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Paris

Hello, Freunde von Paris,

Nachrichten vom Tode der Gattung sind leicht verfrüht. Binnen weniger Wochen wurde Paris, Stadt der Liebe, zum planetarischen Sinnbild der condition humaine zwischen Tod und Überleben.

Wie schon bei Charly Hebdo und den IS-Terrorattacken drängten sich erneut jene Politikdarsteller in den Vordergrund, die seit Jahrzehnten ihre ökologische Pflicht versäumen. Die Aktivisten der Naturverbände, die leidenschaftlichen Kämpfer für die Erhaltung der Natur hingegen blieben im Verborgenen. Kaum ein Interview in deutschen Medien mit der UNO-Klimachefin Figueres oder Kumi Naidoo, dem Vorsitzenden von Greenpeace.

Die ökologische Bewegung ist eine Bewegung von unten, jeder Fortschritt in der Bewahrung der Natur musste den Welteliten mühsam abgetrotzt werden, die nichts anderes zu tun haben, als ihre Macht zu missbrauchen, um ihre wirtschaftliche und politische Unfehlbarkeit mit Hauen und Stechen zu erhalten.

Demokratische Macht sollte dazu dienen, nationale und internationale Probleme zu lösen. Heute dient sie dazu, Probleme für unlösbar zu erklären. Wer sie für lösbar erklärt, wird zum „unterkomplexen“ Trottel erklärt. Da muss die Pariser Konferenz wohl ein Treffen simpler Volltrottel und Wichtigtuer gewesen sein.

Doch wo bleibt die Fraktion der Überkomplexen? Hat sie sich versteckt? Hat es den Superdenkern die Sprache verschlagen? Vor 100 Jahren hätte man sie Untergangspropheten genannt. Nein, sie wollen keinen Untergang, sie wollen ewigen Fortschritt in den beiden Disziplinen: reich- und genialwerden. Probleme? Es gibt keine, die durch technische Genialität und grenzenloses Raffen nicht lösbar

wären. Also doch lösbar?

Doch was ist schon ein lächerlicher Widerspruch? Der Fortschritt, der keine Probleme kennt, die nicht algorithmisch oder per Scheck lösbar wären, hat den Widerspruch ausgerottet. Um mit der Meisterin der Widerspruchslosigkeit – der mächtigsten Frau der Welt – zu sprechen: Ich formuliere nicht statisch.

Die Dynamik der Moderne hat die zeitlose Wahrheit der Logik und des widerspruchsfreien Handelns eliminiert zugunsten des Kohl‘schen Dogmas: was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Müsste auch niemanden interessieren, wenn neue Einsichten alte Irrtümer ersetzen würden. Aber nicht, wenn alte Wahrheiten argumentationslos auf dem Altar neuer Zeitgeister geopfert werden.

In seiner Schlussansprache brachte der Leiter der Konferenz, der französische Außenminister Fabius, den Sinn des Treffens auf den Punkt:

»Wir sind fast am Ende des Weges«, sagte auch er. Die Folgen eines Fehlschlages wären immens: »Unsere Kinder würden uns nicht verstehen, noch würden sie uns vergeben.« Die Delegierten quittierten den Auftritt von Fabius mit großem Beifall.“ (SPIEGEL.de)

Wenn Fabius recht hat – er hat –, sind Klimagegner die größten Verbrecher an der Zukunft unserer Kinder. Ihre Namen, Firmen, Reichtümer und Wirtschaftsinteressen müssten in schwarzen UNO-Listen in allen Kinderstuben dieser Welt, in Kitas, Schulen und Universitäten ausgehängt werden. Jedes Kind sollte wissen, wer seine Zukunft durch religiösen Wahn und gottgleichen Gigantismus zerstören will.

Größere Verbrechen als den Untergang der Menschheit zu riskieren, sind nicht denkbar. Kollektiver Suizid ist nur für Religiöse wünschenswert, die das Leben auf Erden nicht als höchstes Gut betrachten – oder auf privilegierten Glücksinseln allein davonkommen wollen. Anstatt diese Attentäter gegen die Natur auf allen Ebenen zu ächten und vor einem Sondertribunal der UNO anzuklagen, erhalten sie privilegierten Zugang zu den Entscheidungsträgern der Welt und werden von Politikern als Arbeitsplatzbeschaffer und Philanthropen hofiert. Versteht sich, dass nach oben hechelnde Medien nicht daran denken, die Klimaschänder zu recherchieren, um sie an den Pranger zu stellen.

Bill Gates lässt sich als Heiland der Welt feiern und ist doch nur ein gemeiner Steuerbetrüger, der dem amerikanischen Volk – durch Deponieren seines riesigen Vermögens auf steuerbegünstigten Inseln – regelmäßig 30 Milliarden entzieht. Mit absolutistischen Werken der Nächstenliebe entscheidet er allein über das Schicksal vieler Millionen Menschen – und erzielt noch lukrative Gewinne mit seiner Caritas. (Siehe das unbestechliche Buch von Kathrin Hartmann: „Aus kontrolliertem Raubbau“)

In welchem Ausmaß seine vielen Firmen und Geschäftspartner das Klima anheizen, will kein Günter Jauch – der bislang beste und kritischste Journalist der ARD – wissen, der dem Menschheitsbeglücker das „Millenium-Bambi“ des Medienkonzerns Hubert Burda überreichen durfte.

Als Paris von IS-Terroristen heimgesucht wurde, verfiel der Westen in Trauer, die keine sein durfte, sondern in narzisstischer Kränkung –„sie meinen uns, sie zielen auf unseren Lebensstil“ – zur Rache gegen seine Feinde instrumentalisiert wurde.

Auf wen zielen wir, wen meinen wir, wenn wir seit Jahrzehnten und Jahrhunderten nichtchristliche Völker überfallen, wirtschaftlich ausbeuten und unter dem Etikett der „Entwicklungshilfe“ verhindern, dass sie sich zu gleichberechtigten Handelspartnern entwickeln? TTIP und CETA sind gigantische Kooperationen zwischen Reichen und Mächtigen, um die Armen und Schwachen auszuschließen.

Zufall, dass zeitgleich zur Pariser Klimakonferenz die SPD – die einstige Partei der Abgehängten – den TTIP-Plänen Brüssels nicht zu widersprechen wagte. Ist Gabriel doch von sich überzeugt, dass er unfähig ist, Fehler zu machen: „Ich glaube, dass ich nichts falsch gemacht habe.“ (ZEIT.de)

Ausgerechnet Ralf Stegner, ein Linker der Partei, plädierte für das imperiale Instrument des Westens mit dem irrsinnigen Argument, „der Freihandel sei weder gut noch böse, brauche aber klare Regeln und Standards. Dafür werde die SPD sorgen.“ (TAZ.de)

Das Anheizen der Wirtschaft ist weder gut noch böse, wenn es dazu beiträgt, durch unendlich viele energie-emittierende Vorgänge das Klima zu belasten?

Man müsste von einer gigantischen Heuchelei sprechen, wenn der Kern der deutschen Staatsraison nicht darin bestünde, jede politische Doppelbödigkeit als sittlich hochstehendes Instrument der eigenen Interessen zu verklären.

Was wir in Wahrheit brauchen, ist radikales Schrumpfen der international vernetzten Wirtschaft und Bestärken der autarken Ökonomie der Völker, um CO2-Ausstöße der Flugzeuge und Riesenschiffe zu vermindern. An diese Hauptsünder des Luftverpestens haben sich die Klimaschützer gar nicht erst rangetraut.

Das einst menschenfreundlich gedachte Grundprinzip von Adam Smith, durch Kooperation der Völker den Wohlstand aller Nationen zu heben, hat sich als furchtbarer Irrtum herausgestellt. Von Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe kann nirgendwo die Rede sein. Ihre technische und ökonomische Überlegenheit nutzen die starken Völker, um die schwachen immer mehr auszubluten. Selbst wenn es gelänge, die Wirtschaft der „unterentwickelten“ Länder minimal zu heben, verschärften sich die Machtunterschiede zwischen den Kontinenten exponentiell. Wenige Giganten in immer weniger Ländern dominieren zunehmend das Schicksal von Milliarden Abhängigen. Die Kluft zwischen Erwählten des Herrn und namenlosen Ungläubigen wächst ins Unermessliche.

Versteht sich, dass der Faktor Religion in keiner Debatte erwähnt wird. Dass der Westen sich aus religiösen Gründen berechtigt glaubt, dem Rest der Welt seine Bedingungen zu diktieren, muss unter der Decke bleiben. Dass der Rechtsruck in ganz Europa eine aggressive Verstärkung christlicher „Verteidiger des Abendlands“ bedeutet – selbst im laizistischen Frankreich, besonders unter Jugendlichen – wird in totaler Verblendung ignoriert und verleugnet. Stets handele es sich um Missbrauch der Religion. Man betont irdische Motivationen, als ob allmächtige Erlösungsreligionen an Herrschaft über die Welt desinteressiert wären. In religiös durchseuchten Kulturen kann es keine weltlichen Interessen geben, die nicht sekundäre Abkömmlinge primärer Heilsinteressen wären.

Trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes, dann wird euch alles andere hinzugetan. Dazu gebe ich dir auch, was du nicht erbeten hast: Reichtum und Ehre. Betrachtet die Lilien des Feldes, wie sie wachsen. Sie arbeiten nicht und spinnen nicht; ich aber sage euch, dass Salomo in all seiner Pracht nicht gekleidet war wie eine von diesen.

Noch immer arbeiten und spinnen die Reichen nicht. Doch den Gewinn fremder Arbeit stecken sie bedenkenlos ein. Den permanenten Raubzug zur Vergrößerung ihres Reichtums nennen sie in frivolem Zynismus – Arbeit.

Was sind Attentate mit wenigen Opfern, verglichen mit legal scheinenden Terrorakten des Westens, die Myriaden an Opfern unter den Völkern des nicht-christlichen Archipels erforderten? Die eigenen Toten werden mit larmoyantem und hinterlistigem Pomp betrauert, die unzähligen Toten anderer Völker nur beiläufig oder gar nicht erwähnt. Ein erwählter Toter „unseres kostbaren Lebensstils“ wiegt mehr als viele Tote der deklassierten und degradierten Fremdkulturen. Sie wollen keine biologischen Rassisten sein und bleiben dennoch Rassisten des Todes.

Paris des rassistischen Todes gegen Paris des Überlebens der Gattung. Die ganze Spannbreite der Moderne zwischen Leben und Tod symbolisiert sich in einer Stadt. Vielleicht wird man eines Tages von der zweiten, der eigentlichen Französischen Revolution sprechen, die keine französische war, sondern eine der geeinten Menschheit.

Man muss den Inhalt des Vertrages nicht verklären. Im Gegenteil, seine Mängel müssen schonungslos gesehen werden, um sich klar zu machen: der Erfolg dieses Vertrags wird weiterhin vom unermüdlichen Kampf der Basis abhängen. Die Mächtigen bewegen sich nur, wenn sie die Macht der Basis zu spüren bekommen. Der Ökoaktivist Tadzio Müller in einem TAZ-Interview:

„Ich habe keine effektiven Ergebnisse erwartet. Der Deal ist verlogen, schizophren und menschenverachtend; es sind wachsweiche, rechtlich nicht verbindliche Paragrafen. Was mich wirklich enttäuscht und auch wütend macht: Ein großer Teil der gipfelnahen Zivilgesellschaft und viele Medien fallen rein auf die Erzählung, hier sei ein Fortschritt passiert.“

Und dennoch muss man sagen: in Paris gab einen Fortschritt, der von vielen für kaum möglich gehalten wurde. Zum ersten Mal in der Geschichte ist es der Menschheit gelungen, einen einheitlichen Überlebenswillen zu signalisieren. Eine außerordentliche Lernleistung der Engagierten dieser Welt.

Ob diese Absichtserklärung ausreichen wird? Niemand weiß es, niemand kann es wissen. Denn eine festgelegte Geschichte gibt es nicht und kann weder durch Magie noch Prophetie vorausgesehen werden. Die Geschichte wird bringen, was der Mensch aus seiner Geschichte machen wird. Und niemand kann ermessen, zu welchen Taten die Menschheit fähig sein wird.

Deshalb der kategorische Imperativ für alle Verantwortungsbewussten, sich an der Rettung des Globus mit Leidenschaft zu beteiligen. Die Geschichte kann nur jenen humanen Fortschritt bringen, den die Menschen mit vereinten Kräften selbst dazu beitragen.

Ob ein Glas halb voll oder halb leer gesehen wird, darf nicht von Stimmungen und Launen abhängen, sondern vom Bewusstsein der eigenen realen Entwicklung. Wenn das Glas zuvor leer war, ist das halbvolle Glas ein Erfolg.

Wir müssen lernen, uns rational zu bestärken durch Wahrnehmen unserer vergangenen Erfahrungen. Der Blick nach hinten ist nicht überflüssige Liebesmüh, sondern ein notwendiger Akt der Selbstbesinnung und Selbstverstärkung.

Freilich darf das Schauen nach rückwärts nicht nach Art deutscher Gelehrter sein, die aus der Geschichte nichts lernen wollen. Ihr Historismus zerschneidet Geschichte in zwei unverbundene Teile. Vergangenheit ist Vergangenheit und darf aus heutiger Sicht nicht beurteilt werden – und Zukunft hat mit Vergangenheit nichts zu tun, denn sie erfindet sich jeden Tag aufs neu. Wozu man Geschichte überhaupt studieren soll, bleibt unerfindlich. Kein Wunder, dass der Geschichtsunterricht an den Schulen allmählich zu Grabe getragen wird.

Alles soll heute nach vorne schauen und Vergangenheit Vergangenheit sein lassen. Das ist die Anleitung, sich beim Einparken nicht des Rückspiegels zu bedienen und sich allein am Geräusch des Demolierens zu orientieren.

Wie sie alle begierig ihre belanglosen Biografien schreiben, die Athleten des öffentlichen Zirkus. Von einer kollektiven Biografie aber wollen sie nichts wissen. Dass Geschichte unter Wiederholungszwang steht, wenn sie nicht begriffen wird, das leugnen zudem alle Historiker und Leitartikler. Die Gesellschaft spielt keine Rolle mehr, sie wird immer mehr zur Klumpenbildung rasender Autisten.

Was war ein zoon politicon nochmal? Da jeder Kontobesitzer ein unvergleichliches Subjekt sein will, kann die vergleichende Kollektivbiografie eines Volkes, eines Kulturraumes, ja der ganzen Menschheit nur ein trügerisches Projekt sein. Wie würde man Martin Buber heute als rückwärtsgewandten Träumer betrachten, wenn er seine solidarische Lehre verkündete: Das Du ist das alter Ego des Ich. In Dir, meine Schwester, erkenne ich mich. (Aus Gründen ausgleichender Gerechtigkeit unterschlagen wir an dieser Stelle die Brüder.)

Objektive Distanz zu den Überlebensfragen kann es nur bei jenen geben, die mit ihrem Leben entweder abgeschlossen haben oder schon hier und jetzt in einem jenseitigen Garten Eden schweben.

Wer Alarm schlägt, warnt vor Gefahren. Wie kommt es dann, dass Alarmismus zu einem Synonym hysterischer Wichtigtuerei werden konnte? Alarmisten und Skeptiker sind für den Naturwissenschaftler von Storch dieselbe Kategorie von Übertreibern. Da lohnt es sich, bei Wiki nachzusehen: „Als Alarmist wird im Duden jemand bildungssprachlich veraltet bezeichnet, der Lärm verursacht oder Unruhe stiftet sowie auch »jemand, der die öffentliche Aufmerksamkeit auf etwas Bedrohliches, Gefährliches lenkt, der vor etwas warnt«. Ob die Bedrohung tatsächlich und in den beschriebenen Ausmaßen existiert, ist für die Verwendung des Schlagwortes unerheblich.“

Hier rühren wir an den Kern der wahrheitslosen Gegenwart. Wenn Wahrnehmungen der Wirklichkeit weder wahr noch unwahr sein können, muss jedes Alarmieren eine neurotische Panikmache sein. Wenn die „subjektive Wendung“ seit Descartes bedeutet, dass alle Behauptungen willkürliche Konstruktionen eines frei schwebenden Subjekts sind und eine objektive Realität nicht existiert, dann ist jedes fürsorgliche Warnen eine unüberprüfbare Aufgeregtheit.

Naturforscher, so von Storch in einer Sondersendung „Unter den Linden“, hätten auch nicht die Aufgabe, aus ihren Erkenntnissen eine Kampagne zu machen. Dazu seien sie nicht gewählt worden.

Oh doch, Herr von Storch. Jeder autonom denkende und handelnde Mensch ist von der Demokratie gewählt worden, auf dem Marktplatz Alarm zu schlagen, wenn Gefahren drohen. 100%ig sichere wissenschaftliche Beweise sind nicht erforderlich. Zumal jeder Zeitgenosse, der seine Gegenwart intensiv beobachtet, aus eigener Anschauung das Maß der Naturbeschädigung kennen sollte.

Daten sind Daten, aber eigene sinnliche Erfahrungen sind eigene sinnliche Erfahrungen. Muss ein Pekinger Chinese durch Zahlenkolonnen erst überzeugt werden, dass in seiner Stadt vor lauter Smog nichts mehr zu sehen ist?

Klaus Töpfer, Gesprächspartner von Storchs in der Phönixdebatte, erzählte die Geschichte des späteren Mainzer Nobelpreisträgers von Crutzen, der eines Nachts an seiner Türe Alarm läutete und ihn dringlich aufforderte, die Herstellung von FCKW sofort einstellen zu lassen, um die Menschheit vor den Gefahren des Ozonloches zu bewahren. Das war der Beginn einer erfolgreichen Kampagne zur Abschaffung des Umweltgiftes.

(Es gehört zu den Finessen deutscher Debatteninkompetenz, dass weder der Moderator, noch die beiden Diskutanten ihre widersprüchlichen Meinungen zur Alarm-Pflicht eines Wissenschaftlers aufgegriffen und debattiert hätten.)

Doch nicht nur Wissenschaftler fühlen sich von den Gefahren der Klimaverschärfung nicht betroffen. Auch ein Großteil deutscher Medien, darunter die beiden TV-Anstalten ARD und ZDF, ignorierten die dramatischen Ereignisse von Paris fast vollständig. Kein Brennpunkt, keine Sondersendungen, keine Unterbrechung des laufenden Programms, keine Gesprächsrunden. Stattdessen tagelange Sportberichte und Allotria – als ob nichts in der Welt geschehen wäre. Das sind keine Lügenmedien mehr, das sind klerikale Narkotisierungen des unmündigen Untertanen: Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind, in dürren Blättern säuselt der Wind. Gott wird es schon richten. Die TAZ:

„Dass in Paris am Sonntagabend Geschichte geschrieben wurde, war für traditionelle deutsche MediennutzerInnen kaum zu merken. Auf den Titelseiten der überregionalen Sonntagszeitungen fand sich die Einigung auf den weltweiten Klimavertrag allenfalls als Randnotiz. Aufmacher waren „Geschenke“(Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung), „Das fatale Ende eines Schulfachs“ (Welt am Sonntag) und „Weihnachtsgeld zu gewinnen“(Bild am Sonntag).“

Irrsinniger und verblendeter kann es nicht sein, wenn Sportereignisse und Merkelanekdoten wichtiger sein sollen, als das Überleben der Menschheit. Wie so oft beobachtete Merkel aus sicherem, weit entferntem Unterstand. Den Satz zu den Pariser Ergebnissen sprach sie nicht: wir schaffen das. Mit langfristiger politischer Problemlösung will Angela ohnehin nichts zu tun haben. Sie reagiert aus dem spontanen Impuls ihres frommen Herzens. Was der Gott der Geschichte ihr einflüstert, tut sie in Demut, was nicht, lässt sie.

Merkel sprach von einem Pariser Hoffnungszeichen. Meinte sie Hoffen auf einen nichtexistenten Gott? Am Hoffen und Harren erkennt man den Narren, sagt die Weisheit der heidnischen Hexe. Auch das Prinzip Hoffnung von Ernst Bloch ist eine trügerische Angelegenheit. Auch der Ludwigshafener Marxist glaubte an eine festgelegte Geschichte mit gutem Ende. Seine docta spes (wissende Hoffnung) war ein Pseudo-Wissen, das auf blindem Glauben an das kommende Reich der Freiheit beruhte. Wenn Hoffen nicht aus eigener Kraft herstellt, woran es glaubt, bleibt es ein christlich-sozialistisches Verhängnis.

Der französische Historiker Christophe Bonneuil hat in der TAZ einen lehrreichen Überblick über die Geschichte der menschlichen Naturverschmutzung geschrieben, die den Kern der gegenwärtigen Weltkrise darstellt:

„Unsere Eingriffe in das Klima machten Millionen Menschen zu Flüchtlingen (heute 22 Millionen, bis 2050 nach UN-Schätzungen 250 Millionen), sie erzeugen Ungerechtigkeiten und geopolitische Spannungen. Damit schmälern sie die Aussichten auf mehr Gerechtigkeit und Solidarität in der Welt, auf ein besseres Leben für die vielen. Und sie gefährden die fragilen Fortschritte an Demokratie wie bei Freiheits- und sozialen Rechten. Der Wettlauf der Systeme, den sich der Westen und der Ostblock im Kalten Krieg lieferten – bei Produktion und Konsum, mit Wettrüsten und Wettlauf um die Eroberung des Weltraums – erforderte eine gigantische Ausbeutung der natürlichen und menschlichen Ressourcen.“

Während der Sozialismus vor allem eigene Ressourcen ausbeutete, vergriff sich der Westen an den Schätzen der unterentwickelten Länder. Heute hülfe nur der unerbittliche Widerstand der Betroffenen selbst:

„Wir müssen auf die moralische Empörung all jener Menschen in den reichen Ländern setzen, die bei der Zerstörung nicht länger mitmachen wollen. Sie demonstrieren ihre Weigerung auf unterschiedlichen Weise: mit dem Bemühen, mit weniger besser zu leben; mit Druck auf die Banken, keine Unternehmen mehr zu finanzieren, die das Klima schädigen; mit Kampagnen gegen Regierungen, die von Emissionsreduktion nur reden, statt endlich zu handeln, mit dem Widerstand gegen unsinnige Großprojekte. Würden Jean Jaurès, Mahatma Gandhi und Rosa Parks heute leben, würden sie gewiss dafür kämpfen, den Klimaverbrechen ein Ende zu setzen und den 90 Kohlenstoff-Sklavenhändlern das Handwerk zu legen, damit das Kapitalozän endlich überwunden wird.“ (TAZ.de/Le Monde diplomatique)

Kathrin Hartmann hat das Elend der vom Westen geschändeten Völker mit eigenen Augen gesehen. Und dennoch hat sie den ungebrochenen Widerstand dieser Menschen kennen und schätzen gelernt:

„Ich habe bei meinen Recherche-Reisen zu diesem Buch ein Ausmaß an struktureller Gewalt gesehen, das mich tief erschüttert hat. Ich werde die Bilder des zerstörten Regenwaldes in Indonesien und die Apokalypse aus Matsch in den Garnelengebieten von Bangladesch nie mehr loswerden. Trotzdem bin ich von diesen Reisen mit großer Hoffnung zurückgekehrt. Weil die Menschen, die ich dort kennengelernt habe, mit einer so großen Leidenschaft und Kraft, Liebe und Solidarität, Phantasie, Klugheit und Mut ganz selbstverständlich Widerstand gegen die Zumutung einer totalitären Gesellschafts- und Weltordnung leisteten. Weil sie nicht an pragmatische „Lösungen“ glauben, sondern an bedingungslose Gerechtigkeit. Für uns alle.“

Paris war der unerwartete Durchbruch eines einheitlichen Menschheitswillens. Doch erst, wie die Völker den schwer erkämpften Kompromiss zum Leben erwecken, wird über ihre Zukunft entscheiden.