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Freitag, 23. August 2013 – Sola Scriptura

Hello, Freunde der Augsteins,

Aufruhr im SPIEGEL. Der neue Chef hantiert mit dem Feingefühl eines Bulldozers und hat BILD-Blome selbstherrlich zu seinem Vize ernannt. Unterstützt von Jakob Augstein, der seinen Jux-Kameraden Blome für einen guten Journalisten hält.

Zoff und Verfall im Hause Augstein. Franziska Augstein hält diese Personalie für absurd. „Einen Mann von der Bild-Zeitung, die die NSA-Affäre heruntergespielt hat, zum stellvertretenden Chefredakteur des Spiegels zu machen, der sich in der Aufklärung ebendieser Affäre profiliert hat, halte ich für indiskutabel“, sagte Franziska Augstein. Damit hole man „den Fuchs in den Hühnerstall“.  (David Denk in der TAZ)

Die Dynastie Augstein-Walser könnte zu Buddenbrook II werden. Deutscher Journalismus im unaufhaltsamen Sinkflug.


Neues von der Lutherfront. Der Reformator ist kurz davor, von seinen Jüngern zum Erfinder des demokratischen Pluralismus gekürt zu werden. Die Luther-Festspiele stehen bevor. Solange will Merkel im Regiment bleiben und sich mit einem mächtigen „Ein’ feste Euro-Burg ist unser Gott“ verabschieden lassen. Intoniert von einem Stadion voller Posaunenbläser.
(Die Posaune ist das Instrument des Protestantismus. Die Posaunen von Jericho brachten die Mauern der Stadt zum Einsturz. Vermutlich wegen ohrenbetäubender Dissonanzen. Weil auch die Mauer zwischen Ost und West fiel, glauben fromme Posaunisten  ungelogen , dass der Fall der Mauer

ihr frommes Werk gewesen sei.)

Ober-Lutheraner Nikolaus Schneider, nebenbei EKD-Vorsitzender, erklärt in einem BLZ-Interview: „Debatte und Pluralität sind das Wesen des Protestantismus.“

Luther war bekanntlich der knorrige Mann mit den drei Soli: sola gratia, sola scriptura, sola fide. Allein durch Gnade, Schrift und Glauben. Allein kommt von Alleinstellungsmerkmal. Wie der Papst, den Luther für den Antichrist hielt, war auch der Wittenberger dem fundamentalistischen Kurs verpflichtet: Neben dem Allein gibt’s kein Heil. Sonst wäre es ja sinnlos, Alleinstellungsbedingungen aufzustellen. Wer nicht diesem Sola folgt, der sei verflucht. Ein echter abendländisch-christlicher Pluralismus.

Nicht England hat den toleranten Liberalismus erfunden, sondern ein alter Ossi. (Wer es noch nicht wusste: der Soli wurde im frommen Urossiland erfunden.)

Man kann nicht einfach sagen, ein Oberpastor lügt. Da er die rechte Gesinnung hat, ist er zum Lügen unfähig (non posse peccare). Lügen werden im Dienste des Geistes zur lauteren Wahrheit. Wie formuliere ich also, damit mich der fromme Mann nicht wegen Blasphemie vor das Amtsgericht Zehlendorf Mitte bringt?
Vielleicht so: wenn Schneider kein Pope, sondern ein ganz normaler Mann wäre, müsste man ihn für einen Lügner oder einen Geschichtsfälscher halten. Gottlob ist er nicht normal.
Nur nebenbei erwähne ich, dass kein deutscher Journalist bei solch unglaublichen Geschichtsfälschungen auf die Idee käme, den Bischof zu fragen, ob er noch ganz dicht ist. Dieser Geist der Lüge und Ignoranz liegt wie ein Pilz-Mycel über der ganzen BRD und hat auch die Wissenschaft der Geschichte mit giftigem Schleim überzogen.

A) Alles, was vergangen ist, hat mit der Gegenwart nichts zu tun. Moralischer Urteile über Kreuzzüge oder sonstiger frommer Schandtaten sollte man sich enthalten. Heute sei das einfach und überheblich. Erstmal müsse man sich in jene Zeiten hineinversetzen, und zwar so lange, bis alles Verstehen zum Verzeihen geworden wäre. Dieser amoralische Szientivismus wird als Dogma in unseren Hochschulen gelehrt. Dann wundert man sich, dass nicht nur Ökonomen, sondern auch Geisteswissenschaftler bekennende Antinomiker sind. (Wie moralistisch sie in ihrem Privatleben herumkommandieren, möcht ich gar nicht wissen.)

B) Alles, was vergangen ist, ist zwar vergangen  aber dennoch zeitlos gültig. Das Vergangene bestimmt wortwörtlich unser Leben, obgleich wir den Buchstaben des Vergangenen derart verdreht und verstümmelt haben, dass die heutigen Texte mit den Originalen nichts zu tun haben. Das klingt nach Abrakadabra. Dennoch halten sich die meisten Deutschen an solchen Vieldeutigkeiten fest und definieren sich als Christen, obgleich sie keine Ahnung vom Christentum haben.
Wäre es nicht eigenartig, wenn ein altes Mütterchen bei der sonntäglichen Frühmesse sich für eine  Muslimin hielte? Oder für eine Taoistin, (wenn sie solche Begriffe überhaupt kennen würde)? Jeder Priester würde sie gütig beiseite nehmen, den nächsten Doktor verständigen und fragen, ob Mütterchen wegen Alzheimer in Behandlung sei.
Nicht so bei pumperlgesunden Deutschen. Sie nennen sich Christen  andere Philosophien oder Religionen sind ihnen gänzlich unbekannt, weshalb es für sie gar keine Alternativen gibt , obgleich sie nicht mal wissen, wo ihre Familienbibel liegt. Hier beansprucht jeder Neugermane unbegrenzte Deutungshoheit über seine Selbstbezeichnung.
Man sollte mal zum Arzt gehen und behaupten, man werde nur noch drei Tage leben, weil man einen unheilbaren Tumor bei sich entdeckt hätte. Würde der Arzt sagen: s’ist ein Pickel auf der Nase, damit können Sie uralt werden, würde der Patient seine unantastbare Würde zur beliebigen Selbstbezeichnung ins Feld führen und den Arzt beim Verfassungsschutz verpfeifen. Womit wir wieder bei EKD-Schneider wären.

Worum geht’s? Die EKD hat ein neues „Orientierungs-Papier“ herausgebracht und alte Positionen zur Ehe, zum Schwulsein, die sie jahrhundertelang mit ehernen Bibelworten verteidigten, aufgeweicht und zeitgemäße Positionen eingenommen, die sie für pluralistisch hält.
Dürfen dies die Lutheraner, die doch dem Motto gehorchen müssen: sola scriptura? Alles, was in der Schrift steht, muss wortwörtlich verstanden werden. Das Wort sie sollen lassen stahn und kein Dank dafür haben.

Nicht, dass Kirche nicht menschlicher werden dürfte. Selbst Popen sollen gelegentlich lernfähig sein. Nur: wie vollbringen sie das artistische Kunstwerk, ihre traditionellen Positionen, die sie bislang mit Hauen und Stechen aus kernigen Bibelsprüchen ableiteten, völlig zu verändern, ja ins Gegenteil zu verkehren  und dieselben immer noch mit Bibelsprüchen zu rechtfertigen? Sind das nicht rabulistische Blendwerke zur Verdummung des Volkes und zur Selbstbelügung?
Entweder sie haben die alten Bibelstellen falsch verstanden, dann müssten sie bekennen: Kirchgänger und Schäfchen, sorry, bis jetzt haben wir nichts kapiert. Ab jetzt verstehen wir ganz anders.

(Nur nebenbei: im mündigen Protestantismus kommen keine Schäfchen auf die Idee, selbst in ihre biblia sacra zu schauen und zu prüfen, was ihre exegetischen Vordenker für Hexenkünste betreiben. Ganz objektiv muss man sagen: aufgeweckte Katholen sind informierter über ihren Glauben als Protestanten, deren geistliche Erkenntnisse gegen Null tendieren und selbst diese Null ist falsch.)

Oder sie müssten sagen: die alten Texte können uns mal. Ab heute lösen wir uns von den göttlich sein wollenden Zensurdenkverbotstexten und denken nur noch, was wir selber denken. (Denk- und Meinungsfreiheit gehören bekanntlich zum Grundverständnis der Demokratie. Alle Bibeldenkverbotsinstanzen müssten sofort in Straßburg angezeigt und verboten werden.) 

Wie begründet Schneider seine Meinungsänderung?

„Die Orientierungshilfe beschreibt eine Veränderung der kirchlichen Perspektive. Die Aufgabe war: Schaut euch die Veränderungen in unserer Gesellschaft an, und zwar unter rechtlichen und soziologischen Gesichtspunkten und bedenkt das theologisch!“

Hängt das Wort Gottes von veränderlichen Zeiten, Zeitströmungen und Modephilosophien ab  oder hängt umgekehrt die irdische Zeit vom unveränderlichen Wort Gottes ab? Wer  Wen? fragte Lenin. Was ist die maßgebliche Instanz? Wer bestimmt was? Bestimmt das Wort die Zeit  oder die Zeit das Wort?
Wer auf lutherischem Boden steht, muss antworten: das ist doch keine Frage. Natürlich bestimmt Gott über die sündige, vergängliche und immer irrende irdische Zeit. (Das ist übrigens der Grund für Benedikt und alle konservativen Päpste, keine Neuerungen zuzulassen. Heute sind Katholen protestantischer und bibelgemäßer als Protestanten. Jede Änderung, die sich nicht auf den Wortlaut der Schrift bezieht, müssen sie als Teufelswerk ächten.)

Schneider wäre glaubwürdig, wenn er sagte: Schluss mit sola scriptura. Wir deuten die Schrift wie wir wollen und hängen uns unerbittlich an jeden Zeitgeist. Der Zeitgeist wäre dann die unfehlbare Quelle aller Deutungen. Dies war das Auslegungsprinzip des mittelalterlichen Katholizismus, der sich nicht nur auf Bibel und Kirchenväter, sondern auf das Wirken des Geistes im Volk berief. (Das Heiratsverbot für Priester steht in keiner Bibel. Das Fest Fronleichnam  das Fest der frohen Leiche  wurde erstmal 1246 in Lüttich gefeiert.)

Wir sehen, dass Katholizismus und Protestantismus ihre Positionen vertauscht haben  ohne es ihren Gemeinden mitzuteilen. Die theologische Meinungsherrschaft residiert völlig abgehoben oberhalb der Laienebene. Etwas Unmündigeres als papistische und protestantische Gemeinden ist nicht denkbar. Aus solchem Stoff ist die Mehrheit unserer demokratischen Gesellschaft. Noch Fragen, Kienzle?

Woher eigentlich sollen selbstdenkende Demokraten kommen, die „ohne Leitung eines anderen“ (Kant) zu denken wagen, wenn alles nach der Pfeife der Priester tanzt? Natürlich denken die Schäfchen nicht akkurat so, wie ihre Hirten es ihnen vorschreiben. Ihre abweichenden Meinungen treiben sie zwar aus den Kirchen  Abstimmung per Füßen , aber nicht so konsequent aus den verinnerlichten Dogmen ihrer Kindheit hinaus, dass sie sagen könnten: Schluss mit Christentum. Wir wollen menschenrechtliche Demokraten sein und sonst nichts.
Noch immer glauben und vermuten sie, dass ihre ethischen Grundpositionen in den heiligen Schriften verankert sind. Überprüfen aber werden die Deutschen ihre Vermutungen in den nächsten 100 Jahren nicht mehr. Warum? Weil sie fürchten, dass sie ihre letzten „Glaubensreste“ verlieren könnten und aus psychischen Gründen die völlige Lösung vom himmlischen Vater nicht ertrügen. Noch immer müssen sie wie der Verlorene Sohn zu Vatern zurückkriechen, wenn sie mal den Ausreißerversuch zu den Schweinen in der Welt unternommen und ihr ganzes Erbe auf den Kopf geschlagen haben.

Dies ist der durchschnittliche Standard der psychischen Mündigkeit in Deutschland. Ein bisschen selbst denken  aber immer mit Rückversicherungsblick zu Vatern, dass er einen in der größten Not doch noch retten möge. (In der Psychologie sind Rückversicherungszwänge anerkannte Neurosen, deren Behandlung jede Krankenkasse zahlen muss.)

Die arabischen Staaten sind gerade dabei, sich diesen Standard auch zu erobern. Selbst die fortschrittlichsten Demokraten in Ägypten legen noch immer Wert auf Verträglichkeit mit dem Koran. Dieser mühsam erkämpfte Standard wird  auch bei momentanem Rückfall zur Militärdespotie  so schnell nicht aus den Köpfen weichen. Die nächste Revolution wird erheblich weiterkommen.

Auch in Europa hat es viele Pendelbewegungen gegeben. Ausgerechnet die Deutschen, die anderen Völkern keine Demokratie zutrauen, haben überhaupt keine Revolution zustande gebracht. Der Aufstand des Ossivolkes war gewiss mutig, aber ohne polnische, ungarische und sonstige Vorarbeiten wäre er nie möglich gewesen.

(Gestern war der größte und bekannteste journalistische Tourist bei Illner: Peter Scholl-Latour. Es habe keinen arabischen Frühling gegeben, behauptete er, um seine altbekannte These zu unterstreichen: anderen Völkern könne der Westen keine Demokratie aufzwingen. Dass der umtriebige Deutsch-Franzose bis heute zwischen Anstecken-durch-Vorbild und Zwangsbeglücken nicht unterscheiden kann, ist das Eine. Dass er, nicht anders als Helmut Schmidt, ein apokrypher Herrenmensch ist, der „Sumpfnegern“, Chinesen und anderen Wilden keine Demokratie zutraut, ist das Andere.)

Schneider will Veränderung, weil die Zeiten sich verändert hätten. Damit steht er nicht mehr auf dem Boden des Luthertums, sondern hat sich von sola scriptura verschiedet, ohne es in „intellektueller Redlichkeit“ (ein Begriff aus den Anfängen unserer Republik, warum nur ist er spurlos verschwunden?) zuzugeben.
Die Interviewerin fragt erstaunlicherweise mal nach: „Kein Kniefall vor dem Zeitgeist also?“

Antwort Schneider: „Nein. Aber wir versuchen, uns auf der Höhe unserer Zeit dem Wirken des Heiligen Geistes zu öffnen, denn er ist der „rechte Zeitgeist“, wie Bonhoeffer sagt.“

Der Zeitgeist wird zum Heiligen Geist erklärt  und damit ist die Lizenz zur grenzenlosen Anpassung an jede Modelaune der Gegenwart erteilt. Entweder ist der Zeitgeist die oberste Behörde heiliger Auslegung, dann brauchen wir keine alleinseligmachende Scriptura mehr. Oder es bleibt beim unfehlbaren Wort der Schrift, dann hat der Heilige Geist als Zeitgeist ausgedient.
Entweder Verbalinspiration (jedes Wörtchen der Schrift ist unfehlbar von Gott persönlich diktiert)  oder keine Verbalinspiration. Dann müsste sola scriptura in die Abstellkammer der Kirchen. Beides zusammen geht nicht.
Realinspiration ist das andere Kunstwörtchen der Gottesgelehrten: nicht jeder einzelne Buchstabe, sondern nur der Sachgehalt ist unfehlbar. Die Sache 
unterliegt der Deutung der Menschen. Wenn völlig beliebige Deutungen ins Spiel kommen, ist der Willkür Tür und Tor geöffnet.
Nehmen wir zum Vergleich Platon. Um die wahre Meinung eines Autors muss wohl gerungen werden. Doch grenzenlose Willkürdeutungen sind ausgeschlossen, die keine Probleme haben, anderen ein X für ein U vorzumachen. Würde Platon gedeutet werden wie die Bibel, wäre er der Pate von Heidegger über Adorno bis Sloterdijk.

Wenn Homosexualität in der ganzen Bibel als schreckliche Sünde deklariert wird, kann man mit keinem exegetischen Kunststück der Welt das Gegenteil aus der Schrift herauslesen.

„Deshalb gab sie Gott dahin in schändliche Leidenschaften, denn die Frauen verwandelten den natürlichen Verkehr in den widernatürlichen. Gleicherweise verließen auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau und entbrannten gegeneinander in ihrer Begierde, sodass Männer mit Männern Schande trieben und den verdienten Lohn ihrer Verirrung an sich selbst empfingen.“ (Röm. 1, 26 ff)

Mit welchen Zauberkunststücken kann man diesen Text ins Gegenteil verkehren? Auch Homos seien von Gott Geliebte, wenn Paulus sie in die unterste Hölle flucht?

Es war der romantische Theologe Schleiermacher, der das lutherische Prinzip des sola scriptura über den Haufen warf. Jeder Christ, schrieb der feinfühlige Herzensgläubige  der von Hegel verspottet wurde: wenn das Gefühl schlechthiniger Abhängigkeit die Grundlage der Religion wäre, wäre jeder Hund der beste Christ  müsse seine eigene Bibel selber schreiben können. Denn in jedem Christ waltet der Geist.
Eine klare Absage an die autoritäre Schriftauslegung der Lutheraner, die, gespickt mit Bibelsprüchen, jeden Andersdenkenden niederschmettern konnten. (Diese Form der Debatte war lutherisch. Mit einer argumentierenden Debatte hatte sie nichts zu tun. Insofern war sie das Gegenteil einer demokratischen Auseinandersetzung: dies gegen Schneider gesagt.)

Wenn man will, hat Schleiermacher Luther erneut lutherisiert. Der Gläubige braucht keinen Priester-Vermittler zwischen sich und dem Himmel (Luther), er braucht aber auch keinen autoritären Deuter zwischen sich und der Schrift (Schleiermacher). Jeder Christ ist mündig und hat das absolute Deutungsrecht über die Schrift.
Damit aber ist die heilige Schrift überflüssig geworden. Denn jeder schöpft aus dem Fundus seines eigenen Geistes, der identisch ist mit dem Heiligen Geist. Das war das autonome Ich Schleiermachers, vergleichbar dem gottähnlichen Ich seines Berliner Kollegen Fichte.

Schneider muss zugeben, dass Luther gar nicht so buchstabengetreu hantierte  den Jakobusbrief hielt er für eine stroherne Epistel , sondern freizügig mit den heiligen Texten verfuhr:

„Da begegnet uns manchmal ein merkwürdiges Verständnis von „sola scriptura“! Schon Martin Luther würde vor einem solchen buchstabengetreuen Bibelverständnis nicht bestehen. So hat er manche Bibeltexte nicht wörtlich, sondern im Sinn der wesentlichen Aussagen seiner Theologie übersetzt. Und auch heute können wir beim Lesen und Bedenken der Bibel das hermeneutische Problem nicht einfach ignorieren. Wir müssen fragen: Was ist die eigentliche Intention der biblischen Aussage und wie muss diese für heute übersetzt werden.“

War Gott beim Diktieren der Schrift etwa geistesabwesend, dass der Wortlaut nicht mit dem übereinstimmte, was Er eigentlich meinte? Diesem prädementen Gott will Schneider aufhelfen, indem er Ihm sagt: Hör zu, Alter, Dein wirres Zeug müssen wir verbessern. Sonst führst Du Deine Schäfchen in die Irre. Deutsche Theologen erteilen ihrem schreibschwachen Gott Nachhilfeunterricht in Unfehlbarkeit. Ein bühnenreifer Stoff, den nicht mal Ionesco erfinden könnte.

Hat sich die EKD nun dem Zeitgeist angepasst? Iwo. Drei Schritte vor und mindestens zwei zurück. Die Schwulen sollen gleichgeliebte Geschöpfe Gottes sein, doch gleichberechtigte Wesen könnten sie nicht sein. Begründung? Traditionen solle man nicht just for fun übern Haufen werfen.

Plötzlich gilt wieder der Zeitgeist des Mittelalters. Wie es den Herren auf der Höhe ihres Feldherrnhügels so beliebt:

„Zunächst einmal, weil die Ehe zwischen Mann und Frau und die eingetragene Lebenspartnerschaft von Mann und Mann und von Frau und Frau traditionell unterschiedliche Dinge sind. Und Traditionen sollten wir nicht vorschnell über Bord werfen. Ich bin sehr dafür, alle Diskriminierungen zu beseitigen, aber ich sehe keinen Sinn darin, alle unterschiedlichen und unterscheidenden Begrifflichkeiten einzuebnen. Zum anderen hat die „Weitergabe des Lebens“ in einer Ehe doch ein anderes Gewicht als in eingetragenen Lebenspartnerschaften.“

Alles soll gleich werden, indem alles ungleich bleibt.

Vor soviel logischer Kompetenz des Heiligen Geistes muss man niederknien und anbeten. Herr, ich glaube, weil es so absurd ist.