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Weltdorf LXXII

Hello, Freunde des Weltdorfs LXXII,

wer könnte den deutschen Donald Trump spielen? Dieter Bohlen? Zu harmlos, zu unpolitisch. Sein Machtbedürfnis ist schon saturiert, wenn er Einzelpersonen vor der Kamera zur Schnecke machen darf.

Deutsche Milliardäre verstecken sich, deutsche Showgrößen kennen das Wort Politik nur vom Hörensagen – oder wenn sie die Wahl des Bundespräsidenten cineastisch simulieren dürfen.

Doch wie wär‘s mit Maschmeyer, dem Liebling aller Hannoveraner Politiker, bereits gelandet in einer Hire & Fire-Sendung à la Trump, verehelicht mit einer Blondinen, die noch nicht Melanie heißt, aber einwandfrei den Satz nachplappern kann: ich wähle einen Politiker, der nicht nur reden, sondern auch zuhören kann? Nö, der auch nicht, scheut das grelle und aggressive Licht des Exhibitionismus.

Günther Jauch, Lieblings-Schwiegersohn der Deutschen bis ins Greisenalter, wäre der Idealtyp, doch ach, ihm fehlt – wie allen deutschen Gottschalks – alles Dämonische und Mephistophelische. Sie sind herzensgute Zeitgenossen, sie lieben Tiere und Menschen und spielen allzu gern das unschuldige Gretchen, über das der Bösewicht keine Gewalt hat:

Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen,
Der sprach sie aller Sünden frei.
Ich schlich mich hart am Stuhl vorbei,
Es ist ein gar unschuldig Ding,
Das eben für nichts zur Beichte ging;
Über die hab ich keine Gewalt!

Das Volk des faustischen Pakts will von Mephisto nichts mehr wissen. Das ist, als wolle man Erfolg haben – ohne über Leichen zu gehen. Nur ein Rest des faustischen Pakts blieb übrig – als karrieristischer Aufstieg zu den Eliten. Da dieser aber kanzlerinnen-verträglich und wirtschaftsförderlich ist, wurde das Mephistophelische in Selbstoptimierungsenergie umgetauft. Manche sprechen auch von Motivation, jener

Kunst, unmotivierten Menschen einzubläuen, dass sie motiviert zu sein haben, wenn sie etwas werden wollen. Und bist du nicht willig, kürze ich dir den Lohn.

Seitdem muss das Böse die deutsche Öffentlichkeit meiden – und darf sich nur in der Literatur und im Theater austoben. Dort aber mit Schmackes. Wehe den Autoren, die nicht das Dämonische und Abgründige im Tremolo der Faszination schildern: ohne erhobene Zeigefinger, ohne moralische Besserwisserei. Gut zu sein versteht sich für anständige Deutsche von selbst. Doch hält das Gute auch den teuflischen Versuchungen des Bösen stand? Das ist die Frage, die entscheidende Herausforderung.

Um den Dauertest zu bestehen, hat der deutsche Gott in seiner unendlichen Güte die Kunst erfunden. Kunst ist Versuchung. Also die Übertretung der Vater-unser-Bitte: und führe uns nicht in Versuchung. Der deutsche Gläubige, nicht nur fromm, sondern aufgeklärt, hält sich schon lange nicht mehr für so schwach, wie Jesus einst seine primären Schafe einschätzte. Nein, sie strotzen von Immunität des Guten.

Im normalen Leben anständig zu sein, das kann jeder. Den raffiniert untergründigen Versuchungen der Kunst aber zu widerstehen: das können nur Gebildete, die den Teufel in all seinen Verkleidungen aufspüren und ihn mit Hohn – zum Teufel jagen. Der Faust der Gegenwart braucht Mephisto nicht mehr als paradoxes Treibmittel zum Guten. Sondern als Punchingball, um der Welt zu beweisen, dass er seine Lektion verstanden hat. Welt, schau her, wir gehören wieder zu den Guten. Nein, nicht zu den Duckmäusern und Spießern, die sich fürchten vor dem Bösen, das sie sich in pflichtgemäßer Ängstlichkeit vom Leibe halten müssen. Sondern zu den überlegenen Artisten, die mit wilden Tieren spielen, als seien sie schnurrende Hauskatzen.

Die Deutschen – die in ihrer Geschichte den Versuchungen des Bösen keineswegs widerstehen konnten, ja das Gute und Vernünftige der westlichen Aufklärung als minderwertig ablehnten –, haben die Seiten gewechselt und gehören zu den Neubekehrten, die bereits so gut sind, dass sie allergisch wurden gegen das selbstgefällige Geschwätz der Gutmenschen. Muss man denn mit seinem Gutsein derart hausieren gehen wie diese Tugendbolzen, die oft genug ihr Moralgeschwätz nur zur Tarnung ihrer Heuchelei benutzen?

Nein, von dieser bigotten Art sind die wahren Guten nicht. Mit Gutsein ist es wie mit Geld: Geld hat man, darüber spricht man nicht. Nur im fiktiven Bereich der Kunst, der grenzenlosen Imagination, kann man überprüfen, ob man die Fallstricke des Bösen hinter allen Tarnungen aufgedeckt hat. Dann darf man mit ästhetischer Entdeckerfreude zeigen, dass man in seiner Tugendhaftigkeit unbesiegbar geworden ist.

Doch es hilft alles nichts. Die deutsche Charakterbildung der Nachkriegszeit ist kein vollständiger Übergang zur Vernunft der Aufklärung, sondern eine Kompromissbildung aus vordergründigem Lerneffekt, vor allem auf dem Gebiet der schnöden Tagespolitik – und trotzig-beibehaltener Bewunderung des Bösen in den Bereichen der Kunst. Das ordinäre Gute bietet keine Herausforderung. Das exquisite Böse ist ein intellektueller und ästhetischer Leckerbissen.

In der Romantik begann sich die Kunst vom kategorischen Imperativ zu trennen. Die Meisterschwärmer identifizierten das Gute der klerikalen Predigt mit dem Guten der kantischen Pflicht – und warfen beide unisono über Bord. Es war ein doppelter Befreiungsakt: von der Theologie und von der Vernunft. Die Abweichung vom Glauben konnte durch synchronen Widerstand gegen die Vernunft meisterhaft getarnt werden.

Noch heute können die Deutschen zwischen Glauben und Vernunft nicht unterscheiden. Ihren sogenannten Glauben – der an nebelhafter Ödnis nicht zu überbieten ist – halten sie für Vernunft, ihre Vernunft für eine abstrakte Form des Glaubens. Deshalb die doppelte Frontbildung: gegenüber Fundamentalisten und Creationisten halten sie Vernunft und Wissenschaft hoch, gegenüber Gottlosen den „rational begründbaren“ Glauben.

Den Abschied vom Guten beschreibt Ricarda Huch in ihrem Werk „Die Romantik“:

„Den sittlichen Gesichtspunkt ordneten die Romantiker dem ästhetischen unter, schien ihnen etwas schön oder ihrem Gefühle entsprechend, fragten sie nicht, ob es moralisch sei. Die Helden ihrer Dichtungen waren Artisten, die als höhere Menschen über dem Gemeinen standen. Die Gebräuche und Gesetze der Durchschnittsmenschen galten für diese Ausnahmemenschen nicht, sie befanden sich immer in außergewöhnlicher „romantischer“ Lage, wo der gemeine Maßstab nicht anzulegen war.“

Die schädlichen Wirkungen des amoralischen Herumvagabundierens konnten nicht ausbleiben. Ein grenzenloser Verdruss auf das normale Leben ergriff die ästhetischen Überflieger. Die empfindsamen Poeten, Maler und Musiker ergriff bald „ein ungeheurer Überdruss“ an ihrem nicht geerdeten beruflosen Vagabundenleben. Es war der „krankhaft übermäßige Kultus des Ich“ der ihnen Widerwillen erregte. Am Ende ihrer Ich-Vergötzung stand die Verzweiflung an allem, an Kunst und am Leben.

„Meinem Auge fehlt ganz der Maßstab für die Welt, für das Leben und das menschliche Gemüt“, schreibt der junge Wackenroder in einem Brief an einen Freund. „Die Kunst ist eine verführerische, verbotene Frucht; wer einmal ihren innersten, süßesten Saft geschmeckt hat, der ist unwiederbringlich verloren für die tätige, lebendige Welt. Immer enger kriecht er in seinen selbsteigenen Genuss hinein und seine Hand verliert ganz die Kraft, sich einem Nebenmenschen wirkend entgegenzustrecken.“

Womit wir bei Trump wären. Gemeinsamer Ausgangspunkt ist der Autismus des gläubigen Christen, der ausschließlich für seine eigene Seligkeit sorgen kann. Die Konkurrenz um die wenigen Himmelsplätze ist ein Kampf jeder gegen jeden. Die geringste Form der Solidarität, selbst zwischen den Liebsten, ist ausgeschlossen. Hobbes hätte präziser formulieren müssen: der Mensch ist dem Menschen kein Wolf, sondern ein Christ. Im Verlauf der Neuzeit werden theologische Charakterstrukturen zu „weltlichen“, denn die Welt wird in allen Aspekten durch den Geist der Religion kontaminiert.

Was in Deutschland die Selbstverwirklichung durch amoralische Kunst, wird in Amerika zur Selbstverwirklichung durch amoralische Wirtschaft. Der Autismus gottgleicher Ästheten wird zum Autismus gottgleicher Ökonomen und Machtmenschen. Erfolg ist das Zeichen des Erwählten, unbehindert durch lächerliche Tugendvorschriften. Der Ästhet, beschäftigt nur mit seinem Ego, wird zum anti-ästhetischen Businessman, der sich ebenfalls nur mit seinem Ego beschäftigt und sich keiner Moral verpflichtet fühlt.

Die Antinomie der christlichen Moral wird zur Moralfreiheit neuzeitlicher Techniker, Wissenschaftler und Ökonomen. Die objektiven Strukturen der Welt werden religiös, unabhängig von subjektiven Glaubensbekenntnissen. Der Kampf gegen die verheerenden Folgen eines gottgleichen Kollektivwahnsinns muss versuchen, die politischen Strukturen der Welt zu verändern.

Der deutsche Romantiker, der sich nur mit seinem Ich beschäftigt, ekelt sich bald an der Vergötzung seiner Person, verliert den Kontakt zur Welt und wird depressiv bis todessüchtig. Der amerikanische Erfolgsmensch ekelt sich ebenfalls an seiner sündigen Person, verliert ebenfalls den Kontakt zur Welt – aber mit ganz anderen Methoden und Wirkungen. Der mangelnde Kontakt zur Welt – bei Trump als Mangel an Empathie geschildert – wird zum Feldzug gegen die Welt mit wirtschaftlichen Überwältigungsplänen. Die Welt, zu der der Kapitalist jeden innerlichen Kontakt verloren hat, muss durch Herrschaft bestraft werden. Sie hat nichts Besseres verdient, als durch Auserwählte in den Schwitzkasten genommen und stranguliert zu werden, bis sie auf dem letzten Loch pfeift.

Der lebensunfähige deutsche Romantiker mutiert in Amerika zum scheinbar lebensstrotzenden Erfolgsmenschen, der aber nur leben kann, weil er seine Konkurrenten am vitalen Leben hindert. Seine eigene Vitalität basiert auf dem uralten Trugschluss der Reichen, durch Kontrastbildung mit den Schwachen ein tolles Leben führen zu können. Verlöre Trump über Nacht seine Golddukaten, säße er in blitzesschnell einsam und verlassen in den Ruinen seiner einstigen Glorie. Die meisten seiner Chargen würden ihn hohnlachend oder entsetzt in seinem Elend sitzen lassen.

Erfolg muss die fehlende Beziehung des Kapitalisten zur Natur und zum Mitmenschen kompensieren. Doch jede Kompensation ist ein minderwertiger Ersatz und entfernt sich stetig von wahren Beziehungen durch liebende Akzeptanz – die durch nichts auf der Welt ersetzt werden können.  

Der deutsche Romantiker verliert den Kontakt zur Welt – und ruiniert sich selbst. Der amerikanische Wirtschaftsromantiker – der seinen „Traum“ realisiert hat – ruiniert die ganze Welt. (Vergessen wir nicht, dass die deutschen Romantiker, gestählt durch eine erfolgreiche nationale Politik, sich in eine todesbringende Herrenmenschenrasse verwandelten.)

Wie alle Aktivisten der beschleunigten Heilsgeschichte, langweilt sich Trump am schlichten und einfachen Leben des glücklichen Menschen. Wie ein Paradies auf Erden ihn langweilen würde, so langweilt er sich am stillen Glück der „Selbst-Zufriedenen“ und „Satten“, die sich von Paulus besonders bedroht fühlen. Wer auf Erden zufrieden und satt werden kann, dem fehlt jede Motivation, sein irdisches Glück als illusionäres aufzugeben.

„Schon seid ihr satt, schon seid ihr reich geworden, ohne uns seid ihr zum Herrschen gekommen! Und möchtet ihr doch zum Herrschen gekommen sein, damit auch wir mit euch zum Herrschen kämen!“

Satt, reich und mächtig zu werden, ist an sich nicht verboten. Verboten ist es nur, wenn man es nicht in göttlicher Legitimation und in Kooperation mit mächtigen Priestern geworden ist. Es ist die anmaßende Autonomie des Menschen, die der Himmel hasst wie die Pest.

Der Schock der Deutschen über Trump – dem sie ähnlicher sind als sie zugeben – ist der Schock von Träumern, die sich plötzlich jener Realität gegenüber sehen, die sie nur die ganze Zeit ästhetisierten und poetisierten. Das Böse ihrer Phantasmagorie stand plötzlich als reale Machtfigur vor der Tür und bedroht seitdem alle Manikürkünste, mit denen der Westen seine bigotte Weltpolitik mit Phrasen übertüncht.

Die Koketterien der Deutschen mit dem Bösen beschränken sich auf das Gebiet ästhetischer Fiktionen. Der amerikanische Exzeptionalismus kennt keine Beschränkungen. Gottes eigenes Land will sich ausweisen durch Macht und cash, demonstrierbar durch obszönen Luxus. Und nicht durch poetische Suche nach einer blauen Blume. Der romantische Kern der Amerikaner steckt in ihrem Credo eines amerikanischen Traums, den jeder glaubt, als persönlichen Traum realisieren zu können.

Verwirklicht eure Träume, lautet das nationale Motto einer Nation, die überzeugt ist, ihre autistischen Größenphantasien mit knallharten Methoden umsetzen zu können. Das Ziel ist romantisch – romantisch eine Abkürzung für eschatologisch; die Methoden sind von romantikfreier Brutalität. (Vergessen wir aber nicht, die Romantiker liebten den heiligen Krieg gegen Gottes Feinde.) Trump ist die Fleischwerdung deutscher Sehnsüchte in harter amerikanischer Währung.

Das Aufjaulen der Deutschen zeigt, dass sie ihre Ähnlichkeiten mit Amerika vehement ablehnen. Sie wollen ihre idealisierten Befreier nicht verlieren, um sich nicht mit abgestürzten Helden herumärgern zu müssen. Den jähen Verlust ihres Ich-Ideals können sie durch ein starkes und selbstbewusstes Ich nicht auffangen. Schwankt das Vorbild, fallen sie in den Abgrund.

Jetzt schlüge die Stunde einer Freundschaft, die sich als kritische Solidarität bewähren könnte. Doch jetzt versagen sie auf der ganzen Linie. Nicht nur im Fall Amerika, auch im Fall Israel. Beide Staaten präsentieren sich der Welt als triumphierendes Tandem, das sich schamlos erlaubt, Völkerrechte zu ignorieren und Menschenrechte zu unterlaufen. Die Deutschen sind nicht freundschaftsfähig. Buckeln oder treten – ein Drittes kennen sie nicht.

Und doch gibt es eine deutsche Version Trumps. Es ist die BILD-Zeitung, die sich schon vor einiger Zeit zur Stimme des Volkes erklärt hatte und seit dem heutigen Tag die Beglückerin desselben sein will. BILD ist das Volk, BILD ist die Erlöserin des Volkes. Müsste man BILD nicht als Gazetten-Populistin bezeichnen?

„Wir wollen, dass Sie bei uns Gehör finden, wenn Sie sich über uns ärgern oder etwas falsch dargestellt sehen. Wir wollen, dass Sie unseren Fakten nicht nur vertrauen, sondern sie transparent nachvollziehen können. Wir wollen von Ihnen hören, wenn Sie meinen, einen Fehler entdeckt zu haben. Wenn Sie das Gefühl haben, dass wir in der Zeitung oder online der Realität Ihres Alltags nicht gerecht werden, wenn wir Dinge anders schildern und beschreiben, als Sie das täglich erleben, dann schreiben Sie uns. Wir werden Reporter schicken, die sich Ihre Sorgen, Ihre Einwände, Ihre Bedenken anhören. Von Fall zu Fall werden wir auch selber kommen und uns anhören, was Sie zu sagen haben.“ (BILD.de)

Der Verantwortliche des direkten Drahtes zum Volk ist Ernst Elitz mit vertrauenerweckenden weißen Haaren.

Sagen die Medien nicht selbst, dass sie die Realität nicht wahrheitsgetreu schildern, wenn sie der Devise folgen, nur schlechte Nachrichten seien gute Nachrichten? In einem SPIEGEL-Interview erklärte Doris Schadt – selbst Journalistin –, sie habe als Begleiterin des Bundespräsidenten völlig neue Aspekte der Welt erleben dürfen. Die Welt sei viel eindrücklicher und menschlicher, als die Presse aus Sensationsgründen berichten dürfte.

Wer Wirklichkeit verzerrt wiedergibt, der fälscht die Realität und vernichtet die Wahrheit. Wessen Motto lautet: sich mit nichts gemein machen, weder mit dem Guten, noch dem Schlechten, erklärt sich zum Unterstützer des Schlechten. Mit Gutem kann man sich nicht gemein machen. Wer das Gute nicht dem Schlechten entgegenstellt, lässt letzteres ungehindert passieren. Wer immer nur von Fakten, Fakten spricht, ohne sie moralisch zu bewerten, verhält sich unmoralisch. Völlig ausgeschlossen, für Demokratie und Menschenrechte einzutreten, ohne die Moral der Menschenrechte und Demokratie peinlich genau zu nennen und verteidigen.

Trump will dem Volk zum Recht verhelfen – und stärkt doch die Rechte der Superreichen. BILD tut, als wolle sie dem benachteiligten Volk zu Hilfe eilen, dennoch sind ihre Kommentare – wie im Fall der Hartz-4-Korrekturen – fast immer volksfeindlich und industriefreundlich. BILD maßt sich an, an Stelle des Volkes zu reden. BILD maßt sich an, dem Volk zum Recht zu verhelfen. Beide Elemente wollen die Regeln der Demokratie ad absurdum führen. Jüngstes Beispiel: der Versuch des neuen K-Kandidaten, die neoliberale Liebedienerei der Schröder-Regierung zu korrigieren. Schon bellt BILD los, übrigens mit der Stimme eines ehemaligen Steinbrück-Mitarbeiters.

„In der Bild kommentiert Rolf Kleine: „Die Agenda 2010 führte die SPD ins Langzeitkoma. Aber Millionen Arbeitslose fanden wieder einen Job. Schulz muss der Versuchung widerstehen, mit einer Rolle rückwärts auf Wählerjagd zu gehen. Dazu ist die Agenda – immer noch – zu wertvoll.“ Kleine war schon zu Schröder-Zeiten als Leiter des Hauptstadtbüros bei Bild. Später wechselte er zur Deutschen Annington, einem der größten Profiteure der Wohnraumprivatisierungswelle. Peer Steinbrück holte ihn inmitten seiner missratenen Kanzlerkandidatur als Sprecher, dann wechselte Kleine wieder zur Bild zurück.“ (TAZ.de)

Die Nöte der Bevölkerung sind die mitdenkenden Nöte beim Lesen täglicher Menschheitskatastrophen. Wie kann man mitfühlenden Zeitgenossen helfen, ohne die Katastrophen der Zeit zu erklären, die verantwortlichen Politiker in die Mangel zu nehmen, die Schuldigen Schuldige zu nennen?

Über eine Million Kinder drohen erneut zu verhungern. Wo ist die Stellungnahme von BILD? Wo bleibt der Kommentar zum Jahresbericht von Amnesty International, den das Blatt nicht mal erwähnt?

«Die Welt wurde 2016 finsterer und unsicherer», schreibt Generalsekretär Salil Shetty. Amnesty sorgt sich besonders, dass viele Politiker und Machthaber ihre Kritiker pauschal zu Feinden erklärten, denen Rechte abgesprochen werden dürften. Zunehmend würden einzelne Bevölkerungsgruppen „zu Sündenböcken für soziale und wirtschaftliche Herausforderungen“ erklärt und ausgegrenzt. Dass die anderen für Probleme verantwortlich gemacht würden, das sei der „möglicherweise bösartigste Angriff auf die Menschenrechte“, so Shetty.“ (SPIEGEL.de)

Auch in Deutschland werden Menschenrechte immer leichtsinniger ausgehöhlt. Wo bleibt die warnende Stimme von BILD? BILD berichtet von Schäuble, der die „Pleite-Griechen plötzlich schön redet“.

„Warum also wird Schäuble nun zum „Wende-Minister“? Graf Lambsdorff (50, FDP) zu BILD: „Schäuble redet Griechenland aus wahltaktischen Gründen schön.“ Der Finanzminister wolle das Griechen-Problem der Union vor der Bundestagswahl „übertünchen“.“ (BILD.de)

Warum fällt nicht der Name der Verantwortlichen, der Chefin des Finanzministers? Weil BILD Merkel schonen und Schäuble als Ablenkung benutzen will, um die Siegeschancen der CDU nicht zu gefährden.

Warum fehlt das schändliche Urteil eines israelischen Gerichts über einen Soldaten, der einen hilflos am Boden liegenden Palästinenser erschoss? Weil BILD ein Duckmäuserblatt ist, das seine Feigheit vor dem Freund zur philosemitischen Heldenpose stilisiert.

Und dieses Blatt erkühnt sich, der Wahrheit ein Forum zu geben? Den Gedemütigten und Beleidigten eine Stimme zu verleihen? Wer für Recht und Wahrheit eintritt, muss bewiesen haben, dass er weiß, wovon er spricht.

BILD will Stimme des Volkes sein, um das Volk zu ersetzen. Es will Probleme des Volkes lösen, indem es demokratische Gremien überflüssig macht.

BILD schickt sich an, zum medialen Trump Deutschlands zu werden.

 

Fortsetzung folgt.