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Montag, 22. Juli 2013 – Bluffdale

Hello, Freunde des Bluffens,

wie heißt der neue Mittelpunkt der Welt? Bluffdale im Mormonenland Utah. Dort errichtet die NSA das digitale Auge Gottes. In Bluffdale wird nicht geblufft. Der Name leitet sich ab von den „Bluffs“, den Klippen am Ufer des Jordan. Über den Jordan gehen, heißt laut Duden:

über den Jordan gehen (sterben; sein Leben bei etwas verlieren; in der religiösen Literatur besonders des Pietismus wurde der Übergang der Israeliten über den Fluss Jordan oft als Eintritt ins Himmelreich aufgefasst und damit zum Symbol des Sterbens; das den Israeliten versprochene Gelobte Land wird mit dem Himmelreich verglichen)“

Religion ist bei Amerikanern kein kollektives Unbewusstes, sakrale Erinnerungen und Symbole werden nicht verdrängt und fluten die Sprache der Erwählten, deren Motto lautet: In Gott vertrauen wir. Ihre Sprache ist die Sprache Kanaans, verpackt in Chiffern der Technik, Wirtschaft und Macht.

Bluffdale liegt in der Wüste. Die neuen Herren wissen, dass Gottes Regiment durch die Wüste ins Paradies führt, „Denn der Herr hat Erbarmen mit Amerika-Zion, hat Erbarmen mit all ihren Trümmern in Irak und Afghanistan, ihre Wüste macht er zum Paradies.“

Bluffdale hat kein Wasser. Das wenige Wasser brauchen die Einwohner des verlassenen Nests, das bald zum Nabel der Welt geworden sein wird. Was kann aus Betlehem-Bluffdale Gutes kommen, konnte man bislang spotten? Der Spott ist verstummt. Wassermassen zur Kühlung der gigantesquen SPÄH-Maschinen werden über Rohrleitungen von weit her geleitet. Die Wüste ist der bevorzugte Ort Gottes,

  um Wunder zu wirken, die in der Öde am wunderbarsten und verblüffendsten wirken.

In Bluffdale werden die USA übern Jordan gehen. Als Weltmacht Nummer eins siechen sie dahin, um in der Wüste aufzuerstehen und das verheißene Gelobte Land als Himmelreich auf Erden zu errichten. Es wird Zeit, dass aus dem Glauben Schauen wird.

Bis jetzt sahen wir Gods own Country nur mittels eines Spiegels in verrätselter Gestalt. Bald aber werden wir Bluffdale von Angesicht zu Angesicht schauen. Wenigstens die Gebäude werden sichtbar sein. Ins Innere des göttlichen Auges dringt kein Sterblicher.

Gottes Auge ist Materie geworden, und wohnte unter uns und sieht uns, wie wir sind. Verstecken und Verstellen geht nicht mehr. Das System Unbewusstes ist überwunden. Die Menschen sind erkannt bis in die Eingeweide, bis in die Tiefen ihrer Seele. „Abgründig ist das Herz über alles und heillos ist es, wer kann es ergründen? Ich, der Herr, erforsche das Herz und prüfe die Nieren, einem jeden zu vergelten nach seinem Wandel, nach der Frucht einer Taten.“ Freud ist Vergangenheit, das Unbewusste ist kein Rätsel mehr.

Prism“ ist nur der Auftakt: Das Sammeln großer Datenmengen erlaubt Algorithmen, jede Person zu klassifizieren, ihr Verhalten vorauszuberechnen und auf Basis spieltheoretischer Modelle schlimmstenfalls sogar zu steuern.“ So Yvonne Hofstetter in der FAZ.

Klassifizieren, vorausberechnen und steuern kann man Roboter, Marionetten oder Gottes Knechte und Mägde. Schon lange sprach man vom Ende des Neocalvinismus in Amerika. Doch die Epoche Calvins beginnt erst in Amerika – transponiert aus Jenseitigem ins Irdische, Praktische und Politische. Der Mensch ist kein Rätsel mehr, er kann sich nicht mehr verstecken. „Denn ich bin mir nichts bewusst, aber darum bin ich nicht gerecht gesprochen.“

Das war erst der erste Schritt. Der zweite wird sein, daß es keine Berufung mehr auf Unbewusstes geben kann. Alles wird Gottes Auge aufdecken: „Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsches Zeugnis, Lästerung“, die ganze Bandbreite des gebrochenen Dekalogs. „Und es wurden Bücher geöffnet; und die Toten wurden gerichtet, jeder nach seinen Werken. Und das Meer gab seine Toten wieder und der Tod und das Totenreich gaben ihre Toten wieder und sie wurden gerichtet, jeder nach seinen Werken. Und wenn jemand nicht im Buch des Lebens aufgezeichnet wurde, so wurde er in den Feuerofen geworfen.“

Mit säkularen Worten: wer in Bluffdale keine Spuren hinterlassen hat, macht sich verdächtig, der hat was zu verbergen und muss eliminiert werden. Im Zeitalter der Chips werden keine Chips mehr aufgetan, sondern die Nachfolger der Bücher, die allwissenden Algorithmen. Warum werden mathematische Spürhunde in Deutschland so bewundert und idolisiert? Weil sie Bücher des Jüngsten Gerichts schreiben, umgerechnet in Zahlen und Ziffern.

In Bluffdale transzendiert die Heilsgeschichte des Westens und vereinigt die Erde mit dem Reich Gottes, in dem die Amerikaner die Lieblinge Gottes sind. Warum sind religiöse Völker oft so erfolgreich? Durch ihre „Beschäftigung mit dem Jenseits“ fanden sie „das große Geheimnis des Gelingens im Diesseits“ (Tocqueville).

Ein Bericht über Bluffdale in der ZEIT von Hanno Rauterberg.

Die USA machen momentan einen Quantensprung, einen Sprung über die Klippen des Jordans, um zu sterben, wenn der Sprung ins Nichts führt oder um den Tod zu überwinden und aufzuerstehen als das Neue Kanaan. Daran muss nicht länger geglaubt werden, denn alles wird offen zu Tage liegen. Das Finale der Geschichte beginnt und Amerika fängt zu archivieren an, um jedem Sündenkrüppel außerhalb Amerikas sein Sündenregister zu erstellen.

Ein Entkommen gibt es nicht. „Meine Seele kanntest du wohl, mein Gebein war dir nicht verborgen. Deine Augen sahen alle meine Tage, in deinem Buch standen sie alle; sie wurden geschrieben, wurden gebildet, als ich es noch nicht bemerkte. Oh, Bluffdale, Du erforschest mich unsichtbar und unhörbar. Erforsche mich, Bluffdale, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne meine Gedanken. Wohin soll ich gehen vor deinem Spähen und wohin soll ich fliehen vor deinen Wanzen und Mikrofonen? Stiege ich hinauf in den Himmel, so wärest du da, schlüge ich mein Lager in der New Yorker Unterwelt auf, so wärst du auch da.“

Die Nachkriegsgeschichte ist perdu. Amerikas Vorbilddemokratie lässt die Hüllen fallen und besinnt sich aufs Wesentliche, auf die Botschaft ihres Schöpfers, dessen demokratische Geschenke Freiheit, Selbstbestimmung und geschützte Individualsphäre sie dankend an den Geber zurückgibt. Vielen Dank, oh Himmel. Waren ganz nette Erfahrungen. Brauchen wir nicht mehr.

Die Gottlosen benutzen Freiheit, um Dir Lebewohl zu sagen, die Andersgläubigen missbrauchen dein Geschenk, um mit Allah gegen Dich anzutreten. Mach dem ganzen Spuk ein End. Gib uns die Möglichkeit, in Deinem Auftrag Remedur zu machen. Zu Land, zu Wasser und in der Luft.

Niemand soll sich bei seinem höllischen Treiben sicher sein. Weder in Pakistan, noch im Jemen oder in den Bora-Bora-Höhlen, auch nicht bei unseren so genannten Verbündeten, die mit der Zunge Süßholz raspeln, im Innern aber gottlose Naturanbeter und pazifistische Memmen sind.

Besonders die Neugermanen sind hinterhältige Scheinchristen und verdienen, dass man ihnen eine Lektion erteilt. Haben wir sie nicht vom Bösen gerettet? Und wie danken sie es uns? Mit unverschämter wirtschaftlicher Konkurrenz, großen Sprüchen und nichts dahinter.

Amerika hat keine Freunde, wir müssen uns, wie in unseren Anfängen, wieder auf uns selbst besinnen. Nur der angelsächsischen Völkerfamilie können wir noch trauen. Wie lange noch? Am Ende stehen wir allein vor Dir, von der ganzen Welt verlassen, verspottet und verhöhnt wie unser Herr am Kreuz. Doch wer zuletzt lacht, lacht am besten. Wir werden‘s ihnen allen zeigen.

Amerika zieht sich zurück, doch ohne die Welt aus den Klauen zu lassen. Jede Nation ist sich selbst die Nächste, die Zeiten werden hart. O Rechtgläubige, zieht euch warm an. Die Nachkriegszeit mit friedlichen Menschheitsträumen ist vorbei. Es gibt keine vereinigte Menschheit, es gibt nur noch „jede Nation gegen jede“ – und die Besten und Erwählten werden obsiegen.

Die UN war eine Nachkriegsillusion. Die Völker verbinden sich, um uns an die Leine zu legen. Sie neiden uns den Wohlstand wie einst die älteren Söhne des Jakob den kleinen Josef ob seiner Erwähltheit beneideten. Alle Heidenvölker beneiden unseren Reichtum, Macht und Einfluss in der Welt. Sie werden sich die Zähne an uns ausbeißen.

Ein Blinder, wer die Moderne ein säkulares Zeitalter nannte. Auf subjektive Glaubensbekenntnisse kommt es nicht, sondern dass die Geschichte von Gottes Prophezeiungen determiniert wird. Sie wird von ihnen determiniert. Der christliche Westen erkühnt sich, das Rätsel der ablaufenden Zeit zu kennen. Irdische Zeit ist das Gefäß heiliger Verheißungen und Erfüllungen – die nach vielen Enttäuschungen jetzt in die Zielkurve einbiegt.

Im Sieg der Kinder Gottes liegt der Sinn der Geschichte. Das sind keine Neuigkeiten. Neu ist, dass die Verheißungen jetzt realpolitische Erfüllungen werden sollen. Die Geduld der Endzeiterwarter ist erschöpft. Ihre eschatologischen Fieberträume beginnen Realität zu werden.

Vor mehr als 100 Jahren beschrieb der deutsch-amerikanische Theologe Philip Schaff die chiliastischen Erwartungen der Amerikaner als „verworrenes Chaos“, aus dem eine „neue Schöpfung“ hervorgehen werde. Göttliche Genies beginnen die neue Schöpfung in Silicon Valley zu schaffen. Sie schaffen Ebenbilder der Menschen in Form denkender Maschinen, wie einst Gott sie als Roboter seines Heiligen Willens schuf. Die nächste Generation menschen- und gottähnlicher Wesen steht vor der Tür. Und Bluffdale setzt die geistbegabten Maschinen ein, um alle, die nicht an die Gottähnlichkeit der Amerikaner glauben, deren Allmacht per Chips und Drohnen einzubrennen.

Wie ein amerikanischer Theologe sagte: „Es ist noch nicht erschienen, wer wir sein werden.“ ( Neues Testament > 1. Johannes 3,2 / http://www.way2god.org/de/bibel/1_johannes/3/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/1_johannes/3/“>1.Joh. 3,2) Doch jetzt muss es erscheinen. Die Epoche der verborgenen Messianität ist vorüber. Auch der Erlöser brauchte seine apokryphe Zeit, bevor er sich der Welt preisgab: „Was ich euch im Dunklen sage, das saget im Licht, und was ihr ins Ohr hört, das prediget auf den Dächern.“ Diese Losung galt besonders für die erste Epoche der amerikanischen Geschichte, die selbstgewählte Isolierung.

Ganz langsam musste der neue Koloss sich in der Weltgeschichte orientieren, bis er über verschiedene Phasen nationaler Muskelbetätigung zum Retter der Welt wurde, indem er die deutsche Pestbeule ausräumte. Dann waren erstmal Völkerverständigung und humanistisches Gutmenschengeplauder angesagt: die UN-Charta, die Demokratisierung der Völker gegen das sowjetische Reich des Bösen.

Doch die Einreihung in die Gemeinde der Völker konnte nicht lange gut gehen. Das Gleichheitsprinzip war nur eine auferlegte Demutspose. Das Selektionsprinzip unter der Decke hielt nicht länger still und wurde wieder dominant. Spätestens mit Ronald Reagan verabschiedete sich die Solidarität mit den Völkern und begann die neoliberale Wurfschaufel, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Die erste Generation der Masters of Universe begann per Glücksspiel an der Wallstreet, dem Rest der Welt die Gesetze des Geldes ins Fleisch zu brennen. Die zweite Generation in Silicon Valley ist dabei, die Dominanz des Geldes mit der des panoptischen Observierens zu komplettieren. Wallstreet und Silicon Valley sind wie komplementäre Zwillinge. Was der eine nicht kann, kann der andere.

In Europa werden die Signale der selbstkritischen Amerikaner nicht gehört. Man will sie nicht hören. Dass der Große Bruder aus Schwäche ins Unermessliche wächst, ertragen die hiesigen Freunde Amerikas nicht. In den Augen Jimmy Carters ist sein Land nicht mehr demokratisch. „Amerika hat derzeit keine funktionierende Demokratie“, sagt Jimmy Carter – und verteidigt die Enthüllungen von Edward Snowden.“ So seine Aussagen in der SZ.

Auch Daniel Ellsberg und viele andere erkennen ihre vorbildliche Demokratie nicht mehr. Gleichzeitig ramponiert Putin das russische Reich zu einer Putinokratie und China ist ohnehin noch nie eine funktionierende Volksherrschaft gewesen.

Auch hier scheint Orwells Phantasie hellsichtig gewesen zu sein. Bei ihm ist die Welt in drei verfeindete Machtblöcke aufgeteilt: Ozeanien, Eurasien und Ostasien. Den Proles wird vorgegaukelt, dass jeder Block mit jedem im Clinch liegt, gelegentlich fallen Raketen und Bomben auf die Wohngebiete der Proles, damit sie sich an den permanenten Krieg gewöhnen und sich alle Schikanen gefallen lassen.

Nicht der Kampf gegen den Terrorismus ist das Objekt der Begierde der NSA das sind belanglose Bartträger mit Kalaschnikows , sondern der bevorstehende Kampf gegen die beiden anderen Blöcke. Der Kampf gegen die Terroristen ist nur martialisches Probehandeln in maßlos übertreibenden Furcht- und Schreckeninszenierungen.

Allmählich bemerken die drei Großkonzerne der Welt, wie nützlich ausländische Gegner sind, um subversive Inländer zu disziplinieren. Gleichtickende Eliten in allen drei Blöcken beginnen, sich die Einflusssphären aufzuteilen. In Russland werden bereits Tote vor Gericht gezogen, um Putins Willen zu exekutieren. Nicht mal der Sarg kann den neuen Zaren davon abhalten, zu richten die Lebendigen und die Toten.

Die Chinesen werden ihr eigenes Überwachungszentrum schon begonnen haben, um Bluffgade zu relativieren. Wer sich noch nicht unmisverständlich den drei Kolossen eingemeindet hat, muss sich Scharmützel um Ressourcen gefallen lassen, bis er die rechte Fahne hebt.

Amerika zerfällt in seine unvereinbaren Mythen. Der Mythos Religion ist unvereinbar mit dem Mythos Demokratie. Die beiden Bestandteile lösen sich voneinander, wie ein transplantiertes Organ sich vom neuen Körper löst, mit dem es unvereinbar war.

Was sind die Mythen der USA? Fragte die TAZ und erhielt vom holländischen Journalisten Geert Mak die ausgezeichnete Antwort:

„Da ist die Fiktion von Amerika als dem neuen Israel, God’s Blessed Country, das beste Land der Welt, mit diesem religiös-messianischen Impetus. Gleichzeitig die aufklärerische Tradition, der Glaube, alles sei machbar und nur eine Frage der technischen Umsetzung. Dass man wirklich glaubt, man könne innerhalb von zwei Jahren im Irak eine funktionierende Demokratie errichten. Und sich immer noch für den einsamen Fackelträger von Demokratie und Gerechtigkeit hält.“ (TAZ-Interview von Eva Berger)

Wenn Gott Herr der Geschichte ist, ist der Mensch unfähig, sie zu machen. Könnte der Mensch alles nach Belieben machen, wäre Gott überflüssig. Beide Prinzipien sind inkompatibel.

Es stimmt, dass viele Aufklärer im Bann ihrer noch nicht überwundenen heilsgeschichlichen Erwartungen alles für machbar hielten. Für andere Aufklärer war das Machbare nicht das Technische, sondern das Moralisch-Politische. Für Kant war das Machbare in weit entfernter Zukunft der Traum vom Ewigen Frieden. Von technischer Perfektion war bei ihm nichts zu spüren.

Die ambivalente Aufklärung muss sich zur Klarheit fortentwickeln. Machbar ist für den rationalen Menschen der Friede auf Erden nur, wenn alle Menschen ihre Friedensfähigkeit in einem langen Prozess erlernen dürfen. Solange sie mit dem Selbsthass indoktriniert werden, sie seien Moralbankrotteure und sollten Gott und seinen Werkzeugen alles überlassen, werden sie ihren Glauben in selbsterfüllender Prophezeiung vollbringen.

Amerika, dies „seltsame Land mit der Seele einer Kirche“ (G.K.Chesterton) ist dabei, die Welt unter die digitalen Kommandos ihrer kirchlichen Seele zu nehmen.