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Montag, 10. Juni 2013 – Deutsche und Juden

Hello, Freunde der Wahrheit,

wer brisante Akten über kriminelle Akte des eigenen Staatswesens veröffentlicht, muss ins Gefängnis. Möglicherweise droht ihm Todesstrafe, wenn sich die Anklage vor dem Militärgericht durchsetzt, dass der Enthüller ein Verräter seines Landes sei und dem Feind diene. So geschehen in den USA.

Kritiker repressiver Staaten sind Agenten des Auslandes, Marodeure und Vandalen. So geschehen in Russland und jetzt in der Türkei. Wahrheit wird entweder geleugnet oder als Landesverrat denunziert.

Nach Whistleblower Manning nun Eduard Snowden, der „Prism“, das universellste Spähprogramm aller Zeiten, an die Öffentlichkeit brachte. „Die NSA hat eine Infrastruktur aufgebaut, die ihr erlaubt, fast alles abzufangen.“ Damit werde der Großteil der menschlichen Kommunikation automatisch aufgesaugt. „Ich will nicht in einer Welt leben, in der alles was ich mache und sage aufgenommen wird“, sagte Snowden, der inzwischen nach Hongkong geflohen ist und hofft, nicht ausgeliefert zu werden. Seine Familie werde er vermutlich nie mehr wieder sehen. (DER SPIEGEL)

Bei Putin und Erdogan wundert sich niemand, wenn sie ihre Kritiker denunzieren und verbieten wollen. Das biblizistische Land Amerika scheint der Devise zu folgen: von der Wahrheit müsst ihr euch frei machen.

 

Die Demonstranten im Istanbuler Gezi-Park wollen eine neue Türkei. Der größte Teil der Besetzerinnen gehören zum säkularen Teil der Gesellschaft, dennoch sind auch Kopftücher in der Menge zu erkennen. „Der Platz quillt über vor kreativen Aktionen. Plakate, Tänze, Filme, wohin man schaut. In einem ausgebrannten Bus

haben einige Leute eine Bibliothek eingerichtet. Es scheint, als habe sich die gesamte unterdrückte Kreativkultur im Gezi-Park eingefunden.“ (Jürgen Gottschlich in der TAZ)

Die rebellische junge Türkei ist in Europa angekommen – das immer mehr seine demokratischen Grundsätze auf dem Altar des Geldes opfert.

 

Weil er den Islam als religiösen Faschismus bezeichnete, wird der Publizist Abdel-Samad mit dem Tode bedroht. Im ägyptischen Fernsehen wird offen dazu aufgerufen, den in Deutschland lebenden Ex-Ägypter zu ermorden.

In einem SPIEGEL-Interview sagte er: „Es geht speziell um meine Ausführungen in dem Vortrag dazu, dass sich der religiöse Faschismus im Islam nicht erst mit dem Aufstieg der Muslim-Brüderschaft ausgebreitet hat. Meiner Meinung nach ist er im Islam selbst begründet, nämlich als der Prophet Mohammed den Islam als Monokultur durchsetzte.“

Es ist ein Freund und Verbündeter von Präsident Mursi, der zum Mord aufgerufen hat. (Hannah Pilarczyk im SPIEGEL)

 

Die überwiegende Mehrheit der monotheistischen Gläubigen hat die Totschlagerlaubnismoral ihrer Erlöserreligion überwunden. Menschenrechte und Demokratie sind für sie kein leerer Wahn. Dennoch lösen sie sich nicht von den unheilvollen Dogmen ihres verordneten Kindheitsglaubens und gründen ihre mühsam erworbene Humanität auf dem Boden ihrer heiligen Schriften, die sie in gewundenen und gekünstelten Deutungen ihrer menschenfreundlichen Denkweise anpassen.

Sie projizieren ihr überlegenes Ethos in den vergifteten Humus der faschistischen Exklusivdogmen – und sind froh, sich auf Worte der Propheten, des Gottes und der Söhne Gottes berufen zu können. Das ist Selbstüberlistung verlorener Söhne, die dem verseuchten Ursprung längst entfremdet sind, aber nicht die Kraft aufbringen, auf die Rückkehr zum despotischen Vater zu verzichten, der seinen verlorenen Sohn nur deshalb liebt und seine Rückkehr feiert, weil jener zu Kreuze gekrochen ist.

Alle drei Erlöserreligionen sind totalitäre Intoleranzen und die Hauptquellen der europäischen Faschismen, die den Eindruck erwecken, sie hätten ihre unmenschlichen Seiten längst abgestoßen. Davon kann keine Rede sein, solange die Gläubigen sich der bedingungslosen Autorität ihrer Offenbarungstexte unterordnen.

Die Unvereinbarkeit von Vernunft und Glauben zeigt sich an der Unfähigkeit der Frommen, das heilige Wort mit Verstand zu lesen und zu beurteilen. Was ihnen an den Texten nicht gefällt, wird verdrängt, verleugnet, verharmlost oder verfälscht. Alles unter dem Vorzeichen geistbegabter Deutung, die der romantische Theologe Schleiermacher jedem Gläubigen frei gab. Wer im neuen Geist wandele und wiedergeboren sei, könne seine eigene heilige Schrift schreiben. Auf die Bibel sei er nicht mehr angewiesen.

Seitdem schreibt jeder Christ, Moslem und Jude seine eigene Schrift – die er der alten überstülpt und als traditionelle ausgibt. Sie müssen sich noch immer als Gehorsame ihrer göttlichen Schrift ausgeben, obgleich sie weltenweit von ihnen entfernt sind.

Es gibt zwei Möglichkeiten, sich der Brisanz der Bibel zu entledigen. Man kann sie als gefährlichstes Buch der Weltgeschichte bezeichnen und sie allen Schäfchen unter Androhung von Höllenstrafen verbieten: so der Vatikan im Mittelalter. Oder man kann sie zur beliebigen hermeneutischen Verfälschung freigeben, sodass die Kirche zwar im Zweifel noch immer das Deutungsmonopol innehat, dennoch jeder das Gefühl frei schwebender Erleuchtung entwickeln kann.

 

Auch in Israel ist es möglich, öffentlich zur Ermordung kritischer Bürger aufzurufen, was Peter Beinart in seinem neuen Buch „Die amerikanischen Juden und Israel“ berichtet:

Baruch Marsel, einer der Führer der rechtsextremen Hasit Jehudit Leumit (Jüdische Nationale Front) rief bei einer Wahlkampfveranstaltung zur „gezielten Tötung von Uri Avnery und seinen linken Gefolgsleuten“ auf. (Uri Avnery ist in deutschen Medien eine Unperson, er wird öffentlich totgeschwiegen und wird von deutschen Juden als jüdischer Selbsthasser disqualifiziert.) Zeev Sternhell, international bekannter Faschismusforscher, Holocaustüberlebender, wurde vor seinem Haus mit einer Rohrbombe verletzt. Die Friedensgruppe Schalom Achschwach (Frieden jetzt) könnte nach jüdischem Recht mit dem Tode bestraft werden, erklärte ein prominenter Rabbiner. Baruch Goldstein ermordete vor Jahren in Hebron 29 Palästinenser. Nach Meinung von Dov Lior, dem Leiter des Rabbinerrats für das Westjordanland, sei er „heiliger als alle Märtyrer des Holocausts“.

Im Westjordanland gilt das Verbot der Gewaltanwendung zur Lösung politischer Konflikte kaum noch. „Angriffe von Siedlern auf Palästinenser in den besetzten Gebieten sind alltäglich geworden“, berichtet die israelische Menschenrechtsgruppe B’Tselem. Einige militante Siedler wenden sogar systematisch Gewalt an und bezeichnen diese Vorgehensweise als „Preisschildpolitik“. Jedes Mal, wenn die israelische Regierung versucht, das Wachstum der Siedlungen zu beschränken, verwüsten sie palästinensische Häuser, brennen palästinensische Häuser ab oder verprügeln Palästinenser. Jede Maßnahme zur Durchsetzung des Gesetzes wird mit einem kleinen Pogrom beantwortet.

„In der Praxis“, kommentiert die israelische Zeitung HAARETZ, „regiert nicht das Gesetz. Die Siedler sind der Souverän“. Avigdor Lieberman, einer der mächtigsten Politiker neben Netanjahu, hatte in seiner Jugend der Kach-Partei von Meir Kahane angehört, die eine Ausweisung aller arabischen Israelis und ein Verbot sexueller Beziehungen zwischen Arabern und Juden forderte.

Der ehemalige Wohnungsbauminister Ariel Attas von der ultraorthodoxen Schas-Partei bezeichnete es 2009 als „nationale Pflicht, das Wachstum einer Bevölkerung zu verhindern, die den Staat Israel, um es zurückhaltend auszudrücken“, nicht liebt.

Die Taten und Worte dieser faschistoiden Ultras sind in Deutschland kaum bekannt. Die Kritiker dieser menschenfeindlichen Elemente werde hierzulande zu Unpersonen erklärt. Wer Israel kritisiert, wird noch immer als Antisemit angegriffen. Die mächtigen „Freunde Israels“ wie die deutsche Regierung oder der Springer-Verlag, sind längst zu „philosemitischen“ Handlangern der araberfeindlichen Regierung in Jerusalem und der immer mächtiger werdenden Ultra-Gruppen geworden.

Wer nicht die Binnen-Kritiker des Staates Israel unterstützt, ist ein Feind der jungen Demokratie, die sich selbst mehr schadet und bedroht, als sie angeblich von äußeren Feinden bedroht wird.

Vor Jahren gab es in Fragebögen zur empirischen Erforschung des Antisemitismus die Frage, ob Israel mächtiger sei als es dem kleinen Staat zustehe. Wer mit Ja antwortete, kassierte einen weiteren Antisemitismus-Punkt.

Heute gibt es keinen ernstzunehmenden Juden in der ganzen Welt, der noch leugnete, wie stark die Macht der Juden in der Welt sei. Nur in Deutschland muss das unbestreitbare Faktum mit den „Protokollen der Weisen von Zion“ geleugnet werden. Peter Beinart:

„Im privaten Bereich machen die amerikanischen Juden keinen Hehl aus ihrer Freude über diesen neuen Einfluss. In der Öffentlichkeit hingegen sprechen sie nur ungern darüber, denn sie wollen keine antisemitischen Mythen heraufbeschwören. Da wir Juden kaum über unsere neue Macht sprechen, wird uns nicht bewusst, dass diese Macht auch missbraucht werden kann. Stattdessen reden wir uns ein, wir seien weiterhin die Opfer der Geschichte, die eigentlich nur eine Pflicht haben, das Überleben ihres Volkes zu sichern“.

Die Juden in Amerika würden mehr Geld für Gedenkstätten ausgeben als für Schulen, wo jüdische Kinder lernen könnten, „informiert und engagiert ein jüdisches Leben zu führen, indem sie Nichtjuden, die unter jüdischer Herrschaft leben, gerecht behandeln. Die maßgeblichen jüdischen Organisationen befassen sich kaum mit dem Unrecht, das Israel begeht, indem es ein Gebiet besetzt hält, auf dem nur Juden, nicht jedoch Nichtjuden Bürgerrechte genießen.“

Die maßgeblichen Organisationen der amerikanischen Juden neigen dazu, jegliche Kritik an Israel mit einem tief verwurzelten Hass auf die Juden zu erklären und ignorieren, dass der jüdische Staat selbst ebenfalls zu seiner wachsenden Isolation beiträgt. Die deutschen Juden machen denselben verhängnisvollen Fehler wie ihre amerikanischen Religionsbrüder.

Was ist das Fazit Beinarts, das hierzulande niemand hören will?

„Die amerikanischen Juden brauchen ein neues jüdisches Selbstverständnis, das auf der Tatsache aufbaut, dass wir nicht die ewigen Opfer der Geschichte sind. Viele Herausforderungen, denen das Judentum sich heute stellen muss, entspringen nicht seiner Schwäche, sondern seiner Stärke. Dass Israel heute mächtig ist, bedeutet nicht, dass es keinen Bedrohungen von außen ausgesetzt ist. Aber es bedeutet, dass Israel mehr zu diesen Bedrohungen beiträgt, als führende amerikanisch-jüdische Organisationen zugeben. An die Stelle der jüdischen Ohnmacht ist die jüdische Macht getreten. Legt man historische Maßstäbe an, so hat sich diese gewaltige Verschiebung in kürzester Zeit vollzogen. Der Wandel des Selbstverständnisses hat mit dieser rasanten Veränderung nicht Schritt gehalten.“

Bislang müsste man bemerken, so Beinart, dass der heutige Zionismus die Prüfung des Umgangs mit der Macht nicht bestehen würde. Die amerikanischen Juden müssten helfen, „die Besatzung der Palästinensergebiete zu beenden, die die Ideale der israelischen Staatsgründer entweiht.“

Der Staat Israel müsse dem Geist Hillels – eines jüdischen Rabbiners aus der Zeit Jesu, der Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit predigte – treu sein und dürfe anderen nicht zufügen, was Juden selbst verabscheuten. Israel dürfe auf keinen Fall in seinem Kurs fortfahren, ein rassistischer Staat zu werden, in dem alle Nichtjuden als unterwertige Wesen behandelt werden.

„Entweder es wird kein jüdischer Staat mehr sein, oder es wird keine Demokratie mehr sein. Gegenwärtig ist Israel auf dem besten Weg, an der zweiten Aufgabe zu scheitern. Und die amerikanischen Juden leisten ihren Beitrag zu diesem Scheitern.“

Schon Herzl habe den künftigen Konflikt zwischen demokratischen und religiösen Kräften in seinem Buch „Altneuland“ vorausgesehen. Obgleich die Väter des Zionismus im 19. Jahrhundert von der europäischen Aufklärung enttäuscht waren, hätten sie den Glauben an die Ideale der Aufklärung nie verloren. Angewidert vom rassistischen Nationalismus der Buren schrieb Herzl in sein Tagebuch: „Wir wollen keinen Buren-Staat, sondern ein Venedig.“ Venedig galt damals als vorbildlicher demokratischer Städtestaat.

Bis zum 6-Tage-Krieg hätte sich der junge Staat Israel verheißungsvoll entwickelt. Doch ab dem grandiosen Krieg sei die Nation an der neu gewonnenen Macht gescheitert. „Im Kampf für den von unnachgiebigen Feinden umringten jüdischen Staat wurden die liberalen Ideale der Gründerväter mit Füßen getreten.“

Beinart wehrt sich auch gegen jene, die die ganze demokratische Potenz des Staates in Frage stellen würden. Man könne im Land aufs schärfste die Regierung kritisieren und würde dafür „nur selten ins Gefängnis gehen.“ Doch der jetzige Zustand verschlimmere nur die innere Substanz und die Sicherheit des Staates. „Der Zionismus der Freiheit und der Demokratie muss auch das Streben der Palästinenser nach ihrem eigenen Staat unterstützen. Die Gründer Israels bekannten sich im Mai 1948 zum Ziel, einen jüdischen Staat ins Leben zu rufen, der „all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse oder Geschlecht soziale und politische Gleichberechtigung“ versprach“. Momentan sei der Staat dabei, den Traum des liberalen Zionismus zu zerstören.

Wie ist in Deutschland derweilen die Stimmung, was Juden betrifft? Georg Diez schrieb vor kurzem im SPIEGEL, dass heute bei uns „kein Interesse an jüdischen Themen“ bestünde. Ein typisches Szenario, das er selbst erlebte:

„Und wie das so geht, saß ich just in dieser Woche mit einem Freund beim Tee, der Musiker ist und irgendwie auch Jude, und er erzählte mir von den Aufnahmen, die er gerade gemacht hat, und von den Stücken, die er gerade spielt, und irgendwann erzählte er von einem Abendessen im gepflegten, bürgerlichen Umfeld, es ging dabei um den ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“, er wurde immer stiller und stiller, mein Freund, weil er sich immer fremder und ungebetener fühlte, und irgendwann wurde natürlich diese laute, diese sehr laute Stille bemerkt, und einer der Anwesenden stellte ganz kühl fest: „Ihr habt ja jetzt zum Glück nicht mehr die Deutungshoheit über unsere Geschichte.“ (Georg Diez im SPIEGEL)

Warum auch sollte man ausgerechnet immer Israel kritisieren, wenn es doch so viel schlimmere Staaten in der ganzen Welt gibt? Vielleicht deshalb, weil Deutschland sich einem freundschaftlich verbundenen Staat, einem Staat seiner Opfer, besonders verpflichtet fühlen sollte? Hier ein standardisierter Kommentar zur obligaten philosemitischen Leisetreterei, die hierzulande zur Staatsraison geworden ist, von Karl-Heinz Karisch in der BLZ.

Die Deutschen sind erneut dabei, die Juden in versteckter Häme und Schadenfreude ihrem Schicksal zu überlassen, indem sie die kritischen Strömungen im heiligen Land in pervertierter Vorbildlichkeit ignorieren. Eine Vorbildlichkeit, die sich hoher Ziele brüstet und nicht sieht, dass sie längst ins Gegenteil umgekippt ist.

Sie haben Besseres zu tun, als Freunden solidarisch ins Gewissen zu reden. Sie haben alle Hände voll zu tun, sich die Deutungshoheit über ihre arische Geschichte von den mächtigen, hochintelligenten und raffinierten Opfern zurückzuerobern.