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Mittwoch, 31. Juli 2013 – SPD und die Kirchen

Hello, Freunde der Armen,

die SPD liebt keine Armen, sie will aufsteigen zu den Reichen, um auf die Armen zu spucken. Das Neue Testament liebt auch keine Armen. Es gibt Ähnlichkeiten zwischen den beiden Aufsteigerbewegungen. Vor kurzem war die SPD die Partei mit der größten Pfarrer-Quote. Eppler, Pietcong von der Schwäbischen Alb, ließ sich von Schröder hofieren, um die Degradierung der SPD-Klientel zu jederzeit bestrafbaren, residenzpflichtigen Brosamenempfängern abzusegnen. Residenzpflicht? Noch nie gehört? Aber Beethovens Fünfte kennen Sie auswendig, stimmt‘s?

„Die bundesdeutsche Erreichsbarkeitsverordnung (EAO) sieht vor, dass jeder und jede, die erwerbslos ist und Arbeitslosengeld II bezieht, sich an Werktagen grundsätzlich „innerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches seiner Wohnung aufhalten und jeden Tag nach der Post sehen muss“. So steht es in der sogenannten Erreichsbarkeitsverordnung. Auch wer ehrenamtlich, also unentgeldlich arbeiten möchte, oder an politischen, gewerkschaftlichen oder kirchlichen Veranstaltungen teilnehmen möchte, darf dies nicht ohne Erlaubnis der Arbeitsagentur tun. Wer sich nicht daran hält, wird mit einer Kürzung von zehn Prozent des Arbeitslosengeld II bedroht.“

Wer ehrenamtlich oder unentgeltlich arbeitet, sich gewerkschaftlich oder kirchlich engagieren will, braucht eine Bestätigung der Beamten. So war die Leibeigenschaft der Bauern als Halbsklaven der Junker, bevor Napoleon kam und das verfaulte Preußen sich reformieren musste. Deutsche reformieren nur, wenn sie von außen gezwungen werden.

Götz Werner nennt die Hartz4-Sanktionen einen offenen Strafvollzug. Ein

 Milliardär sieht genauer hin als die gesamte Arriviertenpartei. Die SPD sollte ASPD heißen: Asozialpartei Deutschlands oder Proletenbestrafungspartei. Bismarcks SPD-Verbot war ein Nadelstich gegen die Demütigungsorgien der hochgekletterten Proleten gegen die Schicht ihrer Eltern.

In Berlin soll es 10000 Haushalte geben, denen man den Strom abgestellt hat. Steigende Strompreise können sie mit stagnierenden Hartz4-Sätzen nicht bezahlen. Nun dürfen sie bei Kerzenlicht ihren Kindern die Biografien von Clement und Schily vorlesen. Seid brav und fleißig, Kinder, damit ihr nach oben kommt wie die tüchtigen SPD-Bonzen, sonst werdet ihr wie eure Eltern. Kein Kühlschrank, kein Radio, keine Herdplatte, kein Telefon, kein Computer. Eine Teilnahme am heutigen Leben ist nicht möglich.

Kann man sich Steinbrück als Patenonkel solcher Kinder vorstellen? Er, der keinen Fusel unter 5 Euro trinkt? Die SPD hat ihre Mission verraten, den Proleten zu einem menschenwürdigen Leeben zu verhelfen. Sie kohabitieren mit denen, die ihre eigenen Mütter und Väter als Untermenschen betrachteten.

„Die SPD hält Strafen für notwendig.“ Die Grünen lieben auch keine Armen, wenigstens klingt es bei ihnen anders: „Sanktionen seien „meist demütigend, unnötig und kontraproduktiv“, heißt es im grünen Wahlprogramm.“ Die Linkspartei will die Strafen abschaffen. (Eva Völpel in der TAZ)

Menschen, die arbeiten wollen, denen man die Arbeit genommen hat, werden bestraft, weil sie keine Arbeit haben. Auf den Opfern muss herumgetrampelt, ihre Moral und Integrität beschädigt werden. Wenn sie materiell und psychisch zerrüttet sind, die Zerrüttung an ihre Kinder weiter geben, dann sind sie selber schuld an ihrem Elend. Selbst wenn die Eltern schuldig wären, warum müssen die Kinder in Sippenhaft mitbestraft werden?

Messerscharfe SPD-Logik. Wie Alkoholbenebelte reden sie von gleichen Startchancen, als ob sie nicht wüssten, dass die Startlöcher von ihnen noch tiefer im Morast versenkt worden sind. Welche Moral bei heutigen Geld- und Politeliten herrscht, zeigt sich jeden Tag. Hier ein beliebiges Potpourri im KARRIERE SPIEGEL.

Die SPD liebt und bewundert die Reichen und Erfolgreichen: alle Putins und Ackermänner sind für sie lupenreine Demokraten. „Am Golde hängt, nach Golde drängt doch Alles. Ach wir armen Proleten, die wir davon träumen, selbst Ausbeuter zu werden.“

Gegen die Genossen ist Merkel ein Muster an Redlichkeit. Sie hatte keine Grundsätze, also konnte sie auch keine verraten. Die Genossen hatten Grundsätze und haben sie für eine Cohiba-Zigarre verkauft. Nach der Wahl werden sie Mama wieder unter den Rock schlüpfen – ohne mit der Wimper zu zucken. Allein Verantwortung übernehmen: davor kriegen sie zitternde Knie.

Steinbrück, der Vortragskünstler der Bosse, (er glaubt tatsächlich, dass er den Bossen was zu sagen hätte. Dass hier nur Stallgeruchsannäherungen stattfinden, will seine zartbesaitete Seele nicht erkennen) ist der Älteste der Geschwisterhorde, der immer alles besser weiß als Alt-Mütterchen, doch Mütterchen braucht, um beim ersten Debakel alle Verantwortung an sie weiterzuschieben.

Man muss gesehen haben, wie hemmungslos er ins Flennen kam, als seine eigene Frau ihn vor aller Welt belobigte. Da entpuppte er sich als Mutterkind, das zu wenig Anerkennung von seiner wahren Mutter erhalten hatte und nicht fassen konnte, dass er coram publico Streicheleinheiten erhielt. Sein nassforsches Getue soll davon ablenken, dass er noch immer am Rockzipfel der Mütter hängt. Er braucht Merkel. Ohne sie kriegt er nichts zustande. Er muss die Entdeckung fürchten, dass er ohne Merkel nur ein randalierender Flegel ist.

Kein Zufall, dass auf den Wahlplakaten der Aufsteigerpartei seine geliebte Feindin abgelichtet ist. Die SPD lebt vom gehasst-begehrten Objekt ihrer Merkelbegierde. Merkel soll davon überzeugt werden, dass ihre Stief-Rabauken als Einzige den Durchblick besitzen. Sie brauchen Mutter Courage, die als Einzige die Rasselbande um sich versammeln kann, um gemeinsam zum Angriff zu blasen. Eine Liebeserklärung abzulegen, dazu sind sie zu störrisch. Mutter Courage soll indirekt genötigt werden, sie zu wählen, weil sie endlich einsehen muss, dass ihre eigene Partei nichts mehr taugt.

Die vaterlose SPD-Gesellschaft hat entdeckt, dass sie Mütterchen vermisst. Sie wird den Teufel tun, sich dies einzugestehen, das tut man nicht in einer pubertierenden Raufboldhorde. Da muss, was man vermisst, mit Gejohle niedergemacht werden – auch wenn die Herzchen heimlich bluten.

SPD und CDU rangeln um die Mutter. Die Väter sind im Unterholz verschwunden. Sollte es zur Großen Koalition kommen – sie wird kommen, wenn die Zahlen nicht verrückt spielen –, wird Mutter Angela die neue hungrige Familie als Ideengeber ausschlachten, alle Erfolge ihrer alten Familie zuschanzen, alle Misserfolge der adoptierten. Es ist kein Weiterkommen mit den Volksparteien. Sie müssen sich auflösen und von vorne beginnen.

Überall ähnliche Verelendungsprogramme in der Welt. Heute in North-Carolina. „Die Konservativen nutzten ihre Macht vor allem zum Abbau sozialer Rechte. Sie votierten gegen die Ausweitung der Krankenversicherung für Sozialschwache als Teil der Gesundheitsreform. Sie stoppten ein Gesetz, das schwarzen Todeskandidaten das Recht auf Überprüfung von Diskriminierung gab. Sie erschwerten den Zugang zur Abtreibung, beschnitten den Bildungsetat und leiteten dafür Staatsgelder an Privatschulen um. Sie erhöhten die Steuern für Niedrigverdiener und kappten dafür das Arbeitslosengeld.“

Staatsgelder werden an Privatschulen der Reichen umgeleitet. Wenn Reiche den Staat plündern, sind das Gelder, die den Tüchtigen zustehen. Wenn Arme minimale Unterstützung erhalten, sind sie Parasiten. So rund um die Welt, inszeniert von Mächtigen, unterstützt von Intellektuellen, Medien und Sozis. (Antje Passenheim in der TAZ)

SPD und Neues Testament sind parallele Aufsteigerparteien. Die SPD will in die Klasse der Ausbeuter aufsteigen. (Früher wollte sie ins Reich der Freiheit. Das wurde stillschweigend gestrichen.) Die Urchristen wollten in den Himmel aufsteigen.

Selig die Armen, denn ihrer ist das Reich der Erden: diesen Satz vermuten die meisten Deutschen in ihrer Familienbibel, die irgendwo vor sich hinmodert.

Er ist zweimal falsch. Selig sind die geistlich Armen, denn ihrer ist das Reich der Himmel. Geistlich arm ist nicht materiell arm. Sondern bedeutet Demut vor Gott. Ohne Hilfe von oben kann der Mensch nichts erreichen. Reich der Erden und Reich der Himmel sind weltenweit entfernt. Nicht Reichtum auf Erden, sondern Gold, Silber und Edelsteine im neuen Himmel, auf der neuen Erde. Jerusalem, die Goldene Stadt der Zukunft, das Ziel aller Wanderschaften auf Erden, besteht aus kostbarstem Edelstein wie in kristallhellem Jaspis: „man wird die Herrlichkeit und die Pracht der Völker in sie bringen.“

Allen Reichtum der Ungläubigen werden die Erwählten erben. Lob der Armut? Armut ist nur ein Mittel, um reich zu werden. Nicht aus eigener Kraft sollen die Gläubigen reich werden, sondern mit der Kraft des Herrn. Auf Erden sollen sie die Letzten sein, im Himmel die Ersten. Wenn im Neuen Testament Reichtum angeprangert wird, dann der irdische Reichtum aus eigener Kraft, auf den die Menschen eitelstolz sein wollen, anstatt zu sagen: „Wir sind unnütze Knechte. Wir haben nur getan, was wir zu tun schuldig waren.“ Bei Gott sind Menschen Befehlsempfänger, keine selbstdenkenden, selbstverantwortlichen Autoren ihres Geschicks.

Reich und allmächtig zu werden, ist der Sinn aller Schöpferreligionen. Denn die Erwählten sollen das Erbe erhalten – das ganze Universum. „Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Erben Gottes und Miterben Christi, wenn anders wir mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm verherrlicht werden.“

Wem gehört die Welt? Den Lieblingen Gottes. Hier auf Erden müssen sie leiden – nicht, wenn sie den Himmel auf Erden gefunden haben –, im Himmel werden sie die unendlichen Früchte ihres irdischen Leidenswegs kassieren. Für Amerikaner sind Himmel und Erde bereits verschmolzen. Für Deutsche, die jahrhundertelang am Hungertuch nagten und keine politische Macht besaßen, war der Himmel weit entfernt von ihrem täglichen Elend.

Diese beiden Christentümer sind die wahre Differenz zwischen Amerika und Deutschland. In Deutschland nimmt das niemand zur Kenntnis. Jeder deutsche Theologe schaut verächtlich auf die dogmatisch ungebildeten Biblizisten in Amerika. Die wortwörtliche Schriftdeutung haben die Deutschen schon im 18. Jahrhundert beim Aufkommen der historisch-kritischen Forschung aufgegeben.

Nicht der irdische Reichtum an sich wird verdammt, sondern jener, den die Besitzer als ihr eigenes Werk betrachten. Es ist wie in einer klassischen Revolution. Nicht Herren- und Knechtschichten werden abgeschafft, sondern Knechte werden zu Herren, Herren zu Knechten. So im Neuen Testament. Der arme Lazarus wird reich im Himmel, der Reiche wird in die Hölle der Armut verdammt. Alles wie gehabt, nur auf den Kopf gestellt. „Kind, denke daran, dass du in deinem Leben dein Gutes empfangen hast und Lazarus gleichermaßen das Böse: Jetzt dagegen wird er hier getröstet, du aber leidest Pein.“

In Amerika wird genau so empfunden. In Alteuropa waren sie als Unterschichten die Letzten, in Neukanaan wird sich alles auf den Kopf stellen.

Man kann nicht zween Herren dienen, Gott oder dem Mammon, heißt nur: solange Mammon wichtiger ist als Gott, ist er Frevel. Als Gabe Gottes ist er Auszeichnung und Belohnung für die Leiden auf Erden. Das Gleiche beim bekannten Wort: Eher geht ein Kamel durch Nadelöhr, denn ein Reicher ins Himmelreich. Solange der Reiche sich aufspielt mit seinem Zaster und nicht alles dem Herrn verdankt, solange wird sein Zaster gegen ihn angerechnet werden.

Christus ist nur äußerlich ein armer Sandalenträger. Wenn Götter auf Erden wandeln, kostümieren sie sich immer, damit sie nicht von Krethi und Plethi erkannt werden. Sondern nur von denen, die sie im Voraus berufen haben. In Wahrheit ist der Sandalenträger gesetzt „über jede Gewalt und Macht und Kraft und Hoheit. Und alles ist seinen Füßen unterworfen.“

Deutschland hat aufgrund seiner jämmerlichen Geschichte die Bibel als Segnung des Schwachen und Ärmlichen aufgenommen. Im Gegensatz zu Amerika, das von Anfang an die Wiederholung der wunderbaren Landnahme der Kinder Israels war.

Hier driften Theologien und Lebenswelten auseinander. Zwar gab es noch ein letztes messianisches Aufbäumen der Deutschen. Hitler war Gegner der ecclesia patiens, der leidenden und duldenden Kirche: er wollte Führer der ecclesia militans und triumphans sein. Sohn der Vorsehung, der – wie Rienzi – in himmlischem Auftrag das von der jüdischen Zinsknechtschaft unterdrückte deutsche Volk befreien und zu Erben der Welt machen wollte. Nachdem der Versuch gescheitert war, kehrten die Loser mit gesenkten Köpfen zurück ins Evangelium der Leidenden, Schwachen und Armen.

Erst seit dem Einbruch des Neoliberalismus kann man wieder stärkere Töne einer amerikanisch importierten Siegestheologie hören. In evangelikalen Kreisen ist sogar die hochmütige Missionierung der Juden gestattet. Natürlich nur aus reiner Nächstenliebe, damit die „Mörder Gottes“ nicht verloren gehen.

Die süßholzraspelnden Schuldbekenntnisse der Nachkriegszeit – auch sie von amerikanischen Siegerkirchen nur abgepresst, sonst gäbe es noch heute kein Mea culpa der Großkirchen – geraten allmählich in Vergessenheit.

Während die Amerikaner mit dem Problem beschäftigt sind, dass ihr Himmel auf Erden immer mehr der Hölle ähnelt – natürlich nur für die Armen und Schwachen –, haben die Deutschen von Christentum nicht mehr die geringste Ahnung. Was sie nicht davon abhält, sich als Christen zu bezeichnen. Auch wenn sie den Kirchen aus christlich empfundenen Motiven Ade sagen. Denn sie glauben, dass sie kirchenfern bessere Christen sein können, als mitten in Horden der Priester und Heuchler.

Für die Mehrheit der Deutschen ist Christentum nichts als Humanismus. Jede Christentumskritik empfinden sie als Angriff auf ihre demokratisch-humane Moral. Jesus ist für sie eine Art Sokrates – wenn sie nur wüssten, wer Sokrates war.

Hier wiederholt sich eine Entwicklung, die Amerika in der Zeit Jeffersons durchmachte, als das Evangelium so ausgebeint und entmythologisiert wurde, dass es keinen Unterschied mehr zwischen Deisten und Biblizisten gab. Deismus war der Glaube an den Gott der Vernunft, den man in den Werken der Natur erkennen konnte. Offenbarungen waren dazu nicht nötig.

Kurz nach der Einigung zwischen Rationalisten und Pietisten wurde der Kompromiss durch die Masse der einströmenden fundamentalistischen Gruppen gekündigt. Die Waage neigte sich zum Glauben an die alleinseligmachende Offenbarung.

Bis heute hat Amerika diese Probleme nicht aufgearbeitet. Gleichwohl hat die Offenbarung die Politik der USA im Grundsätzlichen bestimmt. Demokratie ist für Amerika keine Errungenschaft des autonomen Menschen, sondern ein Geschenk Gottes an die Amerikaner. Wenn Demokratie ein Geschenk von oben ist und nicht das Werk der Menschen, kann es durch menschliches Tun und Wollen auch nicht erhalten werden. Alles hängt vom gnädigen Willen des Himmels ab, den man unaufhörlich erflehen muss.

In der amerikanischen Geschichte gab‘s extrem linke Strömungen. Sonst hätte Roosevelt seinen New Deal nicht durchgebracht. Doch diese Kapitalismuskritik wurde zunehmend mit brutaler Unterdrückung und polizeilicher Verfolgung dem Erdboden gleichgemacht. Eine der letzten Reflexe dieser „unamerikanischen Umtriebe“ war die Occupy-Bewegung. In Amerika brodelt‘s, es wäre ein verhängnisvoller Fehler, das Riesenkind Europas als saft- und kraftlosen Greis abzuschreiben.

In angelsächsischen Ländern werden die Armen – identisch mit Verworfenen – in hohem Maße verachtet. Deutsche sozialkritische Christen à la Geißler glauben, mit ihrer Verherrlichung der Armut dem Evangelium näher zu sein als die Amerikaner. Sie täuschen sich nicht nur in der Deutung der Schrift, auch ihre Bemühungen, Armut mit katholischen Soziallehren zu bekämpfen, sind reiner Selbstbetrug.

So, wie der Papst die Schwulen nur informell als Menschen anerkennt, aber nicht bereit ist, den Fluch „contra naturam“ aufzuheben, so sind die Christen aller Konfessionen nur willens, die Symptome der Armut mit weißer Salbe zu bestreichen. Armut an sich kann auf der sündigen Erde nicht aufgehoben werden. Wenn die Menschheit gesunden würde, wären die selbsternannten Ärzte überflüssig. Die Verhältnisse müssen so bleiben, dass Nächstenliebe als weiße Salbe immer benötigt wird.

Wer die Verhältnisse gründlich ändern wollte, wäre aus christlicher Sicht ein Sünder wider den Geist, der Gottes Erlösungswerk überflüssig machen wollte. Auch die Christen und Milliardäre Amerikas denken nicht daran, die Verhältnisse so zu verändern, dass Armut von der Welt für immer verschwände. Ihre guten Werke bleiben Maniküre und dienen ihrer Werkgerechtigkeit, um ihre Chancen auf Seligkeit zu erhöhen.

Die Agape der Kirchen, ihre diakonischen Werke, ihr Brosamen-Mitleid: sie alle dienen der Verfestigung der Verhältnisse. Die schlimmsten Schäden in der Welt sollen überpinselt, nicht repariert werden. Auf dass die Opfer des Systems nicht aufmucken. Das Christentum war, ist und wird immer sein die beste Bestandsversicherung der Tycoons, die sich als Erben der christlichen Verheißungen empfinden.

Auch hier ist es wie im Mittelalter. „Hier kommt der Schaden der mittelalterlichen Liebestätigkeit so recht zu Tage. Sie kennt eben nur die Aufgabe, den Armen in seiner Armut zu erhalten, nicht aber den Armen, den ins Elend Geratenen aus der Armut, aus dem Elend herauszuretten, und noch viel fremder ist ihr jede vorsorgliche Tätigkeit, die dahin zielte, vor dem Armwerden, vor dem Versinken in materielles und sittliches Elend zu bewahren“, schreibt Gerhard Uhlhorn – ein Theologe! – in seinem Klassiker: „Die Christliche Liebestätigkeit“.

Die SPD hat Marx verlassen, um in die Spuren der Kirche zu treten. Sie ist zu einer Partei der Weißen Salbe geworden, die nicht daran denkt, die Übel so zu bekämpfen, dass sie ausheilen können. Sie braucht eine Klientel, die sie mit Zuckerbrot und Demütigung traktieren kann, damit sie ihre schwindende Macht über die Runden bringt.

Was ist der grausame Witz der Moderne? Der Frühkapitalismus von Adam Smith begann unter dem Vorzeichen, sich von der Heuchelei der kirchlichen Liebestätigkeit zu lösen und eine Wirtschaftsform zu entwickeln, die jedem Bürger erlaubt, am Wohlstand der Nation durch eigene Kraft teilzuhaben. Was antikirchlich und polemisch nach Egoismus als Widerpart zum kirchlich verordneten Altruismus roch, war anfänglich nichts als der aufgeklärte Ruf zur Autonomie des Einzelnen: Mensch, du bist nicht auf andere angewiesen. Du kannst dein Leben selbst verdienen. Also tu es. Wenn jeder sein Leben autonom gestaltet, kommt es der ganzen Nation zugute.

Der rationale Eigennutz als Voraussetzung eines kollektiven Wohlstands verkehrte sich im Laufe der wieder erstarkenden Religion zu einem verderblichen Eigennutz, der den Nachbarn aus dem Auge verlor, ja, ihn niederkämpfen musste, um selbst zu überleben. Adam Smiths stoisch-humane Moral wurde durch Darwin zum Survival of the Fittest verfälscht.

Erneut entstand ein ungeheures Gefälle zwischen Erwählten und Verworfenen, Erfolgreichen und Versagern. Im Mittelalter war es die Kluft zwischen Adligen und Klerikalen auf der einen Seite und verarmten Handwerkern, Bauern und gezüchteten Bettlermassen auf der anderen.

Der amerikanische Himmel auf Erden hat sich gespalten in die Einprozentelite der Supergiganten, die im Himmel residieren und dem schäbigen Rest der Verlierermassen, die die Hölle auf Erden erleben.

Die Weltökonomie schnurrt im Takt des Matthäusprinzips: Wer hat, dem wird gegeben. Den anderen wird noch genommen, was sie nicht haben. Das nennen sie Gerechtigkeit Gottes.