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Tagesmail

Montag, 26. August 2013 – Gauck, der Double-Bind-Präsident

Hello, Freunde Gaucks,

wenn der SPIEGEL demnächst zur Filiale BILDs geworden sein wird, plant Blome, der gefragteste Blattmacher der Republik, die Serie „Unbequeme Wahrheiten“ in Rudolf Augsteins Magazin.

Es scheint sicher, dass Rudolfs Sohn Jakob das kritische Erstgeburtsrecht des SPIEGEL gegen ein Linsengericht an BILD verkaufen wollte gegen den Widerstand seiner Halbschwester Franziska. Augstein muss sein Motto: „im Zweifel links“ verändert haben in: „alle Zweifel vorbei“, ab jetzt stramm an der Seite des flotten Hamburger Jung’ Jan Fleischhauer und des Krawalljesuaners Matussek.

Das jüngste kapitalismuskritische Buch des FREITAG-Herausgebers: „Sabotage“, war entweder sein linker Schwanengesang oder Augstein jun. verströmt gern unberechenbaren Flair eines Springinfelds. Vor kurzem noch war er glühender Prophet des glühenden Silicon-Propheten Schirrmacher. Von FAZ zu BILD ist für deutsche Schreiber nur ein Schrittchen.
Auch BILD-Diekmann gehört zur wachsenden Silicon-Sekte, vermutlich einem Zellableger der Scientologen. Sektengründer Hubbard begann seine weltweite Karriere als technischer Zukunftsschauer. Nicht anders als Ralf Kurzweil, der persönliche Erlöser Frank Schirrmachers. Die beiden Ex-SPIEGEL-Männer Mascolo und Blumencron sind schon bei der FAZ gelandet.

Das Prinzip der Politiker: Jeder kann mit jedem, ist auch bei den Gazetten angekommen. Man könnte sagen, auch in der Vierten Gewalt gibt es nur noch TINA: There is no alternative. „Die Zeit der Distinktionen ist vorbei“, sagte ein

frommer Philosoph aus Dänemark, der Lieblingsdenker aller hiesigen Feuilletonisten von Rang. In deutschen Schreibstuben dominiert der liebliche Stallgeruch des Himmlischen.
Die Vierte Gewalt ist zur vierten Zahnlosigkeit geworden. Sagt mir, in welchem Zustand sich eure Presse befindet und ich erstelle euch ein astrologisches Gutachten über die Halbwertzeit eurer Demokratie.

Blomes unbeqeme Fragen werden von einem Rostocker Pastor, der Thron und Altar zur glücklichen Symbiose vereinigt hat, in christogener Salonsprache beantwortet.  (Gauck in BILD)

Nehmen wir die Frage von Martina Gedeck: „Was tun Sie, damit Ihr Glaube an die Möglichkeit einer gerechteren Welt nicht erlischt?“

Eine merkwürdige Frage. Als Deutsche auf dem Boden abendländischer Werte sollte man wissen, woher ein Gottesmann seine Glaubenskraft bezieht: direkt vom himmlischen Vater. Weiß die Schauspielerin diese triviale Tatsache nicht? Oder traut sie dem Politikerpastor diesen Glauben nicht zu? Dann wäre der Jünger Jesu für die sympathische Fragerin nicht sonderlich glaubwürdig. Sagt sie aber nicht, sondern stellt sich naiv, als ob sie im Existentiellen nicht bis Drei zählen könnte.

Die Antwort Gaucks müssen wir in Gänze plagiieren, sonst glaubt man uns das nicht:

„Ich bin ganz sicher, dass uns der Glaube an eine gerechtere Welt erhalten bleibt – die ganze Geschichte der Menschheit ist ja geprägt davon. Ich glaube allerdings nicht, dass die so unterschiedlichen Menschen und Gesellschaften sich auf das eine vollendete Gesellschaftsmodell einigen können. Entsprechende politische Visionen betrachte ich mit Skepsis. Aber dass wir das Bessere, das weniger Mangelhafte gestalten können, das weiß ich. In großen Teilen der Welt gibt es heute mehr Rechte, auch mehr Sicherheit und Wohlstand als früher. Und in Demokratien können sich Menschen aus allen Schichten einbringen und mitgestalten. Was wir nicht verlieren dürfen: das Wissen darum, dass wir Menschen zueinander gehören. Es ist schon ein altes religiöses Wissen, dass wir fähig sind zur Nächstenliebe, nicht nur zur Selbstliebe. Im Politischen heißt das: Wir sind fähig zur Solidarität. Und die Schritte, die wir schon getan haben, um Chancengleichheit und Teilhabe für möglichst viele zu schaffen, ermutigen mich, weiter an eine stetig gerechtere Welt zu glauben.“

Man weiß, dass Theologen während ihrer Ausbildung kein logisches Propädeutikum absolvieren müssen. Das entspräche nicht dem Selbstverständnis ihres Glaubens, der vom unerleuchteten Menschenverstand nicht erfasst werden kann. Er bleibt ein Geheimnis, „den Juden ein Ärgernis, den Griechen eine Torheit“. Griechen standen damals für Weltmeister des scharfsinnigen Denkens. Je mehr er wider alle Gesetze des Denkens verstößt, umso glaubwürdiger der Glaube.

Zuerst die optimistische Zuversicht des nationalen Seelsorgers: wo ist das Problem, Frau Gedeck? „Ich bin ganz sicher, dass uns der Glaube an eine gerechtere Welt erhalten bleibt – die ganze Geschichte der Menschheit ist ja geprägt davon.“

Wenn uns der Glaube an eine gerechtere Welt erhalten bleibt, müsste er ja vorhanden gewesen sein. Welche Menschen glauben an eine gerechtere Welt? Utopien von einer gerechten Welt sind spätestens mit dem Fall des Sozialismus selbst bei Sozialisten an der Biegung des Flusses begraben worden.

Sind es Christen, die an eine gerechtere Welt glauben? Christen haben dem Glauben an diese Welt spätestens mit der Taufe oder der Wiedergeburt abgeschworen. Diese Welt muss zugrunde gehen, damit die neue perfekte Welt aus den apokalyptischen Trümmern der ersten Schöpfung auferstehen kann.

„Hier haben wir keine bleibende Stadt, die zukünftige suchen wir.“ Wer die Welt liebt, der sei verflucht. „Denn alles, was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und die Prahlerei in der Lebensweise, stammt nicht vom Vater, sondern stammt von der Welt.“ Also vom Teufel, der Teufel ist Herr der Welt. Der Glaube, diese Welt aus menschlicher Kraft gerecht zu machen, gehört zur Prahlerei des Hochmuts.

Schon hört man den Einwand des hermeneutisch versierten Theologen, dass die Bibel kein wortwörtlich zu verstehendes Rezeptbuch sei. Das erklärte uns schon Gaucks Bruder im Geiste, der EKD-Bischof Schneider. Über, unter und zwischen den Buchstaben müsse man den wahren Sinn der Schrift erkennen.

Wie kann man den wahren Sinn der Schrift erkennen, wenn die Schrift so undeutlich durch die Zähne raunt wie die Helden Richard Wagners ihr gestelztes Wirrdeutsch? Den Schriftsinn muss man erst im eigenen Ränzchen mitbringen, im Text ablegen und nach einiger Zeit dem Text wieder entnehmen, weil man inzwischen vergessen hat  oder haben soll , dass man den Sinn dort deponiert hatte. Ich deute heraus, was ich zuvor hineingedeutet habe. Das ist das Deutungsprinzip der theologischen Hermeneutik.

Gadamer, Schüler Heideggers, hat in seinem hermeneutischen Grundwerk „Wahrheit und Methode“ diese Prinzipien als Grundlagen der Deutungskunst herausgestellt. In Anlehnung an seinen verehrten Lehrer spricht er vom hermeneutischen Zirkel. Da kein Mensch ein leeres und hohles Fass ist, kommt er stets mit „Vorurteilen“ zum Text. Ein Vorurteil ist ein Urteil vor der wahren Urteilsbildung, ein unbegründetes oder schlecht begründetes Urteil, mit dem ich den Text verstehen will.
Was tun, wenn der Text meinem Vorurteil widerspricht? Muss ich, mit Hinweis auf die göttliche Unfehlbarkeit des Textes, mein Vorurteil verabschieden?

Für die Aufklärer war die Vernunft die oberste Instanz aller Beurteilungen. Unterzog ein Eleve seine mitgebrachten Vorurteile der Beurteilung durch seine Vernunft  die er sich in Auseinandersetzung mit der Vernunft anderer erarbeiten musste , und hielten seine Vorurteile der Bewertung nicht stand, musste er sich von seinen Vorurteilen verabschieden.
In welchem Maße er sich von seinen Vorurteilen verabschieden musste, hing davon ab, in welchem Maß vernünftige Rest-Anteile in jenen enthalten waren. War nichts Vernünftiges im Angebot, musste tabula rasa gemacht werden: alle unvernünftigen Vorurteile raus, vernünftige Urteile rein. Das betraf aber nur abstrakte Theorien.

Kein Mensch in seiner kompletten Persönlichkeit war ein Ausbund einer „bösen“ Unvernunft. Hier könnten wir die generelle Frage stellen, ob es Menschen geben kann, die nur in Unwahrheit leben können. Nein, solche Menschen kann es nicht geben, sonst könnten sie keine Minute leben. Irgendetwas müssen sie richtig sehen, sonst wären sie überlebensuntüchtig.
Wer Sokrates folgen will, muss ohnehin annehmen, dass kein Mensch ohne ursprüngliches Wissen um das Gute geboren wird. Auch wenn dieses Gute im Verlauf des Heranwachsens erst entfaltet und immer wieder überprüft werden muss  was der Sinn der philosophischen Hebammengespräche wäre.
Was ist das Gute? Die Fähigkeit, die Wahrheit zu erkennen. Was ist Wahrheit? Die Erkenntnis der Welt. Wer nichts von der Welt erkannt hätte nicht im bewussten, sondern im instinktiven Sinn  könnte keine Minute auf der Welt bestehen. Das totgeborene Baby war so krank erkenntnismäßig so unverträglich mit der Welt , dass es in der Welt nicht existieren konnte.

Wer überhaupt auf die Welt kommt und eine zeitlang hier existiert, hat genügend intuitive Wahrheitsfähigkeiten von der Natur als Überlebensration mitbekommen. Kranksein, Dahinsiechen und Sterben sind abnehmende Wahrheitsfähigkeiten des Menschen. Leben und Erkennen der Wahrheit sind eins. Im Tode gebe ich die Wahrheit des Lebenkönnens zurück und schrumpfe auf die bloße Wahrheit der chemischen Zusammensetzung meines Leibes, der in den Schoß der Erde zurückkehrt.

Alle Menschen sind sich gleich in der Wahrheit bloßen Überlebenkönnens. Diese Urwahrheit verbindet sie und macht sie zu Geschwistern der Natur. Überleben ist aber noch kein gutes Leben. Die Wahrheit des Überlebens muss durch kontinuierliche Wahrheitssuche zur Fähigkeit des guten Lebens fortgeführt werden.

Hier scheiden sich die Geister. Was der eine für gutes Leben hält, das ist dem anderen ein Gräuel. Naturreligionen haben selten unüberwindbare Probleme mit anderen Naturreligionen. In religiösen Fragen waren die Römer an Toleranz kaum zu überbieten und integrierten jede neue Religion, die sie kennen lernten, in das Pantheon ihrer eigenen Götter.
Erst der aufkommende christliche Glaube sagte kategorisch: No zu allen Religionen, die sich ihm nicht beugen wollten. Die Jünger Jesu erklärten der Welt, allen heidnischen Religionen und Philosophien den Kampf auf Leben und Tod. Erst im Bereich der Erlöserreligionen wurde die Brüderlichkeit der Menschen gekündigt. Wer nicht für Ihn war, war gegen Ihn. „Aber ihr glaubt nicht, denn ihr gehört nicht zu meinen Schafen“. Wer nicht zu den rechten Schafen gehörte, der war ewig verloren.

Der Dualismus von ewigem Tod und ewigem Leben hielt Einzug. Ab dieser Schwelle gibt es keine elementare Gemeinsamkeit der Kinder der Natur mehr. Der Vater der Auserwählten definiert sich als Schöpfer der Natur, ausgestattet mit der Allmacht, die Wahren von den Falschen für immer zu trennen.

An dieser Stelle muss sich jeder entscheiden. Folgt er der Perspektive des Glaubens, die das irdische Leben als vorläufiges, minderwertiges, sündiges, angst- und schreckenserfülltes, unglückliches Leben absolvieren muss, in der Hoffnung, im Drüben erst die wahre Erfüllung zu erleben oder folgt er der nüchternen Lehre, dass das Leben nur im Diesseits geführt werden muss? Alles darüber hinaus ist Flucht und Verrat an der Erde.

Diese Frage kann im irdischen Leben durch eigene Erfahrung nicht mehr entschieden werden. Hier trennt sich Glaube an die Erde vom Glauben an die Überwelt. Die Gläubigen erwarten die ultimative Antwort erst im Jenseits, die Ungläubigen wollen sich auf diese durch nichts begründete Aussicht auf ein Nirgendwo und Nirgendwann nicht verlassen und versuchen, ihr irdisches Leben so erfüllt wie möglich zu verbringen.

Haben die Ungläubigen recht, werden die Gläubigen durch eine illusionäre Hoffnung um das irdische Leben betrogen. Haben die Gläubigen recht, haben die Ungläubigen sich um eines kurzen irdischen Lebens willen um das Leben in ewiger Seligkeit betrogen.

Da Perspektiven des Ewigen nicht beweisbar sind, kann die irdische Perspektive gegen die überirdische nicht abgewogen werden. Jeder muss sich entscheiden, auf welchen Glauben er sein Leben stützen will. Insofern ist jeder Lebensentwurf ein Glauben. Er beruht auf Vorausnahme der Zukunft, die von niemandem bewiesen werden kann.

Das glücklichste Leben auf Erden ist unter der Perspektive der Ewigkeit Selbstbetrug. Ewige Seligkeit ist unter der Perspektive der Endlichkeit illusionäre Gaukelei. Die Wahrheit der Einen ist die Unwahrheit der Anderen. Entweder Oder, so lautet ein Buchtitel des oben genannten dänischen Philosophen Kierkegaard.

Seit dem Dualismus der Erlöserreligionen ist die ursprüngliche Einheit des Menschengeschlechts für immer zerstört. Für den Gläubigen ist der Ungläubige kein vollwertiger Mensch mehr, sondern ein teuflisches Wesen, das ihn ununterbrochen zum Unglauben und zu ewiger Pein verführen will. Ecce homo: nur der wahre Gläubige ist ein wahrer Mensch, alles andere sind fratzenhafte Missgestalten der Unterwelt.

Es gibt also zwei völlig unterschiedliche Arten Menschen, die sich der Schrift nähern. Die Gläubigen haben einen gläubigen Sinn und können die Bestätigung ihres mitgebrachten Sinns erwarten. Ihr religiöses Vorurteil darf hoffen, durch Lektüre der Schrift verstärkt zu werden. Gadamers hermeneutischer Zirkel wird hier voll bestätigt. Oder andersrum: die Deutungsgrundsätze Heideggers und Gadamers entlarven sich als Sprösslinge theologischer Schriftdeutung.

Ab Schleiermacher definierte sich der Zeitgeist als Geist der Herren, der identisch war mit dem Geist des Herrn. Der Geist der Zeiten wurde zum Medium der Offenbarung. Als die NS-Bewegung den Zeitgeist bestimmte, war ihr Ungeist die Offenbarung des Heiligen Geistes.
Dies war der Grund für Heidegger, sich der heiligen Zeitgeistbewegung anzuschließen. Es stimmt nicht, dass er sich von diesem Prinzip jemals gelöst hätte. Im Gegenteil, er hatte den Eindruck, dass die Nazis zu wenig radikal waren und seinen Tiefsinnigkeiten nicht folgen konnten. Als Holzköpfe erfüllten sie nicht die Erwartungen des hohen Denkers. Deshalb ging er auf Distanz.

Wenn Ungläubige sich der Schrift nähern, gerät ihr gesamtes heidnisches Vorverständnis unter das Schafott der Offenbarung. Entweder Oder. Entweder verneint der Gottlose sein gesamtes bisheriges Leben oder er gerät unter das Schafott des Jüngsten Gerichts. Hier gibt es keinen hermeneutischen Zirkel. Jedes ungläubige Vorurteil muss in toto entsorgt und zum Urteil im heiligen Geist werden. Unter dem Licht des Ewigen muss alles Irdische zu Nichts verdampfen. Das sind die beiden Deutungsprinzipien unter der Hoheit des heiligen Geistes.

Anders bei der Vernunft. Hier kann es kein Entweder-Oder geben. Jeder Mensch, selbst der Böseste, ist Mensch geblieben. Sein Böses kann aus dem Urgrund alles Guten durch potenziertes Irren und Fehlgehen und unter der Despotie schrecklicher Erfahrungen Schicht um Schicht rekonstruiert werden. Wer Hitler verstehen will, kann Hitler verstehen. Es gibt kein Böses, das sich dem Verständnis entzöge.

Nichts Menschliches und Unmenschliches ist dem fremd, der sich selbst vorbehaltlos erkennen will. Auch dem Verwerflichsten ist der Ursprung des Guten anzusehen, wenn man es nur sehen will. Stalin und Hitler wollten die Menschheit retten, das war der Rest des Guten. Ihre Methode der Rettung aber war der Fluch. Menschen kann man nicht retten, indem man sie ausradiert. Das ist der Kern jeder Erlösung durch Verfluchung der zu Erlösenden.
Überflüssig zu betonen, dass Verstehen nicht Verzeihen ist. Es ist die einzige Möglichkeit, das Böse zu bekämpfen. Nur, was wir verstanden haben, können wir vermeiden. Was wir als Teuflisches nur negativ anbeten und in den Rang eines Übermenschlichen „verklären“, dessen Gewalt haben wir nichts entgegenzusetzen und haben uns für unfähig erklärt, das Böse jemals zu überwinden. Wer in dogmatischer Weise an das Böse glaubt, macht sich schuldig am Fortbestand desselben.

Gauck glaubt nicht an kontinuierliches Lernen der Gattung. Darf er auch nicht, sonst würde er seine Erlöser für überflüssig erklären. Ein bisschen Verbesserung darf wohl sein, um christliche Menschenverachtung nicht in ihrer Abschreckung zu entblößen. Im Ganzen jedoch gibt’s keine Friedensutopie des Menschengeschlechts. Strengt euch an, Sünder. Doch glaubt nicht, dass ihr Nennenswertes leisten werdet. Das nennen die Psychologen Double Bind. (Bitte nicht unter Wiki nachschauen, sonst wird man schizophren.)

Die Autoritäten erwarten etwas von ihren Schützlingen, senden aber sogleich das Signal aus: glaubt bloß nicht, dass ihr unsere Imperative erfüllen könnt. Tut das, aber glaubt nicht, ihr könntet das tun. Das ist im Grunde die ganze Pädagogik und Politik des Westens. Werdet gerecht  doch glaubt nicht, dass ihr gerecht werden könnt. Werdet menschlich, doch glaubt nicht, dass ihr menschlich werden könnt.

Gauck: “Ich glaube allerdings nicht, dass die so unterschiedlichen Menschen und Gesellschaften sich auf das eine vollendete Gesellschaftsmodell einigen können. Entsprechende politische Visionen betrachte ich mit Skepsis. Aber dass wir das Bessere, das weniger Mangelhafte gestalten können, das weiß ich.“

Vielleicht ein bisschen, und nicht mal das  so klingt die politische Botschaft der Merkel & Gauck, die sich wundern, dass niemand mehr den großen Versprechungen glauben mag und demnächst den Gang an die Wahlurnen verweigern will. Wer mehr für möglich hält, als die Sündentheorie zulässt, verfällt dem Anathema der totalitären Vernunft. Wer eine Utopie für menschenmöglich hält, wird zum Faschisten des Perfekten erklärt. Dass nur gewalttätige Zwangsbeglückungen wie die christlichen Erlösungszwänge Archetypen des Totalitären sind, muss hartnäckig verleugnet werden. Man müsste sich nämlich fragen, ob man einem totalitären Glauben aufgesessen ist.

Wer der Lernfähigkeit des Menschen religiöse Grenzen setzt, will nicht zulassen, dass der Mensch sich entwickelt, wie er sich entwickeln könnte. Er weiß von vorneherein, dass der Mensch eine Bestie ist. Christen sind überzeugt, dass Menschen nur Menschen sind, wenn sie zu Kreuze gekrochen sind. Das Vertrauen der Gläubigen in ihren Gott beruht auf ihrem abgrundtiefen Misstrauen in den Menschen.

Gott oder Mensch an wen wollen wir glauben? Mit Verdammungsdrohungen schwächt der Gottesglaube den Glauben an die uneingeschränkte Entwicklungs- und Lernfähigkeit des Menschen. Gauck, Merkel und die gesamte christogene Politelite verurteilen den Menschen zur bankrottierenden Existenz, um den Glauben an ihren bankrottierenden Gott nicht zu verlieren. Ein Gott, der Menschenfeindschaft als Zeichen der Ergebenheit fordert, ist der Erzfeind aller Menschen.

Gauck ist ein Double-Bind-Präsident. Ein Pädagoge der Deutschen, der sie mit Bonbons in der Linken ködert und mit der Peitsche in der Rechten auf der Stufe unfähiger Kreaturen festhält.

Die technischen Fortschrittsfreunde der Moderne sind Vertreter amoralischer Stagnation und politischer Immobilität. Der Mensch ist etwas, was überwunden werden muss, könnten sie mit Nietzsche sagen. Allerdings mit dem Zusatz: ohne göttliche Intervention wird der Sündenkrüppel niemals überwunden. Was Gott nicht tut, bleibt ewig ungetan.

Gaucks unbequeme Wahrheiten sind jahrhundertealte Trivialitäten aus dogmatischen Fibeln des Religionsunterrichts.

Sollte BILD-Blome das Zepter beim SPIEGEL übernehmen, wird der letzte religionskritische Rest aus dem Erbe Rudolf Augsteins unter freundlicher Assistenz seines Sohnes den Hunden zum Fraß vorgeworfen werden.

(Letzte Meldung: Blome ist durchgefallen.)