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Tagesmail

Dienstag, 12. Juni 2012 – Sklaven

Hello, Freunde der Kinder,

nur noch 13% aller Deutschen glauben, dass es ihren Kindern besser gehen wird als ihnen selbst.

In den meisten anderen Ländern sind die Eltern optimistischer. In China sind 80% der Eltern davon überzeugt, dass ihre Kinder eine bessere Zukunft haben werden. Allerdings ging es nur um Arbeitsplätze und wirtschaftliche Aussichten.

In manchen Ländern liegt die Arbeitslosigkeit der Jugend fast bei 50%. Wie die Eltern die Zukunft ihrer Kinder inklusive Klimaveränderung sehen, wurde vorsichtshalber nicht erfragt.

Die entscheidende Frage wurde nicht gestellt: Glauben Sie, dass Sie an den trüben Zukunftsperspektiven Ihrer Kinder etwas ändern können? Die Eltern sollen Kinder für eine Zukunft erziehen, von der sie überzeugt sind, dass sie immer schlimmer wird – und woran sie nichts ändern können.

Warum hassen die Deutschen ihren Nachwuchs? Weil sie durch das bloße Vorhandensein der Kinder in ihrer Jämmerlichkeit entlarvt werden, sie versprechen eine Zukunft, von der sie wissen, dass es sie nie geben wird. Sie fühlen sich

als heuchelnde Versager und befürchten, dass ihre Kinder es ihnen heimzahlen werden.

 

Kita oder Herd? Wer so fragt, hat die Antwort schon gegeben. Wie wär’s mit folgender Fragestellung: lebendiges Elternhaus mit vielfältigen sozialen Kontakten – oder eine unqualifizierte Aufbewahrungshütte mit lustlosem, überfordertem, unterbezahltem Personal?

Städte und Kommunen haben nicht genug Kitas mit geschultem Personal, sie werden auf jeden Fall „Ungeschulte“ und „Hilfskräfte“ einstellen müssen.

Um den Rechtsanspruch ab 2013 erfüllen zu können, setzt die Bundesregierung vermehrt auf Tagesmütter, die nur einige Kurse absolvieren müssen. Weder sind Tagesmütter Akademikerinnen, noch haben sie eine jahrelange Ausbildung durchgemacht. Zumeist sind sie normale Mütter.

Wo bleibt hier der Aufschrei der exzellent ausgebildeten, empathischen, selbstreflexiven, offenen Profis? Auch die soziale Kontrolle durch KollegInnen fällt hier weg. Größere Proteste sind bisher nicht bekannt geworden.

Die Betreuung in einem familiären Umfeld hat den Vorteil der kleinen, überschaubaren Gruppen. Der bekannte Kinderpsychologe Jasper Juul fordert einen Betreuer für vier Kinder. Diesen Schlüssel wird keine Kita erreichen.

Nun will Frau Schröder sogar die Baustandards der Kitas erniedrigen, damit die Massen strömen können. Hastige und unüberlegte Crash-Maßnahmen, um den groben Schein zu bewahren. Alles im fürsorglichen Dienst „unserer“ Kinder.

Doch wer zieht im Streit um die „Zukunftsfähigkeit“ unserer Kinder wirklich die Fäden? Nicht Frau Schröder, nicht die Gewerkschaft der Erzieherinnen, kein OB und kein Provinzpolitiker. Sondern der folgende Herr mit dem lustigen Schnauzbart: Mercedes-Chef Zetsche.

Nur zwei Sätze aus dem Interview mit dem Giganten der Hybrid-Autos und einer hybriden Doppelrede:

a) „Jeder sollte die Freiheit haben, sich der Familie zu widmen. Ich fände es schlimm, wenn das stigmatisiert würde.“

Jetzt kommt das erste „aber“: „Aber man sollte das nicht incentivieren (= mit Anreizen unterstützen). Unser Bestreben ist es, Frauen bei uns im Konzern die Möglichkeit und Flexibilität zu geben, mehr Verantwortung zu übernehmen.“

Wer immer strebend sich bemüht, den können die Herren erlösen.

b) Jetzt das große „Aber“. Auf die Frage: „Die Herdprämie ist aus ihrer Sicht ein Irreweg?“ antwortet der Fachmann für Motoren und geräuschloses Funktionieren: „Die sogenannte Herdprämie ist aus Unternehmenssicht ein Irrweg.“ Sollte Herr Zetsche Vater sein, hat er hier nicht als Vater, sondern als Unternehmer geantwortet.

Beide Antworten widersprechen sich und sind unvereinbar, jämmerliche Kompromisse eingeschlossen. Dass Interviewer kritisch nachfragen könnten, erwartet niemand mehr. Die Vierte Gewalt belobhudelt nur noch und schirmt nach unten ab, sie stellt nichts mehr in Frage. Das könnte der Konjunktur schaden.

Ehrgeizige Frauen müssen in die Industrie, um sich zu bewähren, eine freie Wahl bleibt ihnen nicht. Würden sie sagen, sie wollten ihre Kinder ins Leben begleiten, mit ähnlich denkenden Frauen und Männern das gesellschaftliche Umfeld unter die Lupe nehmen, den Lehrern und Erziehern auf die Finger gucken, den Kommunalpolitikern auf die Zehen treten oder sonstwie aktiv Politik und Kulturarbeit machen, nebenbei ein Buch schreiben – was wäre dann? Dann würde man sie für verhaltensauffällig erklären.

Zoon politicon ist für Frauen in einer Demokratie nicht vorgesehen. Es ist wie im real abgestorbenen Sozialismus: Politik machen die Honeckers und Merkels, der Rest der Bevölkerung wird durch Maloche ruhiggestellt.

Herr Zetsche liebt die Frauen – wenn sie geräuschlos in seinem Betrieb funktionieren und vergessen machen, dass sie zu Hause noch ein paar Störenfriede haben. Er würde alles unternehmen, dass sie flexibel Verantwortung übernehmen – für seine Zwölfzylinder. Von Kindern war keine Rede mehr.

Ein weiteres Beispiel für die Verträglichkeit zwischen geplagten Müttern und Jobs, in denen man rund um die Uhr den Zetsches zur flexiblen Verfügung stehen muss, zeigt der folgende Berichte aus Weimar. Einer Mutter zweier Kinder mit einem 30-Stunden-Job wurde gekündigt. Der neue Vorgesetzte wollte einen männlichen Mitarbeiter, der „immer verfügbar“ ist.

Zum ersten Mal, dass eine Stimme aus der Politik das Ende der Rundumverfügbarkeit fordert. Mit einem schlichten Verweis auf das Arbeitschutzgesetz warnt von der Leyen die Arbeitgeber vor weiterer Überbelastung ihrer Mitarbeiter. „Das Arbeitsschutzgesetz verlangt mit seinem knallharten Strafenkatalog von jedem Chef, dass er Körper und Geist seiner Mitarbeiter aktiv schützt – werktags genauso wie am Wochenende.“ Sie fordert klare Regeln, zu welchen Uhrzeiten der Mitarbeiter erreichbar sein müssen – und wann nicht. Eine Selbstverständlichkeit, die von niemandem ausgesprochen wird.

In einem unglaublichen Ausmaß wird in der BRD das Gesetz gebrochen. Kein Staatsanwalt kümmert sich, kein Geschädigter wehrt sich. Würde das Gesetz Anwendung finden, müssten die meisten Arbeitgeber hinter Schloss und Riegel sitzen. Während die Parlamentarier immer mehr das Grundgesetz brechen, brechen die Wirtschaftler unisono das Arbeitsschutzgesetz. Kennt ja ohnehin niemand.

 

Der Begriff Sklaventum ist schnell ausgesprochen, doch hier trifft er mehr zu als für antike Zustände. In Rom und Athen hat niemand die Tatsache der Sklaverei geleugnet. Bei uns existiert sie und jeder spricht von Freiheit in Verantwortung. Mit pastoralen Phrasen werden Unrechtszustände geleugnet und abgesegnet.

In Athen begann aber auch die Aufhebung der Sklaverei, die philosophische Menschenrechtsbewegung. Alle Menschen sind gleich, verkündete der Sophist Antiphon, der Vorläufer der Stoa, die die Gleichheit der Menschen als Dogma in ihre Philosophie aufnahm.

Heute müssen Philosophen sich mit Gehirnheinis um den freien Willen streiten. Den unfreien Willen durch das Kapital sehen sie nicht. Praktische Moralphilosophie ist unter ihrer Würde, ein Fall für Weicheier und Gutmenschen.

Überhaupt ist die Uni-Philosophie aus der Realität der Politik ausgetreten. Viel sinnvoller, über Heideggers Da-, So- und Nichtanderssein ein weiteres überflüssiges Buch zu schreiben, als Schleckermüttern und versklavten Arbeitnehmern beizustehen.

Seitdem Hegel die Moral als Kammerdienermoral verhöhnte und sich lieber an Napoleon und Machiavelli hielt, hat das Alltagsverhalten der Untertanen für Scharf- und Tiefdenker nicht den geringsten Reiz.

Selbst Heidegger – der das Alltagsverhalten als Massenverhalten des „Man“ einstampfte – ließ sich mal mit der Politik ein. Zufälligerweise war es gerade die Politik eines Führers mit schönen Händen, die der Schwarzwälder für den Beweis seiner gottgesandten Berufung hielt. Vermutlich haben heutige Politiker keine schönen Hände, weshalb die Metaphysiker säuerlich abseits stehen müssen.

Mit Schönheitsoperationen kann man heute alle Glieder straff ziehen, selbst diverse männliche, nur Füße und Hände nicht. Chirurgen der Ästhetik, beweisen Sie das Gegenteil, damit Schönhändige in die Politik einziehen – und unsere sensiblen Denker auf die Straße gelockt werden. Notfalls – wenn die Krankenkassen zustimmen – könnte auch die eine oder andere Gehirnfalte im Neocortex-Bereich „gesunder Menschenverstand“ gestrafft werden – vorausgesetzt, man hat das Gebiet schon geortet.

Aristoteles war nicht in jeder Beziehung ein Menschheitstitan. Was die Sklaverei betrifft, war er ein reaktionärer Knochen, der die immer stärker werdende Menschenrechtsbewegung unter seinen philosophischen Kollegen hartnäckig ignorierte.

Auch hielt er an der seinsmäßigen Überlegenheit der Hellenen fest, obgleich sein Schüler Alexander bereits die Gleichheit des Menschengeschlechts propagierte. Nicht nur, dass er Sklaverei für berechtigt hielt, dem Unrecht verlieh er noch eine wohlklingende Begründung.

(Nur nebenbei: Aristoteles ist nicht identisch mit den Griechen. In der Sklavenfrage wird immer nur er zitiert, um das ganze Griechentum in Bausch und Bogen zu keulen. Am liebsten von christlichen Amerikanern, die das Faktum der Versklavung gern den Heiden in die Schuhe schieben und die Befreiung der Sklaven als Tat der Agape preisen.

Es ist genau andersrum und gehört zu den gigantischen Geschichtsfälschungen der Frommen, die im Dienste ihres Herrn keine Lüge verschmähen. „Ihr Sklaven, seid euren leiblichen Herren gehorsam mit Furcht und Zittern.“ ( Neues Testament > Epheser 6,5 / http://www.way2god.org/de/bibel/epheser/6/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/epheser/6/“>Eph. 6,5) Justament die Amerikaner, die ihren einzigen Bürgerkrieg führen mussten, um die schlimmsten Zustände im Süden zu beenden.

Bekanntlich war Lincolns primäre Motivation für den Krieg nicht die Befreiung der Schwarzen, es waren wirtschaftliche Gründe. Als Thomas Jefferson die Beendigung der Sklaverei in die Unabhängigkeitserklärung geschrieben hatte, musste er sie wegen Protests der Eliten wieder entfernen.

Erst Lyndon Johnson wagte es in den 60er Jahren des verflossenen Jahrhunderts, die reale Diskriminierung der Schwarzen zu beenden. Dann dauerte es noch ein halbes Jahrhundert, bis der erste Halb-Schwarze Präsident werden konnte.)

Es gibt, nach Aristoteles, zweierlei Arten von Menschen. Solche, die von Natur aus Vernunft haben, das sind Freie. Und solche, die keine haben und lebenslange Leitung durch die ersteren benötigen.

Diese Vernunftlosen sind „beseelte Werkzeuge“, die von ihren vernunftbesitzenden Herren allerdings gut behandelt werden müssen. Sie gehören ganz selbstverständlich zum Haushalt und können wie lieb gewordenes Gesinde wertgeschätzt werden.

Kein Vergleich mit Onkel Toms Hütte. Auch kein Vergleich mit kapitalistischen Abhängigkeitsverhältnissen, wo die Rundumversklavten jederzeit an die Luft gesetzt werden können. Die heutige Kälte und Auswechselbarkeit gegenüber beseelten Werkzeugen wäre bei dem Stagiriten undenkbar gewesen. Jederzeit aber konnten die Haussklaven in Freiheit entlassen werden.

Der „Knabenbegleiter“ war zumeist ein Sklave: der Pädagoge, der sich um die Bildung des Nachwuchses kümmerte.

Heute ist man auf dem Papier frei, in Realität muss man Leib und Seele verkaufen. Früher waren viele auf dem Papier unfrei, in Wirklichkeit wurden sie wie Menschen behandelt. Wer Leib und Seele verkaufen muss, wie kann der sich einbilden, er sei frei und einem antiken Sklaven überlegen?

 

Für Sokrates waren alle Menschen von Natur aus der Vernunft fähig. Im Dialog Menon beweist er im Gespräch mit dem Sklaven Menon, dass dieser – ohne je von Mathematik gehört zu haben – einen geometrischen Satz herleiten kann.

Was ist Vernunft? Die Fähigkeit, ein politisches Wesen zu sein, an allen Dingen des Staates teilzuhaben, mitzudenken, mitzureden und mitzuentscheiden. Diese Fähigkeit ist „im Verhältnis zu den übrigen Sinnenwesen den Menschen eigentümlich, dass sie als einzige von allen ein Gefühl für gut und schlecht, gerecht und ungerecht haben, auf deren Gemeinsamkeit Haus und Staat beruhen.“

Diese Gemeinsamkeit von gut und schlecht, gerecht und ungerecht wird heute geleugnet. Es gibt kein „objektives“ gut und schlecht, kein „objektives“ gerecht oder ungerecht.

Was ist gerecht, Herr Henkel, wurde der Ex-BDI-Chef gefragt. „Ach, wissen Sie, da hat jeder seine eigenen Vorstellungen.“ Ach so, dann genügt es bestimmt, wenn sich Ihre subjektive Gerechtigkeit durchsetzt – oder?

Die Gegenwart kann sich gar nicht genug darin ergehen, dem Menschen die Vernunft aus dem Fleisch zu reißen. Wie hier SPIEGEL-Kolumnist Georg Diez, der, ohne mit der Wimper zu zucken, die Sätze schreibt: „Der Mensch ist tot, seine eigene Vernunft hat ihn erledigt.“

Er bringt das Kunststück fertig, den vernünftigen Menschen zu identifizieren mit „einem Herrscher, Gott und Strahlefürst, als Bestimmer über sich selbst und alle anderen Wesen auf dieser Welt“ – als ob Selbstbestimmung dasselbe wäre wie diktatorische Bestimmung über andere.

Wenn die rasenden Vernunftfresser mal so richtig in Fahrt sind, bleibt kein Auge trocken. Da wird der griechische Logos als Einheit mit dem Kosmosleben, als Selbstbeschränkung in Maß und Mitte, schon mal mit christlicher Gottebenbildlichkeit verwechselt, mit dem göttlichen Befehl: macht euch die Erde untertan. Das „heile Subjekt“ habe die Aufklärung versprochen?

Der Hass auf die Vernunft sprengt alle Grenzen. Man kann in vielen Dingen unterschiedlicher Meinung sein, dass aber die reine Dummheit und Uninformiertheit sich als Meinung aufblasen kann, dazu muss man die postintelligente, neoklerikale Phase des 21. Jahrhunderts erreicht haben.

Wenn schon die Autonomie verschrottet wird, wer soll uns dann mit antivernünftiger, unvernünftiger oder übervernünftiger Weisheit durchs Elend steuern?

Bleiben, wie zu Väter Zeiten, nur zwei prädestinierte Klassen: der Klerus und die gottgesandten Wirtschaftsgiganten. Mit freundlicher Unterstützung der Edelschreiber natürlich, die noch nie größere Schwierigkeiten hatten, sich den neuesten vernunftlosen Rabauken anzudienern.

Versprach die Aufklärung irgendwo ein heiles Subjekt? Von Heil hielten normale Aufklärer gar nichts. Versprochen haben sie noch weniger. Versprechen heißt, den andern unmündig halten. Mündigkeit kann niemandem versprochen werden, hier muss jeder seinen eigenen Kopf benutzen. Versprechen ist ein amerikanisches Synonym für erlösen. Kant sagt ausdrücklich das Gegenteil. Wir leben noch nicht im aufgeklärten Zeitalter, sondern im Zeitalter der Aufklärung.

Solche Petitessen sind heute für den Reißwolf. Die „Zeit der Distinktionen“ war schon für den Dänen Kierkegaard vorbei. Heute wird kraftgemeiert und mit Begriffen gewirbelt wie im Windkanal der Physiker.

„Die Vernunft kann sich nur durch Vernunft abschaffen“. Gegen solche neogermanischen Wütereien wird es nicht mehr helfen, an die Erfinder des Logos zu erinnern: eine Vernunft, die sich selbst abschafft, ist keine Vernunft, sondern die blanke Unvernunft. Vernunft ist die Fähigkeit zu überleben und gut zu leben, so Aristoteles.

Wenn alles alles sein kann, kann auch das Gegenteil nicht falsch sein. Die schlichtesten Regeln der Logik müssen zum Frühstück verspeist werden, wenn man höheren Orts mit dem falschen Bein aus dem Bett kam.

Offensichtlich ist in den von allen Geistern der Vernunft verlassenen Tobezellen der Medien – die keine Abklingzellen, sondern das Gegenteil sind – nicht die geringste Ahnung vorhanden, dass der Untergang Deutschlands mit einem berserkerhaften Furor gegen die „westliche“ Vernunft der Aufklärung begann.

Die Lebensphilosophen, die Nietzscheaner, Irrationalisten, Sozialdarwinisten, Intuitionisten, Rassisten, Pessimisten, Chauvinisten, die Neofichteaner, die Untergangs- und Endzeitmetaphysiker: alle begruben mit deutschem Schaum vor der Pickelhaube eine Vernunft, die sie mit allen Menschen dieser Welt gleich gestellt hätte.

Die Deutschen waren jenseits von Gut und Böse angekommen, wo sie sich vor niemandem mehr zu rechtfertigen hatten. Fast die gesamte deutsche Intelligentsia war von Kopf bis Fuß auf Raserei eingestellt.

Nun stehen sie wieder an derselben Stelle, die Kinder der Täter, die nicht mehr wissen, wie ihre Väter zur bodenlosen Unvernunft kamen.

Vor wenigen Jahren wurde in jeder Politrede an Freuds Erkenntnis erinnert: das Unbearbeitete in der Geschichte steht unter Wiederholungszwang. Heute ist der Wiederholungszwang besiegt durch die Anbetung des Neuen, das die Vergangenheit per Maulheldentum um die Ecke gebracht hat.

Wenn man Herrn Georg Diez überhaupt in Verbindung bringen darf mit einem Vernunftliebhaber wie Aristoteles – was sicher weit unter seiner Gürtellinie ist –, dann müssten wir sagen: ein Zeitalter, das die Vernunft absetzt, definiert sich als Zeitalter der globalen Sklaverei. Hat man aufgegeben, die Verhältnisse vernünftig zu beurteilen, sind sie endgültig dem unkontrollierten Delirium übergeben.

Sklaven weigern sich, bis drei zu zählen, aus Furcht, der Akt könnte ein mit Vernunft kontaminierter Vorgang sein.

Nun verstehen wir, warum Mütter keine politischen Wesen sein dürfen, warum Väter rund um die Uhr zu Malochersklaven degradiert werden: wer auf Vernunft keinen Wert legt, legt auch auf ihre öffentliche Handhabe keinen Wert.

Nicht nur die Einheit mit der Natur, auch die Fähigkeiten zur Demokratie sind Fähigkeiten der Vernunft. Verachte nur, Georg Diez, Vernunft und Wissenschaft, des Menschen allerhöchste Kraft, Laß nur in Blend- und Zauberwerken, dich von dem Lügengeist bestärken, so habe ich dich schon unbedingt.“

Doch genau dahin, ins Verruchte und Teuflische, wollen heute die Blasierten, die tödliche Langeweile buchstabieren wie V-E-R-N-U-N-F-T.

Wer seine Vernunft vor die Säue wirft, ist dem Paulus treu geblieben, dass die Weisheit der Welt vor Gott eine Idiotie ist. Und folgt seinem Befehl: Bleibe jeder im Stand, in den Gott ihn berufen hat: Sklaven bleiben Sklaven, Mütter und Väter sollen malochen, ihr Denken an der Garderobe des SPIEGEL abgeben, ihre Selbstbestimmung verfluchen und das Bestimmen jenen überlassen, die die nötige Wut aufbringen, um Vernunft und uns alle im Abgrund der Tollheit zu versenken.

Die Gnade des Herrn sei mit ihnen allen.