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Sofort, Hier und Jetzt XXXIV

Sofort, Hier und Jetzt XXXIV,

„Besser ist es, in der Hölle zu herrschen, als im Himmel zu dienen.“ (Milton)

Spätestens am Dienstag werden wir keine Illusionen mehr haben, ob Trump nur ein kleiner Unfall Amerikas war. Oder ob der westliche Zug sich allmählich aller humanen Ziele entschlagen und in Richtung Hölle fahren wird. Dann hätte er lange genug dem „Himmel“ in Knechtschaft gedient und wäre fortan bestrebt, lieber in höllischer Freiheit das Unmenschliche zu tun, als sich dem Guten charakterlos zu unterwerfen.

John Miltons Satz ist das Motto Steve Bannons, der die westliche Rechte einigen und für den Endkampf mit China und Russland rüsten will. Mehr als ein halbes Jahrhundert himmlische Nachkriegs-Verhältnisse, die nichts anderes waren als zunehmend gottfern-humane: das reichte den amerikanischen Frommen endgültig. Solange sie auf der siegreichen Seite waren, haben sie ihr Misstrauen gegen die aufkommende Vernunft unterdrückt. Seitdem es abwärts geht mit der american glory, werden der sündigen, undankbaren Welt uralte unabgegoltene Rechnungen präsentiert.

Deutschland, in der Wüste des Wohlstands orientierungslos umherirrend, wird dem überseeischen Mose die Gefolgschaft nicht verweigern – obgleich es sich dem amerikanischen Biblizismus überlegen fühlt. Wie könnte das Land uralten Mythen folgen, wenn es dieselben längst überwunden hat?

Das ist der Fluch der Verschmelzung zweier unverträglicher Kulturen oder: der erzwungenen Synthese aus Heiligem und Rationalem. Wenn Himmel zum autonomen Guten wird, kann der Protest gegen himmlische Despotie sich als Empörung gegen die irdische Vernunft darstellen – und damit missverstehen.

In theologischen Metaphern: Wohin steuert die christliche Weltpolitik? Folgt sie den Fußstapfen des Herrn – oder denen des Teufels? Des Herrn, den sie mit dem

  Teufel oder des Teufels, den sie mit dem Herrn verwechselt?

In zwölf Büchern schildert John Milton die christliche Heilsgeschichte als Kampf zwischen Gott und seinem teuflischen Alter Ego. Der tödliche Kampf suggeriert dem eindeutigen Denken Unvereinbarkeit zwischen Schöpfer und Zerstörer. In Wirklichkeit sind beide unauflöslich miteinander verknüpft: das Gute ist nicht nur das Gute, das Böse nicht nur das Böse. Wenn beide Prinzipien sich gegenseitig benötigen, ist der Teufel nicht nur Widersacher, sondern auch gehorsamer Knecht seines Kontrahenten. Das Böse ist nicht nur schlecht, sondern unersetzbar im Dienst des Guten.

Das Gute – oder Heilige – ist es selbst und zugleich sein Gegenteil. Das Böse – oder Satanische – ist es selbst und zugleich sein Gegenteil.

Willkommen im dialektischen Fegefeuer, das alle eindeutigen Begriffe zerstört und alle logischen Schlussfolgerungen ad absurdum führt. Die gewaltsame Verquickung der beiden Sprachen ist die Quelle aller Begriffsverwirrungen der abendländischen Sphäre.

Die Sprache des dialektischen Heiligen ist unverträglich mit der Sprache der eindeutigen irdischen Vernunft. Gewiss, auch der heidnischen Welt war eine bestimmte Dialektik nicht unbekannt. Doch sie war mehr eine Polarität, ein Spannungsverhältnis wie zwischen zwei magnetischen Polen, die man für Begriffsverwirrungen nicht verantwortlichen machen kann.

Bei Heraklit war die Welt eine Einheit, „ein ewig lebendiger Prozess des Werdens und Vergehens und steter Wandlung seiner innersten Substanz. Über diese Einheit dürfen auch die unserer Wahrnehmung sich aufdrängenden Gegensätze nicht hinwegtäuschen, die nur, scheinbar und relativ, in einem fließenden Übergang ineinander begriffen sind und somit die „unsichtbare Harmonie“ der Welt dem Blick oberflächlicher Betrachter verhüllen, während das tiefer durchdringende Auge des Denkers ihre Auflösung im absoluten Geiste erkennt.“

Auch im Christentum, könnte man einwenden, gibt es eine finale Harmonie aus Gott und Teufel, wenn am Ende der Geschichte der Kampf zwischen beiden sich in Wohlgefallen auflöst. Dann müsste aber auch die Scheidung zwischen Seligen und Verfluchten, zwischen Himmel und Hölle wegfallen. Die ewige Trennung der beiden Populationen spricht dagegen.

Bei Heraklit finden wir einen seltsamen Widerspruch. Einerseits vertritt auch er eine ethische Antinomie: „Für Gott ist alles gut und schön und gerecht. Nur die Menschen halten das eine für ungerecht, das andere für gerecht.“ Andererseits hält ihn diese Antinomie nicht davon ab, die meisten Menschen eindeutig für schlecht und nur wenige für gut zu halten.

Die Unterscheidung zwischen Guten und Bösen gibt’s im christlichen Glauben nicht. Hier gibt es nur Gläubige und Ungläubige, über die, so schlecht und gut sie auch gewesen sein mögen, allein der Status ihres Gnadenstandes entscheiden wird. Die grässlichsten Sünder könnten selig werden, wenn Gott ihnen unverdienterweise gnädig war. Sokrates hingegen könnte in der Hölle landen (seine Tugenden waren vergoldete Laster), während Hitler & Co im Himmel fröhlich spazieren gehen.

Über Tugenden und Untugenden der Menschen entschieden nicht sie selbst, sondern ihre Religionen und Traditionen. Das wird in wirtschaftsgierigen Zeiten ausgeblendet – und dennoch benutzt. Im Pathos des Abendlandes werden Menschen nach ihren Taten beurteilt, was antilutherisch ist. Denn Taten sind Werke, die für die Bewertung des Menschen keine Rolle spielen dürfen. Das wäre eine heidnische Bewertung des Menschen aufgrund feststellbarer Taten.

Doch jetzt zeigt sich das lutherische Moment der Werke-Verachtung, wenn deutsche Eliten sich darüber erhaben fühlen, sich an ihren Taten messen zu lassen. Das halten sie für arrogante oder spießerhafte Moralbläserei. Man müsste so sagen: deutsche Intellektuelle fühlen sich – nach Bewältigung ihrer bösen Vergangenheit – moralisch derart im grünen Bereich, dass sie sich das Kokettieren mit der Sünde leisten können. Gott weiß doch, dass sie es nicht ganz ernst meinen. Das ästhetische Flirten mit der Sünde nennen sie Kunst – und Kunst ist jenseits von Gut und Böse. Natürlich sind sie in ihrem täglichen Bereich die Besten der Besten.

Im Politischen hingegen, das mussten sie in Jahrhunderten apolitischer Zurückgebliebenheit lernen, im Politischen gelten andere Gesetze als im Privaten. Lange Zeit schwankten sie zwischen machiavellistischer Staatsraison und strikter Untertanenmoral. Bis sie, punktgenau mit ihrer wachsenden außenpolitischen Bedeutung, das Machiavellistische auch als private Moral zu akzeptieren begannen.

Der Dammbruch geschah bei den Romantikern, die Kants kategorische Moral verwarfen. Nietzsche war der Höhepunkt einer amoralischen Herrenmoral, die im Dritten Reich zur „selbstbefreienden“, alle schwärmerischen Mitleidsaspekte vernichtenden, erbarmungslosen Politmoral wurde.

Durch die Sünde erst wird der Mensch zum Menschen. Erst wenn er das Heiligste zerstört und sich vor Unheiligem nicht mehr fürchtet, verwandelt er sich aus einem Tier zum Menschen.

„Denn der Zustand der Unschuld, dieser paradiesische Zustand, ist der tierische. Das Paradies ist ein Park, wo nur die Tiere und nicht die Menschen bleiben können. Der Sündenfall ist daher der ewige Mythus des Menschen, woher er eben Mensch wird.“ (Hegel)

Nicht nur Goethe, fast alle deutschen Dichter und Denker waren dieser Meinung: der Mensch wird Mensch erst durch Bösewerden. Wer Angst hat vor dem Durcheinanderwerfer, ist eine Memme und hat die Schwelle des Menschwerdens nicht überschritten.

Goethe lässt Faust durch Mephisto, den treuen Knecht Gottes, ununterbrochen in Sünde fallen. Das verhindert seine finale Erlösung nicht, das ermöglicht sie erst.

Selbst Kant konnte sich von der Faszination des radikalen Bösen nicht losreißen und plädierte für die kreative Kraft der „ungeselligen Geselligkeit“:

„Der Mensch will Eintracht, aber die Natur weiß besser, was für seine Gattung gut ist, sie will Zwietracht. Die Quellen der Ungeselligkeit und des durchgängigen Widerstandes, woraus so viele Übel entspringen, die aber dennoch auch wieder zur neuen Anspannung der Kräfte, mithin zu mehrerer Entwicklung der Naturanlagen antreiben, verraten also die Anordnung eines weisen Schöpfers – und nicht etwa die Hand eines bösartigen Geistes, der in seine herrliche Anstalt gepfuscht oder sie neidischerweise verderbt habe.“ (Kant, Ideen zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht)

Selbst die deutsche Aufklärung brachte es nicht fertig, die anti-nomische (= widergesetzliche) Verseuchung der Christenmoral mit einem Paukenschlag hinter sich zu lassen und sich für die auto-nome (selbstbestimmte) Moral der griechischen Aufklärung zu entscheiden. Das war der Grund, warum ihre Graecophilie sich in kindischer Bewunderung mythischer Totschlägereien erschöpfte.

Die Antinomie der griechischen Uranfänge wurde durch die Erfindung der eindeutigen Logik besiegt. Was sich widersprach, wurde aussortiert. Sei es im Bereich objektiver Wissenschaften, sei es vor allem im Bereich der Moral. Es gibt viele moralische Schwankungen im Innern des Menschen. Doch die Pflicht des aufrechten Demokraten besteht in der Überprüfung dieser Schwankungen mit einer messerscharfen Entweder-Oder-Logik.

Eben diese Entweder-Oder-Logik hassen die Modernen – indem sie sie zum dogmatischen Himmel- und Höllespiel dämonisieren. Dabei ist es das Gegenteil. Das Himmel- und Höllespiel verdammt von Oben. Die Entweder-Oder-Logik deckt die Verwirrungen und Fallstricke des Amoralischen auf, um Menschen vor einem unglücklichen und schuldhaften Leben zu bewahren.

Bis heute haben es die Deutschen nicht geschafft, ihre ästhetische Griechenbewunderung zur politisch-moralischen zu erweitern. Auch das Schöne bestaunen sie nur von ferne, ohne es als Naturschönes wahrzunehmen. Denn ihre Natur verunstalten sie mit unermüdlich-böser Energie zum hässlichen Gerippe.

Von ihren Kindern verlangen sie strenge Privatmoral. Doch in der Pubertät ist der Sündenfall fällig. In diesem Lande wird man Mensch erst durch amoralische Konkurrenz- und Interessenpolitik. Das Unlautere, Unberechenbare, Bigotte, Unzuverlässige – sprich: das Böse – ist der einzige Betriebsstoff, der Fortschritt und Sieg über Konkurrenten vorantreiben kann.

Mit anderen Worten: das gesamte Dichten und Denken, Räsonieren und Ästhetisieren, hat es nicht geschafft, den Fluch des amoralischen, werke-hassenden Luthertums zu überwinden.

Die Spitze dieses religiös aufgeputschten Amoralismus ist die Identität des Luther-Mottos: Sündige tapfer, wenn du nur glaubst, mit Himmlers Posener Rede:

„Die SS-Kommandeure erhielten Lob für gezeigte Härte im Angesicht des Mordens und die Versicherung, sie seien dabei „anständig geblieben“. Sie hätten „diese schwerste Aufgabe in Liebe zu ihrem Volk erfüllt“, ohne dabei seelischen oder charakterlichen Schaden genommen zu haben.“

Die schlimmsten Menschheitsverbrechen sind gerechtfertigt, wenn sie im „rechten Glauben“ geschehen. Der rechte Glaube war der an die auserwählte arische Rasse, der nichts verboten ist, ihre eschatologische Mission erbarmungslos zu exekutieren. Sündiget tapfer, wenn ihr nur glaubt – an euch.

Die Deutschen waren nicht die Ausnahme unter den westlichen Nationen. Sie waren nur die Besinnungslosesten, Fanatischsten und Konsequentesten. Das Böse, das sie zu verantworten hatten, war ein „stellvertretendes Böses“ für die Nationen gleichen Glaubens. Deshalb gibt es noch heute in Amerika überzeugte Neonazis, die an ihrer Bewunderung für Hitler keinen Zweifel aufkommen lassen.

Es ist die überall verbotene, überall tief verborgene Bewunderung für absolute Freiheit, worunter sie die Freiheit des Satans verstehen. Neoliberale Freiheit ist au fond grenzenlose Moralfreiheit der Tüchtigen, die die geringste Einschränkung ihres darwinistischen Tuns als Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit verstehen.

Die Deutschen erfüllten stellvertretend die geheimsten Phantasien der Christenvölker, die jene gelegentlich aussprachen – aber durch demokratische oder sonstige Gegenprinzipien im Zaume hielten.

Miltons Satz: „Besser ist es, in der Hölle zu herrschen, als im Himmel zu dienen“, wäre von keinem Mephisto, Hegel, Nietzsche oder Nazi abgelehnt worden. Wer Angst hat vor der Hölle, hat den Himmel nicht verdient.

Immer wurde die Moral aufgespalten. Im Privaten und Nationalen hatte man schlicht und einfach anständig zu sein, beim kolonialen Erobern der Welt und Abschlachten der Völker galten keinerlei Maßstäbe. Wenn der Ruf erschallte: Deus lo volt, kannte der Satanismus der Christenheit keine Grenzen. Hier konnten die führenden Klassen ihren Untertanen zeigen, was eine teuflische Harke ist.

Die obrigkeitliche Amoral wurde von bürgerlichen Kapitalisten übernommen, die ihre Arbeiter schlimmer behandelten als Tiere. Das hat sich inzwischen durch den Widerstand aufkommender Arbeiterparteien gebessert. Im Ganzen aber verschlechtert es sich im globalen Maßstab zusehends. Der Reichtum der Welt wandert immer mehr in die Hände von Wenigen, während die schein-partizipierenden Massen in zunehmendem Maße überwacht und gelenkt werden.

Miltons bedeutendes Werk religiöser Dichtung, „welches das Ringen zwischen Himmel und Hölle, Gott und Teufel zum Thema hat, übt bis in die Gegenwart erheblichen Einfluss auf Literatur und andere Kulturbereiche aus. Die Darstellung der Figur des Satans im Vergleich zur relativ blassen, nüchternen Ausarbeitung der Person Gottes gelang John Milton so gut, dass der Dichter William Blake John Milton als »Parteigänger Satans unwissenderweise« bezeichnete.“ (Wiki)

Unwissenderweise ist eine Verharmlosung. Keinem theologisch bewanderten Intellektuellen – und wer wurde nicht von Jugend auf biblisch indoktriniert? – war die Heilsfunktion des Teufels unbekannt.

„Ich bin der HERR, und keiner mehr; der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe das Übel. Ich bin der HERR, der solches alles tut.“ „Ist auch ein Unglück in der Stadt, daß der HERR nicht tue?“ „Wer darf denn sagen, daß solches geschehe ohne des HERRN Befehl und daß nicht Böses und Gutes komme aus dem Munde des Allerhöchsten?“

Es gehört zum Arkanum abendländischer Werte, dass das Böse eine Doppelfunktion besitzt. Dem schlichten Volk in seiner Privatsphäre ist Böses strengstens verboten, den Weltgewaltigen und ihren Abhängigen dient Böses als Aphrodisiakum im technischen und wirtschaftlichen Wettbewerb.

Was Nationalsozialisten in weltmeisterlicher Skrupellosigkeit verübten, wird von der Moderne in Wirtschaft und Technik praktiziert. Zwar werden Menschen in der Regel nicht aktiv zu Tode gebracht, aber in gewollter Teilnahmslosigkeit verrecken lassen. Was hingegen den Tötungsrausch der Nazis bei weitem übersteigt, ist der rasendere Amoklauf gegen die ganze Natur mit Gefährdung der gesamten Gattung.

Nicht nur SS-Reden stellten das Böse als Verpflichtung dar. Es gehörte zur Grundüberzeugung deutscher Theologen, dass alle Gläubigen den Auftrag zur Ermordung unliebsamer Feinde als allerchristlichste Pflicht anerkannten.

Paul Althaus, einer der bedeutendsten lutherischen Dogmatiker lehrte, dass „die Ordnungen der sündigen Welt unvollkommen sind. Da die von Gott gegebene Obrigkeit eine Macht darstelle, die böse sei und eine dämonische Eigendynamik entwickele, könne der zum Gehorsam verpflichtete Untertan dieser Ordnung nicht dienen, ohne das Böse zu fördern.“

Althaus widersetzte sich jenen, die „im Frieden eine höhere menschliche Ordnung sehen würden, gar etwas, was dem „Frieden Gottes“ gleichkäme“. Er ging davon aus, dass Gott die Welt durch zwei Reiche regiere (das „himmlische“ und „satanische Reich“). In dem einen herrsche die Liebe Gottes, in dem anderen das Schwert. Das letztere mag nicht christlich erscheinen, aber es diene Gott durch Aufrechterhalten der Ordnung. Luthers Zweireichelehre wende sich gegen die Schwärmerei, dass die Welt durch menschliches Handeln und menschliche Reformen in das Reich Gottes verwandeln könne.“

Die Aversion fast aller Parteien gegen Moral, ihre Vorliebe für moralfreie Politik steht fest auf lutherischem Boden. Die Kanzlerin ist nicht die Ausnahme von der Regel, sie erfüllt mit gestähltem lutherischem Bewusstsein, was ihr Volk instinktiv von ihr erwartet.

Die Zweireiche-Doppelmoral der westlichen Christenheit, nach dem Krieg durch internationale Friedensvernunft für einige Jahrzehnte ruhig gestellt, ist seit dem Verfall der amerikanischen Glorie zur Leitidee des gesamten Westens aufgestiegen. Wo propagierte Steve Bannon rein zufällig zum ersten Mal sein faschistisches Milton-Motto?

„Bannon entfaltete seinen Traum einer rechten Internationalen 2014 bei einem Forum des „Human Dignity Instituts“ im Vatikan. Also lange bevor er Trump entdeckte. Schon damals schwärmte er von einem Bündnis aus britischen Rechtspopulisten der Ukip, der französischen „Rassemblement National“, der schweizerischen SVP, der österreichischen FPÖ, der niederländischen „Freiheitspartei“, der polnischen PiS und der ungarischen Fidesz. Bannon versucht diese Politik der Polarisierung nun aus den USA zu exportieren. Es geht ihm darum, ethnische und religiöse Gegensätze zu schüren, Zynismus über demokratische Institutionen zu nähren und die freien Medien zu unterminieren.“ (Berliner-Zeitung.de)

Eins ist so sicher wie das Amen im Gebet. Welche antidemokratischen Regimes und   Despotien die Welt demnächst im Würgegriff haben werden: die Kirchen werden immer dabei sein und die satanischen Herren der Welt segnen. Das war so, ist so und wird solange so bleiben, bis die Völker die Zweireiche-Lehre begraben und humane Volksherrschaften willkommen heißen.

Wer eine logische Entweder-Oder-Moral als Prüfungsinstanz verwirft, der will eine Generallizenz zum Bösen. Geschenkt, dass wir alle „Sünder sind vor Gott und des Ruhms der Vollkommenheit ermangeln“. Was aber auf keinen Fall bedeuten kann, die Prüfkriterien aufzuweichen, damit wir ungeschoren davon kommen.

Im Gegenteil, je unsicherer und getriebener wir sind, desto nötiger haben wir selbstkritische Urteilsmaßstäbe, damit wir unsere Fehler nicht als Tugenden verkaufen. Nur wer sich an eindeutigen Kriterien misst, kann sich von ihnen inspirieren lassen. Wer autonome Überlegungen für richtig hält, muss sich keinen heteronomen Forderungen unterwerfen.

Wenn alles grau in grau sein soll, kann es weder ein Gutes ohne Böses, noch ein Böses ohne Gutes geben. In personeller Hinsicht stimmt das, in theoretischer nicht.

Die WELT suhlt sich in altdeutscher Moralindifferenz, um mit Trumps guten Seiten hausieren zu gehen:

„Bei aller Wut sollte sich der eine oder andere um Nüchternheit bemühte Zeitgenosse hierzulande fragen, ob der amerikanische Präsident mitunter nicht vielleicht recht hat, zieht man all das Donnerwetter ab, das Trump zum Leben genauso braucht wie sein Golfspiel. Beispiele dafür gibt es viele – von der Drohung, den INF-Vertrag zu kündigen, den die Russen mit der Aufstellung neuer Atomraketen seit Jahren verletzen, bis hin zur Ansage, er werde die Grenze zu Mexiko schließen und die Südamerikaner, die derzeit Richtung Norden wandern, im Notfall in Sammelunterkünften festsetzen, sollten sie amerikanisches Staatsgebiet betreten. Wozu gibt es Grenzen, wenn jeder sie nach Belieben überschreiten darf? Welcher Staat (mit Ausnahme Deutschlands im Jahr 2015) lässt ohne Kontrolle und ordentliches Rechtsstaatsverfahren Tausende von Einwanderern in sein Land?“ (WELT.de)

Auf der einen Seite ein Plädoyer für grenzenlosen globalen Freihandel des Kapitals, auf der anderen strenge Grenzschließung für bedürftige Menschen. Das Geld der Reichen soll in der ganzen Welt nach Belieben wüten und die Einheimischen drangsalieren können (in der Wohnungsfrage etwa) – die Schwachen und Hilfsbedürftigen aller Länder hingegen sollen in die Röhre gucken. Grenzen auf, wenn Geld kommt, um Eliten zu bereichern; Grenzen zu, wenn die Loser der Welt daherwanken.

Trump als Vorbild in der Ausschließung fremder Flüchtlinge darzustellen, in dem Moment, da er mit Einsatz der Gewehre droht: das ist ein wahrhaft sensibler Rettungsversuch von einem Mann, der in der civitas diaboli immer hemmungsloser herumwütet, um die civitas dei americana zur Siegerin der Heilsgeschichte zu erklären.

Trumps Marsch in den postdemokratischen Faschismus nennt der Autor die „Wonnen seiner Gewöhnlichkeit“. Wäre Trumps Verhalten gewöhnlich, müsste Amerika auf den Titel Demokratie endgültig verzichten.

Die EU hat es gar nicht nötig, von Trumps Inhumanitäten zu lernen. Lange vor ihm hielten die Europäer es für richtig, an ihren Grenzen Tausende von Flüchtlingen im Mittelmeer ersaufen zu lassen.

Abendländische Werte kamen dabei nicht unter die Räder: sie wurden erkenntlich.

 

Fortsetzung folgt.