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Weltdorf LXV

Hello, Freunde des Weltdorfs LXV,

„Doch es sieht gut aus. Sehr gut.“ Was sieht sehr gut aus? Der Untergang unserer Welt und der Beginn einer neuen. „Lasst das postapokalyptische Spiel beginnen“, überschreibt Marcel Reich in der WELT einen enthusiastischen Artikel über den Zustand der Menschheit nach ihrer fast vollständigen Selbstausrottung. (WELT.de)

Nur wenige Mitglieder der lebensunfähigen Gattung haben überlebt. Die Wiederholung des grausamen Spiels kann beginnen. Besinnungslos, bewusstseinslos. Ist die Gattung mit knapper Not dem kollektiven Suizid entkommen – oder brachen Naturkatastrophen über die Menschheit herein?

Mit solchen Petitessen gibt sich das Spiel nicht ab. Es will öde Zeit vertreiben, nicht zum Denken anregen: „1000 Jahre sind vergangen, seitdem die Zivilisation nach einer Katastrophe zusammengebrochen ist. Die letzten Menschen leben wieder in primitiven Stämmen von Jägern und Sammlern, die von Priestern mit okkulten Regeln zusammengehalten werden. Bedroht werden sie von Maschinenwesen, die in der Welt herumstreifen. Diese sehen aus wie Säbelzahntiger und Dinosaurier, dabei bestehen sie komplett aus Technik.“

Da capo mit einer starken Frau, die sich am Anfang der Zeiten mit einem Gott anlegte und in der futurischen Wiederholungsschleife sich mit okkulten Priestern herumschlagen muss. Priester müssen die letzten Menschen zusammenhalten. Ohne das Heilige, das all unsere Vernunft übersteigt, geht die Chose nicht.

Aloy, die Frau, muss „von niemandem gerettet werden“. Sie fightet gegen feindliche Wesen, die wie Tiere aussehen, aber Maschinen sind. Es wurde Wirklichkeit, was die anfängliche Moderne dekretierte: seit Descartes waren Tiere seelenlose Apparate, die man quälen und abschlachten durfte. Nur der Mensch hatte eine Seele, der Rest

der Schöpfung war, was in der Postapokalypse zur Realität werden wird: eine geistlos funktionierende Maschine.

Die Spieler des Endzeitspiels sollen sich mit der starken Aloy identifizieren: „Wir wollten eine agile, neugierige Heldin, mit der der Spieler die Welt entdeckt. Zwischendurch dachten wir mal, sie wäre zu sehr wie eine Prinzessin, da haben wir sie überarbeitet. Uns war wichtig, dass sie tough ist.“

Nachdem die Vorfahren der Heldin die Welt vernichteten, soll sie selbst neugierig die Welt entdecken. Tough wird übersetzt mit robust, hart, zäh, schwierig. Kann man neugierig sein, wenn man zur harten Kampfmaschine ausersehen ist? Ist man fähig, die Welt zu entdecken, wenn die Stammeltern, aller Neugierde überdrüssig, nichts anderes konnten, als die Welt in Stücke zu hauen? Niemand ist neugierig auf die Welt, wenn er sie nur beherrschen will. Ihre Gesetze will er nur zu Machtzwecken kennen lernen. Wissen ist Macht, keine zärtliche und bewundernde Kenntnisnahme.

Die Überraschung des Films: die Natur hat sich wieder regeneriert. Die Alte ist nicht tot zu kriegen. „Toll sieht die Welt auf jeden Fall aus: Aloy kann durch Flüsse schwimmen, auf Bäume klettern und sogar die Maschinenwesen durch einen technischen Trick so umprogrammieren, dass sie sie als Reittiere nutzen kann.“

Wenn die Natur so regenerationsfähig ist, kann ihre Abtötung nicht wirklich schlimm sein. Das Spiel ist wirklichkeitsgetreu, weil die Realität nichts als ein neckisches, beliebig wiederholbares Selbstzerstörungsspiel ist. Hollywoods Endzeitspektakel, unzählige Maschinenspiele und futuristische Phantasie-Literaturen sorgen für den emotionalen Unterbau einer naturfeindlichen Weltpolitik. Sind unsere Tiefenemotionen und kreativen Sehnsüchte auf das Unerhörte programmiert, hat die Politik keine Skrupel mehr, die Untergangs-Sehnsüchte der Menschen zu vollstrecken.

„Bei „Horizon: Zero Dawn“ dreht sich vieles um das Erkunden der Welt.“ Erkunden der Welt wäre philosophisch. Sollte die Menschheit zu einer Gattung von Naturdenkern geworden sein? Dann wäre die Postapokalypse eine Epoche des Wunders. Wunderhaft bereits die Fähigkeiten der Deutschen, die Apokalypse zu überspringen, um fröhlich in der Postapokalypse zu landen. Schnell die Welt zugrunde richten, damit wir mit Pfeil und Bogen Robotertiere erlegen können. Die Welt – ein einziges Abenteuer. Abenteuer kommt von Advent, der Zeit, in der der Herr kommen soll. Herr, komm, ach komme bald!

Apokalyptische Phantasien, die nicht dazu aufrufen, das Undenkbare zu verhindern, sind stumme Aufforderungen zur Selbstzerstörung der Gattung. Das Überleben der Menschheit wird zum vergnüglichen Risiko, dessen böses Ende nichts weiter ist als ein bloßes Glücksspiel. In unfassbarem Leichtsinn wird der Selbstmord der Gattung zu einem Entertainment mit irreparablem Ausgang. Finis hominis: ham wir gelacht.

Da die Deutschen apokalypseblind sind, verstehen sie nicht, dass der biblizistische Fundamentalismus der Amerikaner sich längst in Zeiten des nahe herbei geeilten Herrn wähnt. Trump ist für die einen der messianische Heros, der mit der Welt aufräumt, um den Garten Eden vorzubereiten; für die anderen der Antichrist, der infernalische Zustände herstellen wird.

Weltumgreifende Friedensdenker in der UNO und anderen Weltorganisationen sind für Biblizisten satanische Verkörperungen des Antichrist. Demnach kann Trump, als Widersacher aller internationalen Kooperation, nur der wahre Christ sein, der die Amerikaner vom Regiment des humanistischen Antichrist erlösen wird.

Sollten die Deutschen – die nach Aussage Safran Foers, eines israelischen Literaten, zum Gewissen der Welt geworden sind – sich zu den standhaftesten Gegnern Trumps entwickeln, werden sie in den Augen biblizistischer Amerikaner zum Volk des Antichrist werden. Ohnehin waren sie dies bereits durch ihren ökologischen Wahn, die Schöpfung zu bewahren. Obgleich der Schöpfer höchstselbst seine misslungene Kreation vernichten wird, um eine neue Schöpfung aus dem Hut zu zaubern. Alles, was nach universeller Menschlichkeit riecht, ist für Biblizisten ein Ruch des Teufels.

„Weltfrieden könne es nicht geben“, schrieb Herbert Lockyear im Jahre 1942: „Dies kann nicht der letzte Krieg sein. Die gegenwärtigen Gräuel sind nur der Laich, der noch viel schrecklicher Not hervorbringen wird.“ Diese Vision war das genaue Gegenteil dessen, was das liberale Establishment dachte. Es gab in Amerika „zwei Nationen“, die sich außerstande sahen, die jeweils andere Perspektive auf die moderne Welt zu teilen.

„Der göttliche Plan bewegt sich auf seine unausweichliche Erfüllung zu.“ Das atomare oder ökologische Massensterben würde die wahren Gläubigen nicht betreffen. Denn vor dem Ende würden sie bereits in den Himmel entrückt. Die Qualen der Endzeit müssten nur von Heiden und Ungläubigen erduldet werden. (Zitiert nach Karen Armstrong „Im Kampf für Gott, Fundamentalismus im Christentum, Judentum und Islam“)

Der Amerikanist Michael Hochgeschwender will, was alle deutschen Intellektuellen wollen: in der trumpistischen Bewegung einen abflauenden christlichen Glauben erkennen. Was man als Abendländer hasst, kann man als heidnische Gottlosigkeit viel besser hassen. Weshalb auch der Nationalsozialismus mit klerikaler Fälschungsenergie in ein germanisch-heidnisches Phänomen verwandelt wurde, damit niemand das Dritte Reich als vorhergesagtes Endreich des Heiligen Geistes erkennen darf.

Dabei treten die christlich-jüdischen Endzeitphänomene in Form von Weltkrisen immer deutlicher in Erscheinung. Doch starrsinnig bleiben die Deutschen dabei, Demokratie und Menschenrechte als Früchte des Glaubens zu betrachten.

Bei Anne Will (die eine Attacke gegen das Titelbild des SPIEGEL als niveaulos unterband, obgleich eine sorgfältige Debatte über die Art des Widerstands gegen Trump notwendig wäre) erinnerte Justizminister Maas an die christlichen Pilgerväter, die aus Freiheitsgründen in die neue Welt geflüchtet seien. In Wirklichkeit wollten die Frommen nur kollektive Freiheit für ihre Sekte, auf keinen Fall politische Freiheit für die Einzelnen.

Welche Art der Gesellschaft wollten die Puritaner in Neu-England errichten? Rus Walton, selbstkritischer Amerikaner, beantwortete diese Frage mit den Sätzen: „Eine Demokratie? Nie und nimmer. Die frühen Puritaner hätten nichts dergleichen in die neue Welt gebracht. Auch für die Freiheit des Individuums hätten die Puritaner nichts übrig gehabt.“

Für fromme Amerikaner ist der „säkulare Staat“ ein Desaster. „Amerika, als Republik auf der Grundlage der Bibel begründet, sei eine Katastrophe, erklärte John Whitehead. Die Humanisten hätten den Staat zum Objekt ihrer Anbetung gemacht. Der säkulare Humanismus sei nichts anderes als eine Auflehnung gegen Gottes Obrigkeit.“ (Nach Armstrong)

Dem amerikanisch-apokalyptischen Fundamentalismus entspricht der parallele Endzeitglaube der jüdischen Ultras in Israel. Dies ist der religiöse Kern des amerikanisch-israelischen Bündnisses. Der säkulare Staat, so Rabbi Kook, einer der profiliertesten Vertreter des jüdischen Fundamentalismus, habe das jüdische Problem nicht gelöst. Der Antisemitismus sei schlimmer denn je. „Der Staat Israel ist der einzige Staat auf der Welt, dem Vernichtung droht“, schrieb Kook.

Es gebe keine Aussichten auf Normalisierung, niemals könnten die Juden eine Nation wie andere werden. Statt den Krieg als weitere jüdische Katastrophe zu betrachten, sollte man ihn lieber als einen Akt der Reinigung verstehen. So Rabbi Yehuda Amital. Die säkularen Juden, deren Zionismus so erbärmlich unzulänglich sei, dass er die Nation an den Rand des Untergangs geführt habe, hätten versucht, das Judentum mit dem Rationalismus und der demokratischen Kultur des modernen Westens zu verschmelzen. Dieser Einfluss müsse ausgemerzt werden. Israel habe nun das Land erobert. Was aber noch zu tun sei für den Prozess der Erlösung, sei, die letzten Spuren des weltlichen Geistes aus den Seelen der Juden zu tilgen, die zu ihrer Religion zurückkehren müssten.

Dieser heilige Krieg habe die letzte Stunde des Säkularismus eingeläutet. Kooks Anhänger würden nun einen verschärften Kampf gegen den Westen beginnen. Selbst der Holocaust, so Kook, sei nur eine pädagogische Disziplinarmaßnahme Gottes gewesen, um die Erlösung voranzutreiben. Er habe die Juden gezwungen, aus der Diaspora ins Heilige Land zurückzukehren. Die Juden hätten sich „so fest an die Unreinheit fremder Länder geklammert, dass sie, als die Endzeit anbrach, unter großem Blutvergießen abgeschnitten werden mussten“. Solche Katastrophen offenbarten Gottes Hand. Sie hätten die Wiedergeburt der Thora bewerkstelligt und all dessen, was heilig ist. Die Geschichte des Shoa habe eine Begegnung mit dem Herrn des Universums herbeigeführt. Da der Krieg gegen die Heiden unvermeidlich sei, müsse die Armee auch als heilige Institution betrachtet werden. Die Soldaten seien so rechtschaffen wie die Thora-Gelehrten und ihre Waffen so heilig wie ein Gebetsschal oder die Gebetsriemen. Der Zionismus sei aus einer gottlosen Angelegenheit zu einer göttlichen Wesenheit geworden. (Alles nach Armstrong)

So wenig die Deutschen die apokalyptische Seelenverfassung ihrer amerikanischen Verbündeten zur Kenntnis nehmen, so sehr ignorieren sie die politisierte Endzeitstimmung ihrer israelischen Freunde. Mit anderen Worten: von ihren engsten Verbündeten haben sie keine Ahnung. Je weniger sie verstehen, umso bedingungsloser und unkritischer werden ihre Loyalitätserklärungen, mit denen sie ihre blinden Flecke kompensieren müssen.

Ähnliche Vorgänge gibt es auch im Islam. Die wesenhaft identischen Endzeitvorstellungen von Christentum, Judentum und Islam sind die Hass- und Gärungsmittel der gegenwärtigen Nahost-Turbulenzen. Wenn alle drei konkurrierenden Religionen ihren eigenen Messias und den Lohn ihrer spezifischen Erwählung erwarten, muss geklärt werden, welcher Messias der wahre und welche Religion die Siegerin im Kampf um das Goldene Jerusalem sein wird.

Kein Zufall, dass die christlichen Weltmächte – unter Putin kehrte Russland zum orthodoxen Glauben zurück – auf den heiligen Ländern des Nahen Ostens ihre Stellvertreter-Kriege ausführen. Aus der Sicht christlicher, jüdischer und muslimischer Fundamentalisten ist der Krieg noch lange nicht vorbei. Amerikanische Biblizisten wollen nach wie vor die säkulare Regierung vernichten. Der Krieg werde sich noch lange ins 21. Jahrhundert hineinziehen. (Nach Armstrong)

Warum ist der Waffenbesitz in Amerika ein heiliges Privileg? Weil jeder Endzeitkrieger gerüstet sein will, wenn der Herr an die Pforte pocht. Dann will er nicht in schlafendem, verweichlichtem und ungerüstetem Zustand überrascht werden.

Armstrongs Resümee: „Letztlich ist Religion keineswegs aus der Politik verschwunden. In manchen Kreisen ist sie militanter denn je. In allen drei monotheistischen Glaubensrichtungen reagieren die Fundamentalisten auf jeden Versuch, die Religion zu privatisieren oder gar abzuschaffen, mit heiligem Zorn. Der Fundamentalismus ist heute ein fester Bestandteil der modernen Welt. Er steht für eine weit verbreitete Enttäuschung, Angst und Zorn.“

Trumps Erfolg ist ohne Aufstand der Biblizisten nicht denkbar. Sie müssen durchaus nicht zu den sozialen Losern gehören, um sich vom eigenen Staat und der ganzen Welt ausgegrenzt zu fühlen. Die demokratische Ketzerei – so glauben sie – werde bald abgeschafft und die Gesellschaft nach biblischen Grundsätzen neu geordnet werden.

Jedes Gesetz der Bibel müsse wortwörtlich umgesetzt werden. Die Sklaverei werde wieder eingeführt, die Geburtenkontrolle verboten – die Frommen müssen fruchtbar sein und sich mehren. Ehebrecher, Homosexuelle, Gotteslästerer, Hexen würden alle hingerichtet. Schon in den ersten Siedlungen der Puritaner gab es Hexenprozesse. Siehe das Drama „Hexenjagd“ von Arthur Miller, der historische Vorgänge in der Stadt Salem, Massachusetts, aus dem Jahre 1692, zur Vorlage genommen hat. Ungehorsame Kinder müssten gesteinigt werden. Das Wirtschaftssystem werde streng kapitalistisch sein. Sozialisten und linke Sympathisanten seien sündig. Gott stehe nicht auf der Seite der Armen. Es gebe, so ein biblizistischer Ideologe, eine enge Verbindung zwischen Niedertracht und Armut. Steuern sollten nicht für Sozialpprogramme verschleudert werden; die Unterstützung von Faulpelzen sei nichts als die Unterstützung des Bösen.

Dasselbe gelte für die Dritte Welt. Ihre wirtschaftlichen Probleme habe sie sich selbst zuzuschreiben, weil sie sich an moralische Verderbtheit, Heidentum und Dämonenglauben klammere. Die Bibel habe fremde Hilfe verboten. Während die Christen auf den messianischen Endsieg warteten – der noch eine Weile dauern könne –, müssten sie die Gesellschaft nach Gottes Regeln neu einrichten und eine Politik unterstützen, die den strengsten biblischen Normen entspräche.

Wer erkennt in diesen biblischen Grundsätzen nicht die Politik Trumps? Trump muss es gar nicht bewuust sein, dass er intuitiv eine grundsätzliche Wende in der amerikanischen Politik verfolgt: die aufgeklärte, weltliche Seite Amerikas muss vernichtet, die biblizistische ohne Rücksicht auf Verluste zum Endsieg geführt werden.

Deutsche Beobachter akzeptieren nur verbale Bekenntnisse als Zeugnisse einer religiösen Politik. Dass Religion längst die Tiefenstrukturen der politischen Moderne prägt: vor dieser Erkenntnis verschließen sie sorgfältig ihre Augen. Bei Luther bestand Wiedergeburt nur aus gestammeltem Glauben, in der Moderne wird sie zu kulturellen Werken und Taten.

In Amerika ist die Gesellschaft in zwei feindliche Lager gespalten. Dass Trumps Anhänger und Gegner sich etwa fifty-fifty gegenüberstehen, entspricht der Spaltung des Kontinents in ein frommes und ein säkulares Lager. 44% erwarten die Erlösung allein durch Christus. 30% bezeichnen sich als wiedergeboren. 28% verstehen die Bibel wortwörtlich. 27% sind fest überzeugt, die Bibel könne keine wissenschaftlichen oder historischen Irrtümer enthalten.

Trumps Position ist nicht links. Vielleicht hat er als Aufsteiger noch Reste an Mitgefühl mit jenen, die den Aufstieg nicht so schafften wie seine Familie. Doch seine Kumpanei mit der Wallstreet zeigt deutlich, wohin der Kurs führen soll: die Milliardäre haben immer noch zu wenig Macht durch Mammon und müssen sich vor Spöttern, Speiern und demokratischen Angebern verantworten. Das muss ein Ende haben. Die Verbundenheit mit dem Volk ist weniger sozial denn religiös-national.

Allzu lange bestimmten säkulare Aufklärer das Geschick der Amerikaner. Das muss geändert werden. Das Lieblingsvolk des biblischen Gottes muss neu zu Ehren kommen. Hier deutet sich der künftige Konflikt mit seinem Freund Netanjahu an. Aus bedingungsloser Solidarität wurde über Nacht eine Distanz: die Siedlungspolitik Jerusalems sei nicht hilfreich zur Friedenstiftung zwischen Palästinensern und Israelis, ließ Washington vermelden. Der unvermeidliche Konflikt zwischen den beiden Staaten hängt mit der Frage zusammen: kann es zwei Lieblingsvölker Gottes geben? Wenn aber nicht – wie die Heilige Schrift bezeugt: welches Volk ist dann das wahre auserwählte Volk? Die antisemitischen Stimmen der Trump-Regierung sind längst überzufällig.

Ist Trump geistesgestört, wie amerikanische Psychiater behaupten?

„Malignant Narcissism“ (Bösartige Selbstverliebtheit) lautet der Befund von Professor John D. Gartner von der renommierten Johns Hopkins Universität in Baltimore (Maryland). Der Psychotherapeut sagte dem Nachrichtenmagazin „US News“:

Wenn der neue Präsident wahnsinnig sein sollte, müsste die Hälfte seines Volkes, das ihn wählte, genau so irre sein. Wie lautet die ausführliche Ferndiagnose der Therapeuten?

„Bösartige Narzissten tun alles, um an ihr Ziel zu kommen. Sie können intelligent und hochgradig funktionsfähig sein und so beispielsweise wichtige Jobs ausüben. Sie können charmant sein, emotional wirken, würdevoll, freundlich und sie können Beziehungen führen.“ Doch diese Menschen sind unter Umständen tickende Zeitbomben: „Sie können lügen, falsche Anschuldigungen erheben, dramatisieren, stehlen, manipulieren, verleumden oder Fakten verdrehen. Sie fühlen sich im Recht und sind so egozentrisch und besessen, dass sie dies nicht als falsch ansehen. Sie haben keine Schuldgefühle oder Reue und fühlen sich missverstanden.“

Den professionellen Seelenkennern fehlt jede historische Dimension, um das Phänomen Trump politisch einzuordnen. Sie vergessen den Grundsatz: Ontogenese ist eine verkürzte Phylogenese, die Entwicklung des Einzelnen ist eine abgekürzte Entwicklung der Gattung. Die persönliche Biografie fällt nicht vom Himmel. Sie ist das individuelle Produkt einer kollektiven oder nationalen Biografie.

Die Psychiater wollen sich selbst und ihr Land entlasten, indem sie ihren Präsidenten als isolierte Monade betrachten. Die Diagnose könnte man als christliche Antinomie charakterisieren. Der Erwählte steht über allen Regeln der Moral. Im Dienst des Herrn stehen ihm gute und böse Mittel nach Belieben zur Verfügung.

Trumps Diagnose ist ohne historische Vorbilder nicht zu verstehen. Nehmen wir seine Lügenhaftigkeit, so müssen wir zwei wichtige Stimmen erwähnen, die Lügen im politischen Bereich für legitim, ja notwendig hielten: Machiavelli und sein Interpret Leo Strauss, ein deutsch-jüdischer Schüler Carl Schmitts, der eine bedeutende Rolle im rechten Lager Amerikas spielte.

„Da Machiavelli im Erfolg das wichtigste Ziel des Fürsten sieht, stuft er die Lüge als legitimes Mittel ein, um diesen Zweck zu verwirklichen. Allerdings weist er darauf hin, dass dies im Verdeckten stattfinden müsse. Dann nämlich könne höchstens eine Minderheit die wahre Natur des Fürsten erkennen, während die breite Masse weiterhin an die Aufrichtigkeit seines Herrschers glaube. Und da der Machterhalt des Fürsten im Wesentlichen von dieser Mehrheit der Bevölkerung abhänge, kommt Machiavelli zu dem Ergebnis, dass der Fürst durchaus wortbrüchig werden dürfe, solange dies unbemerkt geschehe, weil er auf diese Weise seine Erfolge zu mehren vermag ohne seine Herrschaft dabei in Gefahr zu bringen.“ (Wiki)

„Eliten haben demnach das Recht, ja geradezu die Pflicht zur Manipulation der Wahrheit. Sie dürfen zu den „frommen Lügen“ und dem selektiven Gebrauch der Wahrheit Zuflucht nehmen, wie es Plato empfiehlt.“ (Leo Strauss) (SPIEGEL.de)

Zwischen Machiavelli und Trump gibt es allerdings einen kleinen Unterschied. Lügen des Fürsten ist bei Machiavelli nur in verdeckter Form erlaubt, damit das Volk nicht an ihm zu zweifeln beginnt. Trump wirft alle bisherigen Aufrichtigkeits- und Höflichkeitsregeln über den Haufen. Das ist das Zeichen der Endzeit: wir müssen Tacheles reden. Es geht um Alles oder Nichts.

Heucheln war das Zeichen berechnender und ängstlicher Heiden. Die Erwählten haben solche Versteckspiele nicht mehr nötig. Trumps Ehrlichkeit ist für seine biblizistischen Untertanen das Zeichen, dass ER es ist, der da kommen soll. Es zeugt von wahrer Berufung, wenn Duckmäusereien der Welt nicht mehr eingehalten werden müssen. Gott führt alles zum finalen Sieg, das Gute und das Böse.

In Amerika herrscht eine fragile Kooperation zwischen aufgeklärten Demokraten und strengen Biblizisten. Bislang rauften sich beide Hälften immer wieder zusammen. Trump könnte der Erste sein, der die zerbrechliche Balance irreparabel zertrampelt.

Wenn die Zeit der Entscheidung kommt, werden Gottes Bücher aufgeschlagen. Zweideutigkeiten und Heucheleien haben vor dem Jüngsten Gericht keine Chancen mehr.

 

Fortsetzung folgt.