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Tagesmail

Weltdorf VIII

Hello, Freunde des Weltdorfs VIII,

Als Nigger Jim aus dem Urwald kam
Und sich ein Trambahn-Ticket nahm
//: Zwischen Harley und Manhattan ://
Da brüllten die Herren: Hinaus mit dir,
Was willst du schmutziger Nigger hier
//: Bei unsern weißen Manschetten?! ://
Und sie packten ihn beim Kragen,
Und sie warfen ihn vom Wagen
Hinunter auf den Damm,
Denn die Herrschaften mit der helleren Haut
Die dachten, sie hätten die Stadt gebaut
Und auch die schöne Tram.“   (Ballade vom Nigger-Jim, 1931)

„Theater gegen Gutmenschen und Betroffenheit, Theater für Menschen, die Überfremdung fürchten, aber nicht als rechts oder gar Nazis beschimpft werden wollen: Das ist der Job, den sich Wittenbrink vorgenommen hat. Und so sieht es dann auch auf der Bühne aus. Da ist die platinblonde Gastgeberin, eine naive Willkommenskulturtrulla, die am afrikanischen Flüchtling das imposante Geschlechtsteil schätzt („Je größer das Elend, desto größer…“) Und wenn schon die Afrikaner große Schwänze haben und Muslime ungebildet, dreckig und geil sind – warum dann nicht auch noch Lieder aus grauer Vorzeit hervorholen, als man noch fröhlich von „Niggern“ singen durfte?“ (ZEIT.de)

Zeit für D-e-k-o-n-s-t-r-u-k-t-i-o-n! Gutmenschen und politisch Korrekte an die Wand! Deutschland ist vorbildlich in der Entsorgung des Guten, woraus die Ästhetisierung der Moral folgt, ein vornehmes Wort für ihre Demontage. Alle Asselborns der Republik, die es nicht lassen können, inhumane Zustände in der Welt anzuklagen, kommen vor das Standgericht – der Kunst.

Warum ist Deutschland das Land der hohen Künste? Weil es Politik unter seiner

Würde findet. Kunst ersetzt, verdrängt und überbietet nichtsnutzige Tagespolitik. Wer sich ästhetisiert, hat Politik mit Schaudern hinter sich gelassen. Man mache unverbindliche Umfragen in Berlin und wird erfahren: Künstler „interessieren sich nicht für Politik“. Sie haben Besseres zu tun: der Welt müssen sie ihre Originalität als Offenbarung des Unvergleichlichen anbieten.

Das ist das Erbe jener stolzen deutschen Epoche, die Klassik heißt, weil sie von griechischer Klassik keine Ahnung hatte. Diese bestand aus Demokratie und dem Erstreiten der Menschenrechte. Davon wollten die olympischen Ästheten in Weimar, vor allem ihre romantischen Vollender nichts wissen. Ein Grund, warum deutsche Künstler und Ästheten nicht daran denken, ihre feinnervigen Finger an ordinärer Politik zu beschmutzen.

Aus Hollywood wissen wir, welche Film-Giganten die leicht kränkelnde Hillary oder den pumperlgesunden Trump unterstützen. Doch wer weiß, warum Till Schweigers groß angekündigtes Flüchtlingsheim nie Realität wurde? Oder wen Günter Jauch wählen wird – wenn es BILD bis dahin nicht gelang, den Schwarm aller Schwiegermütter zum Bundespräsidenten-Kandidaten zu elevieren? (Elevieren = laut Lexikon: einen eingedrückten Knochen anheben)

Dabei begannen sie gut, die deutschen Genies und Zeitgenossen der Französischen Revolution. Sie tanzten um den Maibaum und jauchzten den Befreiern Europas zu. Kaum aber begann das lustige Köpferollen, wurde es den Feinsinnigen mulmig – und sie wandten sich von der schändlichen Amoral der Franzosen ab.

Um wo zu landen? In der Amoral der deutschen Ästhetik, die nichts mehr gemein haben wollte mit drohenden Zeigefingern, sondern sich mephistophelisch in die Lüfte jenseits von Gut und Böse aufschwang. Genauer müsste man sagen: jenseits von Gut, diesseits von Böse.

Politik verbessere keine Menschen, nur bessere Menschen könnten Politik verbessern: das war Schillers Übergangsposition, aus der noch Sinnvolles hätte entstehen können. Auch Fichtes jugendlicher Patriotismus hegte noch keinerlei Aversionen gegen vaterländische Gefühle anderer Nationen. Mit lauen Vermittlungen aber geben sich Feuerköpfe nicht zufrieden. Unaufhaltsam wuchs Fichtes Vaterland zur messianischen Nation der Welt und Schillers polit-pädagogische Kunst degenerierte zur Verachtung aller Politik.

Ab jetzt betrieben deutsche Lichtgestalten keine Politik mehr, sondern erlösten die Welt von ihren Sünden mit imperialer Philosophie und philosophischen Haubitzen. Deutschlands Genies hatten es satt, andere zu imitieren, pardon, von anderen zu lernen. Lernen war Imitieren, Imitieren war untermenschlich. Deutsche Originalgenies lernen nur, indem sie sich selbst imitieren.

„Solch ein Gerüst errichtete die Französische Revolution und versank im terreur des Robespierre. Jedoch: Nicht der gute Staat befördert das Gute des Menschen, sondern erst die guten Menschen können den guten Staat begründen. Daher auch Schillers ablehnende Haltung gegenüber konkreter Politik, die im Einzelnen gelingen mag, aber insgesamt keine Verbesserung irgendeiner Art bewirken würde. Erstaunlicherweise löst Schiller das politische Problem also völlig unpolitisch.“ (Blaue Narzisse.de)

Madame de Staëls Buch über die Deutschen war keine herablassende Lobhudelei der kraftmeiernden Hinterwäldler. Mit wachem Blick – den Goethe fürchtete, weshalb er das blitzgescheite Weib mied und Schiller zum Treffen schickte – hatte sie die Schwächen der linkischen Schwarmgeister notiert. An den deutschen Philosophen bemängelte sie das nicht vorhandene gesellschaftliche Engagement und die beliebig deutbare Dunkelheit ihres Stils:

„Die aufgeklärten Köpfe in Deutschland streiten lebhaft miteinander um die Herrschaft im Gebiet der Speculation; hier leiden sie keinen Widerspruch; überlassen übrigens gern den Mächtigen der Erden alles Reelle im Leben. Der Geist der Deutschen scheint mit ihrem Charakter in keiner Verbindung zu stehen; jener leidet keine Schranken, dieser unterwirft sich jedem Joche; jener ist unternehmend, dieser blöde; die Aufklärung des ersten giebt selten dem zweiten Kraft. Die größte Kühnheit im Denken verbindet sich mit dem folgsamsten Charakter. Die Deutschen gefallen sich in Dunkelheiten: oft hüllen sie, was klar am Tage lag, in Nacht, bloß um den geraden Weg zu meiden. Die deutschen Schriftsteller wollen, dass ihre Werke wie Orakelsprüche aufgenommen und ausgelegt werden, so können sie sie in soviel Wolken hüllen, als ihnen gefällt.“

Hat sich bis heute das Geringste verändert? Noch immer gilt Klarheit als Mangel an Ingenium. Geheimnisvoll schillernde Begriffe, in die jeder hineinlesen kann, was er will, sind das Nonplusultra deutscher Schönschreiber. Definieren und klären gelten hierzulande als plebejisch. (Wie sie schreiben, so behandeln sie auch ihre Heilige Schrift, deren Buchstaben vor lauter Kaffeesatzleserei nur noch schnappatmen können: der präzise Buchstabe tötet, der Orakel-Geist macht lebendig.)

Die nationaldeutsche Ästhetik beendete die Epoche der universalistischen Vernunft. Die Romantiker übertrugen das Besondere und Profilneurotische auf alle Gebiete des Lebens. Kommunizieren wurde zur Mitteilung subjektiver Unfehlbarkeiten. Streiten und Argumentieren war das Geschäft von Proleten.

Zwiespältig formuliert ein deutscher Gelehrter: „Damit tritt nun dem Dogmatismus der Aufklärung, der die Gültigkeit objektiver Normen behauptet, ein grundsätzlicher Relativismus gegenüber: der Gedanke der Gebundenheit der Kunst an objektive Gesetze wird ersetzt durch den Gedanken der unbeschränkten Freiheit der Kunst zur Offenbarung individuellen Lebens.“ „Die übernationalen Kunstideale der Aufklärung werden zur irrationalen Idee eines ästhetischen Nationalismus.“ (Korff, Geist der Goethezeit)

Womit wir elegant am Sonderweg der Deutschen angekommen wären. Doch das Besondere blieb nichts Besonderes unter gleichwertigen Besonderheiten, sondern wuchs als Erlöserbotschaft gen Himmel. Deutsch und irrational, deutsch und schöpferisch, deutsch und ursprünglich, deutsch und barbarisch, wurden verhängnisvolle Synonyme. Die Deutschen waren nicht nur Besondere, sondern besonders Besondere, die der Besonderheit anderer Völker das Licht ausknipsen konnten. Innerhalb zweier Generationen verabschiedete sich Deutschland von der Aufklärung des Westens und verwandelte sich ins pure Gegenteil: ins Martialische und Heilsversprechende.

„Wenn die Diagnose lautet, dass betroffenheitsselige Gutmenschen Politik und Kultur beherrschen, dann darf man sich frei, mutig und oppositionell fühlen, wenn man rassistische Späße macht. Im Kampf gegen die Political Correctness macht Wittenbrink irgendwann auch Schluss mit lustig und schickt eine Kiezpolizistin auf die Bühne, die mit echtem Zorn gegen kriminelle jugendliche Nordafrikaner wettert und gegen Antirassismusseminare, die empfehlen, muslimische Haushalte nur mit Socken zu betreten. Dem Wahnkonstrukt vom Gutmenschendeutschland, das von Dresden bis Heidenau besorgte Bürger antreibt, verfällt auch Wittenbrinks Liederabend mit Haut und Haaren. Kurz: Wittenbrink traut sich etwas – Hamburg hat sein erstes Musical für AfD-Anhänger.“

War das eine Kritik des ZEIT-Schreibers – oder eine hinterlistige Lobhudelei? Vor kurzem war noch überall zu lesen, die AfD sei Unheil von rechts. Nun entlarven sich die wahren Verantwortlichen mitten in den Kulturtempeln der Bourgeoisie. Im Gewande moralischer Entrüstung gegen die – in Wahrheit unmoralischen – Gutmenschen der Gesellschaft darf man sich wieder bedenkenlos seinen Antigefühlen gegen andere Rassen und Religionen überlassen.

Auch Ernst Moritz Arndt hatte eine universalistische Frühphase, bevor er zum chauvinistischen Franzosenfresser wurde. Heute wären seine Worte eine Maulschelle gegen Genie-Ästheten, die ihre Sonderweg-Ressentiments als Früchte ihrer Einmaligkeit anpreisen. Gemessen an Arndts schnörkelloser Kritik an Napoleon waren Goethe, Jean Paul und andere Korsenbewunderer devote Anbeter eines fremden Despoten:

„Welche Grundsätze hat diese Regierung wieder aufzustellen gewagt über die Neger und farbigen Menschen! Davor erschrickt man doch wie vor scheußlichen Gespenstern im Anfang des 19ten Jahrhunderts. Wie war das noch schön in Frankreich selbst im elenden Jahr 1799. Man dachte an keinen Aristokratismus mehr und unsere schwarzen und olivefarbigen Brüder waren auf gleichem Fuße allenthalben unter den Weißen. Ein Dekret hat diesen Sommer alle Neger und Mulatten aus Frankreich getrieben.“

Das war das Vorbild der jetzigen Fremdenfeindlichkeit, mit der Frankreich seiner neuen Parole der Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit untreu wurde. Auch heute ist das gebeutelte Land in Gefahr, seinen laizistischen Humanitäts-Prinzipien untreu zu werden.

Vor einem Jahr war es in Deutschland die unerwartet ausbrechende Humanität nichtelitärer Klassen, die den ästhetischen und ökonomischen Amoralismus der Eliten mit einem Donnerschlag zu verscheuchen schien. Inzwischen hat der Moralhass der Eliten den ersten Überschwang auf den Boden des neoliberalen Hauens und Stechens zurückgeholt. Merkels geschicktes Aufspringen auf den Zug hat die universalistisch gefühlte Moral ihrer Untertanen in ein zeitlich-limitiertes Samaritaner-Event verfälscht. Christliche Nächstenliebe will nicht die unrettbare und böse Welt retten, sondern Rabattpunkte für die ewige Seligkeit sammeln. So schafft die Kanzlerin das logische Kunststück, ihr Motto: „wir schaffen das“ störrisch beizubehalten, obgleich sie längst in die kalte Realpolitik wechselte.

Seit Hegel gilt in Deutschland die dialektische Zauberei, dass Identisches nicht-identisch und Nichtidentisches identisch ist. Da Marx diese Vexierkünste seiner Heilsgeschichte implantierte, waren auch DDR-Proleten robuste Dialektiker. Hier lernte Klein-Angela die Grundlagen ihrer späteren Synthese-Fähigkeiten oder wie man Widersprüche unfehlbar zur Harmonie bringt: Ich bin mit mir im Reinen.

Hier harmoniert der finale Geschichtserfolg der Marxisten in beglückender Weise mit der ewigen Seligkeit der Christen: das best gehütete Geheimnis der gottbehüteten und zuversichtlichen Kanzlerin. Wer solche Jonglierkünste nicht versteht, wird das Land der Helden nimmermehr verstehen.

Mit welchen Methoden zerlegt das AfD-Musical die Psyche der penetranten Moralisten? Mit einfachsten Mitteln. Das Gute, dieser Satz steht fest, ist stets das Böse, das man – nicht lässt, sondern als Gutes deklariert. Wer Fremde willkommen heißt, ist in Wirklichkeit geil auf exotischen Sex oder will seinen Narzissmus caritativ aufrüsten. Die politisch Inkorrekten müssen hingegen die eigentlich Moralischen sein, die den Heuchlern der Gegenseite lustvoll die Maske der Biedermänner herunterreißen.

„Ich bin mir nichts bewusst, darum bin ich nicht gerecht gesprochen“: der übermoralische Paulus muss stets mit bösen Trieben seines unbewussten Es rechnen. In einer Kultur des autoritären Guten ist der Gute immer im Verdacht, seine Bosheit hinter Masken der Bonhomie zu verbergen. Das war die emotionale Reaktionsbildung der Deutschen, die sich in der Aufklärung weithin vom klerikalen Zwang zum Guten gelöst hatten. Da sie ohnehin „böse“ geworden waren, hatten sie nichts mehr zu verlieren oder zu verstecken. Streng genommen waren sie ehrlicher in ihrem gottfernen Protest als jene Duckmäuser, die mit guten Taten vor Gott und den Menschen nur prunken wollen.

Die griechische Kultur kam ohne religiöses Über-Ich und schuldbeladenes Es aus. Es gab nichts zu verbergen. Gibt es nichts zu verbergen, kann sich auch kein Unbewusstes bilden. Im Gegensatz zum ewigen Sündenkrüppel des Neuen Testaments folgte Sokrates der Devise: von Natur aus ist der Mensch gut. Ist er das, muss das Böse nur das unglückliche Produkt vieler Irrungen und Wirrungen des ursprünglich Guten sein. Sofern es ein Es überhaupt gibt, kann es nicht das Böse verdrängen – das nicht existent war – sondern nur das Gute, das durch schlimme Einflüsse der Umgebung entstanden sein muss.

Das Ziel der mäeutischen Anamnese ist es, das verdrängte Gute wieder ans Licht zu bringen, um die aktuellen Irrtümer daran zu erinnern, dass sie nicht ursprünglich waren und erst durch äußere Einflüsse entstanden sind. Der Aha-Effekt bei mäeutischen Dialogpartnern ist immer ein Aha der Erleichterung: ich bin kein unverbesserlicher Bösewicht, sondern kann mich durch Rückkehr zur Natur in den guten Menschen verwandeln – der ich schon immer war.

Das Unbewusste lebenslanger Sünder ist böse, das der heidnischen Philosophen ist gut. Das Erkunden des Unbewussten ist für gottgläubige Sünder immer erschreckend, für Verehrer der Mutter Natur eine Erleichterung und Bestätigung. Ich bin nicht so schlecht und verdorben, wie andere es mir eingeimpft haben. Ich kann gut werden, weil ich gut bin.

Nach einer demokratischen Vorbildphase scheint Europa sich heute just so zu entwickeln, wie es sich einst nach der anti-napoleonischen Freiheitsbewegung in Richtung diktatorischer Karlsbader Beschlüsse entwickelte. Militante Sicherheitsmaßnahmen an den europäischen Grenzen und im Innern der Nationen sollten die Europäer beruhigen und einlullen. Selbst die Geographie spielt mit. Karlsbad liegt im Osten wie heute Bratislava, wo jene Eliten Europa retten wollen, die Europa seit Jahrzehnten ins Unglück ritten.

BILD hat die Kanzlerin schon zum weiblichen Heiland Europas erkoren: „Soll Merkel jetzt auch noch Europa retten?“ Offenbar hat sie alles gerettet, was sie bislang in Angriff nahm. Hat Europa es überhaupt verdient, von der Madonna Europas, der Welt und des Universums gerettet zu werden? (BILD.de)

Das ist Religion. Mit Politik hat dies nichts mehr zu tun. Eine komplette Wiederholung der romantischen Sehnsucht nach einem religiös geeinten Europa. Adam Müller, einem Vordenker der romantischen Dichter, „schwebte ein religiöses Verhältnis unter den Staaten vor, eine Art realisierter civitas dei als Europapolitik seiner Zeit.“ Wie Novalis wendet er sich gegen eine rationalistische Friedenskonstruktion, die auf dem Gleichgewicht europäischer Staaten basiere. Wie Novalis verlangt er, dass Religion der Garant der europäischen Einheit werden muss.“ (P.M. Lützler, Europa)

Nicht die Völker werden aufgerufen, ihre Vorstellungen zu entwickeln und miteinander zu debattieren und abzustimmen. Eine winzige Elite maßt sich an, die Krise eines ganzen Kontinents durch äußerliche Reglementierungen, polizeiliche und ökonomische Maßnahmen zu beheben. Nach lähmenden Monaten der Ausweglosigkeit wollen die Mächtigen endlich wieder mit Macht imponieren. Außer Phrasen haben sie nichts zu bieten: die Junckers, Merkels, Tusks und Schulzen.

Die Karlsbader Beschlüsse veranlassten eine Hatz auf alle Kritiker und Demokraten, die als Demagogen beschimpft wurden. Heute werden Populisten unterschiedslos zu Teufelsbraten erklärt. Demagogen und Populisten sind das gleiche Wort. Wer Fürsprecher des Volkes sein will, muss automatisch ein Aufrührer sein.

Wer sich von äußeren und inneren Feinden bedroht fühlt, muss sich ethnisch und religiös zusammenschließen. Wer war schuld an den Zusammenstößen in Bautzen? Der neue Feind im Innern, die fremdgläubigen Flüchtlinge. Nur rhetorisch stellt BILD-Blome die Frage nach der Schuld. Weitläufige Selbstbesinnungen könnten wir uns nicht erlauben, schreibt er in einem Kommantar: er plädiert für Polizeieinsatz. Jetzt. (BILD.de)

Die FAZ hält die Schuldfrage für so unsinnig wie sie einst in der Kinderstube war. Dort wird nicht viel gefragt, sondern sofort geschrien und geprügelt. (FAZ.NET)

Die WELT bietet gleich zwei Schuldversionen an. Einerseits schildert sie die Vorgänge im Vorfeld, um die Flüchtlinge zu entlasten, andererseits werden die Opfer ungerührt zu Tätern gestempelt:

»Das geht so nicht weiter mit denen, die führen sich uff, als gehört dene Bautzen«, »die Neger brauchen ma’n Denkzettel, heut abend is wieder Asylis klatschen uffa Platte«, »und denn ab innen Steinbruch mit dene oder gleich heeme« – Sätze, die man dieser Tage in und um Bautzen in vielen Kneipen und auf den Straßen rings ums Zentrum hören kann.“ (WELT.de)

Gleichzeitig schreibt das Blatt:

„Gewalt soll von Flüchtlingen ausgegangen sein“. (WELT.de)

Inzwischen hat die Bautzener Polizei die Flüchtlinge in ihre Lager gesperrt.

In einem Potsdamer Colloquium versammelte sich die journalistische Elite der Nation, um die Pressefreiheit in Europa zu retten. Roberto Saviano, aufrechter Mafia-Aufklärer, erhielt seine wohl verdiente Anerkennung, während Can Dündar, mutiger Streiter wider Erdogan, mit einem Alibi-Interview abgefertigt wurde. Kai Diekmann persönlich stellte die Fragen, um den Verdacht der Merkel-Hörigkeit zu widerlegen. (Das Gespräch war nirgendwo zu finden, ebenso wenig die Hauptrede von Dan Diner. Dem Pöbel steht es nicht zu, über die Vorgänge im Allerheiligsten des Tempels unterrichtet zu werden.) Dündars Kritik an Merkel wurde mit einem Satz erwähnt. Attacken gegen auswärtige Despoten sind unerwünscht, sie könnten heilige Gesetze der Diplomatie unterlaufen. (BILD.de)

Eine intakte europäische Öffentlichkeit ist unerwünscht. Immer öfter unterliegen wichtige politische Vorgänge der Geheimhaltung. Und die Medien können sagen, sie haben die volksfeindlichen Maßnahmen der Mächtigen stets wirksam unterstützt. Warum berichtet nur BILD über die ach so wichtigen Gespräche im preußischen Ambiente? Wollte die Konferenz ein Abklatsch der geheimnisvollen Bilderberg-Treffen der Welteliten sein?

Merkel ist dabei, zum weiblichen Metternich der EU zu avancieren, der Europa für viele Dekaden von demokratischen Umtrieben der Völker porentief reinigte. Demagogengesetze muss sie nicht erlassen. Die Medien zügeln sich selbst. Freiwillig. Den Rest erledigen Frontex und die Polizei.

Die Kanzlerin hatte versprochen, alles zu unternehmen, um die Flüchtlingsprobleme an den Orten ihres Entstehens frühzeitig zu bekämpfen. Wie sieht die Realität aus?

„Die nächste große Migrationsbewegung wird aus Afrika kommen. Doch Europa ist so ahnungslos wie vor einem Jahr, als Hunderttausende Syrer die Flüchtlingskrise auslösten. Und heute? Da übersieht Europa schon wieder eine offenkundige Entwicklung. Oder es sieht sie und findet die Herausforderung zu groß, zu übermächtig, um darauf zu reagieren. Alle Bevölkerungs- und Wirtschaftsdaten aus Afrika rufen regelrecht, dass auch von dort starke Migrationsbewegungen ausgehen werden, wesentlich größere noch als gegenwärtig.“ (ZEIT.de)

Wie reagiert Merkel? Mit Erklärungen ihrer Vollkommenheit. Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Ich habe hart gearbeitet. Täglich hört sie die Stimme ihres himmlischen Vaters: Du bist meine liebe Tochter, an der ich mein Wohlgefallen habe.

In Demut antwortet die Magd des Herrn: wenn ich nur mit Dir im Reinen bin, oh Herr, dann bin ich es auch mit mir. Die Gottlosen werden es nie verstehen.

 

Fortsetzung folgt.