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Weltdorf XXXI

Hello, Freunde des Weltdorfs XXXI,

das Böse ist Treibstoff der Veränderung im christlichen Abendland, wo das Gute für wirkungslos und ohnmächtig erklärt wird. Nur das verfluchte Böse besitzt die Energie, die erstarrten Verhältnisse ins Fließen zu bringen. Das Gute an sich ist kraft- und saftlos, es versinkt in gesättigter Antriebslosigkeit. Schon seid ihr satt geworden.

Hunger ist der Stoff, aus dem das Neue kommt. Wenn nicht 80 Millionen Menschen jährlich im Elend krepieren, werden wir keinen Hunger nach neuen Maschinen entwickeln, die uns Arbeitsplätze rauben, damit wir noch bessere Roboter erfinden, die uns noch mehr Arbeitsplätz rauben.

Risikooo ist das Spiel mit dem Bösen, dem man Mehrheiten opfern muss, um winzigen Minderheiten den Lorbeerkranz des Endsiegs aufzusetzen! Über Myriaden bleicher Knochen muss der Freund des Abenteuers ins Ziel des Erfolgs trampeln. Trump ist Mephisto, der stets das Böse will und stets das Gute schafft.

Deutsche, die ihren Faust auswendig kennen, sind schockiert, wenn sie Mephisto in der Wirklichkeit kennen lernen. Sollte Kunst etwa mit der Realität zu tun haben??? Ist Kunst nicht das Betäubungsmittel hochstehender Kulturgermanen, um ihre vertrackte Realität unter Verschluss zu halten???

Hui, wie der Weltgeist durch alle Ritzen pfeift. Hui, wie die deutschen Kunstverehrer von Mephisto, ihrem diabolischen Pädagogen, hinter sich her geschleift werden.

„Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unsers Schicksals leichtem Wagen durch; und uns bleibt nichts, als mutig gefaßt die Zügel festzuhalten und bald rechts, bald links, vom Steine hier, vom

Sturze da, die Räder wegzulenken. Wohin es geht, wer weiß es? Erinnert er sich doch kaum, woher er kam.“ (Egmont)

Erinnerungen sind Gift für den rasenden Fortschritt. Wer nach hinten blickt, hat seine Zukunft bereits verwirkt. Nun heißt es aufsatteln, der böse Geist steht bereit, uns ins Reich der Zukunft zu peitschen.

Gott:

Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen,
er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,
der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen.

Faust:

Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sei es gleich um mich getan!
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
Daß ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuß betrügen –
Das sei für mich der letzte Tag!

Allzu lange haben sie sich selbst gefallen. Das rächt sich. Ihre Selbst-Gefälligkeit und Selbst-Gerechtigkeit haben sie überheblich und leichtsinnig gemacht. Wie sie sich heute als Insel der Seligen inmitten des Meeres der Verhängnisse anstaunen. Ihre Eigenschaften, die alle mit selbst beginnen, haben sie selbstbewundernd und selbstzufrieden werden lassen. Doch ein wahres Selbst zu werden, ist ihnen verboten, nachdem ihr falsches sich durch Menschheits-Verbrechen bezeugen musste. Besaßen sie je ein nationales Selbst, das sich durch Akzeptanz anderer Selbste ausgezeichnet hätte?

Heute sind sie schockiert, weil ihr amerikanisches Vorbild-Selbst unter Absingen schmutziger Lieder Ade sagte. Nun müssten sie selbst ein Selbst werden, müssten in Erfahrung bringen, was ein demokratisches Selbst überhaupt ist.

Doch lieber zerfleischen sie sich, werfen sich Besserwisserei, Rechthabenwollen und politische Erziehungskünste vor. Bislang durften nur ihre amerikanischen Lehrherren alles besser wissen, die ganze Welt erziehen, in Zukunfts- und Fortschrittsfragen immer recht behalten. Spätpubertierende Deutsche dürfen Klugheit nur ins Lächerliche ziehen. Flegeln geziemt es nicht, die Mündigkeit und Reife ihrer Vorbilder zu übernehmen. Sonst müssten sie ja selbst-ständig werden.

Deutschlands amerikanischer Mentor ist an sich irre geworden. Er droht mit Liebesentzug, wenn die undankbaren Lümmel von der ersten Bank nicht schnell erwachsen werden. Wie gewohnt machen sie den Bückling und versprechen „mehr Verantwortung zu übernehmen“. Was verstehen sie darunter? Mehr Waffen herstellen und mehr Panzer in die Welt liefern, damit Despoten ihre Untertanen bequemer tot schießen können.

Demokratie lernen, von der Pike an demokratischen Stolz und Wehrhaftigkeit einüben: darüber spricht niemand. Stattdessen suhlen sie sich in larmoyanten Ängsten und Selbst-Verzwergungen, nölen in Demut und Selbst-Erniedrigung, um den Kopf nicht aus dem Fenster zu strecken. Sie könnten ja gesehen, gefragt und zum Mitmachen aufgefordert werden. Lieber wegducken und die Weltverantwortung den Amerikanern überlassen, die haben das imposantere Selbst-Bewusstsein.

Demokratisches Selbstbewusstsein darf in Deutschland nicht produziert werden. CETA und TTIP verbieten es. Die Gefahr bestünde, dass die Nation der Schüler sich von ihren transatlantischen Lehrern lösen müsste. Lösen sollen sich zwar alle Menschen von allen, nicht aber die Deutschen von den Amerikanern.

Demokratische Tugenden? Nichts für Exportweltmeister. Demokratische Reife und Nüchternheit? Nichts für anständige Schlechtmenschen. Ums verrecken wollen sie Max und Moritz heißen:

Ach, was muß man oft von bösen

Kindern hören oder lesen!

Wie zum Beispiel hier von diesen,

welche Max und Moritz hießen;

Die, anstatt durch weise Lehren

sich zum Guten zu bekehren,

oftmals noch darüber lachen

und sich heimlich lustig machen.  

Dass demokratische Kompetenz eine politisch-moralische ist, prallt an deutschen Übeltätern ab. Demokratische Erziehung? Welch Monstrum der Aufklärung!

Nicht allein in Schreiben, Lesen
Übt sich ein vernünftig Wesen;
Nicht allein in Rechnungssachen
Soll der Mensch sich Mühe machen,
Sondern auch der Weisheit Lehren
Muß man mit Vergnügen hören. –

Daß dies mit Verstand geschah,
War Herr Lehrer Lämpel da. –

Max und Moritz, diese beiden,
Mochten ihn darum nicht leiden;
Denn wer böse Streiche macht,
Gibt nicht auf den Lehrer acht. –

Übersetzen wir in Feuilletonitis. Da ist der deutsche Hass gegen die Rechthaber, der ebenfalls Recht haben will. Expertokratie in allen Dingen, nur Recht haben darf niemand. Auch nicht, wer Demokratie verteidigt?

Was haben sie Orban und Trump zu sagen, wenn sie nicht die Unbefangenheit aufbringen, demokratischen Geist besser zu verstehen? Wie wollen sie mit Regierungen streiten, die ihre Menschen verfolgen und unterdrücken? Wollte Merkel Unrecht behalten, als sie dem neugewählten Milliardär die Menschenrechte wie einen Konfirmandenspruch vorlas? Warum liest sie Erdogan nicht die UN-Charta vor? Warum sich selbst nicht die Artikel des Grundgesetzes? Was unterscheidet sie von Trump? Bestimmt nicht das Einhalten der Menschenrechte für Flüchtlinge, die sie genau so schändet, wie Trump es ankündigte. Nein, nur die Facon de parler. Die Kunst des Scheins beherrscht sie wie eine gelernte Pastorentochter, die zwischen hoher Predigt und schäbigem Alltag wohl zu unterscheiden vermag.

Da werden zwei Herzchen zusammenkommen: der Unverfrorene, der tut, als kenne er keine Tabus – und die Demütige, die ihre Hartherzigkeit hinter agapösen Gesten verbirgt.

Wer sich seiner Unmoral rühmt, gilt hierzulande nicht als Amoralist, sondern als Tabuverletzer, woraus wir entnehmen, dass Tugenden keine spontanen Herzensregungen sind, sondern durch Kontrollen erzwungen werden. Hier existiert kein Gewissen, das moralische und unmoralische Taten mit dem eigenen Kopfe beurteilte. Hier herrscht nichts als Furcht vor Sanktionen, gepaart mit Untertänigkeit.

Moral, die als Respekt vor Tabus auftritt, ist jedoch keine Moral, sondern ein „affektkontrolliertes“ Affentheater. Jeder Christ weiß, dass sein Unbewusstes voll abgründiger Bosheiten ist. Dass man diese bearbeitet, indem man sie weder verleugnet noch verdrängt, davon haben deutsche Therapieverächter keine Ahnung.

Schon jetzt träumt Angela vom ersten Zusammentreffen mit dem Oberrüpel. Wird sie ihn begrüßen mit dem milden Lächeln der frommen Helene, die die Sünden der Menschen kennt – aber mit Liebe zudeckt? (Merkel umarmt öffentlich keine Politiker. Politischen Freunden legt sie die Hände auf die Schulter, was Vertrautheit andeuten soll, doch nur den Abstand kontrolliert.)

Für Arno Frank, SPIEGEL, sind Rechthaber die Schlimmsten:

„Es wird alles aufregender in der Welt, viele Stimmen reden durcheinander, mahnen, geißeln – und hatten schon immer recht. Auch Oskar Lafontaine hat recht, immer, und sich das soeben frisch von den Wahlen in den USA bestätigen lassen. Es sei ja nicht Trump gewählt, sondern ein korruptes Wirtschaftssystem abgewählt worden.“

Für manche Talkshow-Kritiker ist es schon eine Unverschämtheit, wenn jeder Teilnehmer eine Meinung zu äußern wagt. Vor allem seine eigene, die die Schreiber schon so oft hörten, dass sie durch Abrieb nur noch falscher werden konnte. Mit welcher Hochnäsigkeit kanzeln mediale Dompteure in der Öffentlichkeit die Besserwisser ab. Poschardt bedient sich theologischer Begriffe, um den Streit um Gut und Böse zu diffamieren – ohne die tabuisierte Theologie selbst anzugreifen, versteht sich. Die Kirche soll im Dorf bleiben:

„Im Umgang mit dem Rechtspopulismus haben sich weite Teile der Scheinheiligen in eine manichäische Weltanschauung geflüchtet, eine moralische Zweiklassengesellschaft, in der es die progressiven Anständigen gibt und die zurückgebliebenen Bösewichter. Trump, der Lügner und Asoziale, hat in dieser Weltanschauung seinen Platz gefunden. Aus dieser Frontstellung gibt es kein Entweichen. Mit dem „more of the same“ werden die Gräben tiefer.“ (WELT.de)

Wenn das kein Aufruf zur moralfreien-machiavellistischen Politik oder eine dreiste Propaganda für das Naturrecht der Starken ist. Moral ist für Kammerdiener, nicht für Weltpolitiker. Ihr Deutschen, ihr werdet sehen, wo ihr landet, wenn ihr glaubt, mit lächerlichem Tugendgehabe an der Weltspitze mitzumischen. Ihr müsst von eurem hohen Ross herunter und der ungeliebten Realität ins Auge schauen. In Zukunft werdet ihr euch warm anziehen müssen, denn der große Bruder wird euch nicht mehr die Kohlen aus dem Feuer holen. Eure Hände müsst ihr euch selber schmutzig machen. Schüler dürfen ihre Lehrer in moralischen Dingen nicht überholen. Wenn Amerika abschirrt, muss auch Deutschland zum skrupellosen Täter werden.

Für Dietmar Dath, FAZ, führen politische Erziehungsmethoden zum moralischen Bankrott:

„Mit der Wahl von Donald Trump beenden Amerikas Wähler acht Jahre erfolglose Massenerziehungsbemühungen durch Barack Obama. Wohin es führt, wenn Belehrung statt Streit als politisches Mittel gewählt wird.“

Belehrungen sollen Streiten ausschließen? Streiten auf dem Markplatz war das sokratische Belehrungsmittel an sich. Nicht im Sinn des Eindrillens, sondern in gemeinsamer Suche nach dem Guten. Ich bin moralisch, wenn ich das Gute als mein Gutes erkannt habe und in die Tat umsetze. Wird mein und dein Gutes als unser gemeinsames Gutes erkannt, haben wir die ethische Grundlage der Polis gefunden.

Deutsche Intellektuelle beherrschen nicht mehr das Einmaleins demokratischen Denkens. Lieber betreiben sie Gespenstergefechte mit postmodernen Vexierbegriffen. Wer in der behüteten Stube sitzt, schaut sich Krimis an, um seine Kompetenz in Verruchtheit zu beweisen. Erwachsenwerden ist für Hinterwäldler die Mahnung, nicht die Pistole zu vergessen, wenn man Fremden begegnet, die die Frechheit besitzen, von deutscher Leitkultur keine Ahnung zu haben. Jene Pistole, die sie noch nicht besitzen, aber mit demselben Recht erwerben werden wie ihre amerikanischen Freunde. Zum heiligen Weihnachtsfest, heißt es, soll es Pfeffersprays in allen Variationen für die ganze Familie geben. Wenn Amerika moralisch abrüstet, muss Deutschland waffenmäßig aufrüsten. Der Weltgeist will es so.

Amerika beginnt, sein christliches Über-Ich abzuwerfen. Sollte Trump seine Wahlkampfbrutalitäten in business as usual verwandeln, hat er nur den wohl kalkulierten Clown gespielt. Nein, nicht den lustigen Spaßmacher, sondern die Halloween-Fratze aus dem abgespaltenen christlichen Es. Bei Halloween – dem katholischen Karneval vergleichbar – werfen die Biblizisten ihre jesuanische Korrektheit weg und posieren in tabulosen Teufelsmasken. Ein verheißungsvolles Zeichen für Gottes eigenes Land, das sich von Gott emanzipiert und sein Menschsein erkennt.

Trump hat einen Halloween-Wahlkampf geführt. Die Methoden lernte er als Super-Dieter-Bohlen in den großen Kanälen. Er ist ein bunter Hund der Medien, kein unbekannter Trümpel aus dem Untergrund. Seinen Stil könnte man als politisches Dschungelcamp bezeichnen.

Die bürgerlichen Beobachter in Deutschland wundern sich, dass ausgerechnet ein Oligarch zur Leitfigur des Demos wird. Kommen Menschheitserlöser nicht meistens aus bestem Hause? Buddha war Prinz, Jesus ein Sohn Gottes, Marxens Schwager ein adliger Minister in Berlin, Engels ein Fabrikantensohn, Mandela kam aus einem Königshaus, Gandhi war Spross politischer Führer, Platon entstammte athenischem Adel.

Trump spielte die Rolle des Abtrünnigen aus höchsten Kreisen, um seine Kompetenz zu erweisen, jene hochmütigen Kreise zu entlarven. Das Volk soll glauben, einen Überläufer gewonnen zu haben, der sich die Interessen der verstummten Mehrheit zu eigen machen wird. Einen besseren Trick gibt es nicht, um die Massen für sich zu gewinnen. Nicht der Selfmademan, der es vom Tellerwäscher zum Tycoon brachte, ist höchstes Idol, sondern der Messias, der sich vom Himmel auf Erden herablässt.

Warum lieben die Deutschen die Königshäuser? Weil sie Aufsteigern wie Schröder, Müntefering und Maschmeyer nichts abgewinnen können. Es muss uralter bewährter Adel sein, der sich barmherzig nach unten beugt. Karrieristen beneidet und hasst man, blaues Blut verehrt man, wenn es sich dem Volk in Gnaden zuwendet.

„Man soll sie zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund totschlagen muß!“ schrie Luther. „Darum, liebe Herren, loset hie, rettet da, steche, schlage, würge sie, wer da kann, bleibst du darüber tot, wohl dir, seligeren Tod kannst du nimmermehr überkommen.“

„Jawohl, sie halten uns in unserem eigenen Land gefangen, sie lassen uns arbeiten in Nasenschweiß, Geld und Gut gewinnen, sitzen dieweil hinter dem Ofen, faulenzen, pompen und braten Birnen, fressen, sauffen, leben sanft und wohl von unserm erarbeiteten Gut, haben uns und unsere Güter gefangen durch ihren verfluchten Wucher, spotten dazu und speien uns an, das wir arbeiten und sie faule Juncker lassen sein […] sind also unsere Herren, wir ihre Knechte.“

Der erste Text giftet gegen die Bauern, der zweite gegen die Juden – geschrieben vom Reformator Martin Luther, der in Deutschland ein ganzes Jahr lang gefeiert wird. Wie kann Lutherverehrerin Merkel einen Trump verteufeln, wenn sie die Ungeheuerlichkeiten des Wittenbergers mit der schnippischen Geste abtut: Schnee von gestern? Ist das keine nationale Heuchelei höchsten Grades?

Für Christiane Hoffmann, die im SPIEGEL bereits das Ende der Demokratie ausgerufen hatte, ist Luther zum Urvater der demokratischen Aufklärung geworden:

„Auch das Lutherjahr bekommt jetzt eine besondere Bedeutung: Deutschland gedenkt der Reformation, des Schlüsselereignisses der Neuzeit, die den aufgeklärten, emanzipierten Menschen in den Mittelpunkt stellte.“ (SPIEGEL.de)

Trump ist für Merkel ein Glücksfall. Nun scharen sich die Muttersöhnchen besonders eng um sie. Ist sie doch die einzige Hoffnung furchtsamer Untertanen, dem Bösen als Heilige zu widerstehen. „Nur Merkel kann es noch richten“.

Einige sehen schon den Untergang des Abendlandes, inklusive des Restes der Welt. Kaum schwindet die Schönwetterperiode der Demokratie, fallen sie in eschatologischen Pessimismus und germanische Weltuntergangsstimmung, Szenen der Düsternis, die sich nur durch einen leibhaftigen Erlöser aufheitern lassen. Was hätten diese Katastrophenläufer in jener Zeit getan, als Hitlers Stern aufging? Wären sie zusammengebrochen, weil sie glaubten, ein Messias würde sie retten?

Von der cleveren deutschen Industrie, die den Kandidaten mit nicht geringen Spenden bestach, spricht niemand. Müsste Merkel den Grillos und Kaesers nicht die Leviten lesen? Und wie steht‘s mit der immer raffinierter werdenden NSA-Überwachungsallmacht? Die miserablen Umfrage-Institute sollten das Handtuch werfen – und den Geheimdiensten das Prognostizieren überlassen. Die lassen sich wenigstens kein X für ein U vormachen, denn ihre Pappenheimer kennen sie aus dem Effeff.

Die wichtigsten Punkte des binationalen Zerwürfnisses sind noch nicht mal erwähnt. Politprofessor Hacke bekannte im ZDF, er habe die Amerikaner bislang zu sehr idealisiert. Die barbarischen Faktoren Religion und Wirtschaft habe er nicht wahrgenommen.

Unfasslich, aber wahr: in Amerika ist Religion das Urelement jedweder Politik. Doch das interessiert keinen frommen Kleber und seine deutschen Kollegen, die die eschatologische Stimmung des Bible Belt für liebenswerte Folklore halten. Hannes Stein hat sich die Mühe gemacht, den religiösen Hintergrund der Trump-Ideologie zu recherchieren.

„Donald Trumps Erfolg wurde getragen von der „Alt-Right“, der alternativen Rechten. Sie hält Weiße für klüger als Schwarze, diskriminiert Juden, fürchtet Einwanderung … Das Gründungsdokument der „Alt-Right“ ist ein Roman von Jean Raspail, der im Original schon 1973 erschien und damals auch viel beachtet wurde: „Das Heerlager der Heiligen“. Er handelt davon, dass eine Flotte mit Schiffen aus Indien ausläuft – an Bord lauter verzweifelte Hungernde. Die Flotte landet an der südfranzösischen Küste, ohne dass die Nato auch nur einen Schuss abgeben würde. In der Folge wird Frankreich von Braunhäutigen überlaufen, die gar nicht daran denken, sich an die Kultur des Landes anzupassen, sich aber sämtliche Reichtümer des Westens unter den Nagel reißen wollen … Das ist also die Furcht, die sämtliche Vertreter der „Alt-Right“ eint: Die weiße Rasse werde unter einem Ansturm der Dunkelhäutigen und Schlitzäugigen untergehen. Diese Angehörigen der minderen Rassen würden – so die apokalyptische Vision – die Errungenschaften der westlichen Zivilisation mit sich reißen wie eine Flutwelle und zu einer neuen Epoche der Barbarei führen. Die rechtsradikale Publizistin Ann Coulter schrieb deshalb sinngemäß, ein Präsident Trump sei das Einzige, was den Untergang des Abendlandes noch verhindern könne.“ (WELT.de)

In Deutschland wird Trump als areligiös charakterisiert. Eine unfassliche Faktenblindheit. Woran ich glaube, das tue ich. Was ich tue, daran glaube ich – das sind die Grundsätze einer religiösen Ortsbestimmung. Der Roman des Franzosen Jean Raspail bezieht sich auf das apokalyptische Buch des Neuen Testaments: auf die Offenbarung des Johannes 20, 9. Hannes Stein verweist auch auf potentielle antisemitische Strömungen der Alt-Right.

„Eine Kontroverse innerhalb der „Alt-Right“ ist die Behandlung von Juden. Sollen sie als Mitglieder der weißen Rasse betrachtet werden, die sich genauso dem Sturm der dunkelhäutigen Barbaren entgegenstemmen wie alle anderen Volksgenossen auch? Oder sind die Juden vielmehr „Verräter an der weißen Rasse“, weil sie – zumindest in Amerika – in ihrer Mehrheit politisch linksliberal denken und die jüdische Ethik eine universalistische Ethik ist? Auf alle Fälle sahen sich jüdische Journalisten, die während des Wahlkampfes Donald Trump kritisierten, dem offenen Hass der „alternativen Rechten“ ausgesetzt.“

Sollten Deutsche nicht besonders feinfühlig und hellhörig sein beim Aufspüren antisemitischer Tendenzen? Nicht in Merkels Lutherstaat, in der Aufklärung und Religion zusammenfallen.

Faust darf sich keinen Augenblick lang einen freudigen Augenblick der Muße gönnen. Sonst holt ihn der Teufel, der die Wette gegen Faust gewonnen hätte.

Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sei es gleich um mich getan!
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
Daß ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuß betrügen
Das sei für mich der letzte Tag!

Genussfeindlich, innerlich zerrissen, unzufrieden und auf der ganzen Linie lebensunfähig: das ist der Charakter des Faust, den die Deutschen für vorbildlich halten. Faustisches Streben, das brachial Natur und Mensch zerstört – natürlich Gretchen und ihr Kind zuerst – gilt als Höchstes aller Dinge. Verglichen mit solchem Hass auf die Welt ist Trump geradezu ein lebensfreundlicher Lustmolch – wenn auch nach Art frauenfeindlicher Herrenmenschen.

Mephisto bezweckt nichts weniger als die Höllenfahrt des deutschen Professors, der sich dem Irrglauben hingibt, im dunklen Drang sich des Weges unfehlbar gewiss zu sein. Nicht das Licht der Aufklärung, die Finsternis ist dem gescheiterten Intellektuellen die Garantie für ein Happy End.

Gut munkeln im Dunklen: das ist seitdem die politische Grunddevise der Deutschen, dem Volk, das aus dem Dunklen kam – und wieder im philosophischen Dunkel verschwindet. An dieser lichtlosen Weggabelung befinden wir uns. Mephisto hat uns im Griff, Ähnlichkeiten mit unseren amerikanischen Vettern wären rein überzufällig:

Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft,
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken,
So hab ich dich schon unbedingt –
Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben,
Der ungebändigt immer vorwärts dringt,
Und dessen übereiltes Streben
Der Erde Freuden überspringt.
Den schlepp ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
Und seiner Unersättlichkeit
Soll Speis und Trank vor gier’gen Lippen schweben;

Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,
Und hätt er sich auch nicht dem Teufel übergeben,
Er müßte doch zugrunde gehn!

Verglichen mit faschistischen Visionen von Silicon Valley ist Trump ein Vorstadt-Würstchen. Warum wird in Deutschland das Würstchen gescholten, die totalitären Genies von Silicon Valley hingegen bewundert und angebetet?


Fortsetzung folgt.