Kategorien
Tagesmail

Dienstag, 05. Februar 2013 – Eva und die Emanzipation

Hello, Freunde des Eros,

Silvana Koch-Mehrin, sind Sie auch schon mal sexistisch belästigt worden?

Natürlich, allein schon die anzüglichen Blicke der Männer von oben bis unten, das Abtaxieren.

Die RTL-Kamera zeigt eine Schöne, taxierend von oben bis unten mit blitzschnellem optischem Angriff auf das Dirndl.

Das Fernsehen darf, was es verbal verurteilt. Kameras ist alles erlaubt.

Das ganze Fernsehen ist sexistisch – gegenüber Frauen und Männern. Bei jeder Talkshow fährt das Auge Gottes den Teilnehmern fast ins Gehirn. Am liebsten würden die Kameras ins Gehirn eindringen, um das unverhüllte Innere zu entblößen. Es herrscht ein optischer Imperialismus.

Die Herrschaft über den Menschen ist noch nicht vollkommen. Wenn Gehirnforscher und Intelligenzmaschinenhersteller noch intensiver kooperieren, werden die Menschen bald mit einer Brille ausgestattet sein, auf der das Unbewusste und Innere des Menschen als laufender Text zu lesen ist. Wer sich weigert, ist subversiver Terrorist und muss eingefangen werden. Mit solch indiskreten Gerätschaften ist die Utopie der Techniker ans Ziel gekommen.

Humane Utopien sind verboten, Roboterutopien hingegen der einzige Gegenstand des Interesses für Silicon-Valley und andere Geniebrutstätten der Menschheit. Technische Utopien sind die Abschaffung des Menschen zugunsten von Maschinen, die intelligenter sein sollen als Menschen. Der Mensch ist etwas, was überwunden

werden muss. Da der Mensch – bis zum Beweis des Gegenteils – ein Naturwesen ist, wird seine Abschaffung ein wesentlicher Teil der fortlaufenden Naturzerstörung sein. Fachleute reden von Evolution, deren Propheten sie zu sein begehren.

Hat sich die Menschheit schon mal darauf geeinigt, dass sie sich abschaffen will? Ist Evolution der Tarnname des alten Jahwe? Wir leben in keiner Demokratie, in der die Mehrheit des Volkes über ihr Schicksal entscheidet, sondern in einem Experten-Feudalismus, der es nicht nötig hat, die kranken Ausgeburten seines Gehirns der Agora vorzulegen. Die gesamte Industrie denkt nicht daran, ihre neuesten Creationen vom Bundestag genehmigen zu lassen.

Es herrscht eine Blankoscheck-Mentalität gegenüber der Kreativität, die tun und machen kann, was sie gerade will und wenn es noch so schädlich für die Gattung wäre. Kreativ, die Geburt des Neuen aus dem Wahn, ist das moderne Wort für heilig. Vom kreativen Fortschritt hängen unsere „Wettbewerbsfähigkeit“ und unser „Wohlstand“ ab. Dabei ist sonnenklar, dass unkontrollierte Kreativität nicht nur unseren Wohlstand zerstören wird.

Der naive Wiener Schumpeter – der der beste Ökonom und Liebhaber Österreichs sein wollte – sprach von fruchtbarer Zerstörung, wenn er die Innovationsmechanismen der Industrie meinte.

Zerstörung ist Zerstörung. Ob sie fruchtbar oder furchtbar ist, wird von den Zerstörungsspezialisten gar nicht untersucht. Fruchtbar kann Zerstörung nur sein, wenn sie Krankes beendet und Gesundes an seine Stelle setzt. Wenn ein Arzt einem Patienten durch eine Tumoroperation das Leben rettet, dann hat er fruchtbar zerstört. Hätte er etwas Gesundes zerstört, müsste man ihn wegen Körperverletzung vor Gericht bringen.

Das Lager muss geräumt werden – und wenn der Inhalt noch so praktisch gewesen ist. Das ist jesuanischer Hass auf das Alte. Was nicht von Ihm stammt, sondern von seinem Widersacher, muss ausgereutet werden. Unkraut im Weizen ist, was der Feind bei Nacht einsät. Was man selbst gesät hat, ist immer bester Weizen. „Jede Pflanze, die nicht mein himmlischer Vater gepflanzt hat, wird ausgerissen werden.“

Der Sinn der ewigen technischen Innovation ist Selbstausrottung unter dem Etikett des Fortschritts. Dabei haben wir alles in Überfluss. Wir brauchen nichts mehr – außer Fairness und Gleichheit. Maschinen besitzen wir zum Abwinken. Schwere körperliche Arbeit ist so weit abgeschafft, dass die unterforderte Menschheit ihr bisschen Freizeit zu sportiven Selbst-Schindereien verwenden muss, um nicht vollends zu Couch-Potatoes zu werden. Unserem löcherigen Gedächtnis stehen Lexikon-Maschinen zur Seite, unserer Kommunikation blitzschnelle Textübermittler. Herz, was begehrst du mehr?

Was früher körperliche Plagen waren, sind mittlerweilen geistige. Die neusten Maschinen sind so kompliziert, dass man ein Studium ergreifen muss, um sie zu bedienen. Von eigenständigem Reparieren der Teufelsmaschinen gar nicht zu reden.

War Fortschritt einst Fortschreiten im Verstehen der Welt, verstehen wir von der Welt immer weniger. Je mehr die Menschheit zusammen weiß, je weniger weiß der Einzelne, gemessen am Gesamtwissen der Gattung. Proportional gesehen, werden wir immer dümmer. Informationen gehen ins Unendliche, unser Gehirn aber bleibt endlich.

Die Arbeitsteilung bei Adam Smith beschränkte sich auf Bäcker und Metzger, Bauer und Schmied, dann war der Kosmos der Bedürfnisse befriedet. Alles andere konnten die Mütter: nähen, spinnen und kochen. Heute benötigt ein Mensch nicht nur ein ganzes Dorf, sondern ganze Geschwader von Einkäufern und Verkäufern, Schiffs- und Flugkapitänen, kenianischen Kaffeeanbauern, Bananenpflückern in Costa Rica und Myriaden weiterer Spezialisten, um nur ein Müsli zu kaufen.

Doch die technische Utopie weiß nicht, dass sie in uralten Fesseln läuft. Die fruchtbare Zerstörung entspricht dem Wort: Ich mache alles neu, das Alte ist vergangen. Wüsste die Technik alles über den Menschen, hätte sie knapp das Niveau eines religiösen Erlösers erreicht, der den Menschen ins Herz schauen kann. Jeder, der eine Ehefrau ansieht, um ihrer zu begehren, hat schon die Ehe gebrochen. „Wenn aber dein Auge böse ist, wird dein ganzer Leib finster sein.“

Heute würde man das ehebrecherische Auge sexistisch nennen. Schauen genügt und jesuanisch reine Frauen könnten dem Wüstling an den Karren fahren: ich seh dir an, was du denkst.

Genügt es nicht, gemeinsame Sprechregeln zu entwickeln, verschiedene Empfindsamkeiten zur Sprache zu bringen? Wenn Kubicki in TV sagt: die Frau darf berühren, der Mann nicht, ist das für den SPIEGEL bereits eine Zote.

Zote ist ein derber, obszöner Witz, der gegen den guten Geschmack verstößt. Obszön ist schmutzig und schamlos. Sind erotische Begehrlichkeiten schmutzig, schamlos und verstoßen gegen den guten Geschmack? Dann her mit den Zoten, um den guten Geschmack als schmutzig und schamlos zu desavouieren.

Wenn Frauen aufbegehren, wird’s schnell nonnenhaft. Wenn Sex brünstig wird, sehen manche Jungfrauen den Teufel auf den Blocksberg reiten. Die saftigsten Stellen in Faust I sind noch heute eingeschwärzt. Wir sind auf dem Niveau der Schöpfungs- und Sündenfallgeschichte angekommen. „Da gingen den beiden die Augen auf und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren.“ Dann war‘s wohl höchste Zeit, dass sie ihre verklebten Augen aufmachten, um zu sehen, was ihr dubioser Schöpfer aus dem Nichts gezaubert hatte. War es etwa nicht sehenswert? Sollten sie sehen, aber nichts wahrnehmen?

Schauen, aber mit schlechtem Gewissen, das ist die Definition des Pornos. Leute, schaut, aber verstohlen und heimlich. Habt Schuldgefühle, wenn ihr seht, dass Menschen geschlechtliche Wesen sind. Schmutzige Dinge betreibt man unter der Bettdecke, dass das sexistische Auge des allsehenden Gottes nichts sieht. Sehen und gesehen werden entspricht nicht dem guten Geschmack höherer Töchter, die schon immer am besten verinnerlichten, was ihre Beichtväter ihnen ins Ohr flüsterten, um die brünstige Männerwelt zu kastrieren.

Wie bei Eva, sind die Augen noch immer nicht aufgetan. Sehen des Natürlichen ist noch immer verboten. Deshalb machte sich ein Gott unsichtbar, damit er von den neugierigen Augen seiner Untertanen nicht geortet werden konnte. Was war das erste, was das Weib sah, nachdem es das Schauverbot des Höchsten unterlaufen hatte?

„Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß. Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.“

Das war der erste Fall von Sexismus. Keiner sollte den andern sehen, wie er ist: nackt und bloß. Nackte Wahrheit ist pure Wahrheit. Wer wissen will, wie die Welt ist, muss sie nackt und bloß erkennen. Das Prinzip des Journalismus, das bestimmt nicht falsch ist – wenn die Schreiber denn auch noch darüber nachdächten, was sie zu sehen glaubten, um es moralisch zu bewerten. Denn Sehen allein genügt nicht. Eva, die Stammmutter, hätte es den Journalisten ins Stammbuch schreiben können:

„Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Eßt nicht davon, rührt’s auch nicht an, daß ihr nicht sterbt. Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet mitnichten des Todes sterben; sondern Gott weiß, daß, welches Tages ihr davon eßt, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“ Sehen und erkennen sind eins.

Den ersten Dialog mit seinen Geschöpfen beginnt der Herr mit einer fundamentalen Lüge: wenn ihr diese Früchte esst, werdet ihr sterben. Eine beispiellose Einschüchterung, das uralte Mittel aller Priester: Furcht und Schrecken verbreiten, um ihre Herrschaft über die Seelen auf der Basis der Unwissenheit zu errichten.

Und nun geschieht das Erstaunlichste, was in der ganzen Heiligen Schrift vermeldet wird: Eva, die letzte Überlebende des selbstbewussten und stolzen Matriarchats, lässt sich nicht einschüchtern, gerät nicht in Panik, bleibt vom großen Boss unbeeindruckt und will es wissen.

O herrliche, unvergleichliche Eva, du Stolz aller Frauen – die dich längst verraten haben und unter den Rock der Priester geschlüpft sind. Eva wollte schauen und denken: sie wollte wissen, was Gut und Böse ist. Sie ignorierte das Denkverbot des obersten Zensors.

Wollen die Frauen heute etwas wissen? Sie wollen unter dem Diktat der Männer malochen gehen, damit sie frei und unabhängig seien. Was Dümmeres gibt es nicht mehr auf dieser Welt. Frauen wollen nicht wissen, ob die bewunderte Männerwelt gut oder böse ist. Bei Theoriefragen bekreuzigen sich die heutigen Profifeministinnen. Theorie ist gestorben beim weiblichen Geschlecht. Sie wollen tun, machen, merkeln und werkeln. Schließlich muss der Sauhaufen der Männer irgendwie zusammengehalten werden.

Was für ein seltsamer Zufall, der die Theoriefeindschaft erklären kann. Theoria heißt Schau. Eva schaute hin und trotzte dem Schau- und Denkverbot des obersten Macho. Evas Töchter im 21. Jahrhundert sind wieder zum Schau- und Denkverbot der Männer regrediert. Alles, was sie zu Papiere bringen seit Simone de Beauvoir, sind Seichtigkeiten des Kinderspiels: wir auch.

Betreibt der Mann irgendeine Torheit, hören wir den Sprechgesang aus weiblicher Kehle: wir auch. Wenn Männer reich und mächtig sind, singen die Frauenchöre: Auch haben. Wenn frau den Mann bis in die Hosenanzüge kopiert, die Natur rasiert, die Herrschaft übernommen hat, wird das Ende der Geschichte da sein. Die Frau wird der neue Mann sein – das ist das ganze männerhörige Programm der selbstbewussten Frauengeneration der Gegenwart. Und die froschäugigen Männer glotzten stumm in der ganzen Stube herum.

Was für eine absurde Endzeitorgie: die Männer kastrieren sich gegenseitig im Wettbewerb um die wirksamste Naturschändung, die Frauen nutzen das Getümmel, um nichts Besseres zu tun, als das Getümmel mit weiblichem Personal fortzusetzen.

Hört, hört: der Führungsstil der Frauen soll anders sein. Er soll flach, pardon, flach hierarchisch sein. Aber Führung muss sein. Führung von oben war die Erfindung der Männer. Zum Teufel mit Führern und Führung. Können demokratische Menschen nicht per Verständigung und Argumenten miteinander auskommen? Jetzt wollen sie auch mal oben sein und die Männer an der Leine führen.

Ja, Frauen waren die Opfer der Männer. Mit Brachialgewalt wurden sie aus der Öffentlichkeit in den Harem und in die Kemenate verbannt. Da gibt es Rache- und Wiedergutmachungsgefühle. Okay, nur zu. Doch solche Rachefeldzüge bergen eine tückische Gefahr. Dass die neuen MachthaberInnen so borniert werden wie die Mischpoke, die sie gerade abgeräumt haben. Die Revolution frisst ihre Kinder, auch wenn sie weiblich sind.

Eine riesige Ruhmestat der Suffragetten, den Männern die Macht streitig gemacht zu haben. Wenn das aber alles war, kommt‘s zur „Dialektik des Fortschritts“: der Fortschritt wird zum Rückschritt. Die Machtverhältnisse werden durch neues Personal noch weiter gefestigt und stabilisiert. Ist das das Ziel der Emanzipation?

Was war Emanzipation? „Emanzipation stammt von dem lateinischen emancipare: einen „Sklaven oder erwachsenen Sohn“ aus der mancipatio, der „feierlichen Eigentumserwerbung durch Handauflegen“, in die Eigenständigkeit zu entlassen.“

In die Eigen- und Selbständigkeit entlassen! Wer nur Macht um ihrer selber willen will, kann nicht selbständig werden. Jeder Machthaber kann dir beliebig in die Suppe deiner Selbständigkeit spucken. Endgültige Emanzipation wäre die Abschaffung jeder Macht.

Mehr Frauen in die Vorstandsetagen? Schafft die Vorstandetagen ab. Sie klauen den Malochern das Geld aus der Tasche mit der Lüge ihrer unvergleichlichen Leistungspotenz.

Mehr Frauen in die Politik? Unbedingt – um die Macht der Politiker gesund zu schrumpfen. Demokratie ist Teilung der Macht, bis jeder gleich viel Macht hat. Das wäre Gleichheit, der Kern der Volksherrschaft. Demokratien mit riesigen Machtunterschieden sind keine Demokratien.

Wir leben in Zeiten obszöner Macht. Hier gibt es keinen Aufschrei der Frauen. Durch Machtgeilheiten fühlt sich keine Karrierefrau sexistisch angemacht. Nur wenn ein Mann bewundernd hinter ihr her pfeift, zeigt sie sich pikiert. Warum pfeift sie nicht selbst einem männlichen Knackarsch hinterher? Schon wäre das Problem durch Gleichheit der Waffen gelöst.

Ach, die höheren Töchter sind sich zu fein zum Pfeifen? Mädchen, die pfeifen und Hühner, die krähen, denen soll man beizeiten die Hälse umdrehen – sagte meine unemanzipierte Großmutter. Wer zu fein ist zum Kämpfen, ist sich nicht zu fein, sich von männlichen Rüpeln beherrschen zu lassen.

Hoch die wahren Suffragetten der Femen-Gruppe, die sich nicht zu fein sind, ihren splitterfasernackten Busen zu zeigen, sich im Handgemenge von Söldnern der Obrigkeit sexistisch begrapschen zu lassen, um die Obszönität der Macht zu entlarven. Doch diese Femen-Frauen sind aus dem halbwilden Kurdistan. Nichts für feine westliche Feministinnen, die in den TV-Kanälen die Macht über männliche Schwätzerrunden erobert haben.

Eben nicht weiblich erobert haben. Auch dort imitieren sie nur die Machtgesten der Männer. Von sinnvollen Gesprächen kann keine Rede sein. Sie kommandieren herum wie Feldwebel. Für Simone de Beauvoir war die emanzipierte Frau – der ideale Mann. Kein Wunder, dass erfolgreiche Frauen aussehen wie feinere oder mütterhafte Ausgaben des Mannes.

Eine erfolgreiche Befreiung der Frau wäre die Befreiung des Menschen – das definitive Ende des männlichen Paradigmas.

Wo stehen die Frauen heute? Bei der Vereinbarkeit von Kind und Maloche, also von Sinn und Unsinn, von Leben und Scheintod. Warum ist das Kinderprogramm der Familienministerin Makulatur? Weil Frauen an diese Vereinbarkeit selbst nicht glauben. In Frankreich und Schweden soll es besser sein? Besser ist gar nichts, nur die Kinderquote liegt ein wenig höher.

Kinder spüren, dass sie abgeschoben werden. Frauen spüren, dass sie sich der Männer-Industrie unterwerfen müssen. Doch sie dulden alles, ertragen, glauben und hoffen alles. Die Verantwortung über ihre Kinder schieben sie ab an bezahlte Mietlinge. Nichts gegen engagierte Erzieher und Lehrer. Doch alles gegen Verabschiedung der Verantwortung. Wer sucht die richtigen Erzieher, wer schaut den Lehrern auf die Finger, wer wehrt sich gegen die Klerikalisierung der Kitas?

Wer abends ausgepumpt nach Hause kommt, hat keine Energie mehr für nichts. Die solidarische Familie, das einzige effektive Widerstandsnest in der Gesellschaft, wird durch ökonomische Despotie planmäßig zerlegt. Und die Frau sagt Ja und Amen und hält die Zerlegung des Nests für einen Fortschritt.

In der Sexismusfrage wird, mit freundlicher Unterstützung der Frau, die Sinnlichkeit zerlegt und gerät wieder in die Hände jener, die sie für zotenhaft und schamlos halten. Es ginge gar nicht um Sex, sondern um Macht? Wenn es nur um Macht ginge, warum protestieren die Opfer des Sexismus nicht gegen die Macht? Warum geht es immer nur um sexuelle „Anzüglichkeiten“? Warum fordert niemand die Relativierung der Macht? Warum werden jesuitische Benimmregeln gefordert, als ob selbstbewusste Menschen nicht fähig wären, ihre erotischen Anziehungskräfte selbst zu regulieren?

Die Macht wird vorgeschoben, um die Macht des Eros zu diffamieren. Wir gehen, wie immer nach dem Vorbild Amerikas, einer neuen erosfeindlichen Epoche entgegen. Die zunehmende Pornografierung der Gesellschaft beweist die wachsende Unfähigkeit, Sex und Eros ohne Schuld- und überflüssige Schamgefühle zu erleben.

Die Frauen haben sich in langen Kämpfen aus ihren Kleiderhüllen und Schamtüchern befreit. Dann taten sie, was die Männer wollten: sie wurden anziehend und schön. Doch was geschieht? Die neuen Freiheiten der Frau werden als Botmäßigkeit unter den männlichen Blick verhöhnt. Mit dem absurden Ergebnis: die Frauen zeigen ihre Schönheit und wollen von Männern bewundert werden. Doch wehe, die Männer bewundern sie und machen ihnen Komplimente.

Das ist ein biblisches Double Bind. Männer, schaut her – doch wehe, ihr beschaut und bewundert uns. Der Schaulust hat die Frau eine Falle gestellt. Jedes männliche Begehren wird zur Lüsternheit, das Begehren alter Männer zum schmutzigen Altherrensex. Als ob sinnliches Begehren ein Vorrecht der Jugend wäre. Will frau nicht von jedem bewundert werden? Warum reagiert sie nicht spontan, warum redet sie nicht Deutsch?

Es gibt einen verhängnisvollen Konnex zwischen Macht und erpresster Bewunderung der Macht. Die Männer haben ihre Macht missbraucht, um die Frauen zu sexuellen Diensten zu nötigen. Doch wer im Gegenzug die Macht der Männer bekämpft, indem er Eros und Sex unterpflügt, hat selbst eine gestörte Beziehung zur Sinnlichkeit.

Es wäre eine raffinierte Strategie der Frauen gewesen, die Macht der Männer durch scheinbares Eingehen auf deren Spielregeln zu konterkarieren. Doch dann wäre ein Triumphgeheul der Frauen fällig gewesen, wenn die Bastion der Männer eine Delle kriegt. Nichts davon war zu hören, im Gegenteil: nur die übliche Wehleidigkeit und Selbstbemitleidung. Eine typisch deutsche Männerlarmoyanz. Hätte Frau Himmelreich eine Siegesfanfare angestimmt, wir hätten sie als tapfere Suffragette ins Reich der Himmel gehoben.

Zuerst greifen die Frauen an. Dann kriegen sie Angst vor ihrer Courage und ziehen sich auf ihre geliebte Opferrolle zurück. Zuerst stellen sie den Männern eine Falle. Dann tappen sie selbst hinein. Zuerst wollen sie frei denkende, selbstbestimmte und sinnliche Frauen werden. Wenn sie ihr Ziel erreicht haben, sind sie Männer geworden. Emanzipation wurde zur heimlichen Geschlechtsumwandlung.

Als Eva gegen Gott rebellierte, wurde sie fürchterlich bestraft. „Nach deinem Mann wirst du verlangen; er aber soll dein Herr sein.“ Emanzipation wäre die endgültige Überwindung des Sündenfalls. Das wäre nur möglich, wenn frau jenen Mann in Frage stellte, den sie bis heute verdrängt: den Gott der Männer.