Kategorien
Tagesmail

Freitag, 17. August 2012 – Unschlagbarer Glaube

Hello, Freunde Russlands,

gibt es in Russland eine Stalin-Renaissance? Generell nicht. Die russische Gesellschaft sei tief gespalten, sagt Historikerin Irina Scherbakowa in der TAZ. Ein Teil der russischen Gesellschaft verehre Stalin als Inbegriff der Sowjetunion, eines starken Staates. Es sei ein Nostalgieschub, die Sehnsucht nach stabilen Verhältnissen und einer starken Vaterfigur.

Putin wolle keine geschichtliche Schwarzmalerei und fördere die Weißwaschung des Massenverbrechers in der Rolle des gütigen Väterchens. Die Russen sollten das Positive in ihrer Geschichte erkennen. Der vaterländische Sieg über die Deutschen sei ein Eckpfeiler der gloriosen Vergangenheit gewesen.

Der Stalin-Mythos entspringe auch der Unzufriedenheit über die Gegenwart. Allerdings würden nur 3% der Bevölkerung in der Stalinzeit leben wollen. Während die heutigen Oligarchen ihre Kinder in englische Internate schicken und die Gesellschaft abschöpfen, wird Stalin zum schlichten, bescheidenen Volksführer stilisiert.

Es sei gar nicht so einfach, der Opfer Stalins zu gedenken, denn allzu oft wurden Täter zu Opfern und Opfer waren selbst einmal Täter. Selbst gläubige Stalinisten entgingen nicht dem Gulag. Im Gegensatz zum NS-System, in dem jedem klar sein musste, wer Täter und Opfer war, gab es im Stalinismus

eine riesige Heuchelei. Offiziell huldigten die Sowjets der Solidarität, der Befreiung aller Menschen und dem Internationalismus.

In den berüchtigten Moskauer Schauprozessen der 30er Jahre rechtfertigten die Angeklagten ihre eigene Vernichtung. Der gegenwärtige linke Protest gegen die ungleiche Verteilung des Reichtums sei frei vom Stalin-Mythos. „Das ist unsere Hoffnung“.

 

Die Deutschen sind bescheidene und genügsame Menschen, brauchen nicht viel zum Leben. Mein Haus, meine Frau, mein Auto, solche schlichten Dinge müssen zum stillen Glück ausreichen. Dazu kommt: mein Gott, meine Religion und mein Glauben.

Sie kennen nur einen Gott, eine Religion und einen Glauben. Muss auch genügen, wir wollen nicht verwöhnt sein. Entweder glaubt man an Gott oder nicht, sagt der bescheidene Schauspieler Christian Ulmen in der BILD. Auch der Atheist sei ein Gläubiger, er glaube, dass es Gott nicht gebe. Glaube ist Glaube, das muss genügen für die bedürfnislose Einfalt.

Ulmen kann nicht an Gott glauben, aber er beneidet alle, die es können. Religion könne am besten trösten. Ulmen ist noch unreif im religiösen Fach. Bislang hat er’s nur bis zum Agnostiker gebracht.

Agnostiker sind Menschen, die es noch eine Zeit offen lassen, zu welchem Trostmittel sie demnächst greifen werden. Ihre Fähigkeiten zur Kirchenbildung sind unterentwickelt, auf die wahre Kirche warten und hoffen sie. Lange wird der beliebte Schauspieler die Trostlosigkeit nicht ertragen. Kommt die nächste Krise, wird er auf den Trost mit Ewigkeitsgarantie nicht mehr verzichten.

Zum Vollkaskoleben gehört notwendig ein Vollkaskotrost zu günstigen Vorzugspreisen bei den bekannten Vollkaskotrostanbietern, die es in bunter multikultureller Vielfalt in unserer Mitte gibt.

Was nach dem Tode passiert, weiß selbst Ulmen nicht. Doch er weiß genau, dass das Leben eines Atheisten dümmlich trostlos sein muss. „Wenn man schon an etwas glaubt, warum dann nicht an etwas Tolles?“

Eine berechtigte Frage, vor der dümmliche Atheisten scheitern müssen. Ob sie vielleicht zu demütig sind beim Erwerb des richtigen Glaubens, weil sie sich mit billigem Religionsersatz begnügen und nicht gleich zum tollen Original greifen?

Gläubige haben keine Angst vor dem Tod. Sie wissen, dass nach dem irdischen Leben das wahre erst beginnt, worauf sie sich heute schon freuen. „Gott-Gläubige sind glücklicher als Atheisten.“ Das hat die von allem Biblizismus weit entfernte amerikanische Medizin in aussagekräftigen Experimenten festgestellt.

Menschen, die an Gott glauben, sind gesünder, und sollten sie doch mal krank werden, wären sie schneller gesund als morbide Gottlose. Jetzt erkennen wir den tieferen Sinn der amerikanischen Verfassung, die das Streben nach Glück mit einem verfassungsmäßig garantierten Trost- und Glücksgott komplettiert.

Wobei Trostbedürfnis eher deutsch denn amerikanisch ist. Amerikaner wollen so glücklich sein, dass sie gar nicht erst in Verlegenheit kommen, trost-bedürftig zu werden. Deutsche glauben weniger an das Glück – Nietzsche: der letzte Mensch tut, als habe er das Glück erfunden –, als an ein tapfer leidendes und ausharrendes Entbehrungsleben, das man vor dem Krieg tiefe Not nannte, aus der man verzweifelt zum Himmel flehte.

Ulmen rechnet immer mit dem Schlimmsten, dennoch ist er auf den wahren Glauben noch nicht angewiesen. Denn er hat sich gegen alles versichert. Sollte er durch Herzinfarkt abgerufen werden, erhält er 150 000 cash auf die Hand, die er ins Jenseits mitnehmen darf. Versprochen.

Atheisten wird vorgeworfen, dass sie das Christentum nicht verstehen, ja nicht verstehen wollen. Das ist nicht schön, tut man auch nicht und muss schleunigst geändert werden, damit sich Christen in dieser trostlosen Welt verstanden fühlen. Der Verdacht ist nicht ganz unbegründet, dass sie sich selber nicht verstehen.

Um den vielen Gottlosen und den wenigen Gläubigen, die noch übrig blieben, ein gutes Werk zu tun, sollten wir nichts unterlassen, um uns dem Rätsel des gefühlsintensiven Fürwahrhaltens ein wenig anzunähern. Dazu begeben wir uns – wie es in Feuilletondeutsch heißt – auf Zeitreise oder Spurensuche.

(In „Kulturzeit“ auf 3-SAT gibt’s so viele Zeitreisen, dass die arg geplagte Zeit von Reisenden geradezu übervölkert sein muss.)

 

Dazu begeben wir uns in ein weit entferntes Land, um Distanz zum rätselhaften Phänomen zu gewinnen. Da kommt uns der glückliche Zufall entgegen, dass Arno Widmann im wichtigsten Land der Welt von morgen unterwegs war – zumindest mit Hilfe eines lehrreichen Buches oder war‘s ein Film? – und in der FR freudig berichten kann: die frohe Botschaft ist nicht länger das Eigentum weißer Herren- und schwarzer Sklavenrassen.

Es war höchste Zeit, dass das größte und mächtigste Heiden-Land der Welt zu einem Imperium naturaliter christiana gemacht, also der Versuch unternommen wird, die Menschheit mit einer von Natur aus gegebenen christlichen Seele auszustatten.

Wer hätte schon gedacht, dass es im konfuzianisch-sozialistisch-kapitalistischen Riesenreich noch Platz gibt für eine weitere Ideologie, zumal die Yin-Yang-Harmonie-Verehrer so immun gegen naturfeindliche Golgatha-Qualen schienen.

Doch man lernt nie aus und muss erstaunt zur Kenntnis nehmen, dass es bereits 70 bis 80 Millionen Christen im Reich der Mitte gibt, also wesentlich mehr als in der BRD sonntäglich die Kirche besuchen. Davon beruhigenderweise 40 Millionen Protestanten und nur 10 Millionen Katholiken, womit der lutherische Faktor die Stellung Deutschlands im Außenhandel stärken wird. Der Rest von 20 bis 30 Millionen wurde von hoffnungsvollen Missionaren als Dunkelziffer hinzuaddiert.

1949 soll es erst 700 000 gegeben haben. Auch hier sind die chinesischen Wachstumsraten bewundernswert. Heute ist das Christentum die größte organisierte Religion in China.

(Arno Widmann in der FR über Christentum in China)

Natürlich gibt es alle Variationen an Christentümern. Die Frommen beherzigen das Motto des Goethe‘schen Theaterdirektors: wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen. Womit wir schon im Vorübergehen und wie beiläufig das erste Rätsel der unverwüstlichen Aura des Euangellions aufgelöst haben. Wer nicht nur vieles bringt, sondern vieles in seinem Widerspruch, ist unwiderlegbar und unbezwinglich.

Sagt ein misstrauischer Taoist etwa, Luthertum sei widerborstig-störrisch, kann man ihm entgegenhalten, harmoniesüchtige Katholiken scheuten jeden Konflikt mit ihrem großen weisen Vater im Vatikan. Sagt derselbe Zweifler, der katholische Klerus sei zu sinnenfeindlich – Kinderschändungen abgerechnet – könnte man ihm Luthers ehefreundliches Motto entgegenhalten: in der Woche zwier macht auch in China hundertvier.

Das Christentum bietet alles: Hass und Liebe, Herr und Knecht, Obrigkeit und Untertänigkeit, Leiden und Herrschen, Gott und Teufel, Armut und Reichtum, freien und unfreien Willen, den linken Geißler und den rechten Geis, Zivilisation und Barbarei, Mutti Merkel und Mutter Theresa, Franz von Assisi und Hitler.

Das größte Kaufhaus in London, Harrods, hat lange nicht so viel zu bieten wie die Heilige Schrift auf 1000 Seiten. Jeder kann im Hause des Herrn, das viele Wohnungen hat, auf seine Kosten kommen, wenn er denn nur will. Will er nicht, kann ihm der Glauben eine ewige Hölle anbieten. Will er, gibt’s zwar keine Jungfrauen im Himmel, aber ewiges Tête à Tête mit Vater und Sohn, vermutlich mit leckerem Essen und Trinken bei engelbegleitetem Harfengesang.

Halten wir fest, es gibt so viele Geschmäcker und Bedürfnisse wie es Menschen gibt, und für jedes Würmchen in Gottes Acker gibt’s ein passgenaues Angebot. Kein Würmchen wird abgewiesen, wenn es denn ehrerbietig auf dem Bauche kriecht.

Diese unvergleichliche Mischung aus zeitloser Stabilität im Ideologiebereich und unbegrenzter Variabilität im Konsumbereich schlägt alle primitiven Naturreligionen aus dem Feld.

Wir wissen, die Welt wankt, alles schliddert in den Abgrund. Da sucht jeder Halt, vor allem bei Religionen, die Halt versprechen – auch wenn man denselben nicht sieht, sondern an ihn glauben muss. Der Glaube aber gehört in die soziologische Kategorie des selbsterfüllenden Glaubens. Je verheißungsvoller der Glaube, je erfüllter das wirkliche Leben.

Wie der Begriff schon sagt, gehört zum selbst-erfüllenden Glauben ein Selbst, das gottlob jeder Mensch von Natur aus gratis erhält und im Fürwahrhalten mit einem fiktiven Gottes-Selbst nach Belieben potenzieren kann. So kann der schwache kleine Mensch grenzenlos zum Herrn der Erde und zum Mitherrscher des Universums expandieren – allein dadurch, dass er glaubt. Das grenzt schon ans Wunderbare, vielmehr, es ist ein wahres Wunder.

In China also gibt es wahlweise ein staatsfrommes Christentum, ein staats-gleichgültiges und ein staatsfernes, ja –ablehnendes. Bitte erst sorgsam überlegen, dann ankreuzen. Verständlicherweise neigen Opponenten dazu, das staatskritische Christentum zu bevorzugen. Diese Christen „übernehmen ihren Glauben nicht nur, sie schaffen ihn sich auch selbst.“

Arno Widmann wäre der letzte, der einen frommen Artikel mit ungehörigen, ja ketzerischen Fragen verunreinigen würde, sonst wäre ihm aufgefallen, dass es zwar eine Selfmade-Nation, aber keine Selfmade-Offenbarung geben kann. Es sei, Arno böte sich an, selbst zu offenbaren, oder wenigstens Prophet einer Offenbarung zu werden. Dieser Posten ist seit Mohammed in Europa und dem Mormonengründer in den USA vakant.

In China gibt es ganze Dörfer, die kollektiv dem wahren Glauben anhangen. Diese vom Staat verlassenen und verratenen Bauern haben ein ganz anderes Christentum kennengelernt als wir es in Europa gewohnt sind. Erhebt sich die Frage – die Arno nicht stellt – welches Christentum wohl das wahre sein mag.

Die Missionare haben den Bauern tatsächlich so geholfen, wie man es von stinknormalen, solidarischen Menschen erwarten sollte: sie halfen ihnen im täglichen Leben. Pastoren, die den Brunnen entgiften und sich ums Vieh kümmern, gibt’s bei uns im christlichen Abendland eher selten.

Da Arno und die chinesischen Bauern noch nicht die Dogmengeschichte von Adolf Harnack Band 1 bis 3 gelesen haben, können sie nicht wissen, dass das Christentum immer so beginnt wie in China, um einen Fuß in die Tür zu kriegen.

Solange sie selber machtlos sind, verbünden sie sich mit den Machtlosen und bieten sich als Heilande und Ärzte ihrer Nöte und Bekümmernisse an. Nach der Devise ihres Herrn: die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, aber die Kranken.

Gottlob gibt es rund um den Planeten unzählige Kranke, deren Notsituation die spirituellen Heilande und Gesundheits-Beter ungehemmt für sich nutzen können. Sind sie hingegen an der Macht, siehst du keinen Soutanenträger mehr im Stall und auf dem Reisfeld.

Im Gegenteil, von jetzt auf nachher verwandeln sich die Ärzte der Leiden zu Herren über das ewige Seelenheil und wollen von weltlichem Tand und irdischer Sorge nicht mehr belästigt werden, indem sie predigen: „Alle Sorgen werfet auf Ihn, denn er sorgt für euch. Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen oder trinken sollt, denn nach allen diesen Dingen trachten die Heiden. Euer himmlischer Vater weiß ja, dass ihr all dieser Dinge bedürft.“

Also verschont uns fürderhin mit dem irdischen Allotria und zahlt euren Kirchenobolus, dass wir euch ein schönes Münster bauen können, das als Weltkulturerbe anerkannt wird.

Doch nicht nur provinzielle Dörfler lassen sich erwecken, sondern immer mehr gebildete Städter, bei denen es immer beliebter wird, ein Kreuz am Hals zu tragen und fremde Lieder zu singen. „Sie glauben, wie ein ausländisches Produkt, sei auch ein ausländischer Glaube von besserer Qualität.“

Christentum für die Armen, die Reichen, die Versager und die Erfolgreichen. Herz, was begehrst du mehr? Sie haben alles im Angebot, selbst das, was sie nicht haben.

Wir verabschieden uns von China mit der tröstlichen Botschaft eines chinesischen Filmemachers, der all dies getreulich aufgezeichnet hat: „Jetzt gibt es eine neue christliche Identität, die spezifisch chinesisch ist.“

Am Schluss wird die christliche Identität ganz und gar – konfuzianisch sein.

 

Von China nach Südafrika ist‘s nur ein Katzensprung. Dort fanden zwei Berliner Schriftsteller zum wahren Glauben an den Herrn. Das Christentum kann nicht nur unter Miserablen, es kann auch in Luxus und Überfluss das Licht der Offenbarung verkünden, vorausgesetzt, die Reichen spüren ihren geistigen Mangel und ihre seelische Armut – und finden unter den Armen den seelischen Reichtum der Kinder Gottes.

Zuerst lebten die beiden Schriftsteller im geistlichen Elend von Berlin-Mitte und nicht mal Wowis Lebensfreude konnte sie mehr bei Laune halten. „Es muss doch mehr als alles geben“, entnahmen sie Higgelti-Piggelti-Pop und betrachteten ihr ruinöses langweiliges und übersättigtes Leben: Bücher schreiben, Kinder kriegen, ein paar rauschhafte Nächte, Berliner Winterdepression, einige Filme und Gespräche: soll das alles gewesen sein, weshalb die Vorsehung sie in den Luxus warf?

„Die meiste Zeit recht angenehm, ohne besonderen Schmerz, aber auch ohne besondere Tiefe.“ Sie lebten im „unvergleichlichen kulturellen Reichtum, doch Musik, Kunst und Literatur boten keine Antworten mehr. Wir waren durstig und hungrig, aber egal, was wir in uns hineinfüllten, wir wurden nicht satt.“

Nach langer quälender Suche an den schönsten Stellen der Erde wurden sie in Mandelas und Tutus Südafrika fündig, wo das Trauma des Apartheidsregimes im Geiste christlicher Versöhnung überwunden werden konnte. „Schwer vorstellbar, dass in Deutschland ein Altnazi einem ehemaligen KZ-Häftling die Füße wäscht“. Solche Geschichten „übermenschlicher Nächstenliebe“ sind im Traumland der Deutschen gang und gäbe.

In Südafrika lernten die ausgehöhlten Berliner einen persönlichen Gott kennen, der nicht nur Humor hat, die Menschen liebt und ihnen Zuversicht gibt, sondern einen Glauben, der radikaler als Punk, Kommunismus, Feminismus und jede Revolution zusammen ist. „Der Rassen, Klassen und Krankheit überwindet. Einen gerechten Gott, der es ablehnt, dass ein Prozent der Bevölkerung 50% des Profits einstreicht und der jedem jederzeit ein neues Leben anbietet.“

Wenn man es nicht besser wüsste, müsste man vom neuen Garten Eden sprechen. Da müssen jene geistbegabten Berichte wohl nur Teuflisches geschrieben haben, als sie regelmäßig über schlimme Verwerfungen des südafrikanischen Staates berichteten.

Lasen wir neulich nicht, das soziale Elend habe sich kaum gebessert, zum Teil verschlimmert, die Reichen und Mächtigen seien noch immer überwiegend weiß, obgleich die Majorität der Bevölkerung schwarz sei? Dann haben wir von der höchsten Vergewaltigungsquote der Welt und einem Heer von Aidskranken noch gar nicht gesprochen. Hier ein Beispiel des vorzüglichen Landes von heute in der WELT.

Sind die neubekehrten Berliner nun Christen à la Dabbelju? Da schütteln sie sich vor Verachtung über den wiedergeborenen Bruder. In Afrika haben sie gelernt, dass das Evangelium die unterschiedlichsten Menschen zusammenbringt – wer hat sie denn auseinander gebracht, wenn sie alle im Glauben vereint waren? –, denn die Stärke des Glaubens liegt im Ubuntu, wie die Xhosa den bedingungslosen Zusammenhalt der Gemeinschaft nennen.

Dort haben sie auch begriffen, dass sie nicht alles begreifen müssen. Eben, nicht mal sich selbst. Nun wollen sie mit „Humor, Freude und unserer Kunst“ die Welt verbessern.

Das sind schöne und positive Geschichten. Geeignet, in der postmodernen Tristesse das Herz zu erheben. Nur: mit Christentum haben sie nichts zu tun, denn Humor und Kunst sind keine Bestandteile des Kerygmas, sie sind Erfindungen des Satans. „Weh dem, der lacht“, wie Lukas in seiner Bergpredigt den Herrn sagen lässt.

Humor, Ubuntu, Lebensfreude sind Errungenschaften jener Völker, die sich trotz weißer Unterdrückung und jahrhundertelanger Repression ihre Lebensqualitäten nicht völlig haben zerstören lassen.

Früher kamen die weißen Imperialisten, plünderten die materiellen Bodenschätze der unterwertigen Schwarzen. Heute fliegen sie übersättigt und wohlstandsgeschädigt ein, um die psychischen Fähigkeiten der Farbigen zu plündern und zu imitieren – als sei die unverwüstliche Lebensfreude die Frucht ihrer kolonialistischen Missionierungen und Zwangsbeglückungen.

Sollte sich Gott von Berlin-Mitte auf den Tafelberg zurückgezogen haben, um vom Rest der Welt nichts mehr wissen zu wollen? Das muss ein wahrhaft allgegenwärtiger, gerechter Gott sein.

Wenn du mit dieser Gesellschaft unzufrieden bist, wenn du geistig verödest, lass alles liegen und stehen und suche Menschen irgendwo in der Welt, die ihr Menschsein noch nicht verloren haben. Dort lass dich ruhig nieder und bewundere deren über lange Zeiten erarbeiteten seelischen Tugenden als – Früchte eines mit List, Gewalt und Tücke eingedrungenen fremden Gottes, den du als deinen Hausgott preisen kannst.

Das wäre die zweite Form der Kolonisation, die fortgesetzte Abwertung anderer Menschen, die um die Früchte ihrer historischen Kultur betrogen werden. Das gilt auch dann, wenn man jenen Menschen die Botschaft aufzwang, dass ihre selbsterarbeitete Humanität die Frucht eines fremden Gottes sei.

Man kann die christliche Botschaft nicht genug bewundern. Sie taugt für alle Gelegenheiten des Lebens und weit darüber hinaus. Sie ist nicht nur alles, sondern mehr als alles. Sie heilt die Wunden der Kranken, Schwachen, Benachteiligten und diejenigen der Starken, die mitten im Wohlstand entdecken, dass sie schwach und krank sind.

Wenn der Klerus keine Kranken mehr findet, wird er alles unternehmen, um sie aus dem Boden der fluchwürdigen Erde zu stampfen.

Alle Schwächen und Untugenden wirft die Kirche der Menschheit vor, alle Tugenden und Vorzüge der Menschen sind ihre eigenen Erfindungen.

Sie ist unerschütterlich und grenzenlos wandelbar, trägt die Schuld der Welt und ist doch an allem unschuldig, sie leugnet all ihre Schuld in der Vergangenheit und schaut fleckenlos in die Zukunft.

Wenn sie schwach ist, ist sie stark, denn Gott ist in den Schwachen mächtig. Wenn sie stark ist, ist sie allmächtig, denn Gott hat sie erhöht, um zu seiner Rechten zu sitzen und Gericht zu halten über die Welt.

Sie erträgt alles, duldet alles, um alles zu beherrschen und unter Kontrolle zu kriegen. Sie ist unschlagbar und unwiderlegbar, wird nie auf dem falschen Fuß erwischt.

„Ich weiß in Niedrigkeit zu leben, ich weiß auch Überfluss zu haben; in alles und jedes bin ich eingeweiht, sowohl satt zu sein, als zu hungern, sowohl Überfluss zu haben, als Mangel zu leiden. Alles vermag ich durch den, der mich stark macht.“

Lasst alle Hoffnung fahren, Gottlose, Heiden, Agnostiker, Sünder und Menschen, das Christentum für überwindbar zu halten. Es sei, ihr heilt selbst die Wunden dieser Welt. Nicht als Heilande, sondern als Menschen.