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Donnerstag, 16. August 2012 – Internet-Philosophie

Hello, Freunde des Friedens,

30 Tage wird der Krieg gegen den Iran dauern, sagt der Zivilschutzminister in Jerusalem. 500 Israelis werden sterben, per Handy soll die Bevölkerung über Raketenangriffen informiert werden. Der Zivilschutz ist gut vorbereitet.

Wie viele tote Iraner geplant sind, wurde nicht mitgeteilt. Ebensowenig, wie viele tote Israelis die Iraner planen.

 

Clement hat das ideale Rezept gegen Greisendepression, mangelnde Generationengerechtigkeit und postpensionären Alzheimer gefunden: die Abschaffung des geruhsamen, aber volkswirtschaftlich schädigenden Lebensabends.

Leben ist Arbeiten und der schönste Tod ist das plötzliche und schmerzlose Wegkippen am Arbeitsplatz. Gefällt wie die Eiche im Sturm, soll auf den Grabsteinen der zukunftsfähigen und nach vorne schauenden Toten stehen.

Auch der alte Mensch will gebraucht und verbraucht werden, dieses brennende Gefühl endet nicht an einer willkürlich gezogenen Rentnergrenze.

Die Zeiten jener Großväter und –mütter seien vorbei, die sich aus purer Langeweile mit ihren Enkelkindern beschäftigten, die es ohnehin kaum noch gebe und wenn, nur in tyrannischer und unausstehlicher Ausgabe.

In der Hektik der Zeiten müssten wir wieder auf Losungen mit Ewigkeitscharakter bauen, wie jene des

heiligen Benedikt: Ora et labora. Solange der Mensch beten kann, darf er als arbeitsfähig gelten.

Wie kein zweiter erbarmt sich Clement des akkumulierten Elends unserer alleingelassenen MitbürgerInnen. Nicht umsonst heißt er der Mildtätige unter den Prämortalen oder Clemens der Erste und Einzige.

 

Als sie die Bologna-Reform beschlossen, den anglifizierten Baccalareus einführten, um ewig studierende deutsche Studenten beschleunigt dem Arbeitsleben zuzuführen, hatten die europäischen Bildungspolitiker den Eindruck, das Ei des Kolumbus gefunden zu haben.

Nun, da sie die niederste akademische Weihe durchgepeitscht und die blutjungen Menschen dem schnellen Geldverdienen zugeführt haben, gibt’s ausgerechnet bei jenen Widerstand, die die Verjüngung ihres zukünftigen Führungspersonals am meisten ersehnt und gefordert hatten: bei den Führungskräfte der Betriebe.

Die Jüngelchen seien noch grün hinter den Ohren, hätten keine Lebenserfahrung, seien zu verschult und den hohen Anforderungen der deutschen Spitzenindustrie – immerhin der exportintensivsten der Welt – nicht gewachsen.

Hinter vorgehaltener Hand maulen auch die Inhaber der ordentlichen Lehrstühle, fachtechnisches Wissen allein reiche nicht, ein bisschen Bildung sollte schon sein.

Die jungen Menschen seien perfekt ausgebildet, könnten den Dax vom Bullen, den Bullen vom Bären unterscheiden, hätten aber noch keine einzige Zeile des stoischen Moralphilosophen Adam Smith gelesen – den die Honoratioren auch nur vom Hörensagen kennen.

Wenn man bedenkt, dass die Majorität der Ökonomen nur rechnen und Diagramme zeichnen kann, nichts aber vom Ursprung und der philosophischen Entwicklung des ökonomischen Gedankens weiß, könnte man mit Novalis seufzen:

„Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren, sind Schlüssel aller Kreaturen, wenn die, so singen oder küssen, mehr als die Tiefgelehrten wissen dann fliegt vor einem geheimen Wort das ganze verkehrte Wesen fort“.

Doch der Seufzer bliebe einem im Halse stecken ob des geheimen Kommandoworts, das wie ein Schöpfungswort aus dem Nichts das ganze verkehrte Wesen zum Teufel jagen soll. So schnell wurde aus einer nicht unberechtigten Kritik am Zahlenfetischismus der Naturwissenschaften – vor allem der fahrlässigen Übertragung der Zahlen auf die Gesellschaftswissenschaften – bei den Deutschen die brandgefährliche Ungeduld nach einem endgültigen, ja gewaltsamen Aufräumen.

Vom geheimen Kommandowort träumten auch jene, die es in der knappen Formel fanden: Heil dem Führer. Das war das Schlüsselwort, mit dem man das verkehrte Wesen mit dem Eisenbesen aus der Welt kehren wollte.

Man vergleiche die englische mit der deutschen Entwicklung. Francis Bacon und Luther waren ungefähre Zeitgenossen, die am Beginn ihrer jeweiligen nationalen Neuzeiten stehen.

Bacon ein naturwissenschaftlicher Welteroberer („Wissen ist Macht“), Luther der stolze Demütige, der – nach Nietzsche – mit seinen Attacken aufs Papsttum und seiner Regeneration des Christentums das finstere Mittelalter der Deutschen bis mindestens in die Sturm- und Drangzeit verlängerte. Stolz und unbeugsam gegen Papst und katholischen Kaiser, demütig wie ein Sündenkrüppel, der sein ganzes Leben in die Hände des Allmächtigen legt.

Alle Energie, die bei Bacon nach außen und nach vorne auf die Eroberung der Welt und der Natur gelenkt wird, lenkt der Wittenberger nach innen und retour in die angeblich vollendete Botschaft des Urevangeliums.

Das Genie des Kopernikus wurde von protestantischen Theologen genau so borniert abgelehnt wie von engstirnigen Experten des Vatikans.

Leibniz muss sich neben Newton nicht verstecken, doch dessen naturerforschende Radikalität besaß er nicht. Mathematisch war er jenem ebenbürtig, theologisch fixiert waren sie beide, doch den „Killerinstinkt“, die Natur so lange auf die Streckbank zu legen, bis sie ihr süßes Geheimnis ausspuckt, dieser Killer- und Machtinstinkt war Leibniz fremd.

Die anempfindende und einfühlende Tradition der organischen Naturphilosophie seit Nikolaus von Kues und Paracelsus war stärker als die Vorstellung, die Natur zu foltern und zu quälen, bis sie jault und gesteht. Goethes Ablehnung der „kalten“ geometrischen Farbenlehre Newtons lief in der Spur des Leibniz.

Es wird auch eine Rolle spielen, dass für den Engländer die Natur nicht ganz so vollkommen war wie für den Deutschen, der es als Gotteslästerung empfand, die Vollkommenheit im Geringsten anzuzweifeln.

Bei Newton musste der Schöpfer sein leicht verpfuschtes Gebilde regelmäßig nachbessern. Das ist schon eine antiautoritäre Haltung gegenüber dem Allwissenden, verglichen mit der devot-bewundernden Verteidigung der himmlischen Obrigkeit durch den deutschen Untertanen, der nichts unterließ, um die beste aller möglichen Welten hymnisch zu preisen.

Hab ich den Eindruck, die Natur hat ihre Macken und Schrammen, kriege ich weniger Skrupel, sie zu zerlegen, um sie technisch zu vervollkommnen, als wenn ich einem perfekten Gebilde gegenüberstehe, das bei der kleinsten Berührung durch den Menschen seine Vollkommenheit verlieren kann.

Das aktive Temperament der Engländer betrachtete praktisches Wissenwollen und technischen Herrschaftswillen als pädagogische Wohltat an einer leicht misslungenen natura lapsa, einer durch Sünde beschädigten Natur.

Die Deutschen staunten ob der unberührbaren Perfektion des Geschaffenen, knieten nieder und beteten an. Die weniger sentimentalen Engländer fragten sich, was lässt sich aus der lädierten Weltmaschine durch Reparatur herausholen?

Auch Hegels und Schellings Naturphilosophie standen noch im Bann des Paracelsus und Jakob Böhmes, das Schlüsselwort der Natur durch introspektives Spekulieren zu ergrübeln. Erst nach Hegels Tod wandten sich die deutschen Naturwissenschaftler von der organischen Spekulation ab und begannen zu rechnen und zu experimentieren wie ihre englischen Vettern.

Goethes Faust will nicht geduldig forschen und der Natur jene Eigenschaften ablauschen, die sie beharrlichen Forschern offenlegt. Er will umstandslos ins Wesen vordringen, ins Mark der Dinge, ins Eingemachte, ohne zu wissen, ob es solche Wesentlichkeiten in der Natur überhaupt gibt.

Die Deutschen wollen Alles wissen oder Nichts – und erhalten Nichts. Die Engländer begnügen sich mit weniger – um immer mehr zu erhalten und aller Welt voranzuschreiten.

Nachdem er das Beste und Teuerste studiert hat mit heißem Bemühen, gesteht Faust – doch warum nur: „Da steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor.“

So klug wie zuvor? Philosophie, Theologie, Medizin und Juristerei geben keinerlei Erkenntnisse über den Menschen?

Da muss einer außengelenkt gewesen sein oder nur sinnloses Zeug gepaukt, aber nicht mit tiefem Interesse den Menschen wahrgenommen, erforscht und verstanden haben.

Das ist schon eine vermessene Großspurigkeit des zu Unrecht verklärten faustischen Wesens, wenn man studierend Gott oder Nichts werden will. Nicht anders als die gigantesque Angeberei in Frageform: warum gibt es überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts? Darunter machen‘s die deutschen Geniehüpfer nicht.

Kurz unterhalb des Seins beginnt das ordinäre englische Herumwursteln, auch Pragmatismus genannt. Nenne ein deutsches Nachwuchstalent pragmatisch und du hast ihn aus dem Pantheon gestoßen. Der Kult des Originalgenies ist schließlich im tiefen germanischen Tann gediehen – bis er im Kult des Originalführers mit dem heiligen Schlüsselwort sich und die Welt in die Luft sprengte.

Faust ist ein Fall für postakademisches Burnout mit menschenfeindlichem Resultat, doch alles unter der Maskerade bescheidenen Nichtwissens: „Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen, Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren, Die Menschen zu bessern und zu bekehren.“

Da muss der Frankfurter zu viel Äppelwoi gebechert haben, wenn er die Besserung des Menschen mit seiner Bekehrung in eins setzen will. Kommt davon, wenn man Vernunft und Offenbarung für vereinbar hält.

Wie er nun in der Manier eines pubertierenden Kraftlackels den Mittelfinger streckt! „Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel, fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel.“ Die äußerste Herausforderung eines neogermanischen Intellektuellen besteht in der imitatio crucis, im furchtlosen Plagiieren der Höllenfahrt des Gekreuzigten. Heute plagiieren sie schaurige Doktorarbeiten, früher biblische Schauermärchen.

Wäre doch gelacht, wenn es einem deutschen Geistesritter nicht gelänge, in der untersten Hölle dem Gottseibeiuns die Einsteinsche Zunge rauszustrecken. Dass man nebenbei ein paar Dämonen und Blocksberghexen aufs Kreuz legt: he, das gehört zur deutschen Mannesehre.

Heute sagt man zu einem solchen Höllenritt auf der Schindermähre – Event. Wer einen ganzen Satz formulieren kann, spricht von Grenzen überschreiten, an seine Grenze gehen, die Grenze austesten. Kant vermaß die Grenzen der Vernunft, um sie nach Belieben zu überqueren.

Grenzgänger zwischen den Welten ist das exquisiteste Prädikat, das ein Rezensent vergeben kann – direkt hinter dem gescheiterten Grenzgänger.

Hier sieht man den unüberbrückbaren Kulturgraben zwischen pragmatischem Understatement und deutscher Meta-Physik. Dies alles sind keine harmlos faustischen Muskelspiele. Ein deutscher Grenzgänger geht in seiner rasend-bühnenhaften Verzweiflung ans Eingemachte:

„Drum hab ich mich der Magie ergeben, ob mir durch Geistes Kraft und Mund, nicht manch Geheimnis würde kund. Dass ich nicht mehr mit saurem Schweiß, zu sagen brauche, was ich nicht weiß.“

Gucke an, der demütige Nichtwisser will auf der Stelle alles wissen – oder …! Was oder? Oder er legt die Welt in Trümmer. Da war der Amoklauf in Winnenden ein harmlos Ding gegen die Drohung eines gescheiterten Primus, eher die Welt in die Luft zu sprengen als seinen Eltern mitteilen zu müssen, dass er in diesem Jahr das Klassenziel verfehlte.

Wenn man in Zeiten der Eurokrise einen deutschen Titanen mit einem schwatzhaften griechischen Satyr vergleichen darf: Sokrates, der klügste Athener, hatte keinerlei sauren Schweiß zu vergießen, um sein Nichtwissen einzugestehen und dennoch sein Vorhaben nicht aufzugeben, die Menschen bessern und zu tüchtigen Demokraten machen zu wollen. Von Bekehren schweigen wir.

Klar, der Grieche hätte nicht verstanden, wenn ihm einer von einem Bedürfnis erzählt hätte, „von allem Wissensqualm befreit zu werden“. „Weh, steck ich in dem Kerker noch?“

Der deutsche Durchschnittskerker kann prinzipiell nur mit Dynamit gesprengt werden. Heute sind wir gottlob weiter. Eine Sause auf dem Ballermann erspart uns viele zu allem entschlossene Dynamitmänner. Gesegnet sei Mallorca und die freie Lust, die schärfsten Waffen gegen rechtsradikale Querschläger.

 

Womit wir ohne weitschweifende Umwege beim amerikanischen Netzphilosophen David Weinberger gelandet wären, der das Internet für das neue Allwissenheitsinstrument hält.

Ganz unamerikanisch beginnt er mit faustischen Weheklagen. Wir lebten in einer der großartigsten Epochen der Geschichte um dumm zu sein. Sagte er dumm? Mit dem Internet könnte man so viel wissen, doch ach, man würde mit dem Wissen nichts Sinnvolles beginnen.

Früher sei Wissen eine kleine Menge von Ideen gewesen, an die man glauben musste. – Weinbergers Gedächtnis scheint nur bis ins Mittelalter zurückzureichen, sonst könnte er mit solchem Unsinn nicht das TAZ-Gespräch eröffnen.

Früher sei alles gefiltert und beschränkt gewesen, das heutige Internetwissen aber ganz anders, nämlich von unbegrenzter Kapazität. Im Internet lerne man, dass alles angezweifelt werden dürfe. – Huch, schon mal von Griechen und Skeptikern gehört?

Hatten wir eben die deutsche Gigantomanie, treffen wir jetzt auf die amerikanische. Amerikaner sind wie Russen der Stalinzeit, alles wollen sie selbst erfunden haben. Heute sei alles Wissen mit allem Wissen verbunden. – Donnerschlag, und früher nicht?

Heute müsse man debattieren. Sich wie früher mit vernünftigen Argumenten zu einigen, das sei eine vergebliche Utopie. – Schon mal was von Dialog, Streitgespräch, Mäeutik und Debattieren in der Volksversammlung gehört?

Heute hätte das Internet bessere Werkzeuge und Techniken, um einen „fruchtbareren Diskurs“ zu führen. Und wirksamere Filter, um mit zu vielen Informationen fertig zu werden. – Schon was von Logik und Folgerichtigkeit gehört, den besten Methoden, um eine Debatte zu führen?

Zuerst ist Weinberger stolz auf die grenzenlose Wissensmenge, jetzt hat er alle Hände voll zu tun, den überschwemmenden Überfluss abzuwehren und zu filtern. Um den anderen besser zu verstehen, bräuchte man „ein gewisses Maß“ an Engstirnigkeit. Einfach offen zu sein, das wäre schön, aber unfruchtbar. Trotz alledem gebe es in den Internetforen viele Beispiele für Debatten, in denen man sich einigen würde.

Das Internet würde jede Form intellektueller Führerschaft unterminieren. – Schön wär‘s. Auch dort dominiert der Kundige, der die Tücken des Mediums, den neuen Jargon der anonymen Agora am besten beherrscht.

Nach verlockenden Anfangsperspektiven hören wir überraschend das faustische Bekenntnis, dass wir nichts wissen können. Die Geschehnisse auf der Welt seien zu komplex, als dass wir mit einem Kilo Gehirnmasse unübersichtliche Dinge wie die Bankenkrise verstehen könnten. – Amerikanischer Wissensoptimismus? Oder alteuropäischer Bildungsbankrott?

Doch jetzt kommt‘s. Das mündige Individuum wird vom Netzphilosophen entmündigt und demokratisch enteignet: „In gewisser Hinsicht wissen Netzwerke es besser als Individuen. Sie sind in der Lage, extrem groß zu werden und gigantische Mengen an Informationen aufzunehmen, statt sie, wie Individuen, ab einem bestimmten Punkt auszufiltern, um damit fertig zu werden.“

(Meike Laaff interviewt den US-Netzphilosophen David Weinberger in der TAZ)

Nicht der Mensch denkt, das Internet denkt. Nach Weinberger bestünde die selbstverschuldete Unmündigkeit darin, sein eigenes Kilo Hirnmasse einzusetzen, anstatt das Denken den Elefanten zu überlassen, die die größeren Köpfe hätten.

Im finsteren Mittelalter, das Weinberger überwunden haben will, sah man das nicht anders. Damals sagte man nicht Internet, sondern Gott oder Papst.

Weinberger muss zu viele Matrix-Schinken aus Hollywood gesehen haben, wo tote Riesenrechner zu lebendigen Behemots erwachen, um die Herrschaft über das arme Menschengeschlecht zu übernehmen. Kaum ist eine neue Maschine erfunden, schon ist der Golem zu Gott mutiert und zeigt uns, wo‘s lang geht.

Doch an dieser entscheidenden Wegmarke treffen sich amerikanische und deutsche Gigantomachie. Auch die klügste, raffinierteste und einflussreichste Edelfeder Deutschlands, Frank Schirrmacher, tut es wie Weinberger und betätigt sich als Prophet des Ungeheuren, das da kommen soll und dem wir ohnmächtig ausgeliefert sind.

Viel ist im TAZ-Interview die Rede von Wissen und endlosen Informationen, kein einziges Mal von Denken und Durchdenken, das die Aufgabe hätte, die Spreu vom Weizen zu trennen und sich aufs Wesentliche zu konzentrieren.

Viel, nicht vielerlei, der Extrakt, nicht die Datenfluten: das wäre Philosophie, die sich von keiner neuen Maschine den Kopf verdrehen lässt. Der Netzphilosoph Weinberger hat mit Philosophieren soviel zu tun wie Matrix mit Kant. Seine Rede ist die Abdankung des mündigen Menschen vor einem technischen Instrument, das man zum Idol erklärt und anhimmelt.

Das hat Jesaja vor Jahrtausenden schon bündiger und einfacher erklärt: „Das Land war voll von Götzen, das Werk ihrer Hände beten sie an, das was ihre Finger gemacht haben.“ Was im Umkehrschluss nicht bedeutet, Jesaja hätte die richtigen Schlussfolgerungen gezogen. Das Werk der eigenen Hände, die Gedanken des eigenen Kopfes muss man nicht zu Göttern verfälschen, um dennoch auf der Autonomie des menschlichen Tuns zu bestehen.

Die Deutschen haben ihre faustischen Magie- und Megalomaniephantasien noch lange nicht überwunden. Das ganze Feuilleton hallt wider von tiefsinnigen Gottesverschmelzungen – oder ätzender Vernunft- und Menschenfeindlichkeit.

Der englische Pragmatismus hat seine gedanklichen Grundlagen längst verraten und das Denken in die babylonische Gefangenschaft einer Sprachphilosophie geführt, in der die Sprache denkt und nicht der Mensch, der sich der Sprache bedient.

Von selbstdenkenden Menschen weit und breit keine Spur. Netzwerk, wir beten dich an.