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Sofort, Hier und Jetzt XLVIII

Sofort, Hier und Jetzt XLVIII,

Voraussetzung eines gebändigten Klimas ist – Frieden. Doch schon kehrt der Kalte Krieg zurück, um die Erde von Überflüssigen zu befreien, die den Übermenschen beim Sprung ins Universum im Wege stehen. Gibt es nicht viel zu viele nutzlose Kreaturen auf Erden, zu nichts anderem fähig, als Leben zu inhalieren und Tod auszuatmen? Wie viele Parasiten könnte ein Atominferno mit einem Befreiungsschlag von der Tenne fegen? Würde nach einer weltumfassenden Flurbereinigung die Natur nicht endlich wieder aufatmen?

„… mehret euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“

Seid fruchtbar: immer, wenn der Mensch fruchtbar ist, geht’s der Natur an den Kragen. Des einen Zeugungskraft ist des andern Tod: § 1 der Heilsgeschichte.

Auftrag erfüllt, Herrschaft über die Erde übernommen – was jetzt?

Auftrag übererfüllt, die Erde muss wieder gereinigt werden von Ballast, der der Natur die Haare vom Kopf frisst.

Sinn der Geschichte ist Herrschaft übernehmen?

Sinn der Geschichte ist Natur unterjochen?

Sinn der Geschichte ist die Despotie des Menschen, nein, des Mannes, über alles, was ihm ebenbürtig oder überlegen sein will?

Am Anfang aller Schöpfungsmythen steht das Weibliche, die gebärende Mutter, die Gebärmutter: Dunkelheit, Flüssigkeit, Fließen, Stampfen und Rühren, Blut

  der Mutter. All dies ist etwas, sagt der von Neid zerfressene Mann, das überwunden werden muss.

„Die Erde war wüst und leer, Finsternis lag über der Urflut.“

„Urflut war Leib der Mutter, tehom, von Tiamat, dem babylonischen Namen der uranfänglichen Göttin. In Ägypten war sie Temu, Mutter der Elemente des Abgrunds: Wasser, Dunkelheit, Nacht und Ewigkeit. Dann kam die Urgöttin, um dem Neugeborenen das Licht zu bringen. Der Männergott kopierte die Worte der Göttin: Es werde Licht.“

(Tiamat: Marx nennt seine Mütterlichkeitslehre: Diamat, dialektischer Materialismus. Zufall?)

In einigen Schöpfungserzählungen können wir lesen: „Als der Mann die Welt erschaffen durfte, wurde er vor Stolz aufgeblasen und begann, seine Mutter zu ignorieren und die Urheberschaft am Universum für sich zu reklamieren. Da erboste sich die Göttin, bestrafte ihn, zerquetschte seinen Kopf unter ihrer Ferse und schickte ihn in die Unterwelt.“

Seitdem müssen männliche Götter ans Kreuz genagelt werden und sterben, um durch Auferstehung zu beweisen, dass sie den Fluch der Mütter überwunden haben.

Der Geschlechterkampf, von niemandem ernst genommen, ist keine Erfindung von Görres oder Bachofen.

Seitdem kann man sagen, der Mann muss ständig etwas beweisen, während das Weib – ist. Ihre Entwicklung ist Entfaltung im Einklang mit der Natur. Der Mann – wird, ohne zu wissen, was; entwickelt sich, ohne zu wissen, wohin. Am Ende bläht er sich auf in jenseitige Unendlichkeit. Ende der Aufblähung in einem zweiten Urknall.

Sein und Werden verkörpern das Weibliche und Männliche im Dauerclinch der Geschichte. Sein ist vitale Präsenz, vertraute Vergangenheit. Werden ist sehnende Zukunft, ohne zu wissen, woher das Begehren kommt und wonach es sich sehnt.

Bei Übermensch Zarathustra steht das Werden im Mittelpunkt.

„Die beiden größten (von Deutschen) gefundenen philosophischen Gesichtspunkte: a) der des Werdens, der Entwicklung; b) der nach dem Werte des Daseins (aber die erbärmliche Form des deutschen Pessimismus erst zu überwinden!) Wer schafft das Ziel, das über der Menschheit stehen bleibt und auch über dem einzelnen? Ehemals wollte man mit der Moral erhalten, aber niemand will jetzt mehr erhalten, es ist nichts daran zu erhalten.“ (Nietzsche, Nachlass)

Männer müssen sich ihr Ziel, das die Menschheit übersteigen soll, erst noch suchen. Moral, Garantie des Seienden, wie es ist und sein könnte, werfen sie über Bord. Moral ist für sie weibisch, schwächlich, ans Bestehende klammernd. Der wahre Mann verwirft Moral, um seine Angel ins Nichts zu werfen. Täglich beschleunigt er sein Werden, weil er nicht fassen kann, dass er sich im Nichts – nicht findet.

Also auf zu neuen Ufern. Ohne Risiko des Nichts kein Werden. Männer suchen ständig ihr Kreuz, an das sie sich annageln, um aus der Tiefe des Raums in Unsterblichkeit und Allmacht aufzuerstehen. Lass sie fahren dahin, sie haben’s kein Gewinn.

Frauen sind Hüterinnen der Moral, sie fühlen sich zuständig für die Konstanz des Lebens. Wenn Mütter ihre Kinder töten, dann deshalb, weil sie es nicht ertragen, zu schwach zu sein, um sie zu schützen.

Noch vor wenigen Jahren wirkten die stärksten Frauen fahrig, trotzig, auftrumpfend, unterschwellig deprimiert. Heute sind sie schön, stark und selbstbewusst geworden. Sie wurden, was sie sind. Im Prinzip haben sie den Mann überwunden. Wartet, wartet noch ein Weilchen.

Als die Mauer fiel, schien Frieden möglich. Da fluchten die Männer, weil ihre Waffen verrotteten. Heute sind sie wieder obenauf, rüsten ihre Raketen und haben keine anderen Themen als: Wie antworten wir den Despoten der Welt? Über Putins hybride Kriegstechnik. Europäische Armee und NATO. Deutschland wird am Hindukusch, in Afghanistan und Mali verteidigt.

Das Wort Pazifismus ist spurlos verschwunden. Dass brenzlige Situationen nur durch langfristige und verlässliche Friedenspolitik vermieden werden können, scheint völlig unbekannt. Sie warten, bis irgendjemand an den roten Knöpfen hantiert. Dann werden sie hysterisch.

Wollte Putin wirklich den Krieg: glauben die Westler ernsthaft, sie könnten die Katastrophe mit Waffen verhindern? Droht ein planetarischer Krieg, wird es nirgendwo mehr ein sicheres Plätzchen auf Erden geben.

In früheren Zeiten war es noch sinnvoll und möglich, totalitäre Gewalthaber mit Gewalt zu stoppen und zu überwältigen. Heute ist jeder begrenzte Krieg in Gefahr, ins Unberechenbare und Totale auszuarten.

Asymmetrischer Pazifismus ist die einzige Chance, bei wildgewordenen Erdattentätern davonzukommen – wenngleich unter würdelosen Umständen und in vager Hoffnung, eines Tages wieder Freiheit herzustellen. Alles andere wäre Selbstmord. Sandkastenspiele der Geostrategen, die herum spekulieren, wie der Westen zu „antworten“ hätte, sind von grausamer Lächerlichkeit.

Sibylle Tönnies gehörte zu den Wenigen, die der latent steigenden Kriegsbereitschaft in Deutschland den Spiegel vorhalten konnte:

„Pazifismus kann sich irren und hat sich im Falle Adolf Hitler tatsächlich geirrt. Aber er ist eine notwendige, zivilisierende Kraft in einer hochbewaffneten Gesellschaft. Dass man ihn jetzt im Stich lässt, ist schlimm, weil ohne Pazifismus die Bereitschaft zum Krieg schlechthin wächst. In einer solchen Gesellschaft wird nicht mehr über Kriegsverhinderungen nachgedacht, haben Waffenproduktion und -handel freien Lauf, der Gedanke einer friedlichen Welteinigung gerät in Vergessenheit. Ein ordinärer Triumphalismus macht sich breit, eine freche Arroganz gegen Gutmenschen, die die Bestimmung der Menschheit darin sehen, das Martialische zu überwinden. Selbst wenn man akzeptiert, dass die einzelnen Nationen sich durch Bewaffnung schützen müssen, bedarf es erst recht eines starken Pazifismus, um letzten Endes Gewaltlosigkeit auf dem Globus durchzusetzen.“ (Tönnies, Pazifismus – passe?)

Heute gehört Deutschland zu den hemmungslosesten Herstellern und Exporteuren von Waffen weltweit. Früher durften in Krisengebiete keine Waffen verkauft werden. Heute gibt es kein Halten mehr, in militante menschenfeindliche Regimes Panzer, Gewehre, U-Boote und ähnliche Mittel christlicher Nächstenliebe zu exportieren. Kommt Protest auf, wird die Lieferung einen Monat ausgesetzt – um in Merkel‘scher Gelassenheit leise, still und heimlich fortgesetzt zu werden.

Nachdem Trump seine neue Weltpolitik – die alles andere als neu ist – unmissverständlich formuliert hat: America first – und wenn‘s sein muss, mit Gewalt: was tut der einstige Musterschüler Germany? Er duckt sich und schließt sich an. Trumps Verhalten setzt amerikanische Wildwestmethoden fort. Und dennoch gab es in den USA noch ganz andere Stimmen:

„Jedes Gewehr, das hergestellt, jedes Kriegsschiff, das zu Wasser gelassen, jede Rakete, die gezündet wird, bedeutet im Endeffekt einen Diebstahl an denen, die hungern und nichts zu essen bekommen, an denen, die frieren und keine Kleider bekommen“ – sagte ein General Eisenhower, der seine Landsleute vor dem Wildwuchs des „militärisch-technischen Komplexes“ vergeblich warnte.

Heute müsste man Eisenhowers Warnungen ergänzen: jedes Gewehr ist ein Diebstahl an allen, die unter den Folgen des „Freihandels“, der Hitzewellen, Überschwemmungen und Tornados zu leiden haben und nirgendwo mehr hin fliehen können, weil Menschenrechte nichts mehr gelten und nationalen Egoismen weichen müssen.

In Deutschland gibt es keine Friedenstradition. Kant ist die Ausnahme von der Regel.

„Es wäre von hohem Interesse, einmal die Frage gründlich zu untersuchen, welche Momente das deutsche Volk bewogen hat, an den Möglichkeiten eines allgemeinen und dauernden Friedens einen so geringen Anteil zu nehmen“, schrieb der Friedensforscher Hans Prutz 1917 in seinem Buch „Die Friedensidee“.

Selbst Kant verwarf den Krieg nicht ganz und gar. Sein ewiger Friede war auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Bis dahin konnte der Krieg eine „berechtigte Erscheinung in der sittlichen Welt sein“. Der Krieg könne den Menschen sittlich erheben und zum Helden machen, dessen Tapferkeit „selbst den Wilden imponiere“. Werde ein Krieg „mit Ordnung und Heilighaltung der bürgerlichen Rechte“ geführt, sei er nicht verwerflich. Ja, er könne sogar nützlich sein, denn er verhindere das Einschlafen der Kräfte der Menschheit.

„In einem arkadischen Schäferleben könne, bei vollkommener Eintracht, Genügsamkeit und Wechselliebe alle Talente auf ewig in ihren Keimen verborgen bleiben; die Menschen, gutartig wie die Schafe, die sie weiden, würden ihrem Dasein kaum einen größeren Wert verschaffen, als dieses Hausvieh hat; sie würden das Leere der Schöpfung in Ansehung ihres Zwecks, als vernünftige Natur, nicht ausfüllen.“

Wie aber kann der Mensch hoffen, trotz des radikalen Bösen, in fernen Zeiten doch noch zum Frieden zu kommen? Tatsächlich durfte er hoffen. Aber nicht als Ergebnis seiner kategorischen Moral. Sondern als Leistung einer vernünftigen und gütigen Natur, die ihn nie im Stiche lassen würde:

„Das, was diese Gewähr (Garantie) leistet, ist nichts Geringeres, als die große Künstlerin Natur aus deren mechanischem Laufe sichtbarlich Zweckmäßigkeit hervorleuchtet, durch die Zwietracht der Menschen Eintracht selbst wider ihren Willen emporkommen zu lassen.“

Wie Adam Smith die Versöhnung individueller Egoismen von einer unsichtbaren Hand erwartete, erwartete Kant von dem mechanischen Laufe der Natur die Eintracht der zwieträchtigen Menschen „selbst wider ihren Willen“. Nein, auch bei Kant war der Mensch noch kein selbstbewusster Gestalter seines Schicksals.

Wenn schon nicht Kant, wer dann? Bestimmt nicht Hegel, dessen absoluter Geist dem Würmchen Mensch keine Chance ließ:

„Durch Frieden wird die sittliche Gesundheit der Völker zerstört. Im Frieden dehnt sich das bürgerliche Leben mehr aus, es ist auf die Länge ein Versumpfen der Menschen.“

Für Marx gab es Moral nur als bürgerliche Dekadenz. Bereits als junger Student schrieb er seinem Vater, dass er vom Sollen nichts hielte, aber das Sein in Ehren halten wolle. Später schrieb er, dass nur die Arbeiterklasse in der Lage sei, die Wurzeln des Krieges auszurotten; nur sie sei fähig, „eine Gesellschaftsordnung zu schaffen, deren internationales Prinzip der Friede sein werde.“

Friede ist das Werk der Natur, nicht des Menschen und wird irgendwann, in ferner Zukunft, von selbst eintreten. Bis dahin das alte Lied vom Krieg und Kriegsgeschrei. Der Amoralismus Marxens prägt die Linken bis heute, obgleich sie auf dem Papier Abschied von ihm genommen haben. Warum ist die Linke so zerrissen und kann sich in wesentlichen Punkten nicht einig werden? Etwa in Flüchtlingsfragen? Weil sie moralisch zwischen allen Polen schwankt.

„Der Sozialismus konnte das Scheitern seiner staatlichen Niederlage nicht überleben, weil er keine Ethik entwickelt, sondern geradezu bekämpft hatte. An ihre Stelle hatte er eine sogenannte Wissenschaft gesetzt, die Gerechtigkeit und Frieden als quasi-naturgesetzliches Ergebnis des Geschichtsablaufs ansah. Auf diese Weise hatten sie kein ethisches Fundament, so dass sie jetzt moralisch haltlos sind.“ (Tönnies)

Nicht nur CDU und SPD müssten zum philosophischen Rigorosum. Die gesamte deutsche Szenerie ist gedanklich ausgeblutet und begnügt sich mit kompromisslerischen Tagessparolen, die sie morgens aussprechen und abends ausspucken.

Damit wir den Geschlechterkampf nicht vergessen: Krieg ist Eroberung des Feindes – und des verführerischen Weibs, das im Frieden unerreichbar scheint:

Burgen mit hohen
Mauern und Zinnen,
Mädchen mit stolzen
Höhnenden Sinnen
Möcht ich gewinnen!

Kühn ist das Mühen,
Herrlich der Lohn!

Das ist ein Stürmen!
Das ist ein Leben!
Mädchen und Burgen
Müssen sich geben.
Kühn ist das Mühen,
Herrlich der Lohn! (Soldaten in Faust)

Frauen müssen sich geben, so hätten‘s die Herren gern. Im Frieden sind „Mädchen mit höhnenden Sinnen“ unerreichbar, das ist für Schmachtende und Gewalttätige ein unerträglicher Zustand.

Im normalen Frieden ist das sinnliche Gefälle zwischen den Geschlechtern dem Mann kaum erträglich. Also stürzt er sich in sinnenfeindliche Maloche und Profitgier, um sich mit Mammon zu erkaufen, was er mit natürlichen Fähigkeiten niemals erreichen würde. Mit Geld kann er sich Frauen kaufen – aber nur als sexuelle Ware.

Er degradiert, was er im Grunde höher schätzt als sich selbst: die Heimkehr zur Mutter als „Schwester und Weib“. Es ist die Heimkehr des Menschen zur Natur.

Einen ödipalen Komplex gibt es nicht, sondern eine Rückkehr zur Mutter Natur. Aber die Sehnsucht jeden Mannes, den Geschlechterkampf zu beenden und vom überlegenen Weib als Partner anerkannt zu werden. Es kommt nicht auf die biologische Mutter an, sondern auf das stolze Wesen, das ihn nicht länger verhöhnt und verlacht.

Was Freud zum neurotischen Komplex degradierte, war einst der Hieros gamos, die Heilige Hochzeit zwischen Gott und Göttin, einem Sterblichen und der Gottheit, einem Auserwählten und der Königin. Dabei musste er sich nackt und in erigiertem Zustand präsentieren, damit die Unerreichbare ihn für ihre Lust erwählte. Selbst bei Bachelors von heute würde alles schrumpfen, was nur schrumpfen kann, wenn sie solche phallischen Tests bestehen müssten.

Dschungel-Camps und sonstige Nacktheitenprogramme der TV-Kanäle sind diffuse Annäherungen an das Ritual der Hierogamie, ohne sich zu trauen, das Urgeschehen in scham-freier Unschuld zu neuem Leben zu erwecken. Was einst heilig war, ist heute lüstern und obszön geworden.

Das Hohelied im Alten Testament ist eine Sammlung bezaubernder Liebesgedichte aus vielen Nationen, die seltsamerweise in das männliche Buch der Bücher aufgenommen wurde. Seltsam deshalb, weil die Stimme der Liebhaberin entscheidend und die Lust überschäumend ist:

„O, daß du mir gleich einem Bruder wärest, der meiner Mutter Brüste gesogen! Fände ich dich draußen, so wollte ich dich küssen, und niemand dürfte mich höhnen! Ich wollte dich führen und in meiner Mutter Haus bringen, da du mich lehren solltest; da wollte ich dich tränken mit gewürztem Wein und mit dem Most meiner Granatäpfel. Seine Linke liegt unter meinem Haupt, und seine Rechte herzt mich. Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, daß ihr meine Liebe nicht aufweckt noch regt, bis es ihr selbst gefällt.“

Wie konnten diese heidnischen Liebesgedichte ins Buch der Offenbarung aufgenommen werden? Weil fromme Männer entschieden, dass es sich nicht um Liebe zwischen Mann und Frau, sondern zwischen Gott und seinem Volk Israel handele. Rabbi Akiba „interpretierte das Lied als eine Darstellung der Beziehung zwischen Gott und dem Volk Israel. Folglich verurteilte er entschieden eine weltliche, erotische Auslegung und einen entsprechenden gesanglichen Vortrag des Liedes.“

Christen sahen in den Gesängen die Liebe Gottes zu seinen Frommen in aller Welt. Hermeneutik ist eine Zaubergabe, die jedes irdische Wasser in göttlichen Rauschtrank verwandelt.

In der Heiligen Hochzeit geht es nicht nur um Liebeslust und ihre Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit des Landes. Es kommt schlimmer. „Die Wahl der Göttin-Königin hing von der erotischen Anziehungskraft des Kandidaten ab. Wenn sie am Liebesspiel des Königs keinen Gefallen mehr hatte, wurde er abgesetzt oder getötet, denn das sexuelle Gefallen der Königin an ihm entschied über die Fruchtbarkeit des Landes. In vielen frühen Gesellschaften wurde der alte König von seinem Nachfolger ermordet, der zwar als sein Sohn galt, aber nicht mit ihm verwandt war.“

Vor dem Verlangen der überlegenen Frau fürchtet sich der Mann – denn in der heiligen Vereinigung könnte er versagen. Daher seine Flucht in technische Omnipotenz.

Womit wir bei der ökologischen Frage angekommen wären. Nur wenn der Mensch die heilige Hochzeit mit der Natur feiert und aufhört, sich an ihrer Unerreichbarkeit zu rächen, kann der Kampf ums Überleben gewonnen werden.

Bislang wird Natur ökologisch wie ein Patient behandelt, der aus allen Poren blutet und notdürftig mit Pflästerchen kuriert werden soll. Es käme darauf, einen ganz anderen Enthusiasmus zur Natur zu entwickeln.

Was man nicht liebt, tötet man. Friede ist heilige Hochzeit von Mensch und Natur.

 

Fortsetzung folgt.