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Mittwoch, 28. November 2012 – Magisches Wort und magische Tat

Hello, Freunde Mexikos,

Mexikos scheidender Präsident muss nicht nach Den Haag, er hat keine ethnische Säuberung angeordnet. In seinen sechs Jahren Amtszeit gab es nur 65.000 Tote, 25.000 Verschwundene und 20.000 Vertriebene, dazu in vielen Regionen zerstörte Sozialstrukturen.

Der Präsident hat mit einem Panzer gegen die Drogenmafiaorganisationen gekämpft, die heute stärker denn je sind, wie moderne Wirtschaftsunternehmen geführt werden, womit auch bewiesen ist, dass Wirtschaftsunternehmen mit Verbrecher-Syndikaten elegant vereinbar sind.

In vielen Regionen Mexikos hat der Staat die Hoheit an die Syndikate verloren, ein durchschlagender Beweis für die Richtigkeit der neoliberalen These, dass der Staat bei Geschäften nur stört und überflüssiges Menschenmaterial unauffällig beseitigt werden kann. Bei sehr starken Monopol-Syndikaten kann es auch auffällig sein. Ohnehin gibt es niemanden, der sich ihnen in den Weg stellt.

Der scheidende Präsident plant die Flucht aus Mexiko, weil ihm seine Heimat nicht mehr sicher genug ist. Natürlich hat der scheidende Präsident für Wachstum, soziale Ungleichheit und Armut fast nichts getan. Fast die Hälfte der 110 Millionen Mexikaner – 52 Millionen – haben nicht genug zu essen oder kein vernünftiges Dach überm Kopf. Was in sonnenbevorzugten Regionen nicht weiter schlimm ist, denn im Freien frieren Obdachlose höchst selten.

Das Stichwort des neuen Präsidenten heißt De-narkotisierung. Nach Marx – Religion ist Opium – wäre das der Kampf gegen die Religion, was natürlich nicht

stimmen kann, denn in Mexiko liest man den bärtigen Gringo aus Germania eher weniger.

Natürlich stammt aus einem derart armen und verwahrlosten Staat der reichste Mann der Welt. Carlos Slim wird auf 77 Milliarden taxiert. Hier kann man erkennen, dass ein tatkräftiger, nach vorne schauender Mann mit Hilfe des ganz normalen Wahnsinns slim-mere, pardon schlimmere, Verheerungen anrichten kann als ganze Meuchelhorden.

(Klaus Ehringfeld in der BZ über Mexiko)

Denarkotisierung, so ließ das Kanzleramt in Berlin mitteilen, sei in Deutschland nicht geplant. Ohne eine gewisse Grundversorgung der arbeitenden Bevölkerung mit religiösen Opiaten sei der Zustand eines hochentwickelten Industriestandsorts kaum zu halten. Sagte die Kanzlerin, verbunden mit einem herzlichen Dankeschön an die hiesigen Großopiumhersteller, die öffentlich-rechtlichen Kirchen.


Frank Schirrmacher ist ein wendiger Mann und echter deutscher Prophet. Eben noch war er auf der Suche nach einem digitalen Messias namens Kurzweil aus dem unbedeutenden Flecken Betlehem, pardon aus dem sehr bedeutenden Silicon Valley. (Silicon Valley ist das Tal der Santa Clara.) Jetzt ist er umgekippt und beschwört den Untergang des Journalismus durch die digitale Revolution.

„Was stimmt jetzt überhaupt an all den Thesen über eine Technologie, die alle sozialen und ökonomischen Beziehungen verändern würde. Wo ist der neue Pulitzer, Augstein, Suhrkamp?“ So fragt man, bevor es die andern tun, denn Pulitzer, Augstein und Suhrkamp selbdritt waren bisher – der dreieinige Schirrmacher in einer Person. Womit der FAZ-Herausgeber nicht nur sich selbst als Messias-Headhunter demontiert hat, sondern auch seinen Propheten Jakob Augstein, der ihn vor kurzem noch zum größten Denker der BRD – nach seinem Vater Rudolf – gekürt hat.

So schnell-lebig kommen und gehen postromantische Erlöser. Wenn sie nicht das Paradies am Horizont erblicken, schauen sie erstarrten, pardon, gelassenen Angesichts in den Weltuntergang. „Wie kann eine Gesellschaft ohne guten Journalismus überleben?“ Zumal die Journalisten sich zunehmend über Silicon-Valley definiert haben? Dazu riskiert der Seher von Frankfurt eine „ganz einfache und ebenso gelassene Vorhersage: gar nicht.“

Das ist schade, denn ohne Schirrmacher‘sche Prophetien wird die deutsche Edelschreiberzunft wieder prädigital mit Tinte schreiben müssen. Vielleicht sogar unter gelegentlicher Einschaltung des Gehirns. Doch Vorsicht, Schirrmacher, vor den Fieberträumen der Bestie Vernunft.

(Frank Schirrmacher in der FAZ über die Zukunft des Journalismus)

Mit dem Journalismus geht’s abwärts, das hat er sich redlich verdient. Seltsam nur, dass es selbstkritische Analysen des Tagesschreibens so gut wie nicht gibt. Alles stürzt sich auf die technischen Aspekte. Offensichtlich definieren sich die Augenblicksdenker nur noch über Schreibutensilien. Der Schreiber mit dem Bleistift, dem Füller, der klappernden Schreibmaschine, dem geräuschlosen Computer, dem Netz, mit oder ohne Konkurrenz, mit oder ohne Shitstorm und Candystorm.

Haben sie immer noch Privilegien? Oder kommt jetzt der große Lümmel und wischt sie vom Tisch, weil er unverschämterweise selber schreiben will? Dabei hat Kant längst die Losung ans ungewaschene Volk ausgegeben: habe Mut, dich deines eigenen Laptops zu bedienen.

Die Vermittler zwischen Unten und Oben wünschen keine Konkurrenz, weshalb sie auch kein Interesse haben, Unten und Oben abzuschaffen. Sie brauchen die Sandwichposition Dazwischen, sonst beginnen sie zu frieren. Früher nannte man solche Vermittler Priester, heute könnte man von der lutherschen Emanzipation des analphabetischen Volkes in die allgemeine Priesterschaft der Shitstürmer sprechen.

 

Was heute Candy-Sturm ist, nannte Luther das Wehen des Heiligen Geistes. Shitstorm hingegen war der unsaubere Geist, der, wenn er aus den Menschen ausgefahren war, wasserlose Orte durchzieht und wenn er wieder zurückkommt, sieben andere Geister mitbringt, die noch schlimmer sind als er und die Unsauberkeit der Menschen akkumuliert, sie können sich reinigen, wie sie wollen. „Und es wird nachher mit jenem Menschen schlimmer als vorher. So wird es auch mit diesem bösen Geschlecht sein.“ ( Neues Testament > Matthäus 12,43 ff / http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/12/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/12/“>Matth. 12,43 ff)

Die bösen unsauberen Geister vermehren sich wie die Fliegen, das ist wie beim Shitstorm. Die Gutmenschen sind die schlimmsten. Eigensinnig wollen sie nur das Gute, werfen alles Böse aus dem Fenster, putzen und machen – und was geschieht? Die bösen Geister wollen nicht mehr an den wasserlosen Orten bleiben – wir befinden uns offensichtlich in der Wüste und dem Bösen ist das Betreten wasserreicher Oasen verboten –, also kehren sie ins gemachte Nest zurück. Dann wird der Gutmensch schlimmer als alle Bösmenschen zusammen.

Eine herzhafte Prise Bosheit sollte sich jeder Mensch aus prophylaktischen Gründen bewahren, damit keine ausgehungerten und halbverdursteten unsauberen Geister zurückkehren und den Gutmenschen in einen Teufel verwandeln.

Gott gibt den Menschen nur eine Chance. Da hatte Michel Friedman Glück gehabt, dass die demokratische Öffentlichkeit besser als Gott ist und ihm eine zweite Chance gab. Der Durchschnittsamerikaner wird den Kirchenvater Origenes kaum kennen und doch hält sich in amerikanischen Serien hartnäckig das Faktum der zweiten Chance.

Bei Origenes waren mehr als zwei Chancen überflüssig, denn bei der zweiten – der Wiederbringung aller – konnte kein Mensch mehr der überschwänglichen Gnade Gottes widerstehen, weshalb sogar Dschingis-Khan, Adolf Hitler und Pol Pot alle in Gottes Schoß landen werden.

Ob das gerecht ist, müsste ein ökumenisches, streng paritätisch besetztes Konzil aus Christen, Juden und Muslimen herausfinden. Der Hebräerbrief sieht keine zweite Chance. Im Gegenteil, wer einmal gläubig war und den ganzen frommen Bettel seinem Schöpfer hinwarf, der hat ewig schlechte Karten:

Neues Testament > Hebräer 6,4-6 / http://www.way2god.org/de/bibel/hebraeer/6/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/hebraeer/6/“>Heb 6,4-6: „Denn es ist unmöglich, solche, die einmal erleuchtet worden sind und geschmeckt haben die himmlische Gabe und teilhaftig geworden sind des Heiligen Geistes und geschmeckt haben das gute Wort Gottes und die Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters und abgefallen sind, wiederum zur Buße zu erneuern, da sie den Sohn Gottes für sich selbst kreuzigen und ihn zur Schau stellen.

Mit anderen Worten: wenn du dein Inneres von bösen Geistern gesäubert, in dich gegangen, alles bereut hast: keine Chance. Wenn du böse wirst und deinen Gott undankbar anpflaumst, erst recht keine Chance. Du hast überhaupt keine Chance, also nutze sie.

Liebe Spontis, auch ihr kupfert nur von der Heiligen Schrift ab. Wir sehen, auch das Netz ist schon voll religiös dualisiert. Es gibt nur Shit oder Candy, was früher Gut oder Böse genannt wurde. „Und plötzlich entstand vom Himmel her ein gewaltiges Brausen, wie wenn ein gewaltiger Wind daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, worin sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, die sich zerteilten, wie von Feuer und es setzte sich auf jeden unter ihnen. Und sie wurden alle mit dem heiligen Geist erfüllt und fingen an, in andern Zungen zu reden, wie der Geist ihnen auszusprechen gab.“

So stellt sich Silicon Valley das Netz der Zukunft vor. Geistbegabte Rechner übersetzen alle Sprachen in alle Sprachen, also ins Amerikanische, sodass alle Welt alle Welt versteht, der Fluch des Turmbaus zu Babel ist beeendet.

Alle Welt natürlich nicht, das wäre die Allversöhnungstheorie des Origenes. Sondern nur diejenigen, die per technischer Kompetenz die Rechner entwickeln können. Das können in Wirklichkeit nur die Charismatiker aus dem Tal der Santa Clara. Nur auf ihren Köpfen haben sich die feurigen Zungen niedergelassen (die Schirrmacher glaubte, mit Seherblick entdecken zu können).

Hier wäre wieder eine Kinderfrage fällig: warum sind die Amerikaner noch mehr von Technik besessen als von ihrem Glauben? Warum glauben sie, alle Probleme der Welt mit der neuesten Feuerzungentechnik beherrschen zu können? Weil sie zwischen Glauben und Technik keinen Unterschied machen.

Glauben ist eine technische, Technik eine Glaubens-Frage. Zwischen Rechnen – und dem Missionieren mit dem Wort gibt’s für sie keine Unterschiede. Alle Probleme, die sich auftun, können durch Technik beseitigt werden. Durch charismatische Technik. Jener erfindet die beste und effektivste Technik, der vom Heiligen Geist auserwählt worden ist.

Dasselbe Phänomen wie bei Ehud Barak, wie ihn Yotam Feldman in der ZEIT charakterisiert. Barak, der sich angeblich zurückziehen will – um wieder in der Not berufen zu werden? – habe auf politische Fragen nur technische Antworten gegeben. Das habe den Friedensprozess verhindert.

Technik und Geist – das passt nicht zusammen. Sagten die deutschen Romantiker. Jeder kennt den Gedichtanfang von Novalis:

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freye Leben
Und in die Welt wird zurück begeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu ächter Klarheit werden gatten,
Und man in Mährchen und Gedichten
Erkennt die wahren Weltgeschichten,
Dann fliegt vor Einem geheimen Wort

Das ganze verkehrte Wesen fort
.

Der Schluss des Gedichtes zeigt uns den Weg. Das geheime Wort ist ein Machtmittel, mit dem man die ganze verkehrte böse Welt wegfegen kann. Das Wort ist geheim – wie das Passwort beim Computer –, damit nicht jeder an das brisante Machtwissen herankommt, mit dem die Welt kuriert werden soll.

Zahlen und Figuren, also Naturwissenschaft und Technik, sind nicht länger die Schlüssel zu den Kreaturen, sondern Singen, Küssen und das geheime Wort. Bei Novalis gibt’s die Ablehnung der Technik zugunsten authentischer Gefühle.

Diesen Antagonismus zwischen gepredigtem Wort und charismatisch-technischer Tat gibt es in der angelsächsischen Tradition nicht. Auf diesem Gebiet waren die deutschen Romantiker altmodische Provinzler.

In der insularen Tradition seit Roger Bacon hatte sich eine andere Spur aufgetan: die Entwicklung der Technik als effiziente Missionierungsmethode. Sei es zur Überzeugung der Heiden im Guten, die angesichts überlegener Maschinen den wahren Schöpfer der wunderbaren und furchterregenden Maschinen ahnten und anbeteten. Sei es zur Vernichtung der Ungläubigen im Bösen, wenn sich jene verstockt weigerten, die Überlegenheit der Christen und ihrer Technik anzuerkennen.

Das Vorbild aller charismatischen Wissenist-Macht-Technik sind die zehn biblischen Plagen. Wenn Menschen böse sind, werden sie mit Naturschäden bestraft, die durch Wort und Technik ausgelöst werden. Mose hob den Stab und schlug ins Wasser, Aaron streckte seinen Stab über Ströme, Kanäle und Sümpfe. Mose trat vor den Pharao und sagte zu ihm … Und sie nahmen Russ aus dem Ofen und traten vor den Pharao und Mose warf den Russ in den Himmel. Etc.

Mit Wortmagie und gottgesegneter Technik wird der Pharao bestraft, indem die Natur verwüstet wird. Das war nicht die erste Ökokatastrophe in der Geschichte des Heils. Das begann bereits mit der Vertreibung aus dem Garten Eden, sodass die Menschen malochen mussten, weshalb Arbeit im christlichen Westen ihren Strafcharakter und Natur ihren garstigen Charakter bis heute nicht verlieren durfte.

Kurz danach will der Herr die ganze Schöpfung einstampfen, da die Menschen so böse waren. Gerade noch lässt er sich erweichen, sich mit der Sintflut zu begnügen und einen kleinen Rest der Menschheit davonkommen zu lassen. Die Apokalypse am Ende der Zeiten wird dann endgültig zur Sache gehen, die alte Erde vertilgen, eine neue Erde und einen neuen Himmel durch das magische Wort schaffen.

Die zehn biblischen Plagen im Schnelldurchlauf: Wasser wird durch Blut ungenießbar, Frösche bedecken das ganze Land, Stechmücken und Stechfliegen plagen Mensch und Vieh, Viehpest, schwarze Blattern, Hagel, Heuschrecken (Münte durfte den Kapitalismus nicht mit „Heuschrecken“ illustrieren, weil es verdächtig nach untergründigem Antisemitismus klang), Finsternis und der Tod aller Erstgeborenen von Mensch und Vieh sollen für die Fehltaten ihrer Eltern büßen.

An dieser Sündenkausalität hat sich bei allen drei monotheistischen Biblizisten bis in die Gegenwart nichts geändert. Alle Katastrophen durch Menschen oder Natur sind Strafen Gottes für den Ungehorsam der Menschen. Sind Menschen böse, müssen sie mit direkten Strafen (an ihnen selbst) und indirekten Strafen (an der Natur, unschuldigen Kindern, dem Vieh) sanktioniert werden. Ob Strafen durch das magische Wort oder durch magische Technik („Ruß“) exekutiert werden, ist belanglos, denn beide Strafmethoden Gottes sind identisch.

Jetzt sind wir beim angelsächsischen Mönch Roger Bacon angekommen, den wir als Begründer der abendländischen Technik und Naturwissenschaft bezeichnen dürfen. (Nicht zu verwechseln mit Francis Bacon, seinem Landsmann, der allerdings in seinen Spuren wandelte und seine Impulse fortsetzte. Roger lebte im 13., Francis im Übergang zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert.)

Die damalige Heidenmission war in einem Fiasko angekommen. Durch Predigen und Wortemachen allein, so schien es den klerikalen Eliten, konnte man keinen Heiden mehr hinter dem Ofen hervorlocken, geschweige ihm die Vorzüge der Frohen Botschaft schmackhaft machen. Was blieb? Das Wort musste Tat werden, um bei den Ungläubigen Eindruck zu schinden.

Völlig richtig hatte Goethes Faust den Begriff Logos nicht mehr als Plapperwort, sondern als Tat übersetzt. Verglichen mit Roger Bacon hinkte Goethe 5 bis 6 Jahrhunderte hinter der technischen Entwicklung der Engländer hinterher. Natürlich war die frühzeitige Entwicklung von Technik und Naturwissenschaft ein wesentlicher Grund für die Entwicklung des Frühkapitalismus.

In all diesen Dingen waren die Germanen äußerst rückständig und tappten ihren angelsächsischen Vettern in weiter Entfernung hinterher. Bis heute hegen sie noch einen Widerwillen gegen Technik und Kapitalismus, weshalb die Grüne Bewegung in Deutschland begann und nicht im Lande Newtons, Adam Smiths und Ricardos.

Hören wir den Experten: „Die hergebrachte Heidenmission durch Predigt und „Argumente“, die niemand mehr hören wollte, soll nach Bacons Missionsvorschlag durch Demonstration seiner „Experimentalwissenschaft“ ersetzt werden, die freilich noch weitgehend magische Züge trägt.“

Interessant, dass Bacon schon damals – die Epoche der Religionskriege ging gerade mit einer Gesamtniederlage zu Ende – die Mohammedaner als unbekehrbar ansah, weshalb sie vernichtet werden müssten. Während die Tataren bekehrt werden könnten. Bacon machte dem Papst den Vorschlag, die Tataren durch „Wissenschaft“ zu bekehren, also durch Wunder, die auch die Wissenschaft der Idolatren (der heidnischen Götzenanbeter) übertrumpfen sollten.

Nach dem Bericht Marco Polos soll der Großchan tatsächlich seine Bereitschaft erklärt haben, sich zu bekehren, wenn die päpstlichen Wundermacher seine eigenen Wundermacher überträfen. Es ist die genaue Wiederholung der Kampfsituation zwischen Wundermacher Mose und den Wundermachern des Pharao. Wer wen übertrifft, der hat gewonnen und ist der wahre Gott.

Erlösungsreligionen haben sich durch Wunder-Ranking durchgesetzt. Wer besser mit Wort oder Technik zaubern konnte, der besaß das Schlüsselwort für das Wissen der Welt.

Genau so hatte der Pharao zu Mose gesagt: „Weist euch durch ein Wunder aus“. Als Mose und sein Bruder Aaron ihre ersten Kostproben geliefert hatten, „liess der Pharao auch seinerseits die Weisen und Zauberer rufen, und auch sie, die ägyptischen Zauberer, taten dasselbe mit ihren geheimen Künsten.( Altes Testament > 2. Mose 7,1 ff / http://www.way2god.org/de/bibel/2_mose/7/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/2_mose/7/“>2. Mos. 7,1 ff)

Muskelspiel und Machtvergleich waren jeher die beste Methode, den wahren Gott zu erkennen und den falschen zu eliminieren. Der Herr der Heerscharen erwies sich durch die genialen Erfindungen seiner Jünger jedem andern heidnischen Gott himmelweit überlegen.

Waren es früher vor allem die technischen und naturwissenschaftlichen „Zauberkunststücke“, sind es heute die wirtschaftlichen Tricks des Kapitalismus, die den Rest der Welt erobert haben. Denn in Technik und Wissenschaft haben die früheren Entwicklungsländer längst aufgeholt. In Wirtschaftsdingen sind sie gerade dabei, den Westen zu überholen.

Und jetzt beginnts, happig zu werden. Was wird aus der Überlegenheit des christlichen Westens, wenn er seine Trumpfkarten ausgespielt hat? Was, wenn er in allen Disziplinen vorgeführt und abgehängt wird? Amerika und Europa versinken in finanziellen und politischen Problemen. Chinesen und Inder sind dabei, ihnen die Siegesfahne aus der Hand zu reißen. Sic transit gloria mundi, so vergeht der Ruhm des auserwählten Westens.

Bacon verbürgte sich, dem Papst mit Hilfe neuer Waffen die Erde zu Füßen zu legen. Seine technischen Allmachtsgefühle verwandelte er in projektive Massenvernichtunsgmittel. Seine furchtbaren Waffensysteme waren für den Kampf gegen die Ungläubigen bestimmt, die man seiner Meinung nach ausrotten müsse, um die christliche Weltherrschaft zu erringen.

Bacon besaß schon konkrete Ideen für Strahlenwaffen mit biologischen Giften und Verseuchungsmitteln. Ludwig der Heilige könne sich sein Kreuzzugsheer sparen, wenn er mit Verbrennungsspiegeln jede Stadt und jede Festung auf jede Entfernung vernichtete. Die Waffen der Zukunft werden durch die Luft in die Physis der Völker eingreifen, ohne Zwang deren Willen lenken und über ihre Seelen verfügen. Und zwar so, dass die Menschen in ihren Sitten, Leidenschaften und Willensregungen telekinetisch umgepolt und manipuliert werden könnten.

Das Christentum hatte das Kreislaufdenken der östlichen wie der antiken Welt durch das gradlinige eschatologische Denken des jüdisch-christlichen Messianismus verdrängt.

Die neue Heilsgeschichte hatte ein doppeltes Ziel: „Das Doppelgesicht der Verheißung und des Gerichts, der Rückkehr zum Paradies und der Untergangsapokalypse war wirksam bis in die Denkformen des Sozialismus, der Fortschrittsbewegungen und der Wissenschaftsreligion – bis in die Apokalyptik der Kernwissenschaft.“

(Alle Zitate aus dem exzellenten Buch von Friedrich Wagner: „Die Wissenschaft und die Gefährdete Welt“)

Bacons weltimperiale Fieberträume hat der christliche Westen in die Tat umgesetzt. Glaube kann Berge versetzen.