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Tanz des Aufruhrs XVIII

Tanz des Aufruhrs XVIII,

Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit
werden mir folgen mein Leben lang.

Ob sie schon wanderten im finstern Tal, fürchten sie kein Unglück. Denn Er ist da und führet sie durch Not und Tod ins ewige Paradeis. Denn des Herrn ist die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und die darauf wohnen.

Keine Angst vor dem, was kommen wird! Was es auch immer sei, Er lässt die Seinen nicht im Stich. Auch die Deutschen gehören zu den Seinen, weshalb sie nicht daran denken, die Klimagefahr ernst zu nehmen. Schon jetzt planen sie den Urlaub in Ruanda, denn wer Afrika kennen lernen will, sollte mit Ruanda beginnen.

Aus bloßer Angst sollte man nichts unternehmen, schon gar nicht die Welt retten. Wer aber keine Angst hat: was sollte der retten? Also so oder so: die Hände in den Schoß legen!

In der Welt habt ihr Angst, siehe, Er hat sie überwunden. Ein Weilchen noch – und ihr seid in den ewigen Gefilden der Seligen.

Welch ein Segen, diese Epidemie in China, die von allem ablenkt. Wetter ist nicht alles – und schaut nur: diese Chinesen sind auch nicht perfekt. So schnell werden sie den auserwählten Westen nicht überholen.

Wenn schon der Methusalem der Klimapropheten abwinkt und vor der Hysterie der Jungen warnt, wer sollte es wagen, gegen die Weisheit des Alters anzutreten? Ein begeisterter Naturforscher löst alle Probleme wissenschaftlich und mit der

überlegenen Intelligenz von Maschinen. Sollten diese uns eines Tages überholt haben, werden sie uns – keine Sorge, nur keine Sorge – schon gut behandeln.

Der Wissenschaftler ist stolz auf seinen quäkerhaften Gott, den er zum Sprecher seines Gewissens ernannte – und diese Stimme ist leise, damit sie niemanden erschrecken kann:

„Wobei Quäker eine schöne Definition von Gott haben: die leise Stimme in dir.“

Diese Jugendlichen sind „einfach Schüler und Studenten, die zu viel Zeit haben und auf die Straße gehen, um ein Thema aufzubauschen. Die Politiker sollten die Proteste nicht beachten, die hören von selbst wieder auf, wenn sich irgendein neues Thema findet.“ (SPIEGEL.de)

Echte Wissenschaftler halten nichts von Ignoranten, die ihre Erkenntnisse stehlen, nur um sich wichtig zu machen. Echte Wissenschaftler müssen auch nicht wissen, was Politik ist, schon gar nicht demokratische.

Wenn Wissenschaftler wüssten, dass morgen die Welt unterginge, würden sie nicht in Panik verfallen. Sondern Apfelbäumchen pflanzen oder Berliner Start-ups gründen. Optimismus kann nicht ruchlos sein, wenn man sich einem Allmächtigen unterwirft.

Das gilt nicht nur für Quäker und Lutheraner, sondern auch für Muslime und Juden:

„Juden sind Gottes Gedächtnis und das Herz der Menschheit. Wir wissen das nicht immer, aber die anderen wissen es, aus diesem Grunde behandeln sie uns mit Verdächtigungen und Grausamkeiten. Erinnerung ängstigt sie. Durch uns sind sie mit dem Anfang ebenso verbunden wie mit dem Ende. Indem sie uns vernichten, hoffen sie Unsterblichkeit zu erhalten. Aber in Wirklichkeit ist es uns nicht gegeben zu sterben, selbst wenn wir es wollten. Warum? Wir können nicht sterben, weil wir die Frage sind.“ (Elie Wiesel)

Heute – just am Tag der Verkündigung des Friedensdiktats gegen die palästinensischen Geschichtsverlierer – werden im Bundestag staatstragende Reden zum Holocaustgedenktag gehalten.

Unwahrscheinlich, dass in der Feier christliche Bischöfe aufstehen werden, um ein Schuldgeständnis abzulegen zur heillosen Rolle der Kirchen im Dritten Reich. Ohnehin kennt niemand das Stuttgarter Schuldbekenntnis aus dem Jahre 1945, das keines war, sondern ein Schuldabwälzungsversuch. Schuldig waren die anderen, sie wehrten sich nur nicht genug, die Kirchen:

„Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. Was wir unseren Gemeinden oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben. Nun soll in unseren Kirchen ein neuer Anfang gemacht werden. Gegründet auf die Heilige Schrift, mit ganzem Ernst ausgerichtet auf den alleinigen Herrn der Kirche, gehen sie daran, sich von glaubensfremden Einflüssen zu reinigen und sich selber zu ordnen.“

Lauter Lügen im Namen des Herrn. Die Kirchen hatten 2,5 Märtyrer in ihren Reihen. Das genügte, um den ganzen Klerus zu einer Bastion des Widerstands zu erklären. Der fromme Widerstand wehrte sich vor allem gegen Machteinbußen der Kirchen.

Nicht der Nationalsozialismus hatte ihren Glauben infiltriert, es war ihr Glaube, der die apokalyptischen Krieger des 1000-jährigen Reichs überhaupt erst möglich machte. Zu den wichtigsten Unterstützern des Dritten Reiches gehörten führende Dogmatiker beider Kirchen. Unter ihnen die Protestanten Emanuel Hirsch, Paul Althaus, Friedrich Gogarten, die Katholiken Michael Schmaus, Karl Adam. Selbst Pastor Niemöller wehrte sich nur gegen Privilegienverluste der Kirchen, nicht grundsätzlich gegen Hitler.

Kirchen waren keine Mitläufer, sondern glaubenseifernde Antreiber des Sohnes der Vorsehung. Historiker der Gegenwart verharmlosen die klerikalen Befürworter des NS-Regimes. Über den Freiburger Erzbischof Conrad Gröber, Mitglied der SS, heißt es etwa:

„Allerdings war etwa Erzbischof Conrad Gröber von Freiburg eine ganz ambivalente Persönlichkeit, die auch antijudaistische Tendenzen aufwies. Dabei muss man bedenken, dass solche Tendenzen damals zur christlichen Religion durchaus dazugehörten. Die Juden galten als Christusmörder. Wegen der Judenverfolgungen haben etliche Bischöfe dieses Thema im Dritten Reich jedoch vermieden. Gröber hingegen klammerte das in seinen Hirtenbriefen nicht aus. Wohlgemerkt: Seine Aussagen hatten nichts mit nationalsozialistischen Vorhaben wie Vertreibung und Vernichtung zu tun, es waren vielmehr religiös und sozial bedingte Vorbehalte gegen die Juden.“ (Katholisch.de)

Damals gab es „antijudaistische Tendenzen“? Das klingt besser als antisemitische Judenhasser. Nein, Bischöfe ermordeten nicht selbst die Juden, sie ließen ermorden – von ihren indoktrinierten Schäfchen. Da ohnehin fast alle Deutschen die Juden als Christusmörder betrachteten, kann Gröber keiner gewesen sein, denn er glaubte nur wie die anderen.

Deutsche Nachkriegslogik: ich bin kein Sympathisant der Bewegung, denn ich bin nur mit marschiert. Wie Massenneurose vor Einzelneurose schützt, so Massenbeteiligung vor Einzelbeteiligung.

Eine Gröber-Predigt klang etwa so:

„Als treibende Kraft stand hinter der jüdischen gesetzlichen Macht die abstoßende Heuchelei und böswillige Heimtücke der Pharisäer. Sie entpuppten sich immer mehr als Christi Erz- und Todfeinde, […] ihre Augen waren durch ihre Voreingenommenheit verbunden und verblendet von ihrer jüdischen Weltherrschaftsgier. Christus wird verraten mit dem Zeichen der überschäumenden Liebe, mit einem schmatzenden Kuß der schmutzigen Judaslippen. Alles Mitgefühl der Juden ist in barbarischer Rohheit erstickt. Die Bestie hat Menschenblut gerochen und will ihren wildbrennenden Durst daran löschen. […] Über Jerusalem gellt indessen der wahnsinnige, aber wahrsagende Selbstfluch der Juden. ‚Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!‘ Der Fluch hat sich furchtbar erfüllt. Bis auf den heute laufenden Tag.“

Die Nazis fühlten sich nur als Vollstrecker des göttlichen Fluches über die Juden. Das hat doch nichts mit Religion zu tun.

Nach dem Krieg zogen sich beide Kirchen aus dem Schlamassel, indem sie berüchtigte Bibelstellen anders interpretierten oder in ihrer Bedeutung ausschalteten. Sie sind Meister im Vertuschen ihrer Kreuzzüge quer durch die Jahrhunderte.

Das Christentum ist zur Wünsch-dir-was-Religion geworden. Beispiel aus diesen Tagen: die Umformulierung des Vater-unser durch katholische Bischöfe:

„Italiens Katholiken bekommen ein neues Vaterunser. Die Bitte „Führe uns nicht in Versuchung“ lautet in der offiziellen Fassung künftig „Überlasse uns nicht der Versuchung“. Der Theologe und Erzbischof Bruno Forte sagte der Internetseite Vatican News, dass Gott „uns irgendwie eine Falle stellt“ sei „eine absolut nicht hinnehmbare Vorstellung“.“ (Sueddeutsche.de)

Das Dritte Reich war nicht Nachfolgerin des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und des Bismarckreiches, sondern das Dritte Reich des mittelalterlichen Geschichtstheologen Joachim di Fiore: das finale Reich des Heiligen Geistes nach dem des Vaters und des Sohnes.

Nicht nur, dass Kirchen ihre diabolische Vergangenheit verleugnen oder verharmlosen, in der Nachkriegszeit waren sie unfähig, einen sinnvollen Dialog mit den Juden zu führen. Am innerjüdischen Verständigungsprozess über die Bedeutung des Holocaust für den jüdischen Glauben haben sie sich nie beteiligt.

„Die Bedeutung des Holocaust in der jüdischen Debatte wurde in Deutschland kaum bekannt oder zur Kenntnis genommen. Die tieferliegende Ursache liegt in der Ignoranz der christlichen Kirchen und Theologie gegenüber dem jüdischen Diskurs. Die Hauptursache der Nichtbeachtung des jüdischen Diskurses liegt in der tendenziellen Blindheit christlich geprägter Kulturen gegenüber dem Phänomen einer gedächtniszentrierten Form des jüdischen Geschichtsbewusstseins. Keiner der Beteiligten am Historikerstreit stellte wenigstens einmal die Frage, wie denn die Betroffenen selbst, die Juden, die diskutierten Probleme bewerten.“ (Christoph Münz, Der Welt ein Gedächtnis geben)

Bis zum heutigen Tag kam es zu keinem verständnisfördernden Dialog zwischen jüdischen und nichtjüdischen Historikern, zwischen Juden und Christen überhaupt. Weder auf historischer, religiöser, noch auf psychologischer Ebene.

Die Erklärung ist einfach. Kirchen wollen nicht an ihre Vergangenheit erinnert werden. Historiker verstehen nichts von Religion – und wollen auch nichts verstehen. Sie haben die Selbstexkulpation der Kirchen übernommen, dass der Nationalsozialismus keine christlichen Wurzeln besessen hätte.

Zum aufklärenden Beziehungsgespräch kam es nie. So weiß keine Seite, was die andere wirklich denkt. Man spricht übereinander mit indirekten Angriffen und Rechtfertigungen, wenn man tut, als spräche man miteinander.

Die Deutschen haben Angst, noch immer als subkutane Antisemiten entlarvt zu werden. Die Juden haben Angst, dass Geschichte sich wiederholen und die Deutschen in ihre unheilvolle Vergangenheit regredieren könnten.

Beide Seiten haben harmlos klingende Formeln des Vorwurfs und der Selbstrechtfertigung entwickelt.

Einigkeit besteht nicht in elementarsten Fragen: Was ist Antisemitismus? Ist er ein rein religiöser Akt, der zurückzuführen ist bis ins Neue Testament – oder besteht er vor allem aus „sekundären“ Merkmalen wie Hass gegen finanziell überlegene Juden?

Die Rückführung auf urchristliche Glaubensinhalte wird von beiden Seiten gebremst, ja abgelehnt. Geht es doch um das Zentrum des christlichen Dogmas, das mit antijüdischem Hass vergiftet wäre. Aber auch die Juden haben Hemmungen, ans Eingemachte zu gehen, denn das Ergebnis könnte sein: da Christentum ein Teil des Judentums ist, müsste Antisemitismus eine jüdische Erfindung sein.

Solche Vorwürfe gab es bereits. Von Juden wurden sie mit Verve zurückgewiesen wurden: was, wir Juden sollen an den Gräueln des Nationalsozialismus selbst schuldig sein? Ergebnis: über religiöse Wurzeln des Antisemitismus wird nicht mehr gesprochen.

Einziges Thema der gegenwärtigen Erregungsdebatte: Ist Kritik an der menschenrechtsverletzenden Politik Israels nichts als verdrängter, verleugneter Antisemitismus?

Daniel Goldhagens These eines eliminatorischen Antisemitismus der Deutschen ist vom Tisch. Die Deutschen beschränken ihre Vergangenheitsbewältigung auf zwölf Jahre des Unheils plus etliche Jahre der Vorbereitung seit der Weimarer Zeit. Das war‘s.

„Der angebliche Befehlszwang war eine bloße Schutzbehauptung der Täter; von der angeblichen Staatshörigkeit der Deutschen war in den chaotischen Jahren zwischen 1918 und 1933 wenig zu spüren; der angebliche Gruppenzwang erklärt das Verhalten einzelner, aber nicht das der Gruppe als ganzer, die diesen Druck ja selbst erst erzeugt; der angebliche Karrierismus der Täter konnte nur in Ausnahmefällen durch eine besonders eifrige Teilnahme am Massenmord befriedigt werden; das angebliche Unwissen über die mörderischen Folgen seiner Taten konnte niemanden befallen, der seine Opfer von Angesicht zu Angesicht quälte und erschoss. Goldhagen vertritt die These, dass die Taten der Deutschen nicht von solchen äußeren Zwängen oder Anreizen herrührten, sondern von inneren Überzeugungen. Die Deutschen wurden nicht gezwungen, Juden zu töten; sie taten es freiwillig, sie waren willige Vollstrecker.“ (Goldhagen)

Michael Brumliks Forschungen über den Antisemitismus der bedeutendsten Dichter und Denker der Deutschen sind nirgendwo angekommen. Genug, dass die Deutschen ihre 12 Höllenjahre schultern müssen. Auf ihre Genies lassen sie nichts kommen.

Dass es eine kontroverse jüdische Holocaust-Theologie gibt, hat sich in Deutschland nicht herumgesprochen. Die Nachkommen der Täter wollen nichts von ihrer eigenen Religion hören und schon gar nichts von der der Opfer.

Beispiele:

Das jüdische Volk ist in der Tat der „leidende Knecht“ aus Jesaja geworden. Das jüdische Volk leidet kollektiv für die Sünden der Welt.

Hitler war ein Werkzeug Gottes, mit dem Er sein untreues Volk – besonders die assimilierten deutschen Juden – bestraft hat.

Gott existiert, aber Gott ist nicht allmächtig.

Wenn es einen Gott gäbe, hätte er den Holocaust verhindert. Da Gott ihn nicht verhindert hat, hat Gott überhaupt nie existiert.

„Elie Wiesel spricht vom Schweigen, vom Entsetzen und von der Entrechtung Gottes. Und dann: «Jude sein heißt, sämtlichen Gründe in der Welt dafür zu haben, keinen Glauben zu haben (…) an Gott; aber fortzufahren, die Geschichte zu erzählen (…) und meine eigenen stillen Gebete zu haben und meine Auseinandersetzungen mit Gott.»“

Christoph Münz behauptet, das Judentum hätte eine anamnestische Kultur, während die Nachkriegsdeutschen die amerikanische Formel übernommen hätten: Wir schauen nicht zurück, wir schauen nach vorn.

Der Staat Israel wird immer orthodoxer – und moderner. Modern ist nicht das Gegenteil von religiös, sondern die Konkretion der Religion. Technisch und wissenschaftlich zählen die Israelis zu den führenden Nationen der Welt.

Bei ihnen spielen „geglaubte Tatsachen“ eine Rolle – keineswegs gesicherte Ereignisse. Es geht ihnen nicht um wissenschaftlich überprüfte historische Fakten.

Die Erinnerung an die jüdische Aufklärung ist völlig verschwunden. Der Humanismus dieser Epoche wäre mit der israelischen Besatzungspolitik unverträglich. Die Vertreter dieser Politik berufen sich nie auf Moses Mendelssohn und seine Gesinnungsgenossen, sondern auf das machiavellistische „Naturrecht der Starken“, das auch von Hegel vertreten wurde: Was wirklich ist, das ist vernünftig, was vernünftig, ist wirklich. Die Dinge sind, wie sie sind und also gut.

Damit ist die traditionelle Moral des Judentums, um der Seligkeit willen eher zu leiden als Unrecht zu tun, ins Gegenteil verkehrt worden. Das Judentum des jungen Staates ist dabei, durch Regression ins Religiöse seine religiöse Tradition zu verraten.

Die Ähnlichkeit mit der sokratischen Devise: Unrecht erleiden ist besser denn Unrecht tun, liegt auf der Hand. Es gibt nur zwei kleine Unterschiede: a) jüdische Leidensmoral bezieht sich auf einen selektierenden Gott, während Sokrates sich auf die generelle Vernunft der Menschen beruft. b) Wen Gott liebt, den züchtigt er: Leiden ist ein Mittel, zu Gott zu kommen. Bei Sokrates gibt es keine göttlichen Belohnungen oder Strafen.

Deutsche und Juden haben gemeinsam, dass Aufklärung bei ihnen keine Rolle mehr spielt. Beiden Staaten geht es vor allem um Macht durch technischen Fortschritt. In Israel spielt militärische Kompetenz eine größere Rolle als in Deutschland, das nicht einmal imstande ist, seine Soldaten mit tauglichen Stiefeln auszustatten. Deutschlands Macht besteht vor allem im wirtschaftlichen Bereich, die einst weltweit gerühmte technische Kompetenz des Landes (made in Germany) ist rapide im Schwinden.

Trumps Friedensvertrag, der keiner ist, segnet den anti-aufklärerischen Kurs als vorläufig letztes Wort Israels ab. Wer stolz grinsende Sieger sehen will, muss das amerikanisch-israelische Duo betrachten, wie selbstgefällig es der Welt seinen Affront gegen die UN-Charta verkündet.

„Mit seinem Nahostplan hat US-Präsident Donald Trump Wahlkampfhilfe für seinen Freund Bibi geleistet. Der von Trump vorgestellte Plan sieht zwar eine Zwei-Staaten-Lösung vor, aber unter Bedingungen, die vor allem für Israel vorteilhaft sind. So soll Jerusalem die „ungeteilte Hauptstadt“ Israels bleiben. Außerdem sollen alle Siedlungen im Westjordanland, die die internationale Staatengemeinschaft als völkerrechtswidrig ansieht, Teil von Israels Staatsgebiet werden. Damit soll ein jahrelanger Rechtsbruch handstreichartig legalisiert werden – weil Trump und Netanjahu das wollen. Dazu kommt noch das gesamte Jordantal. Noch nie hat ein US-Präsident einen Plan vorgestellt, der so einseitig zugunsten der Israelis ausfiel. Die EU-Staaten wiederum müssen sich vorwerfen lassen, außer Beschwörungsformeln, dass an der Zwei-Staaten-Lösung festgehalten werde, seit Jahren keine konkreten Schritte zu deren Umsetzung unternommen zu haben. Die Palästinenser haben allen Grund, sich isoliert zu fühlen. Mit seinem Plan schafft Trump keinen Frieden, sondern schreibt den Siegeszug des einen Partners – Israels – fest und verlangt die Kapitulation des anderen, der Palästinenser.“ (Sueddeutsche.de)

Unfrieden in dreister Manier als Frieden ausgeben, ist die Demontage des Westens als Avantgarde der Humanisierung. Die amerikanisch-israelische Kooperation eröffnet mit Brachialgewalt eine neue Phase der Geschichte. Noch leistet Europa lauwarmen Widerstand gegen die faschistische Selbstentlarvung der beiden fassadären Demokratien. Wie lange noch?

Das desolate Deutschland glaubt, seine Feigheit vor dem Freund mit Reverenz vor dem Holocaust rechtfertigen zu können. Das Gegenteil ist der Fall. Es kann nur eine Lehre aus Deutschlands größtem Verbrechen geben: Menschenrechte, Menschenrechte, Menschenrechte. Wer politische Inhumanität predigt, kann sich auf den Holocaust nicht berufen.

„Linke“ Juden betrachten den moralischen Verfall ihres Landes mit Angst. Sie fürchten eine Selbstdemontage des bisherigen jüdischen Wesens, das im Bund mit Gott seine Moral entwickelte. Doch vor welchem Gott?

„«Herr der Welt, ich habe im letzten Jahr viele Sünden begangen. Aber Du Herr, hast viel schwerere Sünden begangen. Du ließest Babys sterben. Du hast Kriege zugelassen und dass Menschen leiden und sterben. So lass uns ein Geschäft machen. Du vergibst mir und ich werde Dir vergeben.» Während Levi Isaac diese Geschichte hörte, geriet er in Zorn. «Wie konntest du Gott so leicht davon kommen lassen? Du hattest Ihn ganz in deiner Hand. Du hast um Vergebung nachgesucht, wo du Ihn hättest zwingen können, die Welt zu erlösen.»“ (zit. in Münz)

Noch prägnanter:

„Du kannst mich zu Tode peinigen, ich werde immer an Dich glauben – Dir selbst zum Trotz. Du hast alles getan, damit ich nicht an Dich glaube, damit ich an Dir verzweifle. Ich aber sterbe, wie ich gelebt habe, im felsenfesten Glauben an Dich.“ (ebenda)

An dieser Stelle müsste der deutsch-jüdische Dialog beginnen. Wer die politischen Implikationen seiner Religion nicht zur Kenntnis nimmt, der kann keine Humanität ausstrahlen. Vernunft beginnt, wo Religion endet.

Die griechische Demokratie entstand, als die Athener im Kampf gegen die Perser – die heutigen Iraner – in existentielle Schwierigkeiten gerieten. Die gleichberechtigte Mündigkeit jedes Einzelnen in Verbundenheit mit der ganzen Polis war ihre Antwort auf die Krise. Athen wurde zum Vorbild der Völker.

Althistoriker Christian Meier:

„verweist auf das Wunder, dass die Griechen in der Antike vollbracht haben. In einer tiefen Krise und angesichts einer übermächtigen militärischen Bedrohung durch das Perserreich hätten sich die Griechen auf ihre eigenen Kräfte und ihre Klugheit besonnen und ohne jedes Vorbild die Demokratie erfunden. Diese Demokratie war weit anspruchsvoller als unsere Demokratien: Die Griechen praktizierten in ihrem Rat und in der Volksversammlung ein Prinzip der totalen Rotation: «Sie dürfen nur zwei Mal im Leben einen Tag erleben, an dem Sie der Vorsitzende des Rates und der Volksversammlung sind.» Selbst Ämter wurden per Los bestimmt. Man habe nicht nach dem Beruf und der Bildung der Polis-Bürger gefragt, sondern auf ihre Klugheit vertraut: «Auf jeden Fall braucht Demokratie ein gewisses Vertrauen untereinander. Es muss eine horizontale Solidarität geben. Also die Solidarität der Menschen untereinander, mit ihresgleichen.»“ (Deutschlandfunk-Kultur.de)

Das deutsch-jüdische Problem lässt sich nur lösen, wenn wir gemeinsam und in kritischer Freundschaft – Demokraten werden.

 

Fortsetzung folgt.