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Donnerstag, 15. November 2012 – Heroischer Realismus und Öko

Hello, Freunde der Rohstoffe,

Roh-Stoffe, Roh-Materie, Roh-Natur. Erst wenn der Mensch das Rohe bearbeitet hat, wird es delikat, edel, superb. Durch Verarbeitung kommt Rohnatur erst zu sich: sie fühlt sich geehrt, vom Menschen verstümmelt, verzehrt, verschlungen und ausgeschieden zu werden.

Bei Ovid fühlt sich der Bildhauer Pygmalion von freilaufenden Lustfrauen überfordert. Also zieht er sich zurück und schafft ein schönes Weib aus Elfenbein. Das schwatzt nicht so viel und geht dem Erschaffer nicht ununterbrochen an die Wäsche. Die von ihm kreierte Frauenfigur ist so schön, dass sich der Künstler unsterblich in sein Werk verliebt, die Götter haben ein Einsehen, machen die Figur lebendig und die Romanze kann beginnen.

Über das gemeinsame Kind Paphos ist verwunderlicherweise nichts weiter bekannt. Immerhin ist das gemeinsame Kind von Geist und Materie nichts weniger als Kultur und Zivilisation.

Bei Locke steuert der geistbegabte Mensch etwa 80% zu den gemeinsamen Produkten bei, die schäbigen 20% entstammen der Roh-Natur. (Apropos 80 zu 20, das muss eine magische Quote sein. Bekanntlich hat der Psychologe Eysenck, der zufälligerweise auch auf der Locke-Insel lebte, bei Zwillingsforschungen festgestellt, dass die Natur 80% zur Entwicklung des Menschen beitrage, die menschliche Erziehung nur 20%.)

Bei der Entwicklung der Cola-Dose ist also der Mensch wesentlich mehr beteiligt als bei der Erziehung seiner erbsündengeschädigten Brut. Hier sehen wir

die willkürlichen Folgen der abendländischen Natur-Gott-Ambivalenz. Ist ein Naturprodukt gut, muss die Natur bestens sein: sie wird zur Einsplus-Schöpfung eines Creators verfälscht.

Taugen die Produkte nichts – wurmstichige Äpfel, ungehorsame Kinder und Ehefrauen mit Widerworten –, sind sie a) entweder von der verdammten heidnischen Natur oder b) von der gefallenen Schöpfung eines Einsplus-Creators, der diesen verkommenen Wesen den Freien Willen ließ, just for fun verkommen zu werden.

Das alles ist schwer zu verstehen, weshalb Gott dem Abendland den nützlichen Glauben schenkte, der alle Fragen beantworten kann, die nicht zu beantworten sind. Der Glaube war eine wichtigere Invention als die Erfindung von Telefon, Laptop und elektrischem Eierkocher zusammen. Immer, wenn wir nicht mehr weiter wissen – also in 180% aller Weltfälle und Tagesereignisse – können wir auf den Glauben zurückgreifen. Was sollen denn unsere Kinder von uns denken, wenn wir ihre altgescheiten Fragen nie beantworten könnten. So können wir beruhigt sagen: Frag doch mal den Pastor.

Also Rohstoffe. Die leiden unter Schwindsucht, die sie teuflischerweise an uns weiterleiten wollen. Ohne das Grob- und Rohzeug kommen wir blöderweise nicht aus. Was ein komplettes Versagen des menschlichen Genies sein muss, das sich seit 100en von Jahren das Ziel gesetzt hat, ohne rohe Natur auszukommen und nur noch aus dem eigenen Kopfe zu erschaffen.

Der Abendländer wollte sich von der Natur unabhängig machen. Und es gelingt und gelingt ihm nicht. Sollte es ihm aber gelingen, wird er mit Sicherheit tot sein. Das, liebe Kinder, zum Wesenskern unserer fortschrittlichen westlichen Kultur und Zivilisation.

Dabei sah es dieser Tage wieder so richtig prächtig aus. Die Amerikaner haben zu ihrem Entzücken wieder sehr viel Rohes auf ihrem Kontinent entdeckt. Nein, nicht Guantanamo oder den Freizeitsex der Generale. Sondern das dem rohen und unbehauenen Geröll und Stein abgepresste und abgesaugte Öl.

Schon zeigt sich die ganze politische Weltlage in einem anderen Licht. Amerika ist nicht mehr abhängig von der Durchfahrt durch die Hormus-Meerenge. Washington kann das salafistisch verseuchte Saudi-Arabien links liegen lassen und Israel endlich Erlaubnis zum Befreiungsschlag gegen den Iran geben, damit das Privileg der Atombombe im Lande bleibt, wenn Sympathikus Avigdor Lieberman als neuer Verteidigungsminister den roten Knopf unter seine Gewalt gebracht haben wird. Wenn das Ungleichgewicht des Schreckens gewahrt bleibt, so die Logik Liebermans, werden wir keine Probleme mit dem Frieden haben. Nahost wird befriedet sein.

Wir sehen, Krieg und Frieden hängen allein von rohen Stoffen ab, weswegen man sie beschleunigt abschaffen sollte. Darf denn das Schicksal der Menschheit von der Existenz nichtswürdiger und minderwertiger Materie abhängen?

Joachim Wille schreibt in seinem BZ-Kommentar, die EU müsse 70% ihrer Rohstoffe einführen. Die Menschheit benötigte heute schon mehrere Ersatzplaneten, wenn die vielen Milliarden unterentwickelter Menschen auf dem Niveau Europas oder Amerikas leben wollten. Was sie selbstverständlich wollen.

(Joachim Wille in der BZ: Schwindsucht der Rohstoffe)

In hiesigen Gazetten gibt’s schon einen Aufschrei, wenn laut Prognosen wir im Jahre 2050 von Indien und China in jeder Hinsicht abgehängt sein werden. Was nichts anderes bedeutet, als dass jene Riesenländer unser „Wohlstandsniveau“ überrundet haben werden. Unsere chauvinistischen Redakteure wollen ernsthaft, dass wir als kleines Land in absoluten wie in proportionalen Zahlen jene Giganten für immer übertrumpfen.

Gleichzeitig leisten wir gönnerhaft Entwicklungshilfe. Offenbar mit dem Hintergedanken, jene werden den Begriff Entwicklung hoffentlich nicht wörtlich nehmen und sich über uns hinausentwickeln. So sieht ja auch Niebels Entwicklungspolitik aus: tut was, ihr Hungerleider, aber untersteht euch, unser unantastbares Niveau anzupeilen. Das würden wir euch übel nehmen, wenn ihr unsere subventionierten Hähnchenschlegel nicht mehr abnehmen und eure eigene Hühnerzucht unterstützen würdet.

Just direkt nach Obamas Wiederwahl wird von deutschen Weltstrategen wie Josef Joffe, Kleber, Henkel und Geißler der Planet neu aufgeteilt. Riesige Karten werden aufgerollt, um Amerika entweder abzuschreiben (Kleber) oder doch nicht abzuschreiben (Joffe), den Kapitalismus als besten Türöffner der Demokratien zu preisen (Henkel) oder lieber doch nicht (Geißler).

Um das gerecht verteilte Wohl einer gleichberechtigten Menschheit geht es in deutschen Medien nie. Über solch lächerlichen Idealismus lachen die Herren nicht einmal. Sie sind aus der guten deutschen Schule heroischer Realisten. Man muss die Welt illusionslos sehen, wie sie ist, und nicht wie man sie sich wünscht.

Dabei vertuschen sie, dass sie wünschen, was sie angeblich nicht wünschen. Ihre Wünsche sind mit zwei Begriffen zu definieren: Weltmacht und Ablehnung aller moralischen Flausen.

Kants Friedensplan einer zukünftigen Völkergemeinschaft zu erörtern, wäre vielleicht für Geißler akzeptabel. Doch auch das wäre nicht sicher, denn das könnte für den bekennenden Katholiken menschliche Hybris bedeuten, ohne Gottes Hilfe eine menschliche Zukunft für die Menschheit erringen zu wollen.

An diesem Punkt beginnen selbst die linkesten Herz-Jesu-Marxisten mit der Stimme zu kippen. Soweit geht die Liebe zur Menschheit nun auch nicht, dass man Gott aus dem Regiment der Geschichte entlassen kann.

Bei der Erörterung des neuen Rechtsradikalismus kann man immer wieder sehen, dass keine Inhalte erörtert werden. Begriffe wie Rassismus sind so erkenntnisreich wie der Begriff Sünde. Es wird unterstellt, wir wüssten schon alles, wir seien bestens über alles aufgeklärt, nun müssten wir nur noch tun. Das Feld der Politik wird dem klerikalen Revier der stummen Reue und Buße anheimgegeben.

Dabei geht es um nichts als Erkenntnis. Die unverstandene Vergangenheit kommt über uns wie die Alkoholsucht über den Manager, der die Gründe seines Ausgebranntsein nicht kennen will.

Die deutsche Vergangenheit ist in deutschen Schulen tabu, begraben unter nichtssagenden Daten, unbegriffenen Fakten und einer völlig unverstandenen Geschichte. Dass die Misere des Dritten Reichs in der Romantik als Abwendung von der Aufklärung begann: damit kann kein Einser-Abiturient etwas anfangen. Den Unterschied zwischen Aufklärung und Gegenaufklärung kennt er nicht.

Die Deutschen stilisieren sich als hochmoralisches Volk, dessen idealistische Epoche, kein Mensch weiß warum, pünktlich im Jahre 1933 beendet wurde.

Fehlt die unsägliche Feststellung: Wie konnte ein solch gebildetes Volk wie die Deutschen …?

Antwort: a) weil Bildung nicht mit Moral identisch ist, b) weil die deutsche Bildung seit der Romantik nichts anderes zu tun hatte, als Jubellieder auf die Unmoral zu singen und alles Moralische hemmungslos, ich sagte hemmungslos, in Blut und Boden zu treten.

Nietzsche hasste die „Überfülle der Missratenen, Kränklichen, Müden, Verlebten, nach dem heute Europa zu stinken beginnt“

Selbst heute, in der Nachkriegszeit, ist die Idee universeller Menschenrechte nur für den Gemeinschaftskundeunterricht gesichert. Im Graubereich der Intellektuellen, Feuilletonisten, etablierten Philosophen, der meisten Soziologen, der Postmoderne, der Systemtheoretiker, der feinsinnigen Kunstästhetiker, der Theologen beider Kirchen, der linken Marxisten, der rechten Neonazis, werden moralische Sätze und Normen, die allzu weit über der realen Alltagswirklichkeit hängen, als blauäugig belächelt.

Die ins wohlgesättigte Alter gekommenen Ex-Linken haben bis heute ihr Verhältnis zu den Menschenrechten nicht geklärt. Als Jungmarxisten haben sie alle „Ideale des Bewusstseins“ als phantastische Gurkerei vom Tisch gewischt.

Wer war es, der als 18-Jähriger an seinen Vater schrieb, dass er von nun an den Gegensatz „des Wirklichen und Sollenden“ nicht mehr anerkennen werde? Der Schluss machen wolle mit seiner jugendlichen Schwärmerei für den kategorischen Imperativ? Der seit jenem Entschluss alle „utopisch-leere Postulate“ ablehnte und sich der neo-messianischen These anschloss, Fortschritt entwickle sich aus „innerer Notwendigkeit heraus von Epoche zu Epoche von selbst“?

Der Kommunismus, schrieb der Gesuchte, dürfe nicht als Ideal aufgefasst werden, wonach die Wirklichkeit sich zu richten habe, als Zustand, den man künstlich herstellen müsse. Es sei vielmehr die „wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.“

Die gesamte Linke hat sich atmosphärisch von diesen Thesen ihres Trierer Matadors bis heute nicht gelöst.

Genau aus diesem Grunde standen die Linken in den Anfängen der NS-Bewegung ideologisch den Schergen näher als dem winzigen Häufchen der damaligen Weimarer Menschenrechtler.

Es gab eine unverkennbar gedankliche Konvergenz zwischen links und rechts. Die einen vertrauten der Selbstbewegung der Geschichte, die anderen der Selbstbewegung des rechten Bluts.

Die systematische Konvergenz zwischen Hitler und Stalin kann man nicht an der Quantität ihrer Opfer ablesen, sondern an den zwei, drei identischen Grundgedanken, die sie bewegten.

(Alles nachzulesen in dem überragenden Buch „Die Menschenrechtsidee“ von Sibylle Tönnies.)

Zu den Gegnern der Menschenrechte in der Nachkriegszeit zählt Tönnies so illustre Namen wie Luhmann, die gesamte Postmoderne – und Adorno. Natürlich wurde da nicht mit offenen Karten gespielt. Fremdwörter und gelehrte Chiffren wurden benützt, dass einem die Ohren sausten.

Offiziell wollte sich niemand mit der herrschenden, von der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung herübergekommenen Menschenrechtsideologie anlegen. Das ging meistes subkutan vor sich oder in exquisiter Sondersprache geschlossener Zirkel („Liebe Kollegin, mit einem Menschenrechtsthema können Sie an der Uni nicht reüssieren“).

Selten, dass Luhmann offen schrieb: „Die Aufhebung von Rassendiskriminierung, soziale Gerechtigkeit gegenüber Kinderreichen sind Störungen von funktionierenden System-Umwelt-Beziehungen, die keine Chance haben.“ Lieber sprach der Meister des perfekten Systems, in dem es kein Platz gab für das „Subjekt“, also für den moralisch selbstbewussten Menschen, von basaler Linearität, Transitivität, konsistent-transitiver Wertordnung, Leges-Hierarchie.

Das Ganze war der Tod des Subjekts. In allen Kommentaren, die auf sich hielten, trug man den autonomen Menschen zu Grabe.

Georg Picht, Vordenker des Protestantenflügels, durfte da mit seiner Verachtung der Menschenrechte nicht hintan stehen. Die Menschenrechte wären nur einzuhalten auf der Grundlage einer theologisch einwandfreien Anthropologie. Solange die fehlt, „kann die Utopie einer globalen Menschenrechtsordnung nur als ein leerer Wahn betrachtet werden.“

Erst in letzter Zeit beginnt sich das Getöse vom subjektbefreiten System langsam zu verziehen. Gewiss nicht aus Einsichtsgründen, sondern weil der Zeitgeist nach der Bankrotterklärung des Neoliberalismus sich oberflächlich zu verändern beginnt.

Noch viel verheerender als der Bielefelder Rädchenvirtuose – das System ist ein Räderwerk, aber ohne einen herumtorkelnden Clown, wie bei Chaplin –, war der Einfluss der Frankfurter Adorno und Horkheimer, der bis zum heutigen Tage in der Öffentlichkeit nie in Frage gestellt worden ist.

Nicht nur, dass sie konkrete Reformpolitik nie im Sinn hatten, denn alles war vergebliche Liebesmüh, was nicht vom messianischen Himmel durchgeführt wird („Hotel Abgrund“ nannte Georg Lukacz die Frankfurter), in ihrem noch immer hochgepriesenen Buch: „Die Dialektik der Aufklärung“ stehen solch bemerkenswerte Sätze: „Aufklärung ist totalitär.“ Sie ist „ein totaler Betrug der Massen, die radikal gewordene mystische Angst, sie ist erstarrt in Furcht vor der Wahrheit“.

Wen wundert‘s, dass heutige Adorno-Anbeter in allen renommierten Redaktionen die Aufklärung für totalitär halten? Dass die Lieblinge des Feuilletons die Rückkehr der Religion für das einzige Gegenmittel gegen die „mächtig aufkommende Vernunftdespotie“ halten?

Zurück zu den heroischen Realisten, die lieber die Welt nach Machtgesichtspunkten tranchieren, als die Frage stellen, welche Zukunft sie für die Menschheit für erstrebenswert halten. In seinem meisterhaften Buch „Die Konservative Revolution in Deutschland“ hat Armin Mohler – gelegentlich Privatsekretär bei Ernst Jünger – die Bestandteile der Deutschen Bewegung auseinandergenommen und prägnant beschrieben.

Liest man sein Buch, so glaubt man, den Extrakt heutiger Feuilletons vor sich zu haben. Was in Vorkriegszeiten die Deutschen gedanklich und weltanschaulich bewegte, sprießt heute wieder an allen Ecken und Enden aus dem Boden der Vergangenheit, die nicht vergehen will, weil sie nicht angemessen beackert und durchgepflügt wird.

Heroischer Realismus ist der Kern der Konservativen Revolution. Das war die Haltung deutscher Eliten in der Weimarer Zeit, die die neue Demokratie hassten und sie per Revolution von oben abzuschaffen gedachten.

Einen ähnlichen Vorgang erlebten wir vor zwei Dekaden, als der amerikanische Neoliberalismus wie ein Tsunami in Deutschland einbrach, unterstützt von diversen intellektuellen Denkfabriken wie INSM, unzähligen Sabine Christiansen-Talkshows und fast allen führenden Medien, die mit geballter PR-Macht die „rheinische Marktwirtschaft“ zur Makulatur machen durften.

In Deutschland passiert alles oben. Seid untertan der medialen Obrigkeit, wer auf das Volk hört, ist eine Kanaille.

Nietzsche hat die Weltsicht der Starken, Vornehmen, Hemmungs- und Gewissenslosen unübertrefflich formuliert. Weswegen er in gebildeten Kreisen noch heute nicht als Antisemit noch als Vorläufer der Nationalsozialisten gilt. Man schont ihn, man verehrt und bewundert ihn, um sich selbst zu verehren und zu bewundern.

Typisch die Verachtung der sozial Schwachen bei Sloterdijk, dem Nietzsche-Fan, der alle Pflichtsteuern abschaffen will, um beim philosophischen Spaziergang die aufgestellte Reihe der Bettler gnädig mit Almosen zu bedenken.

Nietzsches Wort vom „Amor fati“, von der Liebe zum Schicksal – im Krieg hätte man sagen können: von der Liebe zu Vati, dem Kriegshelden – ist Kern des heroischen Realismus, der die Welt akzeptiert, wie sie ist und sich keinen Weltverbesserungs-Illusionen hingibt. „Die Liebe zur Welt, wie sie ist, mit ihrem ewigen Wechsel von Geburt und Vernichtung – zur Welt, wie sie jetzt ist ohne jede Hoffnung auf eine Besserung. Weder in einem Jenseits noch in ferner Zukunft. Zur Welt, wie sie immer war und immer sein wird.“

Es ist eine tragische Weltanschauung, denn sie sucht keine Ausflüchte in billige Welterlösung. Heroisch ist sie, weil sie dennoch bejaht. Auch wenn es die Bejahung des eigenen Untergangs ist. „Die Tugend, die diesem Zustande angemessen ist, ist die des heroischen Realismus, der selbst durch die Aussicht der völligen Vernichtung und der Hoffnungslosigkeit seiner Anstrengungen nicht zu erschüttern ist.“

Das ist kein bloßes Abwarten in Dumpfheit und Ergebung. Ernst Jünger beschreibt den desillusionierten Heroen als einen, der „sich mit Lust in die Luft zu sprengen vermag und der in diesem Akte noch eine Bestätigung der Ordnung erblickt“.

Geht’s noch deutscher? Sie sprengen sich und die ganze Welt in die Luft als untertäniger Beitrag zur Ordnung. Vorsehung, melde gehorsamst die Welt in Ordnung gebracht zu haben durch Zerstörung der überflüssigen Menschheit.

Dieses Ja zur Ohnmacht und zum Untergang soll ein, wenn auch ungewohnter Freiheitsbegriff sein. Freiheit ist die absolute Unterordnung unters Notwendige oder die Freiheit zum Nichts.

Betrachtet man diese lebenshassende Bejahung der Katastrophe auf dem Hintergrund der abendländischen Religion, so erkennen wir dieselben Kräfte, die im Westen den Fortschritt in den Untergang erstreben. Die latenten und bekennenden, manifesten und kapitalistischen Christen, Postchristen und sonstige Messianisten tun nichts anderes, als durch Verwüstung der Erde das Nichts herbeizuführen. Die Wiederkehr des Herrn, der einfach nicht kommen will, obgleich er es schon seit 2000 Jahren verspricht, muss der Mensch mit eigenen Kräften inszenieren.

(Nebenbei: der deutsche Konservatismus leidet an seiner eigenen mentalen Verwirrung, weil er sich heute bewahrend und heilsam versteht. Doch der echte deutsche Konservatismus blickt tollkühn in jeden Abgrund, den die Vernichtungspolitik der Moderne selbst produziert. Er müsste dem C offiziell absagen, wozu er sich nicht traut, so heroisch belügt er sich.)

Was hat heroischer Realismus mit Umweltproblematik zu tun? Trotz aller Warnungen vor der Klimakatastrophe geschieht viel zu wenig in Deutschland. Gerade die deutschen Eliten und Meinungsmacher denken nicht daran, sich für den Erhalt der Natur – über das Maß der Mülltrennung hinaus – tatkräftig einzusetzen.

Lieber verteilt man die Weltkugel strategisch neu und faselt über alte und kommende Weltmächte. Amerika orientiere sich in Richtung Pazifik, Europa sei abgehängt, solche Phrasen hört man als neueste geopolitische Erkenntnisse. Und dies seit mindestens 20 Jahren.

Joachim Willes Mahnruf wäre für neudeutsche Heroen nicht mal eine Fußnote wert.

Alles ist gut, was den Untergang beschleunigt. Hauptsache, wir bleiben Herr der Situation.