Kategorien
Tagesmail

Weltdorf C

Hello, Freunde des Weltdorfs C,

Walter Steinmeier, pastorale SPD-Ausgabe des Bundespräsidenten, Ehrenmitglied exklusiver Warner-Garden („ich warne vor …“), ermutigt sein Volk zur Rettung der Volksherrschaft, indem er es entmutigt: „Glaubt ja nicht, dass ihr die Probleme der Demokratie lösen könnt. Sie sind zu komplex, übersteigen eure Lösungs-Kapazitäten um ein Vielfaches“.

Die präsidiale Volkspädagogik des einstigen Schröder-Gehilfen ist „energiegeladen nach vorne gerichtet“. Nach vorne in eine verheißungsvolle Zukunft, in der die Menschen verstummen, weil ihre Gottesmaschinen den homo simplicius stupidus abgeschafft haben. Die glänzende Zukunft des Homo Deus – von dem Historiker Noah Harari in Sehergabe vorausgesagt – wird identisch sein mit jenen vergangenen Epochen der Finsternis, in denen der Mensch die Klappe zu halten hatte.

Die progressiv-steinzeitliche Erziehungskunst lässt sich als widersprüchlicher Imperativ – oder paradoxe Intervention – formulieren: „Sohn! (Töchter spielten keine Rolle) mach deinen Eltern keine Schande und werde ein berühmter Mann, damit wir stolz auf dich sein können. Glaub aber ja nicht, dass du dieses Ziel erreichen wirst. Dazu bist du zu antriebslos und zu begriffsstutzig. Also lass die hohe Bildung und backe beizeiten simple Brötchen.“

Auch ein Beitrag zur Gleichheit der Chancen durch Bildung – zur willigen Befehlsempfänger-Masse. Wie haben Volkshorden zu sein, um Führungsklassen nicht auf den Wecker zu fallen? Sie sollen einfach gestrickt sein, um die undurchsichtigen Machenschaften der Erwählten nicht zu durchschauen, doch gewitzt und clever genug, um es erst gar nicht zu probieren.

Wen die Eliten lieben, den züchtigen sie zu Demuts-Nieten. Das Ziel führender BRD-Brahmanen steht fest: der unterkomplexe Massenmensch hat sein Schicksal nicht selbst zu gestalten. Macht- und Priesterklassen hingegen wissen, dass sie der Geschichte, der Evolution, der Zeit und dem Zufall ausgeliefert sind. Sie sind

 die wahrhaft Unterwürfigen, die sich der Leitung einer übermächtigen Geschichte ergeben. Doch zuvor wollen sie noch die große Sause machen: nach uns die Sintflut.

Es ist der Pöbel, der aufbegehrt wider die übermenschlichen Mächte der Geschichte. Er muss in die Schranken gewiesen werden. „Wenn aber ein Blinder einen Blinden führt, werden beide in eine Grube fallen“, sagte ein blinder Blindenleiter.

„Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht die Demokratie in Deutschland und weltweit unter Druck und ruft zu einem entschiedeneren Einsatz dafür auf. „Viele – bei unseren Nachbarn, Partnern im Ausland und in Deutschland – kehren der Demokratie den Rücken“, warnte er in Berlin: „In einer komplizierter werdenden Welt sehnen sie sich nach den ganz einfachen Antworten und den simplen Freund-Feind-Lagern.“ (FOCUS.de)

Simples Freund-Feind-Lager-Denken ist das Denken des Westens, der alles, was seine Dominanz nicht bewundernd anerkennt, als Feind betrachtet. Wer auf die Schuld des Westens, etwa im undurchdringlichen Syrienkonflikt, verweist – wie der tapfere Michael Lüders –, der wird durch mächtige Kasten, von John Kornblum bis zum SPIEGEL, als – man höre und staune – Schwarz-Weiß-Simpel abgefertigt. Merke. Grau, grau, grau haben alle Verhältnisse zu sein, die sie selbst eingenebelt haben, damit nicht Krethi und Blödi sie durchschauen.

Beim Wort Wahrheit werde ich fuchsig, fauchte Uwe Karsten Heye, einstiger Pressesprecher eines SPD-Kanzlers, in einer Debatte mit Norbert Bolz, der den Medien vorwarf, schlimmer als eine Lügenpresse zu sein. Denn alles Wichtige würden sie dem Volk vorenthalten und verheimlichen, weil sie den Pöbel für unmündig hielten.

Heye blieb standhaft bei der Wahrheit seiner Wahrheitsverleugnung, während Bolz die mediale Zensur als Moralismus bezeichnete. Dass Moral in unbedingter Achtung vor der Wahrheit gründet, war dem Professor für Kommunikationswissenschaft und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Wirtschaftsrats der CDU unbekannt.

Peter Hahne, ZDF-Leiter des Gesprächs, theologischer Verächter aller außerbiblischen Wahrheit, klärte die komplementären Blinden nicht auf. Mit Wahrheit wollen öffentlich-rechtliche Sender nichts zu tun haben; verfassungsgemäß haben sie nur der Bildung des Volkes zu dienen: der Bildung zur öffentlichen Blindheit. Das sollte dem Volk die rechtliche Pflichtknete von 17,5 Euro pro Monat allemal wert sein.

Higgelti Piggelti Pop, es muss im Leben doch mehr als alles geben – erklärte Merkels Innenminister, der aus Liebe zum deutschen Wesen seinen undeutschen Namen in Demässiär umtaufen ließ. Demokratie? Menschenrechte? Verfassungspatriotismus? Deutsche haben sich mit solchen Trivialitäten nicht zu begnügen.

„De­mo­kra­tie, Ach­tung der Ver­fas­sung und Men­schen­wür­de gel­ten in allen west­li­chen Ge­sell­schaf­ten. Ich meine: Es gibt noch mehr. Es gibt so etwas wie eine „Leit­kul­tur für Deutsch­land“. (ZEIT.de)

Was auch in anderen Ländern gilt, kann nicht viel wert sein. Deutschland ist ein unvergleichliches Land, das alle ordinären Demokratien in den Schatten stellt. Individuum est ineffabile, ein Geschöpf Gottes ist unvergleichlich. Menschenrechte kann jeder. Das Sahnehäubchen aber auf allen hiesigen „Staatsbürgern“ ist das Deutsche.

„Wir – das sind zu­nächst ein­mal die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger un­se­res Lan­des. Nicht jeder, der sich für eine ge­wis­se Zeit in un­se­rem Land auf­hält, wird Teil un­se­res Lan­des.“

Teil unseres Landes – ist das eine geographische Metapher für Mensch? Nicht alle, die sich hinterlistig in unser Land einschleichen, sind Menschen? Muss jener Artikel des Grundgesetzes also korrigiert werden in den Satz: nur die Würde des deutschen Menschen ist unantastbar? Gelten internationale Menschenrechte nicht für „Teile des nationalen Landes“, die sich zufällig in unserem Land befinden?

Wir sind nicht Burka, wir zeigen Gesicht – aber nicht das Gesicht unserer Wahrheit. Denn Wahrheit kennen wir nicht. Jeder versteckt sich hinter seiner uniformen Maske aus Liebedienerei und Erfolgsgier.

Wir sind eine offene Gesellschaft, aber nicht für beliebige Hilfesuchende aus aller Welt, die unser Sozialsystem plündern wollen. Wir kennen keine Obergrenze unserer Nächstenliebe, doch das internationale Gesindel, das auf unsere Kosten leben will, verabscheuen wir.

Wir sind eine offene Gesellschaft. Wer aber unsere Religion nicht als Grundlage des „Staates“ akzeptiert, ist der Feind unserer heiligsten Gefühle.

Wir sind eine offene Gesellschaft, aber ein geschlossener Staat – den wir als überfürsorgliche und alles reglementierende Einrichtung ablehnen, weil er sich einbildet, für gerechte Verhältnisse sorgen zu müssen. Und weil er sich in wirtschaftliche Dinge einmischt, von denen er nichts versteht. Wir sind zwar eine Demokratie, doch bei uns entscheidet der Staat und nicht eine zufällige Mehrheit.

Bildung ist bei uns keine Bildung zur Demokratie, sondern eine angebliche Allgemeinbildung. Also jene Vielwisserei, die keinen anderen Zweck kennt, als bei Günther Jauch Quizkönig zu werden. Sie ist auch keine Allgemeinbildung, sondern Ausbildung zur Berufsidiotie. In diesem Sinn soll sie Gleichheit der Chancen garantieren, obgleich die Erben der Reichen und die Eliten der Leistungsklassen ihren Nachwuchs inzestuös aus den eigenen Reihen beziehen.

Bildung kann nicht zu gleichen Chancen führen, weil alle Menschen in unterschiedlichen Milieus mit unterschiedlichen Begabungen und Neigungen aufwachsen. Wer keine Lust verspürt, gegen seine Mitmenschen einen ständigen Wettbewerb zu führen, wird von der Gesellschaft raus katapultiert. Wer seinen Leistungswillen selbst bestimmen will, muss als Eremit leben – wenn er noch eine geschützte Einöde findet, die von den Raupenbaggern der Zivilisation nicht schon attackiert wird.

Wer nicht jene Begabungen zeigt, mit denen er in der Gesellschaft brillieren kann, muss am Hungertuch nagen. Wer mit seinem Leben zufrieden sein will, mit dem ist die allerfreieste Gesellschaft der Geschichte gar nicht zufrieden. Nur wer sich ständig durch Imponiergehabe bestätigen muss, ist ein wertvolles Mitglied der Unzufriedenen und Missvergnügten, die ihr Selbstwertgefühl durch Abwertung ihrer Mitmenschen stabilisieren müssen.

Bildung als Erinnern unserer Gewordenheit, als Durcharbeiten historischer Konflikte und als Begründen unserer gegenwärtigen Autonomie – gibt es so gut wie nicht. Wir wissen nicht, woher wir kommen, welche Traditionen uns im Guten wie im Schlechten geprägt haben und in welche Zukunft wir gehen, die allein von unseren menschlichen Qualitäten abhängt – und nicht von algorithmischen Codiermethoden.

Bildung ist Wille zur Erkenntnis der Natur, die nicht von uns erschaffen und nicht geprägt wurde. Nur unsere Überlebensnische können wir gefährden, um die ganze Gattung zu vernichten.

Gesetze der Natur sind Sicherheitsgarantien der Natur – und weder bloße Gewohnheiten (Hume) noch Wirkungen unseres gottähnlichen Denkens (Kant), geschweige Schöpfungen aus dem Nichts (Fichte). Wir haben alles von der Natur zu lernen, Natur kann von uns nichts lernen.

Lernen können wir nur, wie wir humaner werden. Durch Ersatzleistungen quantitativer Maschinen können wir nicht menschlicher werden. Humanität erlernen – das wäre Bildung, die ihren Namen verdiente. Alles andere ist nur Wissen zur Macht, die uns zur Beherrschung von Mensch und Natur befähigt. „All­ge­mein­bil­dung hat einen Wert für sich. Die­ses Be­wusst­sein prägt unser Land“: diese Sätze sind ein Gipfel der Unbildung.

Wir fordern Leistung. Wer maßt sich an, von anderen etwas zu fordern, wenn wir doch in einer freibestimmten Gesellschaft leben? Wir – sind das nicht jene, die uns mit Hilfe von Arbeitsplätzen erpressen, damit wir nicht verhungern, wenn wir uns weigern, ihren Forderungen zu folgen? Bei uns verhungert man nur psychisch. Wer sich den anmaßenden Leistungsvorgaben widersetzt, wird von den Mächtigen zu Überflüssigen erklärt, die am Rand der Gesellschaft dahin siechen.

Kein selbstbewusster Mensch will nichts tun. Er wurde als Kind geboren, das neugierig ist auf die ganze Welt und sein Leben tatkräftig gestalten will. Nur Gängelungen mit Lohn und Strafe, Einschüchterungen mit ewiger Seligkeit und endlosen Höllenstrafen, deformierten die Selbstgestaltungskräfte des Menschen. Der Einzelne geht in den inneren oder äußeren Widerstand, verletzt sich selbst und seine Umgebung, um sich für seine permanente Unterjochung zu rächen.

Bildung ist die Fähigkeit, anderen Menschen Kränkungen zu ersparen und sich selbst gegen inhumane Deformationen zu schützen. Kriminelle Taten sind stets Verzweiflungstaten, nie Taten der Ratio. Wer dem widerspricht, der glaubt an das angeborene Böse und ist Anhänger einer Erlösungsreligion – ob er es weiß oder nicht:

„Man kann in dieser Partei – der AfD – Reinhard Heydrich für einen ordentlichen Mann halten und Anders Breivik für jemanden, der aus Verzweiflung zum Massenmörder wurde.“

Jan Fleischhauer ist außer Rand und Band – wenn er beide Sätze zusammenwirft. Die Taten eines Verbrechers sind schrecklich, ihre psychische Herkunft sind immer erlittene Unmenschlichkeiten in seiner Biografie. Ein kaltblütiger Mörder mag so rational vorgegangen sein will, wie er will: die Rationalisierungen dunkler Affekte sind keine Ratio. Es sind nachträglich auferlegte instrumentelle Aspekte eines Tuns, dessen Wurzeln dem Täter nicht bekannt sind und ihn lebenslang charakterlich beeinträchtigen.

Wer Rationalisierung mit Ratio gleichsetzt, macht Vernunft, die höchste Gabe der Natur an den Menschen, zum Ursprung seiner Unmenschlichkeit. Eine gebildete Nation zeigt sich darin, dass sie auf eine unkorrigierbare Bosheit verzichtet. Das Böse wurde erfunden, um die Schuld der Erwachsenen am Versagen ihrer Kinder zu vertuschen. Bildung wäre die Fähigkeit, den Teufelskreis aus aktiver Schuld und passivem Leid, das erneut zur Schuld führen muss, zu durchbrechen.

„Wir sind Erben un­se­rer deut­schen Ge­schich­te“?

Wir sind Erben der europäischen, ja der planetarischen Weltgeschichte. Wir können unsere Geschichte nicht verstehen, wenn wir die Geschichte der anderen Völker nicht verstehen. Die deutsche Geschichte ist nicht das Zentrum der Weltgeschichte. Unsere Demokratie hängt vollständig von der Geschichte der athenischen Polis ab. Wenn wir Vernunft zum Motor unseres Tuns, Aufklärung zur Befreiung unseres Lebens erklären, sind wir Erben vieler Völker, die wir früher mit Kriegen überzogen, weil wir ihr freies Denken für die Sünde wider den Geist hielten. Vernunft und Aufklärung sind für Demässiär keine Bestandteile der deutschen Leitkultur.

„Wir sind Kul­tur­na­ti­on. Kaum ein Land ist so ge­prägt von Kul­tur und Phi­lo­so­phie wie Deutsch­land. Deutsch­land hat gro­ßen Ein­fluss auf die kul­tu­rel­le Ent­wick­lung der gan­zen Welt ge­nom­men.“

Deutschland über alles. Völker ohne Kultur gibt es nicht. Hochkulturen sind keine Kulturen an sich. Vergleicht man die Lebens- und Überlebensqualität aller „Natur- und Kulturvölker“, schneiden die männlichen Kulturen – die sich den anmaßenden Titel der Hochkultur zulegten – miserabel ab. Naturvölker sind keine geschlossenen Gesellschaften, wie Beherrscher der Natur polemisch dekretieren.

Bach und Goethe sollen Höhepunkte deutscher Kultur sein. Bachs Musik ist ohne seinen christlichen Glauben undenkbar – eine autonome Musik gibt es nicht –, und Goethe war – ein politischer Fürstenknecht, alles andere als ein Vorbild für aufrechte Citoyens. Wie wär‘s mit Kant, Lessing und all jenen anonymen Aufklärern und Freiheitsfreunden, ohne die Deutschland noch heute keine funktionierende Demokratie wäre?

Was Demässiär unter Kultur versteht, ist Imponiergehabe deutschtümelnder Kultur-Besitzer, die sich anderen Nationen überlegen fühlen. Welch kulturloses Banausentum.

„In un­se­rem Land ist Re­li­gi­on Kitt und nicht Keil der Ge­sell­schaft. Dafür ste­hen in un­se­rem Land die Kir­chen mit ihrem un­er­müd­li­chen Ein­satz für die Ge­sell­schaft. Sie ste­hen für die­sen Kitt – sie ver­bin­den Men­schen, nicht nur im Glau­ben, son­dern auch im täg­li­chen Leben.“

Jetzt kommen wir zum Kern der hochkulturellen Selbstbelügungen. Ist Deutschland vom Christentum geprägt? Leider. Aber auch vom Gegenteil, der religionskritischen Vernunft. Erlittene Prägungen beantworten nicht die Frage, ob wir diese auch für richtig halten. Wir sind so, wir wurden so – wollen wir weiterhin so sein?

Die Bestandsaufnahme beantwortet nicht die Frage nach dem, was wir wollen und sollen. Kitt ist Klebstoff, hängt zusammen mit Kittchen. Hass und Gier können Menschen mehr zusammenschweißen als Zärtlichkeit und Verbundenheit.

Das Christentum ist eine Selektionsreligion, Spreu wird vom Weizen getrennt. Religion ist eine Spaltung auf ewige Zeiten. Kirchen stehen mitnichten in „unermüdlichem Einsatz für die Gesellschaft“. Sie wollen Seelen fürs Jenseits retten. Mit caritativen Tätigkeiten sammeln sie Punkte für ihr ewiges Konto. Welt und Natur sind zum apokalyptischen Untergang bestimmt. Die Fürsorglichkeit der Frommen ist bloße Schein-Empathie. Mit Gottlosen haben sie nichts am Hut – außer dass jene zu Objekten ihrer zufälligen Gnadenerweisungen werden. Wenn sie Gutes tun, meinen sie Christus, nicht diejenigen, denen sie ihre Almosen zuwerfen. Was ihr jenen getan habt, habt ihr mir getan: Empfänger der guten Taten ist der Heiland, der auf sie nicht angewiesen ist. Die anderen werden zu Objekten eines kapitalistisch-methodischen Seligkeitserwerbs. Am Ende werden sie Erben des neuen Universums: denn sie werden das Erdreich gewinnen. Die Demütigen sind Endsieger des Seligkeitswettbewerbs, dem Ursprung des kapitalistischen Wettbewerbs um Alles oder Nichts.

Freundschaft und Solidarität halten die Gesellschaft zusammen. Nicht religiös vergifteteter Kitt, der alle Menschen in Gewinner und Sieger spaltet. Der religiös eifernde Politiker erneuert die Böckenförde-Doktrin, nach der nur Religion eine demokratische Gesellschaft zusammenhalten kann. Dieser Betrug wird nur noch übertroffen von der historischen Großlüge, Menschenrechte und Demokratie seien Früchte des Glaubens.

Das absolute Gegenteil ist wahr. Mit unbarmherzigen Brutalitäten haben die Priester alles Weltliche, Vernünftige und Autonome verfolgt und ausgerottet – bis die Sache der irdischen Menschlichkeit ihre Hassbotschaften überwältigte. Sofort veränderten sie ihr Verhalten, setzten sich an die Spitze der gegnerischen Vernunft und taten, als hätten sie alles selbst erfunden. So nach der Niederlage des Dritten Reiches, in dem sie die Hauptstütze der Schergen waren. Schnell ein Stuttgarter Schuldbekenntnis abgelegt (wir haben nicht brennend genug geliebt: welch ungeheure Selbstentlarvung!) und sie wurden über Nacht die Widerständler der Nation.

Politiker beklagen beredt die Fake News der Netz-Horden – ihre eigenen Aussagen über demokratische Qualitäten ihrer Religion sind Fake News der dreistesten Sorte.

„Wir leben im re­li­giö­sen Frie­den. Und die Grund­la­ge dafür ist der un­be­ding­te Vor­rang des Rechts über alle re­li­giö­sen Re­geln im staat­li­chen und ge­sell­schaft­li­chen Zu­sam­men­le­ben.“

Welch ein Wunder: der Minister spricht plötzlich die Wahrheit. Er entlarvt sein inquisitorisches Geschwätz als Lug und Trug. Warum leben wir in religiösem Frieden? Nicht weil die Dogmen der Religion herrschen, sondern weil säkulare Gesetze den „unbedingten Vorrang“ haben über alle religiösen Regeln.

In der Demokratie hat die weltliche Vernunft die Oberhand über allen religiösen Ungeist gewonnen. Die Böckenförde-Doktrin muss umgedreht werden. Nur weil die Ratio den Deutungswahn der Theologen infiltrierte und Dogmen in Vernunftsätze verwandelte, können die Kirchen den Eindruck erwecken, als beherrschten sie noch immer das Miteinander der Gesellschaft.

Die Deutschen halten sich für Christen, wissen von ihrem Glauben aber so viel, wie Trump von Demokratie. Genau so wenig wissen sie über die Ursprünge ihrer Volksherrschaft und die philosophischen Quellen der Menschenrechte. Deutsch sein heißt immer bewusstseinsloser und dümmer werden. Je mehr sie über Maschinen wissen, je weniger wissen sie über die Ethik einer säkularen Gesellschaft.

Wer gegen Gott lästert, kann in dieser frommen Gesellschaft angeklagt werden. Wer Natur und frei denkende Menschen lästert, darf mit Beifall der Mächtigen rechnen. Wegen Vernunftlästerung müsste der Minister vor den Kadi.

„Wir sind auf­ge­klär­te Pa­trio­ten. Ein auf­ge­klär­ter Pa­tri­ot liebt sein Land und hasst nicht an­de­re.“

Aufgeklärte lieben die Welt und die Menschen, wo auch immer sie leben. Das eigene Land lieben bedeutet nur: die zufällige Heimat kritiklos verklären. Was ich nicht hasse, ist immer minderwertiger als das, was ich – erbaulich, kitschig, übermäßig, zwanghaft – liebe.

In einem vereinigten Europa ist jeder Patriotismus eine unterschwellige Kampfansage an die befreundeten Länder. Warum liebe ich nicht Europa? Warum nicht das ganze Weltdorf, von dessen Wohlergehen das eigene Wohlergehen abhängt? Woher die Abstufungen, die unsichtbaren Grenzen zwischen uns und jenen? Woher die Überheblichkeit des Eigenen?

Merkel & Schäuble spielen mit der wirtschaftlichen Überlegenheit Deutschlands schwächere Staaten bedenkenlos an die Wand. Woher der Hass der anderen gegen uns, wenn wir die anderen nicht selbst hassen und verachten würden?

Demässiärs Thesen sind Phantasiesätze aus dem Poesiealbum eines Ministers, der beim Schreiben verdrängte, in welcher Realität er lebt.

„Wer sich sei­ner Leit­kul­tur si­cher ist, ist stark. Stär­ke und in­ne­re Si­cher­heit der ei­ge­nen Kul­tur führt zu To­le­ranz ge­gen­über an­de­ren.“

Wirtschaftliche Stärke ist das Gegenteil von Besonnenheit, Freundlichkeit und Verbundenheit mit Andersdenkenden. Wo bleibt die Toleranz Schäubles gegenüber den Überzeugungen der Griechen, der Franzosen, und all jener, die das pralle Leben mitten im neoliberalen Scheinleben noch nicht vollständig aufgegeben haben?

Intoleranz ist die reale Politik Berlins, weniger tüchtige Nationen zu diskriminieren und sich gegen globale Flüchtlingsprobleme immer mehr zu verschließen. Selbst auf dem Gebiet der Umweltpolitik, in dem Deutschland einst vorbildlich war, hinkt Merkels Wirtschaftslokomotive hinterher.

Berlins ökonomische Spaltungspolitik ist die Hauptursache des europäischen Verfalls. Die Kanzlerin, seit Ewigkeiten am Ruder, hat alle Auflösungsbewegungen der EU verstärkt, wenn nicht verursacht. Zum Dank wird sie als Retterin der Welt gepriesen. Eine Spitzenleistung der deutschen Volk-Mutter-Symbiose, der besonderen Frucht einer neugermanischen Leitkultur – die über 200 Jahre alt ist. Stärke ist der Zweck dieser Leitkultur, vor wenigen Dezennien hätte man von völkischer Geschlossenheit gesprochen.

Doch, Vergleiche müssen sein. Zumal die Deutschen immer mehr im Sumpf ihrer Vergangenheit bewusstseinslos versinken. Denn sie bilden sich ein, Geschichte könne sich nicht wiederholen. Wer starr an eine messianische Zukunft denke, sei gefeit vor Dämonen der Vergangenheit.

Das Gegenteil ist der Fall. Je mehr ich das Gestern begrabe, umso mehr beherrschen mich die Todesgeister der Vergangenheit. Wir erfinden uns nicht jeden Tag neu. Wir erwürgen das Vergangene nur in stets neu verpackten Ekeldosierungen.

Kommen wir zum Höhepunkt deutscher Leitkultur, einem Kommentar von Jan Fleischhauer zum Gabriel-Netanjahu-Konflikt.

„U-Boote liefern, Klappe halten. Woher kommt die deutsche Obsession, wir müssten im Nahen Osten Frieden stiften? Auch wenn wir Deutsche uns gerne als moralische Führungsmacht sehen: Bei der Erziehung Israels sollten wir uns zurückhalten.“ (SPIEGEL.de)

Schuld mit noch mehr Schuld, mit einer demokratischen Bankrotterklärung zu kompensieren: das ist nicht nur der Gipfel eines obszönen Zynismus, der sich als Ethik des Kannitverstan ausgibt. Es ist nicht nur ein Fehler, den beide Länder teuer bezahlen werden. Es ist ein Dolchstoß in den Rücken jenes Landes, dem Deutschland mit menschenrechtlicher Kritik am meisten nützen könnte.

Der Machiavellismus einer absoluten Heuchelmoral schadet nicht nur dem Ansehen Deutschlands in aller Welt, sondern auch dem Image Jerusalems. Was muss das für ein Land sein, denken die Völker der Welt, das einen Freund nötig hat, der potentielle und reelle Menschenrechtsverbrechen unterstützt und alles Unrecht unterwürfig absegnet?

Folie à deux, Wahnsinn zu zweit, ist zum Kern der deutsch-israelischen Beziehung geworden. Merkel, die Gabriel unterstützt, schweiget wieder stumm, wenn Netanjahu sich auf ihre heilige Person beruft, um das unvergleichliche Verhältnis der beiden Staaten zu illustrieren. Auch Steinmeier wird sich bei seinem Besuch im heiligen Land nur mit einem doppelsinnigen Nebensatz zum Konflikt äußern. Was muss das für ein tief verborgener Hass auf den jungen israelischen Staat sein, der ihm nicht die geringste Fähigkeit zutraut, einen Streit mit demokratischen Tugenden auszufechten?

Es ist auch eine Bankrotterklärung des SPIEGEL, der es für notwendig hält, einen solchen Kommentar zu veröffentlichen. Das übertrifft noch seine dreiste Werbung für ein Buch, in dem die Abschaffung der Demokratie gefordert wurde.

BILD & SPIEGEL überbieten sich in psychotischen Endzuckungen einer deutschen Leitkultur. Deutsche Massen-Gazetten scheinen unter der Abwesenheit einer faszinierenden Führerfigur zu leiden, wie andere Nationen sie mühelos hervor bringen. Demässiärs Chefin ist wohl auch eine charismatische Führerin – aber noch im Gewand einer demütigen Magd. Prophylaktisch müssen führer-verwaiste Medien selbst die Rolle übernehmen – bis der wahre Sohn der Vorsehung eines Tages vor der Tür stehen und anklopfen wird.

 

Fortsetzung folgt.