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Die ERDE und wir. XXV

Tagesmail vom 28.10.2024

Die ERDE und wir. XXV,

Noch wenige Tage und die stärkste Macht der Welt wird sich neu offenbaren.

Neu – oder uralt? Amerika besitzt viele Gesichter.

„Zwei Stunden nach der geplanten Zeit, erschien Trump und begann seine Rede mit einer „Botschaft der Hoffnung“, die er den Amerikanern überbringen wolle. Ein neues, goldenes Zeitalter werde er einleiten, den amerikanischen Traum wiederbeleben.“ (Berliner-Zeitung.de)

Wird Amerika faschistisch, wenn der Abkömmling von Pfälzern wieder ans Ruder kommt?

Popper hat Faschismus eine Zwangsbeglückung genannt. Wenn mächtige Männer ihre Vorstellung von Glück ihren Mitmenschen mit Gewalt aufzwingen – wie Platon es empfahl – dann sprechen wir von Faschismus.

Faschisten glauben, die Wahrheit zu besitzen. Jene Wahrheit, mit der sie dem Pöbel überlegen sind. Sie sind überzeugt, dass sie alles besser wissen.

Besserwisser sind heute jene Großspurigen, die bei bestimmten Menschen nicht gut angesehen sind. Seltsamerweise bei jenen, die es noch besser wissen wollen als die Besserwisser.

Auch bei jenen, die jedes solide Wissen ablehnen, weil es überhaupt keine objektive Wahrheit gebe.

Sie bleiben bei ihrer subjektiven Wahrheit – mit der sie mit gelehrten Worten hausieren gehen: dass sie doch alles besser wissen, als die objektiven Besserwisser?

Dreh dich, wie du willst, solange du das Maul aufmachst und Stellung beziehst, hast du dich als Wahrheitsbesitzer offenbart, auch wenn du demütig um die Ecke kommst. Zumal in einer Demokratie, in der jeder in der Volksversammlung seine Meinung vor allen Mitdemokraten präsentieren muss.

Wer dazu nicht bereit ist, kann sich nicht als Demokrat bezeichnen und muss sich als Eremit in die Wildnis zurückziehen.

Demokratie ist ein Dauergetümmel, nur einig in dem Punkte, dass es keine überlegene Adels- oder Priesterkasten duldet, die ihre Erleuchtungen als allgemeine Wahrheiten verbreiten. Geschieht diese Verbreitung mit Gewalt, hat sich die Demokratie in Faschismus verwandelt.

Nach langen Kämpfen hat sich in Europa – später in Amerika – die athenische Demokratie durchgesetzt. Gleichzeitig haben sie jenen Gott angebetet, der seinen Geschöpfen keinerlei freie Meinungsäußerung zubilligt und einen unfehlbaren Faschismus seinen Gläubigen auferlegt.

Wie vertragen sich diese beiden unverträglichen Elemente in der Geschichte des Westens?

Gar nicht, schlagen sich ständig den Schädel ein, kratzen sich die Augen aus, verfolgen sich, verbrennen sich gegenseitig auf dem Scheiterhaufen. Haben sich die Konflikte gemäßigt, bleibt es bei Schimpfereien, Verfluchungen oder sonstigen geistigen Amputationen.

Amerikas Geschichte beispielsweise wechselt sich ab mit Epochen mächtiger Popen – und Epochen athenischer Demokraten, die das Religiöse abgestreift haben. Momentan ist der Heilige Geist wieder in den Bible-Belt-Staaten auferstanden und versucht, das neue Judäa mit messianischem Geist zu erfüllen. Sei es mit der Macht ihrer persönlichen Erleuchtung, sei es mit der Macht ihrer Atombomben.

Zu Recht wird die Frage gestellt: ist Trump ein Faschist, der den Amerikanern ein „neues goldenes Zeitalter“ verspricht, bekanntlich die Vision des amerikanischen Traums? Der amerikanische Traum ist das Himmelreich auf Erden, eine perfektes Paradies, das nicht auf das Jenseits warten muss.

Befragen wir einen bekannten amerikanischen Präsidenten, der seine Vorstellungen in einer wichtigen Rede zusammenfasste.

Am Anfang seiner Rede beschreibt er seine Heimat als Hort der Nächstenliebe:

„Unser viertes Ziel ist, uns mit amerikanischem Mitgefühl den schwerwiegendsten Problemen des Landes zuzuwenden. Denn so viele Menschen in unserem Land – die Obdachlosen und Vaterlosen, die Abhängigen – sind in großer Not. Aber es ist Kraft, wunderbare Kraft in der Güte, im Idealismus und im Glauben des amerikanischen Volkes. Ich fordere Sie auf, sowohl meine glaubensorientierte Initiative als auch das Gesetz über den Dienst am Nächsten (Citizen Service Act) zu verabschieden, um Mitgefühl zu ermutigen, das die Vereinigten Staaten verändert.“ (Bericht zur Lage der Nation von George W. Bush 2003)

Dabbelju Bush schwankt ständig zwischen einer Feststellung: so sind wir, meine lieben Amerikaner – und einer Forderung: so sollten wir werden, strengen wir uns an.

Ist diese Rede bereits die Ankündigung eines Faschismus: was wir sein sollten, sind wir noch nicht, ergo müssen wir es werden? Durch die Macht meiner neuen Gesetze?

Gesetze, die rechtmäßig zustande gekommen sind, können keine faschistischen Gewaltakte sein. Sie sind, wie jedes Gesetz, eine freundliche Einladung zu guten Taten – die freilich, bei Gesetzesübertretung, hart bestraft werden können.

Gesetzes-Strafen sind keine Gewaltakte eines wütenden Tyrannen, der seine Rebellen in unberechenbarem Zorn den Guillotinisten ausliefert. Robespierre war das Paradebeispiel eines Revolutionärs, dessen freiheitliche Ambitionen in willkürliche Gewalt umschlugen.

Freilich, als Grenzfall könnte man sich einen finsteren Gesetzesstaat vorstellen, in dem die Atmosphäre derart furchterregend wäre, dass kein Untertan die innere Freiheit hätte, mit dem Potential der Gesetze seine Rechte zu erkämpfen. In Amerika neigen die obersten Richter immer mehr dazu, das geltende Recht der schwankenden Atmosphäre der Gesellschaft zu opfern.

Mit anderen Worten: auch mitten in einer korrekten Gesetzesdemokratie könnte unterschwellig faschistische Fäulnis auftreten. Auch in Deutschland gibt es Rechtsprechungen des Obersten Gerichts, die von der Regierung schnöde vom Tisch gewischt werden. Selbst das Dritte Reich entstand aus dem Rechtsstaat der Weimarer Republik.

Nach der nächstenliebenden Beschreibung des Inlandes, hüpft Bush ins Ausland: „Die Eigenschaften Mut und Gefühl, um die wir uns in den Vereinigten Staaten bemühen, bestimmen auch unser Verhalten im Ausland. Unsere Gründerväter widmeten dieses Land der menschlichen Würde, den Rechten des Einzelnen und den Möglichkeiten eines jeden Lebens. Diese Überzeugung führt uns in die Welt, um den Leidenden zu helfen, den Frieden zu verteidigen und die Absichten böser Menschen zu vereiteln.“

Ist das schon planetarischer Faschismus als Ziel der eigenen Politik? Die ganze Welt soll beglückt werden. Klingt gut – doch mit welchen Mitteln? Wenn gewalttätige militärische Mittel nicht ausgeschlossen werden, um fremde Völker zu beglücken, wären wir im Faschismus gelandet.

Wie verbreitet man Glück in der Welt, ohne zur Kanone, ja, ohne zur „ökonomischen Kanone“ zu greifen? Es gibt nur eine Methode: die Methode des friedlichen Vorbildes, das dem jeweiligen Volk die Freiheit der Wahl lässt. Oh, schaut die tollen Amerikaner, den vorbildlichen Westen, warum tun wir nicht, was sie uns in friedlicher Weise vormachen?

Nun kommen einige Beispiele der krisenhaften Weltpolitik.

„In Afghanistan unterstützen wir die Befreiung eines unterdrückten Volkes.“ Mit friedlichen diplomatischen Mitteln oder mit Anstiftungen zur Gewalt? Keine klaren Fragen, keine klaren Antworten.

Jetzt wird’s aktuell:

„Im Nahen Osten werden wir weiterhin einen Frieden zwischen einem sicheren Israel und einem demokratischen Palästina anstreben.“

Wann ist Israel sicher? Solange seine muslimischen Nachbarn das konkurrierende Judentum nicht mehr mit Misstrauen betrachten – und Israel selbst kein Hehl daraus macht, immer mehr Territorium den Palästinensern mit Tricks und Listen zu rauben – bis sie wieder ihr urbiblisches Land komplett in Händen haben?

Bis heute wird Palästina nicht als gleichberechtigter Partner der Israelis anerkannt. Je mehr Israel von den Ultras beherrscht wird, je mehr zeigt sich die imperiale Absicht der jüdischen Landnehmer.

Nach dem schrecklichen Terrorakt der Hamas – die keineswegs identisch ist mit den Palästinensern – gibt es nur noch die Rechte der Überfallenen. Je brutaler ein Terror, je weniger hat er bei einem möglichen Friedensschluss mitzureden. Der Terrorakt gilt normalerweise auf keinen Fall als Racheakt der Unterdrückten, weshalb es auf keinen Fall nachvollziehbar ist, weshalb die Terroristen die friedlichen Israelis überfallen haben sollen. Ein Terrorakt ist ein Racheakt, keineswegs nur danach zu beurteilen, wie barbarisch er durchgeführt wurde.

Bush hielt seine Rede lange vor dieser Kollision, dennoch spürt man bereits die Einseitigkeit der USA, mit der sie das Kommende beurteilen werden.

Ein Terrorakt muss zuerst verstanden werden, dann erst kann man ihn bewerten und sich überlegen, wie man sich rächen will. Verstehen heißt nicht vergeben oder verzeihen, oft im Gegenteil: wer verstehen will, muss mitten in den Bodensatz des Unbewussten. Dort träufelt das Gift des Menschen am intensivsten. Das Unbewusste ist nichts als der Extrakt der Vergangenheit. Doch den will heute niemand mehr erforschen. Heute gilt nur die unermessliche Zukunft.

Wir übergehen einige Beispiele und kommen direkt auf Saddam Hussein, der für Bush der Böseste aller Bösen ist, ja, der Böse an sich.

„Der irakische Diktator rüstet nicht ab. Im Gegenteil, er täuscht.“

Wenn fremde Mächte Amerika bedrohen könnten, müssen sie unbedingt abrüsten, – wenn sie nicht zu Todfeinden des USA werden wollen.

In der Beurteilung von Saddam Hussein kommt Bush zum Resultat:

„Wenn das nicht das Böse ist, weiß ich nicht, was das Böse ist.“

Hier ist das Zentrum der Bush-Bewertung von Saddam Hussein und dieses ist zugleich der Kern jeder faschistischen Ideologie: der Feind ist das Böse, ich bin das Gute.

Eine völlige Übereinstimmung mit der heutigen Haltung Netanjahus: wir sind Söhne des Lichts, die anderen sind Söhne der Hölle.

Hier treffen wir auf den religiösen Kernpunkt des Konflikts: Gott ist der Gute, seine Gläubigen sind ebenfalls die Guten – während Satan, Gottes Feind, Inbegriff des Bösen ist, seine Anhänger ebenfalls die irreparablen Bösen sind.

Hier ist die gigantische Kluft zwischen religiösem Dualismus, mit dem die Welt in zwei Teile gespalten ist – und rationaler Einheit des Seins, das nur verstehbare Unterschiede zwischen einem Besseren und einem Schlimmeren aufweisen kann.

In der religiösen Metaphysik gibt’s nur willkürliche und ewige Festsetzungen des Guten und Bösen, des Gottes und seines Widersachers, des Teufels. Rationale Erklärungen dieses Widerspruchs gibt es nicht, weshalb es auch niemals zu verstehen ist, warum die einen gut und ihre Gegner böse sein sollen.

Hier gibt es nur eine einzige Möglichkeit, um die Kluft zu überspringen: man muss sie a priori vernichten. Faschismus ist der existentielle Kampf zwischen Gott und Teufel, dem metaphysischen Guten und dem metaphysischen Bösen.

Warum nutzt Bush diese religiöse Terminologie, um seine kriegerischen Mittel zu rechtfertigen? Weil er selbst tief religiös ist: er glaubt an diese von Gott bestimmte Metaphysik. Also tut er danach.

„Wenn uns ein Krieg aufgezwungen wird, werden wir für eine gerechte Sache mit gerechten Mitteln kämpfen … und wir werden obsiegen. Wir üben Macht aus, ohne zu erobern, und für die Freiheit von Fremden bringen wir Opfer. Die Freiheit, die wir schätzen, ist nicht Amerikas Geschenk an die Welt, sie ist das Geschenk Gottes an die Menschheit. Wir Amerikaner … setzen unser Vertrauen in den liebenden Gott, der hinter allem Leben und der gesamten Geschichte steht.“

Wie Platon – der Vorläufer des Christentums – an die Macht des idealen Seins glaubte, so denken die Frommen an die Allmacht ihres omnipotenten Gottes und an die totale Verwerflichkeit seines Widersachers, des Teufels. Die Macht des Menschen besteht darin, auf der Seite des Allmächtigen alle Elemente des Bösen total auszurotten.

So sprach auch Netanjahu über seine Kriegsziele: alles zu eliminieren, was Israel feindlich gesonnen ist. Von friedensstiftenden Maßnahmen war nichts zu hören.

Bushs theokratisches Denken war bei Biden noch vorhanden, aber durchlöchert. Sollte aber Trump die Wahlen gewinnen, wird das Duo Gott-Teufel die Geschichte der Moderne vermutlich nicht wenig verändern.

Halleluja. Der Sieg des Faschismus ist der Sieg des Guten über das Böse. Der autonome Mensch kann sich das Nachdenken ersparen, wie er sich die Welt rational zimmern will. Der selbstbewusste Mensch ist nichts, Gott ist alles.

Ist Amerika faschistisch geworden? Noch ist der Kontinent eine der stabilsten Demokratien der Welt – aber in abschüssiger Fahrt. Sollte Trump aber am Ende die Wahlen gewinnen, wird der Verfall zur hexenartigen Abfahrt in die Hölle.

Fortsetzung folgt.