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Neubeginn XXXIII

Hello, Freunde des Neubeginns XXXIII,

zeugt nicht so viele Kinder, wenn ihr ökologisch sein wollt, fordert der amerikanische Philosoph Travies Rieder – und alle deutschen Medien folgen ihm und vervielfältigen seine Stimme.

Der Staat könnte Anreize setzen. Sozialschwache könnten belohnt werden, „wenn sie ihr Rezept für die Antibabypille abholen“. Man könnte sich aber auch eine Steuer vorstellen, die werdende Eltern bezahlen müssten: „Die Höhe bemäße sich am Einkommen. Das könnte bereits das erste Kind betreffen, sagt Rieder. »Auch das erste Kind einer Familie wird für Treibhausgase sorgen, die irgendwie ausgeglichen werden müssen – was wiederum Geld kostet.« »Wir Menschen haben sehr schnell sehr viele Menschen gezeugt. Es gibt sehr gute Beweise, dass wir zu viele gezeugt haben«, schreibt er. Er ist besorgt, dass die Erde nicht noch mehr Menschen verträgt, ja nicht einmal die sieben Milliarden, die jetzt auf dem Planeten leben. Es reicht nicht mehr aus, seinen eigenen CO2-Verbrauch zu senken – nichts hilft mehr, CO2 zu sparen, als ein Kind nicht zu bekommen.“ (RP-online.de)

Endlich sind die Schuldigen am Elend der Erwachsenen benannt. Es sind die unschuldig sein wollenden Kinder. Eine nach vorne schauende Pädagogik muss sich umstellen und den Glückskitsch junger Eltern schonungslos desavouieren. Werden neue Klimakatastrophen gemeldet, müssen verantwortliche Mütter ihre Gören anherrschen: Du und deine überflüssige Generation: ihr seid schuldig an unserem ganzen Elend. Hätten wir euch nur nicht gezeugt. Was tun wir nicht alles, um euch auf Händen zu tragen. Doch ihr Parasiten verbraucht unser Wasser und atmet unsere Luft. Dabei wärt ihr ohne uns nichts. Und was ist der Dank? Ihr unterlasst nichts, um uns das Leben zur Hölle zu machen. Doch Vorsicht, noch ist das letzte Wörtlein nicht gesprochen. Denkt an den Kindermord zu Betlehem. Und nun sitz endlich gerade und iss dein naturidentisches Labor-Müsli.

Das ist erst der Anfang. Nach den ökologiefeindlichen Kindern müssen Frauen und Mütter dran glauben. Wozu brauchen männliche Zukunftsstürmer noch

Frauen – wenn es längst einfühlsame Sexpuppen gibt, die den Männern auf Knopfdruck alles von den Augen ablesen? Der Mann schafft seine Maschine, die ihm Weib, Kind, Freund und Kamerad in allen Lebenslagen ist. Die Zukunft der Frauen und Kinder liegt bereits hinter ihnen. (SWR3.de)

Doch jetzt kommt die wahre und nachhaltige Befreiung. Menschheit, schaff dich ab und stürz dich ins Messer. Freiwilliges Sterben ist die beste Vorbeugung gegen Ableben in Angst und Schrecken. Gegen Todesangst hilft nur der „Wind Gottes“ – oder kollektiver Kamikaze. Dann hat die Natur endlich Ruh. Und tschüss, ihr Rohrkrepierer!

Nachdem wir die leicht lösbaren Menschheitsprobleme, einschließlich der Lustseuche der Überbevölkerung, gelöst haben – nun zu den Schwaben, die die schwere Last tragen, Milliardäre zu sein. Außer ihnen will es ja niemand. Ach wohin mit dem vielen Geld, wenn man schon Museen, Yachten und Orchester mit Justus Frantz hat? Nichtschwaben begnügen sich bekanntlich mit Neid und Missgunst. Es ziemt sich nicht, mit Namen Unfug zu treiben. Deshalb im Ernst: Wer nichts wird – heißt es im Schwabenland – wird Bahnhofswirt, wer alles wird, wird Schrauben-Würth.

Rainer Hank, schwäbischer Aufsteiger und Lobredner aller Milliardäre, verschmäht die plumpe Direktpropaganda für den in schwere See geratenen Kapitalismus. Er bevorzugt die elegante indirekte Werbemethode à la Bernays. Was ist einnehmender und Sympathie erweckender für den Kapitalismus als die Biografie eines Fleißigen und Kreativen, der unsere Wirtschaft fördert, Arbeitsplätze schafft und dafür sorgt, dass wir aus Sparsamkeitsgründen stets dieselbe schlichte und einfache Kanzlerin wählen?

Mehr als alle Worte beweist Würth, dass es jeder in der Republik schaffen kann – wenn er es nur will. Weshalb der Wille zur Milliarde gestählt werden soll beim langsamen Lesen des vorbildlichen Aufstiegs aus unbedeutenden Anfängen ins Licht:

„Das kann man ruhig mal so deutlich sagen: Wir kommen von ganz unten. Wenn ich früher auf Verkaufstouren unterwegs war, habe ich den Motor ausgeschaltet, wenn es den Berg runter ging, um 15 Pfennig Benzin zu sparen. Das waren Zeiten, wo es tatsächlich darauf ankam, abends das Licht auszumachen. Es ärgert mich heute noch, wenn irgendwo die ganze Nacht grundlos eine Lampe brennt.“ (FAZ.NET)

Vorbildlich, wie die Kanzlerin, keine geborene, aber sympathetische Schwäbin, fremde Völker mit eiserner Energie zu Fleiß und Sparsamkeit zwingt, pardon, erzieht. Ungewollt hat Würth das Geheimnis ihres Erfolgs ausgeplaudert. Denn ihre politische Direktive ist identisch mit dem schwäbischen Motto: „Nichts gesagt ist genug gelobt.“

Überschwängliches Loben missfällt den um der Sache willen tätigen Deutschen ohnehin. Weshalb sie das Schweigen der Kanzlerin als dezentes Dauerlob empfinden. Schwatzen und Herumnörgeln sind indirekte Stiche ins nationale Herz. Merkel kennt keine anderen politischen Ziele als das Absegnen der Ereignisse, die ohnehin geschehen und von Gott beschieden sind.

Manche sprechen von Dialektik, wenn Sein und Sollen zusammenfließen. Der Schwabe Hegel hat die weltpolitische Harmonie Gottes mit Berlin in prophetischen Sätzen formuliert: „Was vernünftig ist, das ist merkelisch; und was merkelisch, das ist vernünftig“.

Prägnanter könnte Merkel ihre eigene Politik nicht in Worte fassen. Also schweigt sie in Bescheidenheit der Täterin des Wortes, die sich schwatzhafte Bekenntnisse ersparen kann. Auf dem Tun der Gerechten, die rechtzeitig das Licht löschen und jeden Pfennig dreimal umdrehen, liegt der Segen des Herrn.

Merkels Synthese mit den Deutschen beruht nicht auf Politik, sondern auf dem Gleichklang der Herzen. Die Arbeit der Deutschen ist Beruf, denn Beruf kommt von Berufung. Sie folgen der nationalen Berufung, anderen Völkern voranzugehen und den Weg zu weisen. Sie sind das beliebteste Volk unter der Sonne und ihre Kanzlerin das vorbildliche Gegenteil eines amerikanischen Präsidenten. Damit wurde sie zur Führerin der freien Welt.

In stillen Minuten kann sie es nicht fassen: welche Wendung durch Gottes Fügung. Wie Josef, Sohn unbedeutender Nomaden, zum Führer einer Weltmacht wurde, so stieg eine Pastorentochter aus dem bankrottierenden Sozialismus zur moralischen Anführerin des Westens auf. Die Deutschen ernennen Merkel zur Repräsentantin ihrer unvergleichlichen Nation. Dafür erhalten sie von ihr die wohlige Zusicherung, dass Katastrophen nur fremde Nationen heimsuchen: sie bleiben unbehelligt im Schoß der Geschichte.

Es herrscht eine wortlose Übereinkunft zwischen Oben und Unten, zwischen Johanna von Templin und dem Volk, das durch gefährlich brandende Zeitwogen wandelt, doch, siehe, ein geheimes Licht scheint in die Finsternis. Wenn Merkel nach vier weiteren erfolgreichen Jahren erhobenen Hauptes zurücktreten wird – niemand wird sie gegen ihren Willen aufs Altenteil schieben –, wird sie ein Vakuum hinterlassen, das von keinem nervös agierenden Mann ausgefüllt werden kann.

Adenauer war der unbeschädigte Patriarch, der den Nachkriegsdeutschen die Rückkehr in die Reihe der Völker ermöglichte. Willy Brandt wurde zum Idol der aufwachenden demokratischen Jugend. Nur Merkel gelang es, die Versöhnerin der Deutschen mit dem Lauf der Geschichte zu werden. Die Deutschen wollen in finsteren Zeiten getröstet werden. Nie würden sie zugeben, dass sie auf Beistand von Oben hoffen. Offiziell tadeln sie die Mutter, doch insgeheim sind sie dankbar, dass jene tut, was nie in der politischen Arena hinausposaunt werden dürfte. Nie würden sie zugeben, dass sie noch immer die Tröstungen eines Gottes brauchen – wo sie doch nicht wissen wollen, ob sie an Ihn überhaupt noch glauben.

Amerikaner glauben wie Kinder, das kommt den Deutschen seltsam vor. Franzosen paradieren wie kühle Laizisten: das kommt ihnen noch merkwürdiger vor. Wo sie selbst stehen, überlassen sie einer resoluten Mutter, die das Geheimnis ihrer Macht über die Deutschen niemandem weitererzählen würde. Das Volk, das aus dem Dunkel kam, siehet ein großes Licht.

Kinder sind Heilsbringer – oder schuld am Elend der Erwachsenen, wenn ihre Heilskraft versagt.

„Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; er heißt Wunderbar, Rat, Held, Ewig-Vater Friedefürst; auf daß seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Stuhl Davids und in seinem Königreich, daß er’s zurichte und stärke mit Gericht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Siehe, das junge Weib ist schwanger und gebiert einen Sohn und sie gibt ihm den Namen Immanuel.“

Das Kind, bezaubernd in seiner Fähigkeit, in unverfälschter Reinheit von vorne zu beginnen, hat die Völker schon immer in den Bann gezogen. Viele widersetzten sich dem Zauber, machten das Kind zum Urheber allen Übels, den man töten, aussetzen oder in Härte erziehen muss. Andere erhoben das Kind zum Erlöser der Menschen. Als die römische Weltmacht zu verrotten begann, erwachte aus tiefer Sehnsucht nach Regenerierung der Wunsch nach der Geburt des Kindes, welches den Völkern das Heil bringen sollte. Heraklit hatte bereits das Kind ersehnt, das die Herrschaft übernehmen sollte:

„Der Zeitenkreis, ein Kind ist er, kindlich spielend, einem Kind gehört die Königsherrschaft.“

In seinen Hirtengedichten besang Vergil das kommende Kind des Heils, das einem zerrütteten Zeitalter die Rückkehr zum unversehrten Ursprung ermöglichen soll. Das Kind würde die Zeitenwende bringen und den Zirkel des Verhängnisses in den Kreis der Erneuerung verwandeln:

Letzte Weltzeit brach an – Prophetie der Sibylle von Kyme:
Groß von Anfang an neu wird geboren der Zeitalter Reihe.
Schon kehrt wieder die Jungfrau, kehrn wieder saturnische Reiche,
schon wird neu ein Sprößling entsandt aus himmlischen Höhen.
Sei nur dem eben geborenen Jungen, mit dem das Geschlecht von
Eisen vergeht und in aller Welt das von Gold wieder aufsteht,
sei nur, Lucina, du reine, ihm gut; schon herrscht dein Apollo!

Doch der Untergang Roms besiegelt den Untergang der kreisförmigen Geschichte. Jesus, das göttliche Kind, vor dem sich Herodes so fürchtete, dass er alle Kinder in Bethlehem ermorden ließ, um den gefährlichen Rivalen auszuschalten, wird den Kreis zerbrechen und die lineare Heilsgeschichte eröffnen. Sein Tod ist der Triumph des Neuen über das Alte, das untergehen muss, um die Verheißung des Neuen an seine Stelle zu setzen.

„Zu derselben Stunde traten die Jünger zu Jesu und sprachen: Wer ist doch der Größte im Himmelreich? Jesus rief ein Kind zu sich und stellte das mitten unter sie und sprach: Wahrlich ich sage euch: Es sei denn, daß ihr umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich. Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.“

Jesus, das heilige Kind, welches nur Jüngling werden durfte, um die Welt zu erlösen – und die Weisheit der Alten und Heiden zuschanden zu machen –, preist das Kind, das im Himmelreich zum Größten werden soll. Durch Umkehrung aller natürlichen Entwicklungs-, Reifungs- und Lerngesetze. Das Kind ist das Größte, weil es das Kleinste und Niedrigste ist. Nicht Reinheit und Unbefangenheit, sondern seine Niedrigkeit und Unbedeutendheit werden zu Qualitäten der Erlösung.

„Sie brachten auch junge Kindlein zu ihm, daß er sie anrühren sollte. Da es aber die Jünger sahen, bedrohten sie die. Aber Jesus rief sie zu sich und sprach: Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solcher ist das Reich Gottes. Wahrlich ich sage euch: Wer nicht das Reich Gottes annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“

Kinder gelten als töricht und schwach. Eben diese Eigenschaften benötigt Gott, um die Starken und Weisen zuschanden zu machen.

„Denn das Törichte von seiten Gottes ist weiser als die Menschen und das Schwache von seiten Gottes stärker als die Menschen.“

Nicht das natürliche Kind – oder das Kind der sündigen Frau – soll die Menschheit retten, sondern das Kind, das durch Wunder aus einem nichtswürdigen Wesen zu einem Heiland erhoben werden wird. Ohne Zutun des Mannes, die Mutter als minderwertigen Brutkasten benutzend.

Das Kind der Natur kann kein unverkrümmtes Vorbild sein, von dem verstümmelte Erwachsenen lernen könnten. Es soll ein Gott sein, dem sich die Menschen unterwerfen müssen.

Wie der Heiland das reale Kind und die wirkliche Mutter sieht, verrät er in einem Fluch auf die natürliche Familie. Das Lobpreisen der Kinder verkehrt sich ins schreckliche Gegenteil. Zuerst werden die Kinder gesegnet:

„Da wurden Kindlein zu ihm gebracht, daß er die Hände auf sie legte und betete. Die Jünger aber fuhren sie an. Aber Jesus sprach: Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes. Und legte die Hände auf sie und zog von dannen. Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Reich der Himmel kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich und wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf.“

Wer sich nicht erniedrigt, wie Kinder erniedrigt werden, der kann nicht errettet werden. Das Vorbild des Kindes wird ins Gegenteil verkehrt – um als erniedrigtes Wesen durch ein Wunder zum Retter der Menschen zu werden.

In einem weinenden Kind hörte der Kirchenvater Augustin das Geplärr des Teufels. Wenn Kinder ungetauft starben, fuhren sie bis vor kurzem noch direkt ins Fegefeuer. Wen Gott liebt, den züchtigt er, um mit heiliger Gewalt den Teufel aus ihm zu verbannen. „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“

Der Allmächtige ist auch der Allgewaltige. Selbst dem Sohn wird Gewalt angetan: er muss, ob er will oder nicht, ans Kreuz genagelt und getötet werden. Erst dann wird er vom Vater wunderhaft zum Pantokrator erhöht.

Die Natur muss mit aller Gewalt ausgerottet werden, damit die Übernatur Einzug halten kann. Wir sprechen vom technischen Fortschritt. Das Heil für wenige ist höllische Gewalt über die Massen der Menschheit. Heil ist Zwangsbeglückung oder Gewalt im Namen des Himmels.

Zuerst werden die Kinder vom Heiland gepriesen, weil sie sich gegen sein Heil nicht wehren können. Das natürliche Kind soll nicht um Seinetwillen geliebt und angenommen werden, sondern um des Heilands willen. Ebenso, wie man Schwachen und Kranken nicht um ihretwillen helfen soll, sondern um Seinetwillen. Würde Trump seinen Wählern sagen: alles, was ihr für Amerika tut, habt ihr für mich zu tun, wäre es endgültig um ihn geschehen.

Ein Erlöser darf sich alles erlauben. ER ist wichtiger als alle Menschen zusammen. Was auch immer der Mensch Gutes tut, es soll nicht aus Liebe zu den Menschen geschehen, sondern aus Unterwerfung unter eine göttliche Gewalt, die sich als Niedrigkeit kostümiert und verstellt.

Die Menschen sollen an Ihn glauben wider allen Augenschein. Der Heiland kommt in satirischer Karikatur seines Gegenteils. Sein Glaube an sich selbst scheint offenbar erst gesichert, wenn er sieht, dass Menschen an Ihn glauben, die nichts Glaubwürdiges an ihm erkennen können. Ihre Wahrnehmungsfähigkeit und ihr Denkvermögen müssen geopfert und ans Kreuz genagelt werden, damit sie dem Unglaublichen in blindem Glauben folgen.

Wie aber denkt der Erlöser über das nicht erlöste natürliche Kind im Rahmen seiner familiären Umgebung, die es zärtlich liebt und nichts unterlässt, um es sorgsam aufzuziehen? Wer sah nicht die Bilder der Flüchtlinge, die ihre Kinder auf dem Rücken über Berg und Tal, durch viele Länder in Mühsal und Schrecken trugen, um ihnen ein lebenswertes Leben zu bieten?

„Wer verläßt Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker um meines Namens willen, der wird’s hundertfältig nehmen und das ewige Leben ererben. Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu erregen gegen seinen Vater und die Tochter gegen ihre Mutter und die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist mein nicht wert. Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.“

Der Kampf aller gegen alle ist eine Erfindung des Erlösers. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf: Hobbes konstatierte, was der christliche Glauben im Abendland seit mehr als 1000 Jahren in Wirklichkeit verwandelte.

Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert, wird von listigen Deutern ins blanke Gegenteil verkehrt. Ohne mit der Wimper zu zucken, halten sie den Menschen für einen Tropf, dem man alles und das Gegenteil verkaufen kann. A ist non A, X ist Y. Alles ist alles und sein Gegenteil. Deutet die Schriften, wie ihr‘s braucht und nötig habt, damit ihr eure Schlechtmenschentaten mit dem Mäntelchen der Liebe drapieren könnt.

Die Erwachsenen ertragen nicht die Intelligenz, Neugierde, Unbefangenheit und unverfälschte Denkkraft der Kinder. Also müssen die Kinder zu Teufelsbraten werden, die man mit allen Mitteln der Gewalt, des Zwanges zur Anpassung, mit Verlockungen zu Ruhm, Ehre und Reichtum erpresst und besticht, um ihre Kindlichkeit – die schärfste Kritik des Erwachsenenlebens – gründlich zu zerstören.

Die Erwachsenen übertreffen sich dabei, ihre Kindlichkeit gegenseitig zu verspotten und zu verhöhnen. Wer das Leben meistern will, muss alles Kindliche mit Gewalt entfernen. Die Moral der Erwachsenen, die Amoral sein will, ist das Gegenteil aller kindlichen Moral.

Nur Künstler, die man nicht ernst nehmen muss, bezeugen gelegentlich, noch immer Kind zu sein.

„Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“, schreibt der Künstler Schiller.

Was ist aus dem kindlichen Spiel geworden? Das Spiel der Erwachsenen mit dem Risiko, das Va-banque-Spiel der Hasardeure, die das Leben der Gattung aufs Spiel setzen, um sich als gottähnliche Abenteurer aufzublasen, die nach Belieben über Sein oder Nichtsein gebieten. Hitler war ein Pokerspieler, der die Welt mit allen Tricks bluffte, um sie einzuschüchtern und zu beherrschen. Als die Schergen das Pokern verloren, erklärten sie: Wir haben verspielt. Das Spiel der Kinder wird von den Erwachsenen missbraucht und zur Bedrohung der Menschheit satanisiert.

Wie Gott die Kinder als Vorbilder hinstellt, um sie zu blinden Gläubigen zu erniedrigen, so traktieren die Deutschen ihre Kinder. Jahrzehntelang wurden die Kinder getrimmt, um die besten Noten nach Hause zu bringen. Inzwischen ist die Anzahl der Einser-Abiturienten – dank unauffälliger Hilfe ihrer Lehrer, die die besten der Welt sein wollen – so ins Vielfache inflationiert, dass die Einserschüler plötzlich in Ungnade fallen. Jahrzehntelang galten Zeugnisse als Kriterien für die Industrie, nach denen sie ihre Kandidaten auswählten. Plötzlich ist Schluss. Über Nacht pfeifen die Personalchefs auf die Zeugnisse und urteilen, wie sie schon immer urteilten: nach ihrem Bauch. Zensuren sagen nichts mehr über das Können der Abiturienten, erklärt ein bayrischer Lehrerfunktionär. Einserschüler seien verbraucht, sie hätten keine Kreativität und Energie mehr, um Start-ups zu gründen, Ideen zu entwickeln und das BIP der Kanzlerin nach oben zu treiben.

Desgleichen der Umgang mit behinderten Schülern. Durch Inklusion sollten sie gefördert werden. Durch Kennzeichnung in den Zeugnissen aber werden sie erst recht stigmatisiert und als minderwertige und überflüssige Zeitgenossen ausgeschlossen:

„Wir müssen auch kritisch über Noten nachdenken. Ein Beispiel: Eine Schülerin mit Förderbedarf im Bereich Lernen bekam von mir oft leichtere Aufgaben. Aber im Zeugnis musste ich vermerken, dass sie nach anderen Maßstäben gelernt hatte als der Rest der Klasse. Ihre Noten waren mit einem Stern versehen und derart im Vergleich weniger wert. Dem Mädchen war das unangenehm, und es wollte sein Zeugnis nicht in der Klasse zeigen.“ (SPIEGEL.de)

Das lässt sich verallgemeinern. Kinder, das A und O der Eltern, müssen das ungelebte Leben der Erwachsenen kompensieren – oder sie fallen in Ungnade.

Was ist paradoxe Intervention? Wenn Erwachsene den Kindern vorschreiben: Ihr sollt werden, wie wir es euch sagen. Werden sie es, müssen sich die Kinder anhören: Was, ihr habt gemacht, was wir euch sagten? Das ist hinterhältiges Einschleimen in unsere Gunst. Dafür müssen wir euch stäupen. Und also geschieht‘s.

Wie Gott die Kinder zuerst zu Vorbildern der Erwachsenen erklärt, um sie alsdann als tückische Hindernisse im Wettstreit um wenige Himmelsplätze zu diffamieren, so verfahren die Deutschen mit ihren Kindern. Sie unternehmen alles, um ihnen eine lebenswerte Zukunft zu schaffen – indem sie ihnen alle Überlebenschancen zerstören. Schlechthin, weil es sie gibt, sind sie schuldig am Elend der Erwachsenen. Oder wie Schrauben-Würth großzügig seine Frau lobte:

„Ich muss schon sagen, meine Frau hat das über all die Jahre wirklich vorbildlich gemacht, hat mir den Rücken freigehalten, die Kinder großgezogen, sie jeden Tag zur Schule gefahren und auch wieder abgeholt.“

Frauen sollen Kinder und Beruf vereinbaren. Männer können den Wettlauf zu Macht, Reichtum, Ruhm und Ehre nur gewinnen, wenn Frauen sie von lästigen Kindern befreien.

Niemand stellt die Frage: Sind Leben – und Kapitalismus vereinbar?

 

Fortsetzung folgt.