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Freitag, 01. Juni 2012 – Penia, Penis und Eros

Hello, Freunde von RTL,

die privaten Sender haben es schwer, sie kriegen keine Fernsehsteuern. Sie müssen sich bei ihrem Publikum anbiedern, um Kasse zu machen. (Die Öffentlich-Rechtlichen haben‘s auch schwer, obwohl sie Fernsehsteuern bekommen, biedern sie sich auch an).

Womit will das geneigte Publikum unterhalten werden, damit es Augen und Börse öffnet? Öffentliche Hatz auf potentielle Kriminelle, die ihre bösen Neigungen vor versteckter Kamera entlarven? Das wäre die altadlige Methode der angedachten Lynchjustiz, durchgeführt von einer Baronin von und zu Guttenberg, über allen Verdacht erhabene Gattin eines akademischen Betrügers.

Jetzt werden mit Hilfe einer öffentlichen Begattungszuführung, die den putzigen Namen „Bauer sucht Frau“ trägt, ehemalige Nazis enttarnt. Auch wenn es dabei nur um bereute Jugendsünden geht, Sünde hält ewig. Die berühmte zweite Chance gibt’s nur für TV-Moderatoren, CSU-Mitglieder und Höhergestellte. Gott vergibt, Zorro und RTL nicht.

 

Gauck bewegte sich über das Nahost-Minenfeld wie sein Herr und Heiland über das Wasser: mit traumwandlerischer Sicherheit. Oder pudelwohl, wie der SPIEGEL meinte. Immerhin akzeptiert er, dass hier lebende Muslime zu Deutschland gehören. Selbst, wenn sie Deutsche sind. Das ist

die souveräne Zuschreibung eines Mannes, der „noch viel vorhat“, wie wiederum der SPIEGEL meint.

Hu, worauf müssen wir uns einstellen? Ha, da sehen wir‘s schon: Gauck will den Islam auf deutsches, sprich, aufgeklärtes, ja reformatorisches Niveau heben. Er könne nämlich diejenigen gut verstehen, die fragten: „Wo hat denn der Islam dieses Europa geprägt, hat er die Aufklärung erlebt, gar eine Reformation?“

Interessant, dass der weltgewandte Pastor die Reformation als Steigerung der Aufklärung sieht. Das klingt plausibel, zumal Luther die Vernunft als Hure – auszeichnete. Huren sind verlockend und anziehend, anders als angeheiratete Heilige mit Küchenschürze am Herd. Kein Wunder, dass Kant Junggeselle blieb, um es lebenslang mit der Hure zu treiben.

 

Moment, nicht gleich süffisant werden: natürlich innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Jetzt kommen wir dem geheimen Erotomanen aus Königsberg auf die Schliche: wer legte immer so viel Wert auf sinnliche Daten, um zur Erkenntnis zu kommen? „Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben Daher ist es ebenso notwendig, seine Begriffe sinnlich zu machen Der Verstand mag nichts anzuschauen und die Sinne nichts zu denken. Nur daraus, dass sie sich vereinigen, kann Erkenntnis entspringen.“

Ist das nicht wunderhübsch und geil? Der große Mann lässt die Hosen runter und niemand schaut hin? Erkenntnis ist das Kind der Liebe. Verstand und Sinnlichkeit kopulieren unentwegt und zeugen unendliche viele kleine Erkenntnisbabys. Kant ist ein platonischer Erotiker, kein pietistisch-schottischer Sinnenfeind und Blaustrumpf (seine Vorfahren sollen aus Schottland gekommen sein).

Der Verstand ist männlich, aber sinnlich inkompetent und blind, die weiblichen Sinne sind gar nicht sinnenfeindlich, aber denkunfähig. Also zusammenführen und Liebe machen lassen und schon schlüpfen die Erkenntnisse nach dem Motto: seid fruchtbar und mehret euch.

War es nicht Eva, die für Erkenntnis zuständig war? Den Schöpfungsbericht muss Kant nur ungenau gelesen haben. Denn in seinem Aufklärungsaufsatz ist er gar nicht nett zu den Evas: „Daß der bei weitem größte Teil der Menschen (darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit auch für sehr gefährlich halte: dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben.“

Selbst die Art der Kopulation wird von Kant, dem maitre d’amour, genau festgelegt: es ist die missionarische Stellung für den Mann und die Succubusstellung für die Frau: “Die Sinnlichkeit, dem Verstande untergelegt als das Objekt …“ Typisch Macho: die Sinnlichkeit als Objekt. Trotz Objekt kommt‘s aber zur Harmonie zwischen männlichem Verstand und weiblicher Sinnlichkeit.

Allerdings bleibt ein Rätsel: „Den Grund der Übereinstimmung von Sinnlichkeit und Verstand können wir nicht angeben.“ Tja, kommt davon, wenn man Junggeselle bleibt und die Ehe mit folgenden einfühlsamen Worten definiert: Die Ehe ist die „Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum lebenswierigen wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften“.

Kant, du Schwulenfeind! Du Besitzfetischist! Du Onanierfeind: zum wechselseitigen Besitz, nicht zum einseitigen! „Die eine Person kann sich hier (im Geschlechtsgenuss) nur unter der Bedingung zur Sache machen, dass die andere sich ihr ebenfalls als solche gibt.“ Wenn das keine entzückende sachgemäße Beschreibung der Verbindung von Geist (= Mann) und Körper (= Weib) ist!

Zu jener Zeit trieb schon ein gewisser Marquis de Sade seine französischen Sachorgien auf die Spitze. Die lüsternen Franzosen waren uns in bestimmter Hinsicht schon immer voraus. Ehelich vorgeschriebene Begattungen aber mit Genuss und nicht mit saurer Pflicht in Verbindung zu bringen, zeigt, dass Kant ein ignoranter Junggeselle geblieben sein muss.

Ob das eheliche Begatten als kategorischer Imperativ definiert werden kann, daran ist die gesamte deutsche Kant-Hermeneutik kläglich gescheitert. Diese sinnenfeindlichen Tröpfe haben noch nicht mal das Problem erkannt.

„Begatte dich nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Sonnenklar ist, dass der Denkerriese gegen seinen eigenen Imperativ verstoßen hat. Wären nämlich alle Menschen jungfräulich geblieben, wäre spätestens in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Menschheit ausgestorben.

Mensch Kant, du hast gegen deine wichtigsten Pflichten verstoßen. Da lob ich mir deinen Kritiker Hegel, der hatte schon als Student einen unehelichen Balg. Von den ehelichen gar nicht zu sprechen.

War Kant tatsächlich Platoniker? Der philosophische Eros war das Produkt einer Verbindung, einer gewöhnungsbedürftigen allerdings:

„Als nämlich Aphrodite geboren war, hielten die Götter einen Schmaus, und mit den anderen auch Poros, der Sohn der Metis. (Metis ist die Göttin des Scharfsinns, auch hier sind die Weiber fürs Erkennen zuständig, da hätte Kant schon geschluckt.)

Als sie aber gespeist hatten, da kam Penia (Göttin der Armut, bei den Griechen gab‘s sogar arme Göttinnen; ob sie Mindestlohn bekamen, bleibt unklar), um sich etwas zu erbetteln, da es ja festlich herging, und stand an der Türe. Poros (Gott des Überflusses) nun begab sich, trunken vom Nektar (denn Wein gab es damals noch nicht) in den Garten des Zeus und schlief in schwerem Rausche ein. Da macht Penia ihrer Bedürftigkeit wegen den Anschlag, ein Kind vom Poros zu bekommen, sie legt sich also zu ihm hin und empfing den Eros.“

Das ist erschlichener Beischlaf zu niederem karrieristischen Zweck, Eros das Produkt einer kriminellen Tat! Schon damals schliefen sich ehrgeizige Göttinnen nach oben. Das kann keine Erfindung von Hollywood sein.

Eros ist alles andere als ein vollkommener Götterbalg: er ist bedürftig. Eine Mischung aus Mangel (= Mutter) und Fülle (= Vater). Mangel und Fülle sind nicht identisch mit dem Sein oder Nichts dualistischer Religionen.

Wer philosophieren will, kann nicht allwissend und vollkommen sein, sonst wäre er nicht erkenntnisbegierig. Ganz doof darf er auch nicht sein: er muss wissen, dass er nichts weiß. Das Wissen des Nichtwissens ist kein demütig-arrogantes Verzichten auf Wissen und Rechthaben – Walser wäre das Zeugungsprodukt von Armut mit Armut –, sondern das stolze Selbstbewusstsein, sich seine Unwissenheit eingestehen zu können als Voraussetzung eines unaufhörlichen Erkenntnisprozesses.

(Nebenbei: dass Penia etwas mit Penis zu tun haben muss, hört jeder Blinder mit Krückstock. Das würde aber bedeuten, dass Penis kein Instrument der Fülle, sondern der Armut sein muss. Der Penis, ein Mängelwesen! Hoppla, war das eine versteckte Kritik an den Penisträgern, denen durch die Blume beigebracht werden soll, dass nicht ihre stolze Spermienfülle das Entscheidende beim Zeugen ist?

Das könnte ein Überbleibsel aus alten matriarchalischen Zeiten sein, die dem Manne überhaupt keine Bedeutung beim Hecken zumaßen. Das Fortpflanzen war eine Art Selbstbestäubung der Urmutter. Bei Aristoteles war alles auf den Kopf gestellt: hier war nur noch die männliche Zutat die entscheidende. Die absolute Rache der Hochkulturmänner an der Überlegenheit des Weibes.)

Das abstrakte Gebiet des Erkennens ist das Revier eines uralten Geschlechterkampfs in Rivalität und Versöhnung: beide Geschlechter sind aufeinander angewiesen, wenn sie die Welt sachgemäß erkennen wollen. Wenn Menschen zusammen erkennen und philosophieren, sitzt Klein-Eros immer unterm Tisch.

Denn Denken ist ein sinnlicher Akt, emotional und rational zugleich. Wenn Gefühle und Scharfsinn sich nicht miteinander paaren, gibt’s postmodernes Gewürge, aber keine wohlgelungenen Erkenntnisse.

Das Motiv des durch Rausch erlisteten Beischlafs scheint auch in anderen Kulturen verbreitet. Ob die Verfasser von Altes Testament > 1. Mose 19,30 ff / http://www.way2god.org/de/bibel/1_mose/19/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/1_mose/19/“>1 Altes Testament > 1. Mose 19,30 ff / http://www.way2god.org/de/bibel/1_mose/19/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/1_mose/19/“>.Mos. 19,30 ff den griechischen Mythos kannten oder umgekehrt, ist unwahrscheinlich. Doch nix Genaues weiß man nicht.

Auch die Töchter Lots legen sich zu ihrem trunkenen Vater: „dass wir durch unseren Vater unsern Stamm erhalten.“ Da geht’s nicht ums Erkennen, sondern um Sein oder Nichtsein, um die Erhaltung des Stammes.

Im heutigen Israel gibt’s einen regelrechten Zeugungswettbewerb zwischen Ultras und Palästinensern. Wem gelingt es, mit dem eigenen Nachwuchs demographisch den Feind zu überwuchern und zu dominieren?

Die Töchter Lots sind viel aktiver als Penia, sie lassen dem Zufall keine Chance: “Komm, wir wollen unserem Vater Wein zu trinken geben und uns zu ihm legen.“ Zuerst treibt‘s die ältere Tochter, in der nächsten Nacht die jüngere.

Jetzt die entscheidende und quälende Frage: bemerkten die berauschten Herren irgendetwas von ihrem Glück oder waren sie geistesabwesend? Bei Lot gibt’s kein Vertun: „er merkte nichts davon“. Von Poros ist Ähnliches zu vermuten.

Sodass wir sagen müssen: bei den menschheitsentscheidenden Zeugungsakten waren die Männer zwar als Samenberaubte körperlich anwesend, geistig durch Rausch aber abwesend. Die listigen Weiber übertölpeln die Geistesriesen nach Strich und Faden, um für Fortbestand der Menschheit und Erkennen der Wahrheit zu sorgen.

Hier bleibt nur eine einzige unvermeidliche Konsequenz. Liebe Frauen, wenn ihr euch wahrhaft um den Fortbestand des menschlichen Geschlechts, wie um die Wiederbelebung des wahren Denkens sorgt, bleibt nur eins. Ihr müsst die Männer per Kollektivrausch aus dem Verkehr ziehen.

Womit wir auch schon zwanglos bei Aristophanes wären, der die ewigen männlichen Kriege dadurch beenden wollte, dass er die Frauen sich dem Verkehr mit den Männern entziehen ließ. Streitbare Alphafrau dieses Sexstreiks ist Lysistrata, der es tatsächlich gelingt, Solidarität mit ihren Geschlechtsgenossinnen aus Sparta und Athen herzustellen.

Mit anderen Worten, Utopien sind möglich ohne platonisch-faschistische Zwangsstaaten. Die Frauen müssen nur einig sein und die Männer ins Regal stellen.

Ähnlich in seinem andern Stück „Die Weibervollversammlung“ (Vollversammlung heißt ekklesia, woraus die christliche ecclesia wurde. Die christliche Kirche hat sich also an die Stelle der demokratischen Volksversammlung gesetzt und sie für minderwertig erklärt.).

Hier heißt die führende Frau Praxagora – eine Mischung aus Praxis und Agora –, der es gelingt, alle Frauen Athens dazuzubewegen, sich als ihre eigenen Männer zu verkleiden, in die Volksversammlung einzudringen, um dort mit Stimmenmehrheit die Macht zu erobern und die Politik der Männer, geprägt von Kriegen, Habsucht und Rüstungspolitik, ein für allemal zu beenden.

Revolutionäre Frauen, wo seid ihr? Lest nicht so viel Marx, den öden Heilsgeschichtsanbeter, lest Aristophanes.

Die Vermischungsaspekte aus Mangel und Fülle, Armut und Reichtum haben auch eine soziale Bedeutung. Penia, der Mangel, wird bei Aristophanes zur Schöpferin des arbeitsamen Mittelstands. Nur wer Mangel und Bedürfnisse kennt, muss arbeiten, um nicht zu verhungern. Arbeit ist keine Strafe für sündiges Verhalten wie in der Genesis, sondern die rationale Antwort auf eine reale Situation.

Das Beste ist eine Mischung aus Überfluss und Mangel. Nur Mangel treibt die Menschen ins Elend, nur Überfluss macht sie zu verfetteten, degenerierten Reichen. Das Beste ist die Mitte. Sowohl in den Tugenden des Aristoteles, wie in seiner Idee einer gelungenen Demokratie: wenig Reiche, wenig Arme, der breite, wohlständige Mittelstand sorgt für eine stabile Gemeinschaft. Niemand soll opulent schlemmen, niemand soll darben.

Dieses gemeinschaftsstiftende Prinzip der Mitte, des Ausgleichs der Extreme geht im Christentum verloren. Hier steht der Reiche dem armen Lazarus durch Welten getrennt gegenüber. Eine Versöhnung der beiden gibt es nicht. Der Arme auf Erden wird zum Reichen im Himmelreich erhöht, der Reiche auf Erden muss im Totenreich Qualen erleiden.

Als er den Himmel anfleht, sich seiner zu erbarmen, zeigt sich die Unüberbrückbarkeit zwischen Sein und Nichts, Himmel und Hölle: „Kind“, sprach Abraham, „gedenke daran, dass du in deinem Leben dein Gutes empfangen hast und Lazarus gleichermassen das Böse; jetzt dagegen wird er hier getröstet, du aber leidest Pein. Und bei alledem besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, damit die, welche von hier zu euch hinübergehen wollen, es nicht vermögen, noch die, welche dort sind, zu uns herübergelangen können.“ ( Neues Testament > Lukas 16,19 ff / http://www.way2god.org/de/bibel/lukas/16/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/lukas/16/“>Luk. 16,19 ff)

Im religiösen Dualismus vermischt sich nichts. Hier herrscht kein Eros, der die Gegensätze zu verbinden vermag. Erlöser predigen von Liebe, ziehen aber unüberwindliche Gräben und Abgründe zwischen allem und allem.

Die Demokratie lebt vom Prinzip der Durchmischung der Elemente. Dass sie nicht unbegrenzt auseinandertreiben und sich zu unüberbrückbaren Gegensätzen extremisieren, sondern sich immer wiederfinden, sich erotisch zusammentun, um Erkennen zu fördern und die Gemeinschaft zu erhalten.

 

O weh, wie bin ich nur von Pastor Gauck zum Eros gekommen? Das kann nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Ach so, er hat dualistisch und unerotisch den Islam aus Europa weggeschoben, weil dieser nichts mit Aufklärung zu tun habe.

Da sollte er doch mal in dem Ossischinken: „Geschichte der Philosophie“, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1962, auf den Seiten 205 ff nachlesen. Das muss er als Rostocker Pastor versäumt haben. Macht ja nichts, Pastoren sitzen zwar hienieden schon selig im Schoße Abrahams. Allwissend aber sind sie noch nicht.

An jener Stelle kann man lesen: „Mohammedanische Theologen, die den blinden Glauben nicht billigten, sondern zur Diskussion dogmatischer, im wesentlichen philosophischer Fragen aufriefen, erhielten den Namen Mutakallimun („Redende“). Ihre frühen Vertreter wurden bald Mutaziliten („Sichloslösende“) genannt. So bezeichneten die Orthodoxen rationalistisch eingestellte Theologen, die ein freieres Urteil über religiöse Dogmen zuließen, mitunter die offiziellen Glaubenssätze skeptisch betrachteten und von der religiösen Dogmatik abwichen.“

Ohne diese arabischen Aufklärer, die von der griechischen Philosophie gelernt hatten, sind alle europäischen Aufklärungsbewegungen vom Mittelalter bis zur Neuzeit nicht denkbar. Im Gegensatz zum Christentum, das Jahrhunderte lang jeden freien Gedanken mit Feuer und Schwert heimsuchte.