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Dienstag, 28. August 2012 – Das Weib und die Nacht

Hello, Freunde der Lysistrata,

Frauen sind mächtiger, als sie wahrhaben – wenn sie die wirksamsten Waffen der Frauen einsetzen. Bei Aristophanes war es Lysistrata, die die Frauen von Sparta und Athen zur Lustverweigerung aufforderte, um ihre Männer von Kriegsgelüsten abzubringen. Der Streik hatte Erfolg.

Friede und Lust sind Synonyma. Nun auch in Togo. Dort wollen Frauen ihren Präsidenten stürzen, der eine Wahlrechtsreform zu seinen Gunsten durchführen will. Es gibt noch andere Beispiele. (Juliane Meißner in der SZ: Mit den Waffen der Frauen)

Da gibt es die Legende, die Frauen im alten Griechenland seien durchweg minderwertig und zweitrangig gewesen. Äußerlich und rechtlich war es in Athen nicht zum Besten bestellt. Doch Athen war in vieler Hinsicht, im Vergleich mit anderen griechischen Stadtstaaten, rückständig bis reaktionär.

Auf der Insel Lesbos unterhielt Sappho, eine weibliche Ausgabe des Sokrates, eine Schule für Frauen, in der Geist und Sinne ausgebildet wurden, in einer Freimütigkeit, die noch heute unerreicht ist.

Ausgerechnet im militaristischen Sparta gab es ein Matriarchat. Die Frauen waren reicher, mächtiger und in Sexfragen selbstbestimmter als die Männer.

Platon, wiewohl kein Frauenfreund, machte in seiner Politeia die Frauen zu gleichberechtigten Wesen. Diotima war die philosophische Lehrerin des Sokrates, das Vorbild für diese Figur war vermutlich die kluge Aspasia, Geliebte des Perikles.

Nimmt man all die starken, den Männern oft überlegenen Frauengestalten der

griechischen Tragödie und Komödie hinzu, kann man nicht von bloßen Männerphantasien reden, die sich starke Frauen auf der Bühne, aber nicht in Wirklichkeit wünschen.

Der Geschlechterkampf war in Hellas voll entbrannt, in einer Breite und Tiefe, wie es heutige Frauen, die sich gern emanzipiert sehen, wenn sie in den Fängen des maskulinen Kapitalismus zappeln, sich nicht vorstellen können.

Man könnte die These vertreten, Philosophie ist nichts anderes als die Übersetzung weiblicher und matriarchalischer Tugenden in abstrakte Begriffe, in strenge Prosa der Folgerichtigkeit. Sokrates übersetzte die Hebammenkunst seiner Mutter in die Entbindungskunst seiner Gespräche. Maß und Mitte des Aristoteles waren die Transformation des weiblichen Herdes, des vitalen Zentrums der Sippe, in das vernünftige Wort.

Der Mensch ist ein gesellschaftliches Wesen hieß auf mütterlich: alle Sippenmitglieder sind von Frauen geboren, also gleichberechtigte Mitglieder des Clans. Das Beste an der Philosophie ist der souveräne Menschenverstand der femme sage, das Lust- und Glücksversprechen der Freundin, der Geliebten.

Alle Sätze, die sich nicht in die Lebenswelt der Mütter zurückübertragen lassen, sind angelsächsische Platitüden, französisches Esprit-Geklingel oder der Theologie entlehnter deutscher Tiefsinns-Schrott.

Heute bezieht sich Emanzipation nur noch auf Teilhabe am Überfordertsein, am Reicher- und Ausgebranntwerden. Früher ging es um Brunst und Überschwang, um Vitalität und Eros, um politische Grundsatzfragen und philosophischen Wettstreit um das beste Leben. Krieg und Frieden? Gerechtigkeit? Gleichberechtigung in allen Dingen? Sexuelle Selbstbestimmung? Polis, Tyrannis und Demokratie?

Aristophanes gilt als Komödiant, er war feministischer als Alice Schwarzer und eine gewisse Frau Schröder zusammen. Die heutige Frau will Anteil an der Macht, Macht aber nicht in Frage stellen. Lysistrata wollte Frieden, der mehr war als Abwesenheit von Krieg.

Männer werden in Kriegen lüstern, um sich des weiblichen Körpers mit Gewalt zu bemächtigen. Das einzige Ziel des Krieges ist die begehrte verbotene fremde Frau. Wenn der Satz grassiert: Frieden ist langweilig, dürfen Männer als Urheber vermutet werden, die nicht geil werden ohne Kitzel von Macht und Gewalt.

Weibliche Lust entfaltet sich im Frieden, Lust ist Freude des Friedens.

Es gibt verschiedene Arten des männlichen Krieges. Man kann wie Reinhold Messner allein in der Wand hängen, um seine Grenzen zu transzendieren, in der Hoffnung, jenseits der Grenze das ganz Andere zu finden, weil man das Hiesige, Gewöhnliche und Bekannte, die schöne Wiederholung des Gleichen nicht erträgt.

Alles, was Männer können, können Frauen auch, ist die Losung ehrgeiziger moderner Frauen, die stolz sind, wenn sie natur- und lebensfeindliche Männer imitieren.

Männer müssen Grenzen überwinden, weil jenseits der Grenzen der Übermann sein Revier hat, der männliche Gott, das männliche Heilige, vor dem man sich fürchtet und vor dem man zittert. Furcht und Angst wollen sie spürten und besiegen, um dem Schrecklichen, dem Göttlichen entblößten Hauptes entgegenzutreten.

Dem ganz Anderen wollen sie ins Auge sehen. Das ist die Berufung des Mannes. Nicht wie Weiber zu Hause sitzen, zu werkeln und fürs Leben zuständig sein. Noch heute wird die Küche, die Feuerstelle, an der die Sippe zum fröhlichen Mahle zusammenkommt, den gleißnerischen Außenstellen männlicher Macht entgegen gestellt, abgewertet und verhöhnt. Männer am Herd sind Künstler des Geschmacks, Frauen sättigen nur und speisen ab.

Die Grenze ist das Gegenstück zum Herd, sie ist der Vorhof zum Heiligen. Das Allerheiligste darf selbst von Männern nur einmal im Jahr betreten werden. Es ist das absolute Gegenteil zum profanen Mittelpunkt des Daseins, wo die Mütter sitzen, kochen, schwatzen, tanzen, singen, die Kinder wiegen.

Männer müssen in den Nahkampf mit Gott, dem Inbegriff des Gefährlichen und Fremden, das der kühne Seefahrer, der Bezwinger des Weltalls erkunden und erobern muss.

Ziehe die Schuhe aus, du betrittst heiligen Boden, der von weiblich-verlockenden Düften nicht kontaminiert werden darf. Götter, die Furcht und Zittern verbreiten, sind Erfindungen der Männer, die sich mit täglichem Weiber- und Kinderkram nicht abgeben. Ihre Bestimmung, ihr Beruf, ihre Berufung ist das Gefährliche, Unbekannte und Grenzenlose.

Nur Grenzgänger übersteigen die Grenzen ins Unbegrenzte. Wo der Mann ist, muss es vor Spannung und Gefahr knistern. Und Jakob sprach an der Stätte des Herrn, die er betreten hatte: „Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte und ich wusste es nicht. Und er fürchtete sich und sprach: wie furchtbar ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, hier ist die Pforte des Himmels.“

Gott ist die einzige, echte und unersetzbare Mutprobe für den Mann. Nicht Kochen am Herd, Waschen am Bach, Kinder in den Schlaf singen.

Das Pendant der Fremdenfeindlichkeit ist die unstillbare Sehnsucht nach dem ganz Anderen, dem Fremden, das mitten im Tempel, in der Synagoge, in der Moschee, dem Münster, als heiliger Papyrus, Hostie, Altar, Wein und Blut, Predigtwort und Segensformel seine befremdliche und einschüchternde Wirkung nie verlieren kann.

Es gibt nur eine Tat, in der ein Mann zum Mann wird, und das ist der einsame Kampf des Nachts mit Gott: „Jakob blieb allein zurück. Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach. Als der sah, dass er ihn nicht zu überwältigen vermochte, schlug er ihn auf das Hüftgelenk. Und Jakobs Hüftgelenk wurde verrenkt, als er mit ihm rang. Und er sprach: Lass mich los, die Morgenröte bricht an. Aber er antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“

Das ist auch Luthers heroischer Kampf mit Gott im Augustinerkloster, den er nicht liess, Er segne ihn denn mit der Rechtfertigungslehre und der Erfindung des Protestantismus, mit dem er dem Kaiser und aller Welt Paroli bot.

Und nun der wahre Nobelpreis für den echten Mann, der mit Gott gerungen und in die Knie gezwungen hat: „Und Jakob nannte die Stätte Pniel, das ist Angesicht Gottes; denn er sagte: ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut und bin am Leben geblieben. Und als er an Pniel vorüber war, ging die Sonne auf; er aber hinkte an der Hüfte.“

Du sollst dir kein Bildnis noch Gleichnis machen, doch ein wahrer Gottessucher darf den Herrn der Heerscharen von Angesicht zu Angesicht schauen. „Du machst den Mann nicht wenig geringer als Engel. Du setzest ihn zum Herrscher über das Werk deiner Hände, alles hast du ihm unter die Füße gelegt.“

Männer sind von Gott gezeichnet, sie sind Kriegs- und Gottesversehrte. Eine Narbe, ein Wundmal, eine Beschneidung, ein Zeichen auf der Stirn, eine kleine Kreuzigung, ein scheinbarer Tod, eine Höllenfahrt, ein faustischer Trip, die Erzwingung eines unbezwungenen Massivs, die „Besteigung“ oder Vergewaltigung von Frauen und Jungfrauen: hier ist das Revier des wahren Mannes.

Der Mann wird beschnitten als Auszeichnung vor Gott, die Frau wird fürs Leben verschnitten und verstümmelt, damit sie ihre sexuelle Überlegenheit verliert. Das Außerordentliche, Brisante, Abenteuerliche, das Zockermäßige, das alles riskiert und alles gewinnt, das ist das Gottähnliche am Manne.

Und wenn er nicht gewinnt, scheitert er in Ehren. Nur als von Gott Geschlagener tritt der wahre Mann von der Bühne ab. Wer wagt, kann verlieren, wer nichts wagt, kann nie gewinnen, wie ein Mann das Leben, das Heilige bezwingen muss.

Keine Frau scheitert, sie verkommt, verludert und verwahrlost.

Der wahre Held der Literatur – vor allem der Literaturkritikerinnen – ist der scheiternde Mann, die Fortsetzung des Helden mit anderen Mitteln. Er versuchte und verlor alles.

Die deutschen Schlächter waren grenzüberschreitende Zocker und Spieler, sie setzten alles auf eine Karte, wollten der Welt das Gesetz der Genesung bringen. Wir haben verspielt, mit diesen Casinoworten kehrten sie nach Hause zurück, ins Elend der Ruinenfrauen. Krämer machen Bankrott, Helden scheitern. Madoff ist eine Ruine, er scheiterte nicht.

„Lass mich los, die Morgenröte bricht an.“ In der Nacht findet der männliche Kampf statt. Denn die Nacht ist die vibrierende Vorlust des Tages. Nicht die stille, selige Nacht schlafender Weiber und Kinder.

Wenn alles schläft, ist der Mann mit sich und dem ganz Anderen allein. Der Mann muss wachen und kämpfen. Die vegetative Nacht des Erholens ist Zeitverschwendung, in der Nacht erscheinen Götter, Dämonen und Ungeheuer, die er in Stücke schlagen oder domestizieren muss. „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt.“

Die Nacht, die Dunkelheit sind Zugeständnisse an die Bedürfnisse schwacher Weiber und Kinder. Gott erhellt das Dunkel, bis am Ende aller Tage nur noch das ewige Licht leuchtet: „Und es wird keine Nacht mehr geben und sie bedürfen nicht des Lichtes einer Lampe, noch des Lichtes der Sonne, denn Gott der Herr wird über ihnen leuchten und sie werden herrschen in alle Ewigkeit.“

Wie der Mann das Weib, muss der Tag die Nacht bezwingen. Das Wort scheint in die Finsternis und die Finsternis hats nicht begriffen. Der ewige Tag, das grenzenlose Licht bescheint die totale Herrschaft des Mannes über die minderwertige Natur, über das lichtscheue Weib.

Männer wecken auf, sie müssen Erweckte, Auferweckte, ja Wiedergeborene sein, um die Geburt des Weibes ungeschehen zu machen. Deutschland, erwache.

Der Heiland bittet seine Jünger: wachet mit mir. Doch als er wieder kommt, findet er die Jünger schlafend. Und der Herr sprach zu Petrus: „So wenig vermochtet ihr, eine Stunde mit mir zu wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Versuchung fallet.“ In der Nacht verrät Petrus dreimal seinen Herrn. „Darauf fing er an zu fluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht. Und alsbald krähte der Hahn.“

Schlafmützige Jungfrauen dürfen nicht zur hochzeitlichen Orgie im Schlafgemach des Bräutigams. Und als der Bräutigam zur Hochzeit kam, wurde die Türe verschlossen. „Und der Herr sprach zu den Ausgeschlossenen: Ich kenne euch nicht, Darum wachet: Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“ Denn der Herr kommt wie der Dieb in der Nacht. „Wenn der Hausherr wüsste, in welcher Nachtwache der Dieb kommt, würde er wachen und nicht in sein Haus einbrechen lassen. Denn der Sohn des Menschen kommt zu einer Stunde, wo ihr nicht meint“.

Die wichtigen Gespräche zum Heil und Unheil der Menschen geschehen des Nachts. Nikodemus, der Vorsteher der Juden, kam des Nachts zu ihm und fragte, wie er selig werden könnte. Die Nacht ist die Stunde des weltentscheidenden Verrats: in der Nacht, da der Herr verraten ward. In der Nacht wird Gott die Spreu vom Weizen sondern: „In dieser Nacht werden zween auf einem Bette sein; der eine wird angenommen, der andere wird zurückgelassen werden.“

In der Nacht schlafen die, die verloren gehen. Sie gehorchen den Gesetzen der Natur, deren Macht gebrochen werden muss. Die Verworfenen sind diejenigen, die es nicht schaffen, die Nacht zum Tage zu machen.

Darum ist die christliche Moderne so erpicht, tags und nachts zu malochen, als hätte sie die despotischen Gesetze der Natur außer Kraft gesetzt. Darum kaufet die Zeit aus, vornehmlich die der Nacht, wenn alle trägen Konkurrenten schlafen. „Denn die Schlafenden schlafen des Nachts, und die Trunkenen sind des Nachts trunken; wir aber, die wir dem Tage angehören, wollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens.“

Die Panzer der Frommen rollen am liebsten im hellen Sonnenschein, damit die Feinde von weitem geblendet werden und in Furcht geraten.

Die Nacht ist die Zeit der Lust und der Liebenden, das ist männlichen Erlösern ein Gräuel. In der Nacht lässt sich schlecht schießen, zielen und feuern. Die Nacht ist etwas, was überwunden werden muss.

Wenn die endlose und unproduktive Nacht vorüber ist, schlägt die offizielle Stunde der Propheten. Zarathustra verließ seine Heimat und ging ins Gebirg. Hier genoss er seines Geistes und seiner Einsamkeit und wurde dessen zehn Jahre nicht müde. „Endlich aber verwandelte sich sein Herz – und eines Morgens stand er mit der Morgenröte auf, trat vor die Sonne und sprach zu ihr also“.

Könnte je eine Frau ein solches Szenario erfinden? Männer sind Propheten, die mit der Morgenröte und der Sonne Du auf Du sind. Frauen denken ans Frühstück der Kinder.

Solange Frauen den Männern gestatten, die Nacht zu entweihen und den Tag für prophetische Herrenbotschaften zu missbrauchen, wird die Emanzipation misslingen.

Bleiben noch die Romantiker, die Spezialisten des Waldhorns in der Nacht:

„Es war, als hätt der Himmel

Die Erde still geküsst,

Dass sie im Blütenschimmer

Von ihm nun träumen müsst.

 

Die Luft ging durch die Felder

Die Ähren wogten sacht

Es rauschten leis die Wälder,

So sternklar war die Nacht.

 

Und meine Seele spannte

Weit ihre Flügel aus,

Flog durch die stillen Lande,

Als flöge sie nach Haus.

Einheit der Dinge. Was zertrennt war, soll zusammenkommen. Erde und Himmel sollen verschmelzen. Doch sie, die Erde soll von ihm, dem Himmel, nur träumen, wie heute die Frau davon träumen muss, zu werden wie er, der Mann.

Die Romantiker haben die Stille, das Leise, das Sternklare der Nacht entdeckt. Doch die Seele muss immer noch rastlos tätig sein, um die Nacht zur Erlösung und Rückkehr ins Heimische, ins Behauste zu nutzen.

Das klingt so verlockend, so federleicht und gar nicht nach Mühe und Arbeit. Und dennoch, der Konjunktiv hat das letzte Wort: als flöge sie nach Haus. Träumt die Seele nur? Fliegt sie wirklich und tatkräftig nach Haus? Oder ist das Haus noch immer im männlichen Himmel, nach dem die weibliche Seele sich ewig sehnen muss?

„Nach deinem Mann wirst du verlangen und dich sehnen: er aber soll dein Herr sein.“  

 

Nein, ein frisches, ein neues Lied sollt ihr mir singen:

Es war, als hätt die Erde                     Und meine Seele spannte

Den Himmel still geküsst,                  Weit ihre Flügel aus,

Dass er im Blütenschimmer                 Flog durch die stillen Lande,

Von ihr nur träumen müsst.                Als wäre sie zu Haus.

 

Wird der Mensch jemals verstehen, dass er auf Erden zu Hause ist? Millionen von Jahren wusste er es.

Als Männer das Böse, Götter und Maschinen erfanden, vergaß er es.