten Dinge nicht als objektives Ei des Kolumbus, als Alpha und Omega der Natur darzustellen, obgleich es nur unsere eigenen unüberprüften Ideen sind. Unerlässlich, sich der Natur mit unseren Erkenntnismethoden anzunähern, aber ausgeschlossen und illegitim, unsere Vermutungen, Ahnungen und Behauptungen als Antworten der Natur darzustellen.

Solange wir keinen Unterschied machen zwischen uns und der Natur, solange wir es nötig haben, Natur zu verleugnen und zum Schweigen zu verurteilen, so lange sind wir zunehmend gefährdet. Auf Dauer können wir nicht in der Natur leben, ohne auf ihre anwachsenden Warnungen zu hören.

Jesaja formulierte das Thema noch theologisch. Der unsichtbare Gott ist für ihn die absolute Wahrheit, die selbstverfertigten Dinge und Skulpturen aber Götzen, nichtige Götter. Der Gläubige müsste erkennen, dass er Gott nicht schaffen kann. Dass es einen Unterschied gibt zwischen seinen Möchtegerngöttern und dem wahren Gott.

Übersetzen wir das in die Sprache der Welt, erhalten wir den Satz: der Mensch muss lernen, dass seine Vorstellungen und Phantasieprodukte noch nicht die Wirklichkeit sind. Er ist nur Teil der Natur und nicht die gesamte Natur. Die Verifikation der Natur kann er nicht übergehen und durch Glaubensakte ersetzen.

Will er Natur erkennen und in ihr leben, muss er sie verstehen. Verstehen ist ein polarer Akt der Vergewisserung des Ego beim Alter Ego, des Menschen bei der Natur. Der eine Pol kann sich nicht zum verstehenden Alleinbestimmer des andern Pols aufschwingen.

Erkennen ist ein erotischer Akt des Ich mit jemand, der nicht Ich ist. Wir können Natur erkennen, weil wir selbst Natur sind. Erkennen ist Heimkehren zur Natur.

Die maßlose Überhöhung des Selbstproduzierten zu übernatürlichen Göttern hat Jesaja mit Recht als Selbstanbetung und Götzenmacherei des Menschen angegriffen. (Sehen wir mal von den Verdammungen ab.) Er hat nur versäumt, dieselbe Kritik zu erweitern und auf sich selbst anzuwenden. Sein Gott war auch nur das geistige Produkt seiner Wünsche und Bedürfnisse, das er mit der objektiven Wahrheit verwechselte.

Auch wenn er mit aller Inbrunst an einen Gott glaubt, ist das noch keine Garantie für die Existenz dieses Gottes. Selbstevidenz kann ziemlich trügerisch sein. Objektive Wahrheit gibt es nur in der Natur, von der wir leben, die wir nicht geschaffen haben und die von uns nicht abhängig ist.

Insofern ist der Text des Propheten eine halbherzige religiöse Selbstkritik, die den Mut nicht aufbrachte, alle menschlichen Projektionen und Erfindungen – worunter alle Götter fallen, die sich einbilden, Natur erschaffen zu haben – zu durchschauen, zu relativieren und als das zu betrachten, was sie sind: Mach- und Gedankenwerke der Menschen.

Der Mensch ist Sprössling der Natur, Natur nicht das Werk seiner Hände, seines Gemüts und seines maßlos überschätzten Kopfes.