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Von vorne IV

Von vorne IV,

Roboter werden die Natur endgültig in einen kalten, menschenfeindlichen Planeten verwandeln. Was seinem Erfinder trotz verzweifelter Bemühungen noch immer nicht gelang, soll seine Erfindung in geistloser Mechanisierung zustande bringen: die Planierung der Erde.

Es gibt keine künstliche Intelligenz. Es gibt nur eine natürliche, die in künstliche Behälter verpflanzt wird, um in einem finalen Akt zu vollstrecken, wovor die natürliche Intelligenz sich noch scheut. Indem der Mensch seine Beherrschungs- und Vernichtungswut, die er Intelligenz nennt, an Maschinen delegiert, will er jede Schuld an seiner Selbstauslöschung verleugnen. 

Die Übertragung von Schuld geschieht nicht zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit. Der Mensch erschuf GOTT, der die Natur erschaffen haben soll, um sie nach kurzer Probezeit wegen Untauglichkeit zu vernichten – und dessen SOHN, der alle Menschenschuld auf seine Schultern nahm, um die missglückte Kreatur von ihrer „Sünde und Bosheit“ zu befreien. Gott & Sohn waren die ersten Erfindungen des Menschen, um seine Verantwortung auf andere zu übertragen. „Die auf Ihn trauen, werden keine Schuld tragen.“

Was der Mensch nicht kann, aber können will: dazu erschafft er sich eine imaginäre Überwelt mit VATER und SOHN, die den Träumer von aller Ohnmacht erlösen sollen: er ist Vater, er ist Sohn. Vater & Sohn sind Subjekte der Weltgeschichte, die alles Weibliche & Natürliche als Irrtümer des Universums ausschalten.

Indem der Mensch seine Schöpfer erschafft, die ihn als Geschöpf erlösen, erlöst er sich selbst – mit Hilfe einer projektiven allmächtigen Erfindung. Als Schöpfer Gottes ist er allmächtig, als Geschöpf seiner Schöpfung ohnmächtig. Allmächtig ist er, damit er stolz sein kann auf sein Ingenium, ohnmächtig, weil er, aus Angst vor

Überhebung, an nichts schuld sein will. Allmacht ist grenzenlose Überheblichkeit, Ohnmacht die Urangst zu versagen.

Es musste schon viel geschehen sein im Verlauf der Geschichte, dass der Mensch sich zur antagonistischen Selbsterlösung genötigt sah. Weltreiche waren gegründet und zerstört worden. Die alle Grenzen sprengende Hoch-Kultur des Mannes hatte die natürliche Symbiose der Mütter zerstört. Der titanische Mann wollte seine missglückte Flucht aus der Eintracht mit der Natur vertuschen und schuf sich eine Religion, die sein hochfahrendes Wesen und seine ängstliche Sehnsucht nach Erlösung in einer dramatischen Heilsgeschichte miteinander verband. Mensch und Gott wurden zu einer langen Erzählung in der ZEIT.

Der Mensch musste Gott erfinden, der die Zeit erfand, um seine eigenen Probleme als Geschöpf in verschiedenen Etappen zu externalisieren. Schöpfung als Anfang, Erlösung als Mitte und Vernichtung als Ende der Heilszeit: das war die Transformation des Zeitlosen und Ewigen in irdische Zeit.

Der Mensch musste die Zeitlosigkeit der Götter in zeitliche Abläufe transsubstantiieren, um das Endliche mit dem Unendlichen zu verbinden und sich selbst im Spiegel einer Heilszeit zu erkennen.

Auch Platon hatte das Problem, die fließende Welt des Heraklit mit der unveränderlichen des Parmenides in Einklang zu bringen. Er schuf keine Heilszeit, sondern einen stehenden Dualismus zweier Welten: der vollkommenen Ideen- und der unvollkommenen Sinnenwelt.

Bewegung gab es nur auf der Ebene der unsterblichen Individualseele, die aus dem Vollkommenen ins Unvollkommene verbannt wurde, um sich im Irdischen zu bewähren und wieder aufzusteigen ins Vollkommene, wo sie den Lohn ihrer zeitlichen Bewährung im Zeitlosen erhalten sollte. Platon, weit herumgekommen in der Welt orientalischer Religionen, hatte „ungriechische“ Elemente in sein Denken aufgenommen – die von seinem Schüler Aristoteles und den meisten philosophischen Schulen abgelehnt wurden.

So wurde Platon von den Gründern des Christentums als gewichtiger Vorläufer ihrer Heilslehre empfunden. Das jüdische Volk hatte eine kollektive Heilsgeschichte zu erzählen. Christus aber, nach einer traditionellen Anfangsphase, verließ die kollektive Volksebene und wandte sich an alle Menschen – doch sein Universalismus war nur Schein. Gott erwählt am Ende nur die Seinen. Das Jüngste Gericht wird Wenige selig und die Meisten für immer unselig sprechen.

Platons Individualismus war eine Reaktion auf den Niedergang der Demokratie, die Sokrates, den besten aller Menschen, in den Tod geschickt hatte – gesehen mit den geschockten Augen seines genialen Schülers. Dennoch blieb Platon vom Bedürfnis des zoon politicon nach einer kollektiven Lösung des irdischen Elends erfüllt, das ihn zur Konstruktion eines idealen Staates trieb. Wäre sie gelungen, hätte Platon die Möglichkeit der symbiotischen Verbindung aus Vollkommenheit und Unvollkommenheit nachgewiesen: ein vorweggenommenes Reich Gottes auf Erden. Anfänglich war er überzeugt, dass sein idealer Staat auf Erden Realität werden könnte.

Als er den Schiffbruch seiner Reise nach Syrakus erlebte, verließ er den Bezirk des Argumentierens und rationalen Überzeugens und verwandelte seinen perfekten Staat in eine faschistische Zwangsbeglückung.

Wenn idealistische Weltveränderer zu scheitern drohen, werden sie totalitär. Das Böse ist keine eigenständige Kategorie, sondern die Sackgasse des enttäuschten Guten, das sich nicht anders zu helfen weiß, als seine Untertanen zum Glück zu zwingen.

Die Urchristen verzichteten auf einen weiteren platonischen Versuch und verlegten die perfekte Polis ins Jenseits. Das irdische Leben blieb eine mühsame Wanderung durch Leid und Schrecken, die erst Drüben ihre Belohnung oder Strafe finden würde.

Augustin spaltete das irdische Dasein in einen weltlichen und einen geistlichen Staat. Der geistliche Staat war die unsichtbare Kirche oder das inwendige Reich Gottes, der weltliche die Arena des Bösen, in der die Frommen ihren Glauben bewähren mussten. Erst am Ende aller Tage würde das Reich des Teufels zugrunde gehen und das Neue Reich von Gott ausgerufen werden.

Das Dritte Reich hatte die augustinisch-lutherische Zweireichelehre satt und wollte der Welt beweisen, dass die deutschen Übermenschen das Endreich Gottes auf Erden verwirklichen könnten.

Die amerikanische Demokratie befand sich von Anfang an im Dauerclinch à la Augustin. Die weltliche Demokratie war die civitas terrena, die die Frommen erdulden müssen; die theokratischen Elemente bildeten die civitas dei, die das satanische Reich der Demokratie phasenweise ertragen, von Zeit zu Zeit aber in heiligen Furor geraten müssen, um alles Demokratische und Universelle in die Hölle zu schicken. Obama war ein Heuchler in gottgewollter Demokratie, Trump ist ein ehrlicher Rabauke Gottes, der die Feinde von gods own country mit der Geisel in der Hand aus dem Tempel treibt.

Religionen sind Erfindungen des Menschen, die mit heiligem Framing ihre Hoffnungen rechtfertigen und ihre Ängste vertreiben wollen. Von Priesterbetrug zu reden, zeugt von gnadenloser Überschätzung der Sprachrohre Gottes. So mächtig und genial ist kein Priester, dass er jahrtausendelang die Menschen mit windigen Geschichten an der Nase herumführen könnte. Würden Heilserzählungen nicht die tiefsten Bedürfnisse der Menschen ansprechen, wären sie morgen vergessen.

Es ist ein gravierender Fehler vieler Religionskritiker, dass sie die Mythen der Gläubigen nicht ernst nehmen und hochnäsig auf sie herabblicken. Kollektive Heilsgeschichten ähneln privatistischen Projektionen von Neurotikern, die überall Feinde wittern und ihr Heil von mächtigen Seelenführern erwarten. Wer Religion als Neurose der Menschheit bekämpfen will, muss sie als Krankheit verstanden haben.

Heute ist Verstehen abgeschafft mit der Begründung: alles verstehen heißt alles verzeihen. Demokratische Streitgespräche aber sollten den Versuch unternehmen, nicht nur die eigene Position zu erläutern, sondern die gegnerische in ihrer Entwicklung zu rekonstruieren. Der Zeitgeist ist aber schon so lädiert, dass der kleinste Verstehensversuch den misstrauischen Satz provoziert: soll das jetzt ein therapeutisches Gespräch werden?

Wenn Religionen menschliche Erfindungen sind, enthüllen sie unfreiwillig die psychische Signatur der Erfinder. Da Erlöserreligionen die Gegenwart beherrschen, ist niemand frei von religiösen Spurenelementen. Wer von vorne beginnen will, muss seine religiösen Kontaminationen freilegen und sich klar machen, in welchem Maß er verführbar ist von Pastorentöchtern und anderen Heilsversprechern.

Die gefährlichsten Populisten sind nicht die gelegentlichen Kritiker der Macht, die wie Meteore aufsteigen und schnell verglühen, sondern die Mächtigen selbst, die das Heft nicht aus der Hand geben.

Medien lieben Messiasfiguren, deren Aufstieg sie in vermeintlicher Bewunderung begleiten, um ihren Absturz in hämischer Schadenfreude zu schildern. Jede fulminante Kritik am Bestehenden ist auch eine Gefahr für sie als Stabilisatoren der bestehenden Macht.  

Heil ist streng zu unterscheiden von rationalen Utopien, die von Menschen erarbeitet werden müssen. Heil ist Rettung von außen und oben, Vernunft ist Selbstbesinnung auf das autonome Handeln jedes Einzelnen.

Wer das Problem der KI verstehen will, muss die Religion der KI-Genies verstehen. Sie stehen in der Tradition der mehrgliedrigen Selbsterlösung durch Schaffen eines Gottes, der den Menschen erschafft, um seinen Kreator zu erlösen. Über Gott hinweg erlöst sich der Mensch selbst.

Die primäre Autonomie dieser Selbstrettung wird verdeckt durch den sekundären Akt eines Glaubens an die Allmacht Gottes, der die Erfindung Gottes durch den Menschen verdunkelt. Obwohl Gott die Erfindung des Menschen ist, hält sich dieser für die ohnmächtige Kreatur jener Erfindung, von dem er in allen Dingen abhängig ist.

Die gigantische Kluft der menschlichen Selbsteinschätzung, schwankend zwischen Selbstvergottung und Selbstverteufelung, ist die Ursache der schwankenden Einschätzung der KI. Werden Roboter den Menschen einholen, gar überholen? Werden sie willfährige Sklaven ihrer Herren bleiben? Oder werden sie ihre Schöpfer bedrohen, wenn ihr deep learning die Intelligenz der Menschen blamieren wird? Sind sie die zukünftigen Masters of Universe, wie sich Wallstreet-Manager schon heute nennen?

Täglich wechseln Drohungen und Entwarnungen vor den geheimnisvollen Kreationen der Menschen.

Roboter werden die Menschen übertreffen und sie überflüssig machen!

Nein, das sind maßlose Übertreibungen, Roboter bleiben die Marionetten der Menschen.

Selbst führende KI-Experten warnen vor den Gefahren automatischer Roboterkiller. Doch niemand reagiert.

Niemand will in den Verdacht geraten, ein antimoderner Maschinenstürmer zu sein. Lieber das Übel fatalistisch passieren lassen, als hektische Vorsichtsmaßnahmen beschließen, die den Fortschritt der Wissenschaft behindern könnten. Wer den Prozess der Digitalisierung im eigenen Lande nicht mit allen Kräften fördert, gerät ins Hintertreffen und könnte die nationale Wettbewerbsfähigkeit schwächen.

Grundfragen zu einem existentiellen Problem stellen, gilt als Luxus, den sich niemand mehr leisten kann. Wozu benötigen wir Roboter? Besitzen wir nicht schon viel zu viele Maschinen, die uns einst ein besseres Leben versprachen, mittlerweilen aber die Menschen in Geiselhaft nehmen? Wer ist es, der zwanghaften Fortschritt will, Veränderung um der Veränderung willen, die ewige Hatz auf das gute und gewohnte Leben der Menschen? Werden die demokratischen Völker gefragt? Gibt es sachgemäße Aufklärungen und grundlegende Gespräche?

Solche Fragen stellen, heißt, sie verneinen. Die liberale Selbstbestimmung des modernen Menschen ist ein Trug. Wir leben in faschistischen Verhältnissen mit notdürftig demokratischen Maskeraden. Der Planet unterstellt sich den Phantasien weniger Technikgenies, die sich messianisch erkühnen, die Welt zu erlösen. Erlösen wovon?

Von materieller Not? Werden die intelligenten Maschinen dazu beitragen, das Problem der Armut zu lösen?

Werden sie die unmäßigen Arbeitszeiten reduzieren, damit die Menschen ihr eigentliches Leben führen können?

Werden sie die Einsamkeit der Menschen in ein soziales Miteinander verwandeln? Auf den Straßen wandeln sie wie verpanzerte Monaden, ständig Kontakt mit Entfernten suchend, unfähig, mit ihren Nächsten eine verlässliche Beziehung herzustellen.

Werden Maschinen die drohende Klimakatastrophe verhindern? Im Gegenteil, sie tragen dazu bei, die Effektivität der Naturausbeutung zu verstärken. Und somit den Grad der Naturverwüstung zu erhöhen.

Mühsame und schwere Arbeitsvorgänge der Menschen werden sie ersetzen? Irrtum, dass Menschen nicht gerne arbeiten und anstrengende Tätigkeiten vermeiden wollten. Gesunde Menschen wollen sich beweisen, ihre Fähigkeiten und Kräfte entfalten, um sich als nützliche Mitglieder der Gemeinschaft zu betätigen. Was sie allerdings hassen: malochen in Abhängigkeit von anderen, die ihr Tun mit schäbigen Almosen entgelten.

Werden Roboter dazu beitragen, die kapitalistische Leibeigenschaft abzuschaffen? Die Menschen befähigen, selbst herauszukriegen, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienen und dennoch Spaß am Leben zu haben?

Die Missionare von Silicon Valley wollen die Welt verändern. Was wollen sie verändern und warum? Ist alles so miserabel, dass es unbesehen verändert werden müsste? Ist alles per se schlecht und veränderungswürdig?

Das ist die angeborene Erbsünde als Motor zwanghafter Erneuerung. Das Neue ist religiöse Pflicht, das Alte wird zum Tode verurteilt. Die schönen Gewohnheiten der Menschen werden ihnen mit täglicher Propaganda verleidet, um ersetzt zu werden von neuen Dummheiten und unbekannten Risiken.

In Deutschland herrscht immer noch Skepsis gegen die Versprechen der Moderne, das Erbstück einer uralten kapitalismuskritischen Abneigung gegenüber der „westlichen Zivilisation“.

Estland gilt als digitales Musterland, den Deutschen in allen Dingen überlegen. Was macht das kleine Land besser, um die führende Nation Europas alt aussehen zu lassen?

„Estland ist bekannt als Start-up-Standort und als Vorreiter einer modernen digitalen Verwaltung. Firma gründen, Steuern zahlen, Auto anmelden, Gesundheitsdaten einsehen – all das geht bei Ihnen online. „Allein durch die Möglichkeit, Dokumente und Verwaltungsakte elektronisch zu unterschreiben, sparen wir jährlich etwa zwei Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts. Das entspricht in etwa unseren Ausgaben für die Verteidigung“, erklärt Staatspräsidentin Kaljulaid.“ (SPIEGEL.de)

Da leuchtet einiges ein, wenn man sich mühsame Wege ersparen kann. Doch eine Kleinigkeit wird übersehen: die sozialen Kontakte aller Art werden immer mehr gestrichen.

Gewiss, mit übelgelaunten und demütigenden Beamten will niemand zu tun haben. Wäre es aber nicht sinnvoller, das Verhalten der Staatsdiener zu ändern, damit hilfesuchende Menschen ihre Sachbearbeiter gerne aufsuchen? Wenn jeder sich aussuchen könnte, wie er es mit der Digitalisierung hält – wer würde dem Prozess völlig widersprechen? Wie aber sieht es in Wirklichkeit aus?

„Unsere Erfahrung ist, dass die Technologie nicht spaltet. Man muss die Bürger allerdings mitnehmen. Es gab zum Beispiel anfangs spezielle Schulungen für ältere Mitbürger, um ihnen die digitalen Dienste nahezubringen.“

Jeder muss mithalten im allgemeinen Hasten und Jagen. Wer sich verweigert, kommt unter die Räder. Das ist Fortschritt als Zwangsbeglückung. Und zu welchem Zweck das Ganze? Der Staat spart – um die Verteidigungsausgaben zu erhöhen! Die ganze Nation wird zur bewaffneten Maschine, um die internationale Atmosphäre zu militarisieren.

Ziel ist die Roboterisierung der ganzen Gesellschaft. Das ist das Grundgesetz der männlichen Hochkultur seit ihren Anfängen:

„Ihre Hauptzüge, in der ganzen Geschichte vorhanden, sind die Zentralisierung der politischen Macht, die Klassentrennung, die lebenslange Arbeitsteilung, die Mechanisierung der Produktion, die Vergrößerung der militärischen Macht, die wirtschaftliche Ausbeutung der Schwachen.“ (Lewis Mumford, Der Mythos der Maschine)

Der Interviewer stellte nicht einmal die Frage nach China, wo eine Milliardengesellschaft perfekt digitalisiert wird. Der mögliche Nutzen der Vernetzung wird vernichtet durch die Gefahren einer totalitären Überwachung.

Will der Staat sich bürgernahe geben, gibt es bessere Methoden als die flächendeckende Aufhebung persönlicher Kontakte. Man mache die Gesetze transparent – und die Bürger können selbst in Erfahrung bringen, was ihnen an Pflichten und Rechten zusteht.

Arbeitsteilung? Adam Smith schwärmte von den Vorteilen der Arbeitsteilung am Anfang seines Werkes. Die berühmte Stecknadelherstellung führe zu „entsprechender Steigerung der Produktivität.“ Hunderte Seiten später klingt alles ganz anders:

„Jemand, der tagtäglich nur wenige einfache Handgriffe ausführt, die zudem immer das gleiche oder ein ähnliches Erlebnis haben, hat keinerlei Gelegenheit, seinen Verstand zu üben. So ist es ganz natürlich, dass er stumpfsinnig und einfältig wird. Solch geistige Trägheit beraubt ihn nicht nur der Fähigkeit, Gefallen an einer vernünftigen Unterhaltung zu finden, sie stumpft ihn auch ab gegenüber Empfindungen wie Selbstlosigkeit, Güte oder Großmut. Ein solch monotones Dasein erstickt allen Unternehmungsgeist. Seine berufliche Fertigkeit hat er sich auf Kosten seiner geistigen, sozialen Tauglichkeit erworben. Dies aber ist die Lage, in welche die Schicht der Arbeiter, also die Masse des Volkes, in jeder entwickelten und zivilisierten Gesellschaft unweigerlich gerät.“

Adam Smith schreibt, als ob er die Gegenwart beschriebe.

Die Mechanisierung aller Verhältnisse führt zur Verwandlung der Gesellschaft in eine komplette Maschine. Für Descartes war der Mensch eine Maschine mit geistigem Überbau, welcher bei Lamettrie entfernt wurde, um eine reine Maschine zu erhalten. Für Marx war Geist oder Bewusstsein nichts. Seine Analyse des Kapitalismus war die Analyse einer naturwissenschaftlichen Maschine, die eines fernen Tages nur durch sich selbst demontiert werden würde. Revolutionärer Anteil des mündigen Menschen gleich Null. Der Mensch wurde zur Marionette materieller Umstände.

KI ist nur die neueste Phase der fortschreitenden Mechanisierung des Abendlands. Niemand schaut „nach hinten“, um die Vor- und Nachteile des unerbetenen Fortschritts zu studieren, damit er die heutige Roboterisierung beurteilen kann. Wenn Vergangenheit für tot erklärt wird, sterben alle Erfahrungen mit ihr. Gibt es keine Erfahrungen mehr, ist der Lernprozess der Gattung gestrichen.

Die Maschine hingegen soll kontinuierlich aus Erfahrungen lernen, obgleich sie von einem erfahrungslosen Lehrer erschaffen wurde?

„Eine Maschine hat ihre hervorbringende Ursache außer ihr; sie bringt deshalb nicht ihresgleichen hervor, bessert sich nicht selbst aus. Ein Organismus ist keine Maschine, sondern hat in sich bildende Kraft.“ (Kant)

Ist Kants Definition der unmündigen Maschine überholt? Wollen KI-Tüftler tatsächlich behaupten, ihre mechanischen Sklaven könnten eines Tages mündig werden und autonom denken? Dann hätten sie ihren leblosen Maschinen mehr beigebracht als sich selbst, die offenen Auges dem Abgrund entgegen gehen.

Wenn sie den Menschen an Verantwortungsbewusstsein überragen, warum stellt sich dann noch die Frage:

„Wer haftet eigentlich, wenn ein Roboter mit künstlicher Intelligenz bei der Arbeit einen Menschen verletzt?“ (SPIEGEL.de)

„Die Roboter der Zukunft werden selbstständig lernen und sollen Entscheidungen auf der Basis ihrer Erfahrungen aus der Vergangenheit treffen. Programmierer können und müssen dafür ein fehlerfreies Gerüst bereitstellen. Wenn die Roboter dann aber bei ihren erfahrungsbasierten Entscheidungen falsch liegen, können die Hersteller dafür nicht mehr so einfach verantwortlich gemacht werden.

Spiegel Online: Das klingt, als müsse niemand mehr die Verantwortung tragen, wenn Robotern Fehler unterlaufen.

Haagen: Genau das ist ein großes Problem. Verallgemeinert könnte man sagen: Solange die Hersteller mit aller möglichen und zumutbaren Sorgfalt gehandelt und keine Fehler gemacht haben, können sie sich nach unserem strafrechtlichen Verständnis nicht schuldig machen.“

Die geistlosen Produkte der Menschen können mehr als sie selbst, sie lernen aus Erfahrungen der Vergangenheit! Dennoch übernehmen sie für nichts Verantwortung? Das ist der Traum des Fortschritts: alles muss automatisch werden. Verantwortung gibt es nicht.

Doch halt: ist das was Neues? Jede Heilsgeschichte, jede marxistische Hoffnung, jede Hayek‘sche Evolution unterliegt keiner menschlichen Steuerung. Neu aber ist: was Glaube war, wird durch die Maschine programmierbar.

Auch Merkels Digitalisierung orientiert sich nicht an den Wünschen der Bevölkerung. Der Fortschritt wird verordnet per Ukas des Zaren; die Konkurrenzfähigkeit der gesellschaftlichen Gesamtmaschine muss vorangebracht werden.

Wenn Ökologen das Ende naturvernichtender Industrien verordnen, wird ihnen entgegengehalten: Der Erhalt von Arbeitsplätzen muss garantiert sein. Wenn Merkel unbekannt viele Arbeitsplätze durch Roboterisierung riskiert, wird abgewiegelt: Vertraut mir, es wird noch mehr neue Arbeitsplätze geben. Im Mittelalter sprach man von doppelter Wahrheit.

Schon zu Beginn der Kybernetik wurde von Fachleuten erklärt: Computer werden nicht nur denken können, eines Tages werden sie den Menschen von der Erdoberfläche weg-denken. Die Idee eines Menschenersatzes wird zur künstlichen Menschenerschaffung führen.“ (zit. bei Friedrich Wagner)

Damit steht die Abschaffung des niederen Volkes bevor, das sich mangels Kompetenz überflüssig machen wird. EINPROZENT der Bevölkerung wird nicht nur den Reichtum der Welt scheffeln, sondern die totale Herrschaft über die Welt erobern.

Am Anfang der Welt schuf Gott Himmel und Erde.

Am Ende der Welt schuf sein Erfinder die Menschheit ab und zerstörte die gesamte Natur. Daraufhin zog es EINPROZENT vor, sich von der Erde zu verabschieden und dasselbe Drama auf dem Mars zu wiederholen. Dort wird die Heilige Schrift mit den Worten beginnen:

Am Anfang schuf der göttliche Mensch den Mars. Und siehe, alles war sehr gut. Hierauf der Sündenfall. Da capo al inferno.

 

Fortsetzung folgt.