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Neubeginn IX

Hello, Freunde des Neubeginns IX,

er hat‘s nicht so mit dem Alten, doch wenn jener angegriffen wird, ist er zur Stelle. Die Deutschen haben‘s nicht so mit Gott, doch wenn Ketzer und Verleumder ihm die Ehre verweigern, dann schlagen sie um Gottes willen die Welt zusammen. Buschkowsky hat‘s nicht so mit dem lieben Gott, doch gegen linke und grüne Kreuzesgegner auf dem Humboldt-Forum könnte er einen Berliner Kreuzzug entfachen:

„Ich stehe zwar mit dem lieben Gott nicht so auf Du und Du. Aber was für ein Schauspiel bieten wir gerade wieder der Welt? Kleingeisterei und Schmierentheater!“ (BILD.de)

Die Erklärung ist einem gebildeten SPD-Bürgermeister auf den Leib geschrieben:

„Die humane, aufgeklärte Sicht auf die Welt von Alexander und Wilhelm von Humboldt war in weiten Teilen nicht identisch mit der verworrenen und fanatischen intellektuellen Schmalkost, die uns hier von Werte-Vagabunden serviert werden soll. Menschenbild und Kreuz sind untrennbar. Das sehen wir dort, wo es keine Strahlkraft besitzt.“

Die christentumskritische Sicht der beiden Brüder Humboldt wird von Buschkowsky mit jenem Symbol gleichgestellt, das jeden freien Gedanken mit Feuer und Schwert verurteilte und heute die Frechheit besitzt, sich als Speerspitze der Aufklärung aufzuspielen.

„Sehet zu, daß euch niemand beraube durch die Philosophie und lose Verführung nach der Menschen Lehre und nach der Welt Satzungen, und nicht nach Christo.“

Wo bleibt der „Aufschrei“? Der Aufschrei über solche Kapitallügen?

In Deutschland ist das WORT zur Ramschware verkommen. Nicht nur sich selbst erfinden sie täglich neu, auch ihre historische Biografie verfälschen sie nach

Belieben zum Zweck nationaler Ertüchtigung.

Alexander von Humboldt war ein glühender Bewunderer der kosmischen Naturmächte. Wie hätte er mit dem Kreuz sympathisieren können, das die Frommen auffordert, der Bewunderung der Natur abzusterben?

„Wenn ihr mit Christus den Naturmächten der Welt abgestorben seid, warum lasst ihr euch, als lebtet ihr noch in der Welt, Satzungen vorschreiben?“

Satzungen einer Polis sind Gesetze der Vernunft. Christen sind vernünftigen Moralgesetzen auf keinen Fall verpflichtet. Als Bürger einer zukünftigen Stadt im Himmel sind sie aller irdischen Pflichten ledig. Der Kampf deutscher Medien gegen Gut-Menschen ist au fond die religiöse Verdammung einer autonomen Vernunft. Wer in Gott ist, spottet aller menschlichen Moralanmaßungen.

Überall auf seinen Weltreisen, besonders in Südamerika, sah Alexander von Humboldt die schrecklichen Wirkungen der christlichen Mission:

„Keine Religion predigt die Unmoral; aber sicher ist, daß von allen existierenden die christliche Religion diejenige ist, unter deren Maske die Menschen am unglücklichsten werden. – So steigert sich der Haß gegen eine Menschenklasse, die unter dem Anschein, den Indios Gutes zu tun, ihnen ihren Besitz gewaltsam wegnimmt und sie glauben macht, es sei eine Sünde, sich darüber zu beklagen.“

Doch, Religionen sind Verkünder einer menschenfeindlichen Moral. Besonders die Erlöserreligionen. Woher soll der religiöse Hass gegen Menschenklassen stammen, wenn nicht aus der Lehre dieser Religionen? Für einen Schöpfer, der seine Kreaturen für minderwertig und erlösungsbedürftig hält, ist die Moralkompetenz sündiger Naturwesen eine satanische Anmaßung.

Die Aufklärung hatte sich Priestern einer naturfeindlichen Gegennatur widersetzt und den Menschen auf die Wohltaten der Natur verwiesen. „Wir müssen unseren Garten bestellen“, war Voltaires Schlusswort in seinem Werk „Candide oder der Optimismus“.

Wer an Vernunftwerte der Aufklärung erinnert, wird vom SPD-Liebhaber des Kreuzes zu Werte-Vagabunden erklärt. Noch ein kleiner Schritt und er wird von Gesindel und Halunken sprechen. Trump hat auch deutsche Schleusen geöffnet.

Was Buschkowsky auf Neuköllner Gassenniveau in BILD, ist Philipp Gessler auf theologischer Ebene in der TAZ. Er spricht von „religiösen Hetzern und simplifizierenden Atheisten“, die „uns“ einreden wollen, dass Religion mit Menschenliebe nicht zu tun haben könne.

„Gewalt ist jeder Religion eingeschrieben, nicht nur den monotheistischen, wie man etwa im buddhistisch geprägten Myanmar oder im hinduistisch gefärbten Indien derzeit beobachten kann. Es kommt darauf an, diesen Gewaltkeim einzuhegen und die Liebesbotschaft zu betonen, die den wirklichen Kern aller Religionen ausmacht, einerlei, was religiöse Hetzer oder simplifizierende Atheisten in aller Welt uns einreden wollen.“ (TAZ.de)

Wer von „uns“ spricht, fühlt sich als Teil einer dominanten Mehrheit, die sich vorteilhaft abhebt von „denen“.

Früher sprach man vom völkischen Bewusstsein, heute spricht man von deutscher Leitkultur mit christlichen Grundwerten.

Immerhin räumt Gessler das Gewaltmoment jeder Religion ein. Wie man aber die Liebesbotschaft zum Kern einer Dogmatik machen kann, die unzählige Milliarden Menschen ewigem Verderben übergibt, um wenigen die Seligkeit zu gewähren, dazu benötigt man den erleuchteten Verstand eines Gottesgelehrten.

Natürlich muss das terroristische Selbstmordattentat eines Nichtchristen als Kontrastfolie zur christlichen Agape dienen. Doch siehe, auch dieser islamische Bösewicht agierte nicht in religiösem Gehorsam, sondern missverstand die Kernbotschaft des Korans:

„Das Bekenntnis des IS zu der Tat spricht dafür, dass er seine Religion so schrecklich missverstanden hat, dass er wahnhaft glaubte, er gehorche Gott, indem er andere Menschen tötet.“

Wenn er seine Religion verfälschen musste, um Böses zu tun, wie kommt Gessler dazu, das „Beste und Schrecklichste“ dieser Religion zuzuschreiben?

„Religionen sind schön und gefährlich. Sie bringen das Beste in uns hervor und das Schrecklichste, alle Liebe und allen Hass.“

Wenn Religionen Liebe und Hass hervorbringen: weshalb muss man sie missverstehen, um Hass in der Welt zu verbreiten? Vermutlich muss man erleuchtet sein, um solche Rösselsprünge des Heiligen Geistes zu verstehen.

Gessler bedient sich eines Tricks, um trotz selbstkritischer Töne das Christentum zu retten – und den Islam zu verdammen: die Gewalt der Christen ist Schnee von gestern. Solche Kinderkrankheiten haben die jesuanischen Gläubigen längst überwunden:

„Muslimische Verbände in aller Welt werden betonen, das alles habe nichts mit dem Islam zu tun – und auch auf dem Kirchentag wird das auf vielen der dutzenden Veranstaltungen zum interreligiösen Dialog zu hören sein. Doch 500 Jahre nach dem Beginn der Reformation ist klar: Das hat etwas mit dem Islam zu tun, ebenso wie die Kreuzzüge etwas mit dem Christentum zu tun hatten und der Judenhass in Deutschland mit der Hetze Martin Luthers gegen unsere älteren Brüdern und Schwestern.“

Kein Wort des Theologen zu biblischen Ursachen christlicher Menschheitsverbrechen. Dass Kreuzzügler und Judenhasser vor ihren Schandtaten die Bibel verinnerlichten, unterschlägt Gessler.

Warum christliche Worte und Begriffe sich beliebig prostituieren lassen, gründet im Recht der Frommen, Wahrheiten nach Belieben zu verändern und zu verfälschen. Im Besitz des Geistes ist man dem schnöden Buchstaben der Schrift nicht mehr untertan. Jeder Gläubige kann seine eigene Offenbarung in Vollmacht des Geistes verkünden.

Hier stoßen wir auf die älteste Schicht des Misstrauens der „einfachen Leute“ gegen die Führungsklassen. Als das europäische Volk lesen lernte, erkannte es mit Erstaunen die unendlichen Widersprüche zwischen dem Wortlaut der Schrift und der verluderten Praxis ihrer Seelenhirten.

Der Papismus verbot dem Pöbel die selbständige Auslegung der Schrift. Wer dem Verbot widerstand, gründete seine eigene Glaubensgemeinschaft, die von den weltlich-klerikalen Eliten mit allen inquisitorischen Methoden verfolgt und ausgerottet wurden.

Die Lutheraner verfluchten den Papst als Antichrist. Doch auch sie sahen sich schnell von andersdenkenden Bibellesern eingekreist. Da sie dem lutherischen Prinzip der Buchstabentreue – „das Wort, sie sollen lassen stahn“ – verpflichtet waren, blieb ihnen nur eine Methode, um die rebellischen Laien ins Bockshorn zu jagen. Das Wort ließen sie stehen, doch nur, um es nach Belieben zu deuten.

Das ist die bigotte Zweideutigkeit des Protestantismus bis heute. Wo es ihnen passt, zitieren sie wörtlich aus der Schrift. Wo es ihnen nicht passt, unterschlagen sie konträre Stellen oder deuten sie neu, wie der jeweilige Zeitgeist es will.

Diese geistbegabten Fälschungskünste hat die Gemeinde nie verstanden. Einerseits zeichnete sich der Protestantismus durch historisch-kritische Arbeit aus, deren Ergebnisse jeden Glauben an die Verbalinspiration der biblischen Schriftsteller vernichtete. Andererseits hatten sie nicht die geringste Mühe, dem schnöden Urtext jede Erkenntnis zu entnehmen, die sie zum Heil ihrer Seele – und zur Erhaltung ihrer Macht im Staate nötig hatten. Die Liaison Thron und Altar durfte nicht gefährdet werden.

Gefährdet wurde sie auch nicht – durch alle Regimearten hindurch bis zum heutigen Tage. Das Knochengerüst des Dritten Reiches war die theologische Lehre vom Tausendjährigen Reich, das am Ende der Tage für die finale Herrschaft der Erwählten und die Vernichtung der Verworfenen sorgen würde.

In Amerika fand eine zeitversetzte ähnliche Entwicklung statt. Auch die Amerikaner fühlten sich bereits am Ende der Geschichte oder in Gottes eigenem Land. Doch die ecclesia triumphans der Amerikaner bediente sich von Anfang an einer unheilvollen Mischung aus Wort und Gewalt. Die rebellischen Eingeborenen wurden unbarmherzig abgeschlachtet.

Im Zweiten Weltkrieg nützten sie ihre überlegene Militärgewalt, um die Deutschen von ihrer rassistischen Erwähltenpest zu befreien. Der deutsche Rassismus war nur die säkulare Maskerade einer menschenhassenden Erlöserreligion, die, nach langem Warten auf das Kommen des Herrn, chiliastische Nägel mit Köpfen machen wollte. Zu recht feierte sich Amerika als Retter der Welt vor deutschen Unmenschen.

Die Nachkriegsepoche war eine Erneuerung der Weltgemeinschaft auf der Basis des UN-Völkerparlaments. Nach einem halben Jahrhundert erlahmte die Vorbildlichkeit der amerikanischen Demokratie, geschwächt durch aufkommende Mächte der Wirtschaft, die sich nicht länger an die Leine des Staates legen lassen wollten.

Die Weltherrschaftsgelüste der Geldhaie wurden unterstützt durch die technische Fortschrittsreligion. Technik hatte nicht mehr die Aufgabe, den Menschen von schwerer und unwürdiger Arbeit zu befreien, sondern sollte die gottgleiche Grenzenlosigkeit des Menschen unter Beweis stellen. Systematisch wurden demokratische Elemente als „nivellierende, gleichmacherische“ Erfindungen der Zukurzgekommenen vom Tisch gefegt.

Mitten in der Demokratie erstand die Herrschaft nicht-demokratischer Technik- und Ökonomiefaschisten. Das Ende dieser Entartung der Demokratie sehen wir in der Präsidentschaft der Trump‘schen Dynastie, die hemmungslos Nepotismus und private Gewinnsucht als Grundlagen einer neuen Weltpolitik verkauft.

Der deutsche Protestantismus war gespalten in seriöse historische Wissenschaft – und dem Kerygma, der spirituellen Deutungskunst von Erleuchteten, die ihre privaten Gefühlsoffenbarungen den Gemeinden als stets neueste Theologie unter die Weste jubelten. „Unter der Woche bin ich historisch-kritischer Wissenschaftler“, sagte ein biederer Pfarrer, „doch am Wochenende werde ich zum kindlichen Gläubigen, dem alle historisch-kritischen Erkenntnisse schnuppe sind.“

Die mittelalterlichen Lehren von der doppelten Wahrheit und der doppelten Moral wurden im Protestantismus zum heuchelnden Dauer-Ereignis. Sie leben in zwei Welten: mit dem Kopf in der säkularen Vernunft, mit Geist und Gemüt im Schwarmgeist einer sich ständig verändernden Mode-Frömmigkeit. Es spricht gegen die Emanzipation der Gemeinden, dass sie das Doppelleben ihrer Vorbeter hinnehmen – immer in der Demut, die Heuchelrede ihrer Talarträger wegen Dummheit nicht zu verstehen.

Hier beginnt die intellektuelle Verwüstung aller Deutschen, die auf dem hermeneutischen Mist der Theologen gewachsen ist. Wenn schon das göttliche Wort jeden Tag neu interpretiert werden kann – warum dann nicht die Begriffe der Politik und Wirtschaft?

Aus diesem Grunde gibt es auch keine einzige Talkshow, die ernstlichen Wert auf Klärung der Begriffe legen würde. Man hält Vorträge, mit denen man die des Konkurrenten mit rhetorischen Tricks in den Schatten stellen muss. Die Redekunst wurde zur wichtigsten Kompetenz eines Politikers. Wer nicht „druckreif“ formulieren, wer ein Publikum nicht durch suggestive Formeln beeindrucken kann, sollte die Finger von der Politik lassen.

In der athenischen Polis war die Redekunst die Generalmethode jener Demagogen, die dem Publikum ein X für ein U vormachen konnten. Diese volksverführende Lenkungskunst wurde zur christlichen Predigt, die seit Jahrhunderten einer passiven Gemeinde die Wahrheit von Oben verkündet. Der deutsche Führer mit seinen charismatischen Redekünsten war das späte Produkt einer jahrhundertelangen Kanzeldemagogie.

Die Selbstmordattentate islamischer Fanatiker zeigen, dass wir uns im Krieg befinden. Der Westen führt Krieg mit wirtschaftlichen und militärischen Mitteln in weit entfernten Ländern. Die Bewohner dieser Länder haben längst so viel Selbstbewusstsein errungen, dass sie den Krieg mit eigenen Methoden in unsere Länder zurückexportieren. Mangels militärischer und ökonomischer Waffengleichheit sind sie auf punktuelle Destruktionen mitten im Leben des arroganten Westens angewiesen.

Während die Westler ihre externen Opfermillionen kaum zur Kenntnis nehmen, reagieren sie auf ihre eigenen Opfer, als seien die Täter feige Lumpen, denen man jede Menschenähnlichkeit absprechen muss. „Üble Verlierer“ werden sie von Trump verflucht, der es schon für moralische Verkommenheit hält, im wirtschaftlichen Hauen und Stechen den Kürzeren zu ziehen. Weil er so reich sei, sei er ein so guter Politiker, tönt er in die Welt.

Für den Neoliberalismus geht es um die Produktion von wenigen Siegern und massenhaften Verlierern, die wirtschaftliche Transformation der theologischen Lehre von wenigen Erwählten und vielen Verdammten.

Die Gründe solcher Taten werden nicht bei uns gesucht, sondern fremden Völkern in die Schuhe geschoben. Der Islam als konkurrierende Erlösungsreligion muss allein menschenfeindliche Elemente enthalten; die westlichen Christen waschen ihre Hände in Unschuld. Dabei sind alle drei Erlösungsreligionen im Kern totalitäre Unfehlbarkeitsideologien, die à la longue alles vernichten müssen, was ihrer Tyrannei widersteht.

Das westliche Christentum hat sich unter dem energischen Einfluss der Aufklärer humanisiert, doch der kontaminierte Inhalt ihrer Lehre ist gleich geblieben. Humanistische Zeitgeistdeutungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kirchen, je mehr sie wieder Macht über die Seelen erringen, jederzeit das giftige Erbe ihrer Dogmatik reaktivieren könnten. Es gilt die Regel: je ohnmächtiger die Kirche, umso mehr bedient sie sich aalglatter Zeitgeistphilosophien. Gewinnt sie wieder an Macht, regrediert sie automatisch in den Sumpf ihres Hasses auf Andersgläubige.

Noch lässt sich das Volk an der Nase herumführen, besonders in Massenspektakeln der Kirchentage, die seit Adam und Eva immer nur eines versprechen: Aufbruch.

Aufbruch ist der theologische Urbegriff der politischen Zukunftsbesoffenheit. Aufbrechen, wohin du nicht willst. Die Schäfchen wollen an neue Ufer geführt werden. Zurückschauen verboten. Des Früheren dürfen sie nicht gedenken: die Vergangenheit ihres Werdens müssen sie vertilgen und verleugnen. Wer aber nicht weiß, wie er geworden ist, weiß auch nicht, wie er sich verändern kann.

Von Attentat zu Attentat verstärkt sich das „Wir-Gefühl“ der Europäer. Nach jeder Tat schließen sie ihre Wagenburg enger.

Intern aber verschärfen sie ihre Konflikte. Wie etwa die Deutschen, die das griechische Volk bis an die Grenze des Vegetierens würgen. Fast die Hälfte der Deutschen hält diese Demonstration barbarischer Stärke für einen Fehler. Was auf keinen Fall bedeutet, dass sie die Schäuble&Merkel-Regierung abwählen würden.

Je mehr die Nachbarvölker im Chaos versinken, umso nötiger haben sie eine Mater dolorosa, die mit ausgefeilten Methoden des Schweigens und fehlender Präsenz die Nerven der ängstlichen Deutschen einlullt.

Je mehr Attentate in Europa stattfinden, umso mehr werden aus deutschen Grau-Denkern, die niemals etwas besser wissen dürfen, schwarz-weiße Hassprediger. Julian Reichelt hat in BILD das nationale Wir in Gift gegossen: Wir Deutsche – wahlweise wir Europäer – unterscheiden

uns von den gottlosen Barbaren und Psychopathen, von den „bösartigen Verlierern“ (Donald Trump), die im Namen Allahs morden. Wir sind diejenigen, die Leben bewahren und beschützen. Keine Mutter in unserer Gesellschaft wäre stolz, wenn ihr Sohn als Selbstmordattentäter Kinder mit in den Tod reißen würde. Und ja, das unterscheidet uns christlich geprägte Gemeinschaft auch von all den Ländern, Gruppen und Parallelgesellschaften, die der politische Islam als mörderische Ideologie moralisch (und wirtschaftlich) abgewrackt hat. Islamistischer Terrorismus gedeiht nur da, wo nicht jedes einzelne Leben als unantastbar angesehen wird. Nur da, wo „Ungläubige“ weniger wert sind als die Anhänger des „Kalifats“.“ (BILD.de)

Damit ist das Böse und Gute der Welt mit scharfer Trennungslinie eingeordnet: wir sind die Guten, der Rest der Welt ist Abschaum. Das ist die Botschaft Trumps, der die Welt in Gut und Böse teilt. Mit dem kleinen Unterschied, dass er alle Religionen vom Bösen befreite, während Reichelt den Islam und Staaten wie Saudi-Arabien zu den Satansbraten der Welt zählt. Diese Bagatellen aber werden sich noch bereinigen lassen.

Wir, die Guten, wenden nur Gewalt an, um uns zu schützen. „Und um es ganz hart zu sagen: Wenn wir Bomben auf ISIS werfen, dann tun wir es nicht, um blindwütig zu vernichten und uns daran zu berauschen. Sondern um jene zu verteidigen, die Angst um ihre Kinder haben. Anders als die Terroristen fürchten wir den Tod, weil wir das Leben lieben und unser Glück im Diesseits suchen.“

Wir haben nicht nur im Allgemeinen Recht, wir haben sogar das Recht, alle, die sich gegen unsere Künste wirtschaftlicher und technischer Despotie zur Wehr setzen, vom Erdboden zu vertilgen. Auch hier ist Trump der Vorreiter, der den philippinischen Diktator Duterte überschwänglich bewundert:

„Duterte mache einen „sagenhaften Job“: US-Präsident Trump hat den philippinischen Präsidenten für seinen umstrittenen Kampf gegen den Drogenhandel gelobt. Tausende Menschen sind dabei bislang getötet worden.“ (SPIEGEL.de)

Trumps Rundreise durch die drei Erlösungszentren der Welt wird in Deutschland eher wohlwollend kommentiert: er habe eine leidlich gute Figur gemacht. Dass er alle Normen der Menschenrechte über den Haufen warf, intolerante Religionen exkulpierte, seine Pathos-Floskeln in den Dienst kapitalistischer Endzwecke stellte, wurde im Lande Merkels durchgewunken.

Mögen die anderen tun und lassen, was sie wollen: wir befinden uns auf direktem Weg in eine theokratische Symbiose mit einer auserwählten Magd Gottes. Wir leben in paradiesischen Zuständen:

„Es waren schöne, glänzende Zeiten, wo Europa ein christliches Land war, wo eine Christenheit diesen menschlich gestalteten Weltteil bewohnte; ein großes gemeinschaftliches Interesse verband die entlegensten Provinzen dieses weiten geistlichen Reichs. Jedes Glied dieser Gesellschaft wurde allenthalben geehrt, und wenn die gemeinen Leute Trost oder Hilfe, Schutz oder Rat bei ihm suchten und gerne dafür seine mannigfaltigen Bedürfnisse reichlich versorgten, so fand es auch bei den Mächtigeren Schutz, Ansehen und Gehör, und alle pflegten diese auserwählten, mit wunderbaren Kräften ausgerüsteten Männer wie Kinder des Himmels, deren Gegenwart und Zuneigung mannigfachen Segen verbreitete. Kindliches Zutrauen knüpfte die Menschen an ihre Verkündigungen. Die andern Weltteile warten auf Europas Versöhnung und Auferstehung, um sich anzuschließen und Mitbürger des Himmelreichs zu werden. Sollte es nicht in Europa bald eine neue Menge wahrhaft heiliger Gemüter wieder geben, sollten nicht alle wahrhaften Religionsverwandten voll Sehnsucht werden, den Himmel auf Erden zu erblicken? und gern zusammentreten und heilige Chöre anstimmen? Die Christenheit muß wieder lebendig und wirksam werden und sich wieder eine sichtbare Kirche ohne Rücksicht auf Landesgrenzen bilden, die alle nach dem Überirdischen durstigen Seelen in ihren Schoß aufnimmt und gern Vermittlerin der alten und neuen Welt wird. Nur Geduld, sie wird, sie muß kommen, die heilige Zeit des ewigen Friedens, wo das neue Jerusalem die Hauptstadt der Welt sein wird.“ (Novalis, Die Christenheit oder Europa)

 

Fortsetzung folgt.