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Tagesmail

Mittwoch, 07. März 2012 – Irankrieg

Hello, Freunde Libyens,

was geschieht in dem nordafrikanischen Staat, dem es mit Hilfe des Westens gelang, seinen Despoten zu verjagen? Frauen waren zahlreich an der Revolution beteiligt, nun wollen sie ihre neu errungene Freiheit nicht mehr aufs Spiel setzen. Das wird ein mühseliger Weg.

Da gibt es noch ganz andere Stimmen, die es für inakzeptabel halten, dass Frauen und Männer sich im gleichen Raum aufhalten. In der Öffentlichkeit sollten Frauen am besten gar nicht in Erscheinung treten und wenn sie schon reden müssten, dann nur leise. Westliche Männerkleidung oder Jeans sollten sie nicht tragen. Und wenn, dann unter einer Burka?

Gab es mal „reinrassige Neger“ in Mexiko? In einem modernen Reiseführer hat Alan Posener sie entdeckt, dazu Indianer, die „sich wenig von der höheren Zivilisation“ aneigneten.

Er hätte nur nach Dessau fahren müssen, um einen „Neger“ mitten in Deutschland zu entdecken. Einen toten, der nicht mehr laut reden kann. Der Justiz in Dessau ist die Lust vergangen, aufwändig zu ermitteln, ob Polizisten an seinem Tode schuldig waren. Sie will das Verfahren einstellen.

Kinder, Neger und Frauen standen bei uns noch vor kurzem auf gleicher Ebene, tief unter

dem auratischen Mann. Sie symbolisierten das Triebhafte, Exotische, Irrationale oder das „innere Ausland“. In Dessau scheint das innere Ausland – früher DDR genannt – noch vorhanden zu sein.

Ikarus Wulff ist aus Bellevue abgestürzt und in Großburgwedel unrühmlich gelandet. Seine Vorgänger werden ihm beim Zapfenstreich nicht mal die kalte Schulter zeigen. Wie tief ist das Land gefallen. Das Amt beschmutzt, der Mann, (seine Frau hält sich raus), die ganze Politkaste, die Vierte Macht.

Eine riesige Kotlawine hat das Land bedeckt. Da kann es nur Zufall sein, dass eine hellsichtige Berliner Bühne mit Exkrementen überschwemmt wird. Ein Sohn pflegt seinen kranken Vater, der an Durchfall leidet und seinem Nachwuchs eine beschissene Welt hinterlässt.

Gottvater und Sohn? Ein großes, sanftes, ebenmäßiges Gesicht schaut über die Bühne. Jesus? Der neue Mann, der zu Hause bleibt, die Kinder hütet und sich um die Alten kümmert?

Nikolaus von Kues, Kardinal und Philosoph – was vor 550 Jahren noch möglich war – erklärt uns das Rätsel. Nicht Christus sehe man, wenn man ein Bild von ihm betrachte, sondern sich selbst und seine Vorstellungen.

Das ist Religionskritik mit den Symbolen der Religion. Du sollst dir kein Bildnis, noch Gleichnis machen, gilt ja nur für den Vater. Wenn aber der Sohn dem Vater gleich ist, müsste es auch für ihn gelten.

Was für eine geniale Lösung: indem der Mensch Gott anschaut, sieht er sich selbst. Nun haben wir Bilderverbot und Widerstand gegen das Verbot in einem Akt. Nikolaus von der Kues, ein vorweggenommener Feuerbach der Frühmoderne. Wenn der Mensch von Gott spricht, spricht er von sich selbst.

Das passt einem lebenden Kardinal gar nicht, dass Gott dieselbe Sch… baut wie der Mensch. Obgleich beide identisch sein sollen, wie es in der Schrift steht. Was in der Schrift steht, entscheidet die Kurie und deshalb beschimpft der Gottesmann das ganze verkackte Spektakel. Was wiederum der BZ mächtig stinkt.

Wulff räumt einsichtslos das Feld. Drei Lieder hätte er sich zum langen Abschied raussuchen können, doch ohne Schnäppchen macht er’s nicht: er will vier.

Darunter das 1939 von Judy Garland gesungene „Over the rainbow“. Die junge Landpomeranze schmachtet den Himmel an, sie will Farbe in ihrem Leben, auch Abenteuer.

Der blasse Mann mit dem grämlichen Gesicht hat sich seinen Regenbogentraum voll erfüllt. Auch er schmachtet den Himmel an, hat ein überaus farbiges, ja buntes Leben geführt, das Abenteuer einer sagenhaften Karriere erlebt. Dorothy gelangt ins Gelobte Land, wo alles super ist – bis auf die böse Hexe.

Der arme Christian ist in die Hände von zwei bösen Hexen gefallen, die man einst verbrannt hätte. Auch Dorothys Freunde sind wie Christians Freunde: ein Blechmann ohne Herz (Maschmeyer), eine Vogelscheuche ohne Verstand (Groenewold) und ein Löwe, dem der Mut fehlt (sein Alter Ego Glaeseker).

Wenn Deutsche übermütig werden und mal ganz anders sein wollen als Mama, Papa und Chef erlauben, bekommen sie Sehnsucht nach dem Regenbogen, den sie vom Himmel holen wollen. Hier der Text.

Er will auf einen anderen Stern, „wo die Probleme hinwegschmelzen wie Zitronenbonbons („das Land, wo die Zitronen blühen“), weg von den Schornsteinspitzen; Dort wirst du mich finden.“ Da begann der Traum schon ökologisch zu werden, weg von den Drecksschleudern der Industriestädte.

Doch Amerika hat sich entschieden, seine Umweltprobleme durch Abflug auf einen fremden Stern zu lösen. Der Refrain nimmt die ganze Krise Amerikas und Klein-Christians vorneweg: „Warum – oh warum kann ich’s nicht?“

Der Regenbogen ist Zeichen des Bundes, den Gott mit dem Menschen schließt – auf ewige Zeiten. „Ich will einen Bund mit euch aufrichten, dass niemals wieder alles Fleisch von den Wassern der Sintflut soll ausgerottet werden und niemals wieder eine Sintflut kommen soll, die Erde zu verderben.“ (Die Regenbogengeschichte verheißt, dass der Supergau nicht eintreten wird. Nicht alles Fleisch soll ausgerottet werden. Aber vieles. Womit Amerika prächtig und vergnügt lange Zeit leben konnte: fast alle Bisons ausrotten, aber das Schlimmste wird nicht eintreten. Öko-Katastrophe? Lachhaft. Die Sintflut wird einmalig bleiben.

Die Verfasser des Genesisbuches kannten offenbar nicht die Offenbarung des Johannes. Da geht’s anders zur Sache des Endes.

Bei Noah ist die Geschichte Gottes mit den Menschen noch unbegrenzt. „Dies ist das Zeichen des Bundes … auf ewige Zeiten.“ „Seid fruchtbar und mehret euch, breitet euch aus auf der Erde und herrscht über sie.“ Wenn es dank himmlischer Garantie keine absoluten Katastrophen geben wird, hört der Verbreitungs- und Herrschaftsauftrag des Menschen über den Rest der Schöpfung nimmer auf.

Auch diese Garantie wird der Herr des Himmels wenig später brechen und das Totaldesaster doch eintreten lassen, wenn auch nicht für alle. Wieder hat der Alte nicht geliefert und vertuscht sein Versagen mit finalem Alarmismus.

Nur eine Minderheit wird am Ende davonkommen und ins Reich der Lemonen einziehen. Ob mit oder ohne Ende: die Geschichte liegt in Gottes Hand. Ökologen, die das Schicksal der Menschheit dem Menschen überantworten, werden nie über den Regenbogen fliegen.

 

Ein Krieg steht vor der Tür – und Europa duckt sich wieder weg. Die EU verhält sich im Reigen der Gewaltigen – „des großen und des kleinen Teufels“ – wie eine muslimische Frau unter Taliban: sie spricht so leise, dass niemand es hört.

In Amerika sind es immerhin 100 Aktivistinnen – warum in Friedensfragen nur noch Frauen? –, die vor den Toren der Israel-Lobby AIPAC standen und vor Krieg warnten. „Ihr seid von uns gewählt“, ruft eine Demonstrantin den Politikern zu, „ihr vertretet US-Bürger. Keine ausländische Regierung.“ Womit Israel gemeint ist. Warum müssen amerikanische Boys ihren Kopf für ein fremdes Land hinhalten?

Doch Israel ist kein fremdes Land, es ist symbiotisch mit der biblizistischen Weltmacht verbunden. So scheint es, so tönt es aus allen Politikerkehlen. Es sei nicht einfach, Israel in den USA zu kritisieren, sagt Elane Kintch. Man werde schnell als Antisemitin abgetan.

Früher demonstrierte die pensionierte Lehrerin für die Sandinisten in Nicaragua und für die Revolution in El Salvador. Heute will sie Obama mit klaren Worten daran erinnern, Netanjahus Kriegs“werben“ nicht nachzugeben. Auch mit der riesigen Militärhilfe für Israel ist sie nicht einverstanden.

In der Demonstration stehen auch Männer mit langen Bärten, die Palästinensertücher tragen. Einer der orthodoxen Rabbiner kommt gerade aus Teheran zurück, wo er auch Ahmadinedschad getroffen und festgestellt hat: „Die Iraner sind nicht antisemitisch.“ Keine Nachfrage, wie der ungewöhnliche Mann zu diesem Urteil kommt. Bei uns werden solche Stimmen ignoriert.

Die Kriegsgefahr ist in den nächsten Monaten sehr hoch, erklärt ein Friedensforscher in der BZ. Vermutlich haben die Iraner noch nicht die Bombe, aber sie würden daran arbeiten.

Eine Militäraktion wäre technisch sehr schwierig für die Israelis, wenn sie alles selbst erledigen müssten. Auch wenn sie die unterirdischen Anlagen zerstören könnten, auf keinen Fall würde das ein endgültiges Aus sein für den Atomstaat. Es wäre nur eine Verzögerung, worauf wieder ein Angriff und so weiter bis in alle Ewigkeit? Selbst israelische Experten warnen vor den Luftschlägen.

Warum wollen die Iraner so verbissen die Bombe? Vermutlich hängt das mit dem Irakkrieg zusammen, wo das Land mit Chemiewaffen angegriffen wurde, worunter heute noch viele Menschen leiden würden. Doch es scheint, als seien die Iraner sich selbst nicht mehr schlüssig, ob sie energisch an der Superwaffe weiterbauen sollen oder nicht.

Warum können sie mit ihrem Nuclearprogramm nicht aufhören? Die Iraner bräuchten zwei Dinge, die sie bisher nicht bekommen hätten. Sie bräuchten Sicherheitsgarantien, doch die USA weigere sich, die Hand auszustrecken. Zudem gebe es keine Lösung für das Atomprogramm, mit der das Land ohne Gesichtsverlust aufhören könnte.

Im Westen gibt es die dogmatische Einschätzung, dass atomar bewaffnete Länder ihre schreckliche Waffe auch benutzen würden. Auch wenn sie ihren eigenen Suizid damit heraufbeschwören würden. Bislang ist das noch nirgendwo geschehen.

Die Decke der Harmonie zwischen Israel und den USA sei dünn, schreibt Inge Günther in der BZ. Unter der Decke viel Misstrauen. Woher kommt das Misstrauen bei solch engen Freunden? Keine Frage, keine Antwort.

50% aller Israelis rechnen im Falle eines Falles mit einem monatelangen, wenn nicht jahrelangen Krieg. Ein Ausweg ist nicht in Sicht. Ohne Gesichtsverlust kämen Netanjahu und Obama nicht mehr aus ihrer selbst gestellten Falle. Der Iran würde ohnehin nicht nachgeben.

 

Romney liegt knapp vor Santorum. Noch scheint nichts entschieden. Wer ist Romney? Beide Herren sind fromm, aber auf unterschiedliche Weise.

Romney gehört den Mormonen an. Das ist eine Sekte (in Amerika gibt es keine Sekten, denn es gibt nur Sekten und keine halbstaatlichen Großkirchen), die 1820 von Joseph Smith, Spross einer armen Farmerfamilie, begründet wurde. Na klar, nur arme Sprösslinge gründen Erlöserkirchen. Buddha war ein Prinz, doch seine Lehre ist eine gottlose Philosophie.

In einem lichtüberfluteten Offenbarungserlebnis sah Smith Gottvater und Sohn. Von einer Mutter war keine Rede. Die Amis sind Männerkohorten.

Doch bei einem einmaligen Erlebnis blieb es nicht, ein Engel machte Hausbesuch bei Smith und erzählte von einem heiligen Buch namens Mormon. Da hätte es einen Propheten Lehi und seinen Sohn Nephi gegeben, die schon vor zweieinhalbtausend Jahren auf Gottes Geheiß von Jerusalem direkt ins Gelobte Neue Land gesegelt wären, wo sie eine blühende Zivilisation geschaffen hätten. Doch im Jahre 421 nach Christus sei die Herrlichkeit aus gewesen.

Damit sind die Indianer als Ureinwohner Nordamerikas per Privatoffenbarung erneut eliminiert. Wenn Christen den Kontinent erobern, holen sie nur ihr ursprüngliches Eigentum zurück.

Smith konnte das Buch Mormon, das ein Engel überbracht hatte, aus dem Ägyptischen ins Amerikanische übersetzen. Anfänglich wurden die Mormonen gehasst, der Gründer wurde ermordet. In der Bibel würden viele Fehler stehen, die das Buch Mormon korrigieren musste.

Santorum wirft dem Mormonen einen falschen Glauben vor. Der Wahlkampf als Bühne dogmatischer Scharmützel. Nicht, was sie politisch wollen, sondern welchen Glauben sie vertreten, ist entscheidend.

Offiziell gibt es keine Polygamie mehr, inoffiziell angeblich noch immer. Smith hatte nur 30 Frauen, für jeden Tag im Monat eine. Was machte er an Monaten mit 31 Tagen? Die gläubigen Familien werden für die Ewigkeit versiegelt. Immerhin sind die Mormonen familienfreundlicher als Calvinisten und Lutheraner, die nicht im gesamtversiegelten Familientross im Himmel einmarschieren.

Weder über ihren früheren Rassismus noch über ihren Schwulenhass wollen sie heute reden. Was bestimmt nicht bedeutet, dass diese liebreizenden Eigenschaften verflogen wären.

Seine Religion konnte Romney bisher einigermaßen aus dem Spiel halten. Doch hartleibige Fundamentalisten haben enorme Probleme mit jemandem, der an ein Drittes Evangelium glaubt, das die beiden andern revidiert, wenn nicht dementiert. Die Trinität gibt es nicht bei ihnen, nur Gottvater und Sohn; Vater ist mit der Himmlischen Mutter verheiratet, die für die himmlische Küche zuständig ist.

Harold Bloom von der New York Times hält das Buch Mormon für schlecht geschrieben. Das ist natürlich die Katastrophe für einen Feuilletonisten. Die verrückte Kosmologie na ja, sie sei auch nicht verrückter als die in der Bibel. Dann ist ja alles gut, wenn alles verrückt ist.

Was Bloom am meisten fürchten würde, wäre eine Religion, die weder monotheistisch noch demokratisch ist. Ach, weshalb nicht demokratisch? Keine Frage, keine Antwort. Warum ist eine nicht-monotheistische Religion gefährlich? Keine Frage, keine Antwort.

Wer ist Romneys mächtigster Rivale mit dem lateinisch klingenden Namen Santorum? Sie nennen ihn den „Jesus-Kandidaten“. Klingt nach Gauck, ist aber viel besser: er kämpft gegen Sex außerhalb der Ehe (da fiele der deutsche Pastor mit seiner wilden Beziehung schon aus der Lostrommel), gegen Abtreibungen und natürlich gegen die Schwulenehe.

Auch gegen Obamas Umweltprogramm hat Jesus II erhebliche Einwände. Denn im Zentrum des Glaubens müsse der Mensch stehen, nicht die Natur.

Diesen fundamentalen Anthropozentrismus der Amerikaner will in Deutschland niemand zur Kenntnis nehmen. Das passt aufgeklärten Schöpfungsbewahrern nicht ins Konzept.

Die Gesundheitsreform sei ein Angriff gegen selbstbestimmtes Glück und frei gewählte Krankheiten jedes Individuums.

Schließlich hält er es für richtig, in dunklen Andeutungen Obama mit Hitler zu vergleichen. Jenen Europäer habe man anfänglich auch für einen nice guy gehalten.

Dass der Kandidat Feministinnen ablehnt, wird niemanden mehr verwundern. Jesus hatte zwölf männliche Urjünger.

Welches Schauspiel erleben wir? Die außeramerikanische Uroffenbarung des Christentums gegen die amerikanische Eigenoffenbarung. Mit Nasenlänge liegt letztere vorne. Eins zu Null für Amerika, das die Alte Welt offenbarungstechnisch nicht mehr benötigt.

Wie heißt es so oft? Europa ist abgemeldet, Amerika schaut gen Westen. Nach China? Um Gotteswillen, in China kennen sie kein Buch Mormon.