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Tagesmail

Samstag, 26. Januar 2013 – Geschlechterkampf an der Bar

Wir sind heute nach Berlin umgezogen.


Hello, Freunde des Spürens,

die Mitglieder des CDU-Kreisverbands Ulm-Donau haben mit 96% der Delegiertenkonferenz Annette Schavan erneut als Direktkandidatin für die nächste Bundestagswahl nominiert. Während Wissenschaftler auf Wissenschaftler einprügeln, ob die Wissenschaftsministerin abgekupfert hat, verlassen sich die wackeren Schwaben aufs Spüren. Ein Parteikollege: „Ich glaube, die Mitglieder spüren, dass hier etwas abläuft, was nicht in Ordnung ist.“

Die unendliche Prüfung versteckt ihre politische Duckmäuserei hinter Penibilität, was nicht bedeutet, dass die Prüfung unberechtigt sei. Das Ganze ist ein Ersatzstreit. Die wahre Streitfrage wäre: wie sinnvoll sind Doktorarbeiten überhaupt, wenn man vor allem beweisen muss, dass man richtig zitieren kann? Ob ein einzig wertvoller Gedanke vorgetragen wird, der im eigenen Gehirn ausgebrütet wurde, interessiert niemanden. Wir sind in das Stadium orthodoxer Religionsdebatten zurückgekehrt, wo man mit korrekten Bibelzitaten Gottes wahren Willen beweisen musste. Jedes Jota konnte über Seligkeit oder Verfluchung entscheiden.

Ob der Kandidat erfrischend, folgerichtig und kritisch denken kann, scheint hingegen belanglos. Mit Wissenschaft hat dieses Sklavengeschäft unter einem allmächtigen Ordinarius nichts zu tun. Denkerische Leistungen sind keine Karrieremittel. Die Wissenschaft hat Macht über diejenigen gewonnen, die zur Elite der Gesellschaft mit Hilfe von Zitierorgien gehören wollen. Diese erschlichene Macht kosten sie

weidlich aus.

Besser eine geistreiche Arbeit mit schlampigen Zitaten als korrektes Abschreiben mit Nichts. Das Drama Schavan ist das Debakel einer Wissenschaft, die sich zur Steigbügelhalterin ehrgeiziger Hohlköpfe hat erniedrigen lassen.

Ulmer Schwaben müssen sich mit solchen Themen nicht beschäftigen, sie verlassen sich aufs Spüren. Spüren ist die letzte Verfallsform unfehlbarer Offenbarungen, man könnte auch sagen: die Ulmer Wasserstecher habens im Urin, was andere im Kopf haben müssen. Wenn Gott etwas Neues spürt, gibt’s eine neue Bibel. Wenn unfehlbare Schwaben etwas spüren, wird eine potentielle Betrügerin zum Aushängeschild abendländischer Offenbarungswerte, die die Wissenschaft aufgefressen hat. (DER SPIEGEL)

 

In Amerika wäre eine Brüderle-Affäre mit Euteranspielungen ausgeschlossen, meint Peter Schmitz im SPIEGEL. Weil nächtliche Begegnungen an der Hotelbar ausgeschlossen sind. Machtinhaber und Beobachter der Macht müssen in getrennten Welten leben.

Eigentlich selbstverständlich, dass in offenen Gesellschaften jedes Weiblein und Männlein sich über Beleidigungen jeder Art die Freiheit haben sollte, zu beschweren. Wenn emotionale Authentizitäten zu Machtprodezuren werden, sind sie nicht mehr authentisch, sondern instrumentell. Dass machtlose Frauen mächtige Platzhirsche mit deren Methoden bekämpfen, sollte Platzhirsche am wenigsten wundern. Dass Sinnlichkeiten zu Instrumenten des unausgesprochenen Machtkampfes werden, beweist, dass sie noch immer als Abkömmlinge der Hölle gelten.

Ein schlechter Scherz von Brigitte Fehrle, dass die Chose mit dem bekannten Geschlechterkampf nichts mehr zu haben soll. „Wir haben es nicht mit einem Kampf der Geschlechter zu tun. Den haben die Frauen in den letzten 100 Jahren für sich entschieden. Jetzt geht es darum dies in tägliche, nicht weniger schwer zu erringende Siege zu verwandeln“. (Brigitte Fehrle in der BLZ)

So wenig es einen deutsch-jüdischen Dialog gibt, so wenig gibt’s einen weiblich-männlichen. Man prügelt sich mit viel Ressentiments. Immer mit dem Pathos der Unterdrückten, die endlich mals Maul aufreißen. So tabulos ist die tabuloseste Gesellschaft, die die NeugermanInnen je hatten. Produktives Streiten gibt es in dieser beleidigten Mutistengesellschaft nicht. Das ist intermittierendes Aufbellen im Kreise. Die Männer gucken den Damen ins Dirndl, die Dirndl den Männern in jene Beule am Körper, wo sie die Macht vermuten. Dass alte Männer für junge Frauen per se unattraktiv sein sollen, ist biologistische Hetze im Namen des Jugendwahns. So bei Bettina Gaus, die einen früheren Annäherungsversuch eines Politikers nach vielen Jahren rächen muss – ohne Ross und Reiter zu nennen.

Bei jedem Streit sind immer zwei Parteien beteiligt. Eine Partei muss immer völlig rein und unschuldig sein, die andere immer einen teuflischen Pferdefuß hinter sich herziehen. Wie immer herrscht in der säkularen Gesellschaft der Dualismus der absolut Guten gegen absolut Verworfene.

Nur nebenbei: welche Mütter, Väter, Feministinnen und Altherrenpolitiker legen ihr Veto ein gegen die öffentliche Vergewaltigung kleiner Mädchen, die im zartesten Alter Schönheitswettbewerbstorturen zur höheren Ehre ihrer frigiden Mütter und empfindungslosen Väter absolvieren müssen? Es gibt doch gar keinen Geschlechterkampf im christlichen Westen, stimmts?

Die Zweijährigen (!) wollen es doch selbst, stimmts? „Laerke Posselt sagt, die Eltern, die sie erlebt hat, wollen für ihre Kinder das Beste, und das Beste bedeutet ihnen Ruhm. Sie sagt auch, dass die Eltern, die sie erlebt hat, über eine Sexualisierung ihrer Kinder nicht nachdenken. „Child Beauty Pageants“ gibt es in den USA seit mehr als fünfzig Jahren.“ Seit 50 Jahren werden Mädchen im prüden Calvinismus zu blutjungen Lolitas prädeterminiert und keine Feministinnen, keine Väter haben aufgejault?

Wie erklären wir uns den Satz, dass das „Mutter-Tochter-Programm“ die Väter „nur streift“? Spielen Väter keine Rolle bei der Pädagogik ihrer Töchter? Das müsste man unterlassene Erziehungsleistung nennen, zu bestrafen mit lebenslanger Belästigung durch sexy Weibchen an der Absackerbar. (Annabelle Seubert in der TAZ)