Kategorien
Tagesmail

Sofort, Hier und Jetzt LXXIX

Sofort, Hier und Jetzt LXXIX,

wenn harte Zeiten kommen, müssen die Kinder dran glauben.

„Da trippelten Kinder hungernd
In Trüpplein hinab die Chausseen
Sie wollten entrinnen den Schlachten,
Dem ganzen Nachtmahr
Und eines Tages kommen,
In ein Land, wo Frieden war.“ (Brecht, Kinderkreuzzug)

Wenn harte Zeiten kommen, beginnt das Gemetzel der Generationen. Kinder misstrauen ihren Eltern, Eltern beginnen, die aufkommenden Anklagen ihrer Kinder zu fürchten und zu hassen.

Was wäre, wenn Greta Thunberg eine Deutsche wäre? Hätte man sie nicht auf der Stelle auf den Sockel gehoben? Wäre sie nicht der lebendige Beweis gewesen, dass Deutschland noch zu messianischen Qualitäten fähig wäre? Nimmt man ihr übel, dass sie keine deutsche Jungfrau von Orleans ist? Die Kanzlerin-Mutter duldet keine Konkurrenz.

Wenn‘s die Erwachsenen vermasseln und vergeigen, müssen ihre Kinder die Zeche bezahlen: entweder werden sie heilig gesprochen – oder Opfer eines erbarmungslosen Kindermords. Wenn die Erwachsenen nicht ihre Hausaufgaben machen, gehen wir Zeiten eines noch nie da gewesenen Kindermords entgegen.

Sie sollen es besser haben – aber erst, wenn sie bei Seinen Engeln sind.

Entweder werden Kinder ihre Eltern erretten – oder sie werden dran glauben müssen.

„Der regierende König wird durch Prophezeiung von der Geburt seines künftigen Überwinders benachrichtigt und versucht, seinem Schicksal zu entgehen, indem er

ein Blutbad unter den Neugeborenen anrichtet“ – berichtet der Mythos. König Artus ordnete die Ermordung aller Kinder an, die am ersten Mai geboren werden. Am ersten Mai sollte der Rivale zur Welt kommen, der ihn vom Thron verjagen würde.

Der bethlehemitische Kindermord war lediglich eine Einstimmung auf die Ermordung des Erlösers am Kreuz, der wider Erwarten von seinem Vater begnadigt und zum Pantokrator erhöht wurde. Vater, lass diesen Kelch an mir vorübergehen? Unmöglich. Der Sohn maßte sich an, den Vater zu übertreffen, wo dieser seit dem Sündenfall versagt hatte: er wollte die Menschheit erretten. Der Sohn hatte den Vater in den Schatten gestellt, das musste gesühnt – und belohnt werden. Der heidnische Mythos vom Kindermord musste durch göttliche Allmacht überwunden werden.

„Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied, die mich hassen.“

Väter entscheiden alles. Ihre Glaubenstugenden machen sie vor Gott beliebt, ihre Schuld bestimmt das Schicksal ihrer Nachkommen über Jahrhunderte.

Welche Schuld hatten die Väter auf sich genommen?

„Da aber der HERR sah, daß der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es ihn, daß er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen, und er sprach: Ich will die Menschen, die ich gemacht habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis auf das Vieh und bis auf das Gewürm und bis auf die Vögel unter dem Himmel; denn es reut mich, daß ich sie gemacht habe.“

Nicht nur die Söhne mussten dran glauben, sondern alle Menschen, die ER geschaffen hatte, dazu die ganze Natur.

Bibelgläubige aller Erlöserreligionen sehen in der Vernichtung der Natur eine Bestätigung heiliger Prophetien. Was Ungläubige erschreckt – oder erschrecken sollte –, ist für Fromme ein sichtbarer Beweis ihres Glaubens. Trump, ob er‘s weiß oder nicht, bleibt seinem Schöpfer treu.

Diese Sippen- und Naturhaftung übernahmen die Kinder Gottes beim Sieg über die Heiden:

„Also gewannen sie die Stadt und vollstreckten den Bann an allem, was in der Stadt war, mit der Schärfe des Schwerts: Mann und Weib, jung und alt, Ochsen, Schafe und Esel.“

Den Bann mit dem Schwert nicht zu vollstrecken, galt als große Sünde.

„Ich will sie lassen ihrer Söhne und Töchter Fleisch fressen, und einer soll des andern Fleisch fressen in der Not und Angst, damit sie ihre Feinde und die, so nach ihrem Leben stehen, bedrängen werden.“

Erst die Propheten begannen vom Frieden zu sprechen – auch mit der gesamten Natur.

„Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und der Glaube der Gurt seiner Hüften. Die Wölfe werden bei den Lämmern wohnen und die Parder bei den Böcken liegen. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben. Kühe und Bären werden auf der Weide gehen, daß ihre Jungen beieinander liegen; und Löwen werden Stroh essen wie die Ochsen. Und ein Säugling wird seine Lust haben am Loch der Otter, und ein Entwöhnter wird seine Hand stecken in die Höhle des Basilisken. Man wird niemand Schaden tun noch verderben auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land ist voll Erkenntnis des HERRN, wie Wasser das Meer bedeckt.“

Doch diese Vision gilt nur für den „heiligen Rest“ Israels und nicht für die Ungläubigen der Welt. Die erlöste Natur ist das Geschenk Gottes für die kleine Schar seiner Erwählten.

Das Christentum rühmt sich, diesen Partikularismus überwunden zu haben durch das universelle Heilsangebot an die ganze Menschheit. Jesus überwand nach längerem Widerstreben die Grenzen seines Volkes und wandte sich an die ganze Welt. Doch am Partikularismus änderte sich nichts.

„Dann werden zwei auf dem Felde sein; einer wird angenommen, und der andere wird verlassen werden. Zwei werden mahlen auf der Mühle; eine wird angenommen, und die andere wird verlassen werden.“

„Und den unnützen Knecht stoßet hinaus in die Finsternis, die draussen ist. Dort wird sein Heulen und Zähneklappen.“

„Lasset beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um der Ernte Zeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuvor das Unkraut und bindet es in Bündlein, daß man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheuer.“

Christlicher Universalismus ist ein Unterwerfungsangebot an die Menschheit, keine universelle Selbstermächtigung jedes Einzelnen, der sein Leben autonom – nicht erlösungsbedürftig – gestalten kann.

Wahrer Universalismus ist überzeugt von der Vernunft jedes Menschen, die er in Selbstbesinnung zur Humanität entwickeln kann. Nicht ohne Unterstützung einer fürsorglichen Umgebung, in der die Erfahrungen des Geborgenseins zur Freundschaft mit den Menschen führen. Fehlen solche primären Erfahrungen, verkehrt sich Vernunft in Menschenfeindschaft. Kinder sind die ersten Opfer vernunftloser Verhältnisse.

„Wahrlich ich sage euch: Es sei denn, daß ihr umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich. Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.“

Woran erkennt man vorbildliche Kinder? Dass sie sich erniedrigen und an die Allmacht der Erlöser glauben müssen. So sollen Erwachsene werden, wenn sie nicht ins Feuer wandern wollen. Kind sein allein genügt nicht, um vom Himmel anerkannt zu werden. Kinder der Natur bleiben Sündenkrüppel, wenn sie nicht getauft und mit dem Geist von Oben gesegnet sind. Das gilt auch für Abrahams Nachkommen:

„Nicht alle, die Abrahams Same sind, sind darum auch Kinder. Sondern „in Isaak soll dir der Same genannt sein“. Das ist: nicht das sind Gottes Kinder, die nach dem Fleisch Kinder sind; sondern die Kinder der Verheißung werden für Samen gerechnet.“

Natur wird erniedrigt zum wertlosen Fleisch. Nur der Geist der Erwählung rettet aus der diabolischen Gewalt der Mutter Natur.

Wenn der Herr kommt, geraten Schwangere und ihre ungeborenen Säuglinge in die Bredouille. Welche Sünden haben die Frauen getan? Keine anderen als dass sie die Frechheit besaßen, zur Unzeit schwanger zu werden. Wenn Gott die irdische Zeit beendet, haben Frauen nicht das Recht, durch Schwangerwerden an die unendlich zyklische Natur zu glauben. Frauen vertreten die mütterliche Natur, sie müssen dafür bestraft werden, dass Übernatur die Natur nach Belieben schikanieren kann.

„Bald aber nach der Trübsal derselben Zeit werden Sonne und Mond den Schein verlieren, und Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte der Himmel werden sich bewegen. Weh aber den Schwangeren und Säugerinnen zu der Zeit! Bittet aber, daß eure Flucht nicht geschehe im Winter oder am Sabbat. Denn es wird alsbald eine große Trübsal sein, wie nicht gewesen ist von Anfang der Welt bisher und wie auch nicht werden wird.“

In normalen Zeiten genießt die civitas terrena – das Reich des Teufels – das Privileg, geduldet zu werden. Äußerlich bestimmt sie das Gesetz des irdischen Handelns. Die civitas dei bleibt unterdessen unsichtbar und ist nur Gläubigen zugänglich.

Das ist Merkels Politik: äußerlich folgt sie den Zwängen des Teufels – mit schnell vergänglichen Augenblicken der Agape –, innerlich darf sie sich in Gott geborgen fühlen, der schon wissen wird, wie er die Geschicke leiten muss. Gottes Gesetze werden auf Eis gelegt, bis der Herr kommt, um das Reich des Widersachers einzustürzen.

Solange beide Reiche parallel laufen, herrscht die Doppelmoral von Gott und Satan. Erst bei Wiederkunft des Herrn wird letzterer in Ketten gelegt, aus Doppelmoral wird die Alleinherrschaft des Himmels.

In normalen Zeiten scheint die Natur das Recht auf eigene Weltgestaltung zu besitzen. Werden Naturzeiten von schrecklichen Endzeiten überwältigt, gibt es kein Recht mehr auf natürliches Glück. Frauen und Kinder, die Schwächsten der Schwachen, müssen unter apokalyptischen Endzeiten am meisten leiden. Das erleben wir heute.

Aus der Perspektive der Frommen leben wir in der Endzeit. Die Mehrheit der Amerikaner glaubt an die Wiederkunft ihres Herrn zu ihren Lebzeiten.

Aus der Perspektive irdischer Vernunft leben wir auch in „apokalyptischen“ Zeiten, aber mit natürlichen Ursachen. Schrecken und Gefahren werden nicht vom Himmel geschickt, sondern sind selbstgemachte Konstrukte des Menschen.

Deutsche Christen, bar aller Bibelkenntnisse, können zwischen beiden, äußerlich ähnlichen, innerlich diametral unterschiedlichen, Phänomenen nicht unterscheiden. Sie fühlen sich vor allem genervt von der apokalyptischen Inflation. Von welcher?

Dass die Wiederkunft des Herrn seit urchristlichen Zeiten über dem theatrum mundi wie ein jederzeit ausbrechendes Verhängnis schwebt, bleibt Bibelignoranten verschlossen. Dass die Geschichte des Abendlandes seit 2000 Jahren von selbstgemachten Apokalypsen bedroht wurde, weil der Herr bis zum heutigen Tag verzog, bleibt ihnen ebenfalls verschlossen. Je länger der Herr ausblieb, je mehr fühlten sich die Christen gezwungen, das Versagen des Herrn durch eigene eschatologische Taten zu kompensieren.

Momentan leben wir in doppelt geprägten apokalyptischen Zeiten: Amerikanische Biblizisten glauben an die Wiederkunft des Herrn, nicht aber an eine Naturzerstörung, die der Mensch stoppen müsste. Im Gegenteil, die Natur muss zerstört werden, damit der Herr sich willkommen fühlen kann.

Deutsche Christen fühlen sich so aufgeklärt, dass sie glauben, den Wortlaut der Schrift überwunden zu haben. Ihre gefühlte Interpretation der Schrift hat sich der Moral der Menschenrechte angenähert, dennoch fühlen sie sich nach wie vor einer Schrift verpflichtet, die das Gegenteil universeller Menschenrechte predigt. Das Ganze ähnelt der Situation eines Demokraten, der seine humanen Grundsätze von Hitlers „Mein Kampf“ ableitet.

Die Krise der Gegenwart ist eine doppelt geprägte Apokalypse, einer biblischen, die von Gläubigen begrüßt wird, und einer heidnischen, die das Ende der Gattung befürchtet, wenn die Apokalypse der Natur kein Ende findet. In beiden Apokalypsen haben Kinder die wenigsten Chancen.

Der technische Fortschritt von Silicon Valley, der a) die Sterblichkeit überwinden und b) mit wenigen Auserwählten der Erde entfliehen will, ist eine Reaktion auf die doppelt prädestinierte finale Katastrophe. Gelänge es ihnen, in Unsterblichkeit dem verseuchten Boden des Planeten zu entfliehen, hätten sie beiden Apokalypsen mit einem Schlag ein Schnippchen geschlagen. Als Erwählte überlassen sie das Reich Satans dem Verderben, als Wissenschaftler haben sie mit den Verwüstungen der Erde nichts mehr zu tun.

Apokalypse heißt Offenbarung. In apokalyptischen Zeiten wird die Wahrheit der condition humaine offenbar. Sei es als selbstfabriziertes Verderben, sei es als Wirken des Herrn.

Kommen schreckliche Zeiten, geht’s den Kindern an den Kragen. Besonders, wenn die Kinder bemerken, dass sie zu Opfern der Erwachsenen werden und sich zu wehren beginnen. Das bisherige Grundvertrauen der Kinder zu ihren Bezugspersonen wird sich in den nächsten Jahren dem Nullpunkt nähern. Eine politisch tot geglaubte Jugend steht plötzlich auf der Matte und fordert ihr Recht auf eine menschenwürdige Zukunft. Kinder als bequeme Opfer der Erwachsenen: das war noch nie anders in der Geschichte der Abendländer.

Zwischen 980 und 1046 herrschten furchterregende Verhältnisse in Europa:

„Um diese Zeit nämlich, erzählt Rodulfus, „begann eine Hungersnot die ganze Erde heimzusuchen, sodass fast die gesamte Menschheit mit dem Tode bedroht war. Das Klima war dermaßen durcheinandergeraten, dass keine Jahreszeit sich für die Aussaat irgendeines Getreides eignete, ebenso wenig für die Ernte, vor allem wegen der Überschwemmungen. Es schien, als führten die Elemente untereinander Krieg; jedenfalls rächten sie sich am Übermut der Menschen. Durch andauernden Regen war der Erdboden so feucht, dass man drei Jahre lang keine Furche zur Saat ziehen konnte. Zur Erntezeit überwucherten Unkraut und der schädliche Lolch [ein Gras] alle Feldflächen. Diese rächende Hungersnot hatte im Orient angefangen, Griechenland entvölkert, [war] nach Italien gekommen, von dort über Gallien zu sämtlichen Völkern Englands gelangt. Etliche lockten Kinder an und fraßen sie.“ (SPIEGEL.de)

Kam es in der Bronzezeit zu bedrohlichen Überschwemmungen, was taten die Menschen, um sich zu retten?

„Die Bewohner der bronzezeitlichen Feuchtbodensiedlungen im nördlichen Alpenraum haben gegen das Wasser eine Reihe von Schutzmaßnahmen ersonnen. So errichteten sie zum Beispiel Palisaden aus Holz – eine Art Flutmauern, die das Wasser aus dem Dorf fernhalten sollten. Stiegen die Fluten, legten die Bewohner der Feuchtbodensiedlungen offenbar Kinderschädel vor die Palisaden. Auch hier halfen alle Maßnahmen nichts, am Ende verloren die Siedler gegen das Wasser und mussten gehen. Das Ausmaß der Tragödie können wir nur erahnen. Wie schlimm muss es gewesen sein? „Als sie einsehen mussten, dass alle pragmatischen Maßnahmen ineffektiv gegen die Bedrohung der Natur blieben, wandten sich die Seebewohner verzweifelteren Versuchen zu, die Götter um Hilfe anzuflehen“, schließen die Forscher ihren Bericht, „und boten ihnen das Wertvollste an, was sie hatten: ausgesuchte Überreste, vornehmlich Schädel, ihrer Kinder.““ (SPIEGEL.de)

Wie reagieren die Täter auf den beginnenden Widerstand der Jugendlichen? Mit Häme, Verunglimpfung und drohenden Strafen.

„Seit Wochen gehen Schüler bei den „Fridays for Future“ gegen den Klimawandel auf die Straße. Das nordrhein-westfälische Schulministerium fordert jetzt, dass die Schulen hart gegen die Schwänzer vorgehen. Es geht um „zwangsweise Zuführung“ und „Ordnungswidrigkeitsverfahren“, sollten Schüler dem Unterricht andauernd fernbleiben.“ (SPIEGEL.de)

Deutsche Schulpflicht kennt kein Recht auf Rettung der Menschheit. Schulpflicht wurde von Karlsruher Richtern mit dem Argument begründet, in Schulen würden Kinder zu sozialen Wesen erzogen. Werden sie tatsächlich sozial und kümmern sich um das Fortbestehen der Menschheit, werden sie mit strengen Strafen bedroht. Werden Polizisten kommen, um die Demonstranten kollektiv in Gewahrsam zu nehmen und ihnen beizubringen, was die Würde des Menschen bedeutet? Ob Unerwachsene schon als Menschen betrachtet werden dürfen?

Da kann schon mal die Frage aufkommen, mit welchem Recht Eltern ihre Kinder zeugten – um sie dem Elend zu überlassen. Ungefragt wird man auf die Erde geworfen, nur Platon erteilte den ungeborenen Seelen die Erlaubnis, sich ihr irdisches Geschick auszusuchen. Rafael Samuel hat dieses Privileg nicht gespürt. Nun verklagt er seine Eltern wegen illegitimer Zeugung seiner Person:

„Ein 27-jähriger Mann aus Mumbai machte zuletzt Schlagzeilen, weil er seine Eltern verklagte, weil diese ihn gegen seinen Willen gezeugt und geboren hätten.“ (WELT.de)

Was, wenn das Gericht seine Klage für berechtigt hielte? Dürften alle Kinder noch einmal in den Stand der Ungeborenen zurückkehren, um mit zweiter Chance Ja oder Nein zum Leben zu sagen? Wir erwarten das Urteil mit Spannung.

Die Verantwortlichen der gegenwärtigen Misere waren Nutznießer der Nachkriegsjahre, in denen sie das „Privileg“ hatten, die vielleicht glücklichsten Zeiten der deutschen Geschichte zu genießen. Ihre stolzen Erinnerungen klingen, als hätten sie ihre Privilegien durch die Qualität ihrer glanzvollen Persönlichkeiten verdient. Nach ihnen die Sintflut. Zu den Auserwählten zählen Stefan Aust und Henryk M. Broder. In einem Interview in der Welt resümiert Aust:

„Wir sind, das kann man vielleicht in diesem fortgeschrittenen Alter schon sagen, wahrscheinlich die glücklichste Generation, die es in Deutschland jemals gegeben hat. Im Frieden gezeugt, im Frieden geboren. Dann haben wir den wirtschaftlichen und politischen Aufstieg dieses Landes miterlebt, das ist schon ein ziemliches Privileg. Ich komme mir manchmal so vor, als würde ich am Ufer sitzen, und die ganze Zeit ist irgendwie an mir vorbeigezogen. Und zufällig war ich immer dabei, so wie Forrest Gump in diesem verrückten amerikanischen Film, der durch eine komische filmische Montage immer bei wichtigen Ereignissen der Geschichte dabei gewesen ist.“ (WELT.de)

Aust fühlt sich wie das Kind im Mythos, das am Ufer des Meeres Sandhaufen aufbaut und wieder einstürzt. Wohl ihm, dem Glückskind. Doch was tat er, was tat seine ganze Generation, um ihren Kindern und Kindeskindern dasselbe Glück zu gewähren?

Da schwadronieren sie von ihren Heldentaten – früher hätten sie mit kriegerischen Taten geprahlt –, doch von all ihren Versäumnissen, ihrem selbstgefälligen Lotterleben, ihren eitlen Moraldefekten, ihren bedenkenlosen Naturzerstörungen auf Kosten ihrer Nachkommen: kein einziges Wörtchen. Würde die Welt morgen untergehen und nur diese überheblichen Anamnesen blieben erhalten, würden die intelligentesten Aliens vergeblich ergrübeln, woran diese merkwürdige Kultur zugrunde ging. Die Glücklichen treten ab und hinterlassen den nächsten Generationen, sofern es noch welche geben wird, ein Trümmerfeld der Fehlerlosen und Unschuldigen.

Was die Kanzlerin vom Protest der Jugend hält, verriet ihr Unbewusstes auf der Münchner Sicherheitskonferenz:

Angela Merkel scheint so viel Engagement bei jungen Menschen irgendwie verdächtig zu finden. In einer Rede deutete sie an, es müsse „äußere Einflüsse“ für so eine Bewegung geben – und rückte den Schülerprotest so in die Nähe russischer Propaganda-Kampagnen. Diese Aussage sorgte für Verwunderung. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz sprach Merkel über die Gefahren von „hybrider Kriegsführung“, mit der vor allem Russland gezielt Propaganda und Desinformation verbreite. Dann kam sie auf die Schülerinnen und Schüler zu sprechen, die derzeit für Umweltschutz streiken. Wörtlich sagte sie: «Aber dass plötzlich alle deutschen Kinder – nach Jahren ohne jeden äußeren Einfluss – auf die Idee kommen, dass man diesen Protest machen muss, das kann man sich auch nicht vorstellen.»“ (bento.de)

Natürlich musste sie dementieren: die Deutschen vergaben ihr unbesehen. Und doch, es gibt nichts Ehrlicheres als Fehlleistungen. Man könnte versuchen, sie zu verstehen, um sich von ihnen zu befreien. Doch Merkel beichtet nur ihrem Gott, der ihr alles vergibt.

Wie erklärt sich die Kanzlerin den wachsenden Protest der Jugend? Er kann nur ferngelenkt sein. Das also ist das Vertrauen der Pastorentochter in die politische Mündigkeit ihrer Jugend und in die demokratischen Erziehungsqualitäten ihrer Schulen.

Diese Jugend ist von ihr geprägt worden. Sie kennt keine andere Kanzlerin als die demütige Magd Gottes. Merkels Fehlleistung auf ihrer letzten internationalen Bühne war das Vermächtnis ihres Es an die nicht existente Zukunft einer betrogenen Jugend.

Die Zeit ist ein Kind, das in einem Brettspiel Steine hin- und herschiebt, sagte Heraklit.

Der Markt, sagt Hayek, regelt alles, nur nicht die Zukunft.

Die Kinder der Gegenwart, sagen ihre Eltern in trotziger Stummheit, haben das Brettspiel verloren.

Rien ne vas plus.

 

Fortsetzung folgt.