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Freitag, 02. August 2013 – Herz- und Nierenprüfer

Hello, Freunde Snowdens,

Amerika droht noch nicht mit einem neuen Krieg, aber die nächsten Treffen mit Putin werden schon in Frage gestellt. Es ist, als ob Mr. Obama persönlich übel nähme. Ohne persönliche Gespräche gäbe es auch keine Verhandlungen über Syrien, wo ein aussichtslos scheinender Bürgerkrieg tobt. (Sebastian Fischer und Marc Pitzke im SPIEGEL)

„Ob Snowden das gewollt hat?“ fragte ZDF-Kleber beiläufig in seiner Moderation. Snowden ist nun auch schuld am syrischen Elend? Vielleicht auch an der Sommerhitze und der Wasserknappheit in der Sahara? Warum wird Kleber wegen Irreseins nicht vor laufender Kamera entlassen?

Die Logik des drahtigen Herrn mit dem misstrauischen Gesicht – misstrauisch gucken, halten Journalisten für ein Markenzeichen ihres Gewerbes – ist die: wer mit einer guten Tat eine Kausalkette in Gang setzt, ohne dass er die Folgen bis in alle Ewigkeit überblickt, ist ein verantwortungsloser Gauner. Nein, noch schlimmer, ein Gutmensch.

Gutmenschen stehen unter Verdacht, die unbeabsichtigten Folgen ihres Tuns nicht einzukalkulieren und blind an die guten Folgen ihrer Taten zu glauben. Sie setzen eine Handlungslawine in Gang, die sie nicht überblicken. Insofern sind sie schlimmer als Mr. Kleber, der niemals ein Whistleblower sein könnte. Seine Karriere spulte sich immer entlang der öffentlich-rechtlichen Anpassungsfähigkeit ab. Immer nach oben.

Bei Übelmenschen sehen deutsche Anchormen keine Kausalketten. Wer nichts tut, kann nichts Böses tun. Also haltet euch raus aus dem Weltengetriebe, ihr

Gutmenschen. Nicht mal der Erlöser am Kreuz kann die Erwartungen der Kleber-Companie erfüllen, das fällt dem frommen Nachrichtenmann gar nicht auf. Wenn man bedenkt, welche Scheußlichkeiten die Erlösungstat nach sich gezogen hat, sollte man den Urheber dorthin verfrachten, wo jener seine schlimmsten Feinde hinwünschte: in die tiefste Hölle.

Im Revier der Religion aber gilt eine andere Kausallogik. Wenn das Heilige böse Folgen nach sich zieht, ist – die böse Welt daran schuld. Der Heilige ist immer unschuldig und unantastbar. Snowden ist nicht Christus – vielleicht sogar ein Gottloser? –, also muss er für die üblen Folgens seiner guten Tat schon selbst aufkommen.

Als Kleber nach Hause kam, fiel er in der Altarecke seines Hauses auf die Knie und sprach ein Fürbittengebet für den verwirrten USA-Flüchtling, der sich anmaßt, die Welt vor dem Übel zu erretten. Kann das nicht nur jener, der vom Himmel dazu vorgesehen ist?

Wie lautet noch mal die Hauptbotschaft des Neoliberalismus? Menschen, werdet risikofreundlich. Was nichts anderes bedeutet als: Deutsche, grübelt nicht so lang über schlechte oder schlimme Folgen eures Tuns. Tut einfach was.

Der kühne Ratschlag muss wohl nur für wirtschaftliche Dinge gelten. Im Moralischen solltest du das Gegenteil tun: warten und den Kopf einziehen, bis der Herr der Geschichte kommt. In der Wirtschaft kannst du die Existenz der Natur und die Lebenschancen vieler Menschen aufs Spiel setzen – kein Kleber käme auf die Idee, Bill Gates die NSA-Folgen seiner Computer-Erfindungen in die Schuhe zu schieben. That’s life, life is life und damit Punkt.

Was lernen wir daraus? Die Guten, die sich anmaßen, die Welt zu verbessern, sind die wahren Bösen, die unter dem Vorwand des Guten etwas in Bewegung setzen und insgeheim jauchzen, wenn ihre guten Taten sich ins Gegenteil verkehren. Das Gute ist zur Maske des Bösen geworden. Das Böse hingegen versteht sich von selbst.

Das lernen sie schon im Kindergarten, dass der Wolf der Böse ist. Im Religionsunterricht wird das hinterhältige Vieh zum Widersacher des lieben Gottes, der nur von oberen Mächten bezwungen werden kann. Der Mensch kann nichts gegen ihn ausrichten.

Wenn Snowden in den USA vor ein Geschworenengericht käme, würden die Machenschaften der Schnüffler in aller Öffentlichkeit bekannt und debattiert werden. Die Stimmung der amerikanischen Bevölkerung scheint zugunsten der Whistleblower umgeschlagen zu sein. Keine guten Perspektiven für die persönlichen Rachebedürfnisse des Mr. O.

Wer ins Weiße Haus einzieht, vielleicht sogar zum zweiten Mal, sollte eine Versicherung gegen Persönlichkeitsveränderung abschließen. Der linke Bill Clinton entdeckte im Amt die Wirtschaft, die er vorher nur vom Hörensagen kannte. Sein Spruch: it’s economy, stupid, sagte er zu sich selbst.

Rechtsprofessor Obama entdeckte erst im Amt, wie unrecht es in der Welt zugeht – das wusste er vorher nur aus Fallbeispielen in seinem Rechtsseminar. Schnell entschlossen sagte er sich: Da muss doch was zu machen sein. Das Böse müssen wir mit der Wurzel ausrotten. Nach Konsultationen mit seinem Hausprediger erfuhr er, wo das Böse sitzt: im menschlichen Herzen, in das nur Gott blicken kann.

Sind wir, fragte er sich, laut biblischen Aussagen nicht gottgleich? Lasset uns also einen Turm bauen, von dem aus wir die ganze Welt überblicken und jedes sündige Herz mit Gottes Prismenaugen durchdringen können, sagte er seinen IT-Fachleuten. Was die prompt taten. Schon die ganze Zeit waren sie begierig, ihre unvergleichlichen Schnüffelkenntnisse in weltweitem Umfang anzuwenden. Nun erforschen ihre blinkenden Maschinen im Auftrag Gottes das Innere der Menschen.

Gott ist das Vorbild aller Psychoanalytiker, die ihre Patienten besser kennen als sie sich selbst. „Ich, der Herr, erforsche das Herz und prüfe die Nieren, einem jeden zu vergelten nach seinem Wandel, nach der Frucht seiner Taten.“ Ein interessantes Wort. Gott will die Menschen in ihrer Tiefe erkennen, um sie gehörig zu bestrafen. Ganz im Gegensatz zu Mr. O. Der will das Innenleben des homo sapiens erforschen, um die Schönheit der menschlichen Seele zu preisen.

Warum muss man ins Herz sehen, um die Taten des Menschen zu erkennen? Taten sind äußerlich, jeder kann sie beobachten. Genügt es nicht, die äußerlichen Taten zu sehen, um sie angemessen einzuschätzen? Wozu müssen wir ins Unsichtbare dringen, um das Sichtbare zu bewerten? Um diese Frage zu beantworten, erinnern wir an die Baum-Frucht-Metaphorik in Neues Testament > Matthäus 7,16 / http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/7/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/7/“>Matthäus 7,16:

„An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Erntet man etwa von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen? Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor, ein schlechter Baum aber schlechte. Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen und ein schlechter Baum keine guten. Jeder Baum, der keine guten Früchte hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen“.

Wenn man Menschen an ihren Früchten – ihren äußerlichen Taten – erkennen kann, müssen wir den Baum nicht anbohren, um eine Probe des inneren Stammes im Labor untersuchen zu lassen, um vom Baum auf die Früchte zu schließen. Gesunde Bäume können keine kranken Früchte hervorbringen. Wenn es zwischen Baum und Frucht keine „dialektischen Verwirrspiele und Kippbewegungen“ gibt, geben die Früchte ein klares und unmissverständliches Zeugnis von der Qualität des Baumes.

Wozu also die ganze Tiefenforschung, wenn Taten eindeutig sind? Sind die Taten von Snowden und Manning nicht eindeutig? Wie kommt es, dass dieselbe Tat von Beobachtern diametral anders gedeutet werden kann?

Die seligen Zeiten der Einlinigkeit zwischen Innen und Außen sind spätestens seit Augustin vorüber, der es partout nicht leiden konnte, dass Ungläubige gute Taten und Gläubige Verbrecher sein konnten. Sokrates war den frühen Theologen ein Dorn im Auge. Er war das Vorbild für Jesu, das von dessen Anhängern verdunkelt werden musste. Damit das Licht ihres Herrn und Erlösers umso heller scheine und der Heide als gewiefter Heuchler erscheine.

Schon wieder George Orwells Problem, anerkannte Wahrheiten im Interesse einer neuen Macht ins Gegenteil zu verkehren. Wahrheiten müssen ständig überprüft werden können. Doch hier ging es nicht um Prüfung, sondern um Denunziation und Verteufelung im Auftrag des Allmächtigen.

Augustin hatte sein Neues Testament genau gelesen und wusste, dass man den gesund wirkenden Baum in einen kranken  und  gut scheinende Früchte in verfaulte verwandeln musste. So kam der berüchtigte Satz zustande: die Tugenden der Heiden sind goldene Laster. Außen hui, innen pfui. Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott sieht das Herz an.

Dazu die komplementäre Strategie, die bös scheinenden Taten der Frommen in wahrhaft gottwohlgefällige zu verwandeln. „Liebe – und tu, was du willst.“ Wenn der Mensch voller Liebe ist – die er nur als Geschenk von Gott haben kann –,  müssen auch seine Taten Liebestaten sein. Desgleichen Luthers Satz: „Sündige tapfer, aber glaube“. Im Namen christlicher Liebe kann man Menschen foltern, rösten und töten. Hauptsache, die dient dem guten Zweck, den Ungläubigen ins den Himmel zu befördern.

Die Zerstörung der Einlinigkeit zwischen Innen und Außen war nur möglich, wenn man den Baum als Metapher für die alles entscheidende Motivation einführt. Ist der unbekannte Baum in seinem Innern – also die Motivation – gut, muss die sichtbare Tat auch gut sein: selbst wenn der Augenschein dagegen spricht. Und vice versa: ist die unsichtbare Motivation böse, muss die aus ihr folgende Tat böse sein – und käme sie noch so tugendhaft daher.

Damit war Polen offen. Die schlichte und einfache Eindeutigkeit zwischen Außen und Innen war für immer perdu. Die Dinge zwischen Baum und Borke, zwischen Motivation und Tat wurden verwickelt und komplex. Ein-fältigkeit entspricht der eindeutigen Beziehung zwischen Innen und Außen: das Herz hat nur eine Falte, die das Innere unverfälscht nach außen transportiert.

Verwandelt sich die gute Motivation auf dem Weg nach außen in eine böse Tat, hat sich die Ein-fältigkeit in Viel-Fältigkeit verkompliziert. Aus dieser Sicht ist es unsinnig zu behaupten, man müsse sich selbst am besten kennen. In der Moderne ist die Selbstsicht durch so viele Interessen zusammenge-faltet, umgeleitet und fehlgeleitet, dass ein fremder Seelenkenner uns besser erkennen kann, als wir uns selbst. Was nicht bedeutet, dass Seelenklempner unfehlbar wären, wie sie selbst meinen.

Aus einer Falte wurden viele Falten, die den Weg der Tat so verkomplizieren, dass heute keiner mehr durchblickt. Die Entwicklung des Simplizius Simplizissimus in einen komplexen Bourgeois, der sich selbst nicht mehr wiedererkennt, wiederholt die Entwicklung der Menschheit vom einfältigen zum vielfältigen Wesen.

Meist sagt man, die Kulturen gewisser Ureinwohner und Indianerstämme seien primitiv, weil sie einfältig seien. Kennt man ihre Körpersprache, kann man ihnen ihre Motivationen an der Nase ablesen – wie bei Kindern und Naiven. Ihre Taten sprechen für sich. Einen eingebauten Widerspruch zwischen Innen- und Außensicht gibt es nicht.

Man braucht keine Ideologiekritiker, Soziologen und Psychologen, um Kinder, Naive und Einfältige in einem komplizierten Vorgang zu durchleuchten. Die moderne Bourgeoisie hingegen hat viele Jahrhunderte lang trainiert, ihre wahren Beweggründe hinter Masken der Höflichkeit und ausgefeilten Rollenspielen zu verbergen, um Gegner in die Irre zu führen. Die feine Gesellschaft wurde zum Turnierplatz hochkarätiger Schauspieler, die ihre Konkurrenten mit berechnender Höflichkeit für sich einnehmen können, um sie zu übertölpeln und zu manipulieren.

Das Rollenspiel der Eliten wäre undenkbar ohne die Verwandlung der Einfalt in Vielfalt, des Simplexen ins Komplexe. Inzwischen ist die Moderne im Meer ihrer selbstfabrizierten Komplexitäten ersoffen. Keiner blickt mehr durch. Letztes Beispiel die Finanzkrise. Selbst Fachleute hatten keinen Durchblick, wagten es aber nicht, sich ihre Überforderung einzugestehen und der Öffentlichkeit kund zu tun. Sie mimten mit Chuzpe die Kenner des Verfahrens.

Lautstarke Trompeter der Eliten – unter ihnen Ex-Präsident Herzog – wurden nicht müde, dem Pöbel verstehen zu geben, dass die Welt zu komplex ist, um von Simpeln ohne Doktortitel verstanden zu werden. Hier zeigte sich: wäre eine moderne Gesellschaft für Normalgehirne zu kompliziert, könnte die Demokratie ihre Pforten schließen.

Inzwischen wissen wir, dass die Eliten Zauberlehrlinge waren, die ein illusionäres Komplexitäts-Theater inszenierten, das ihnen selbst den Kopf vernebelte. Wer es wagte, Einfältigkeiten loszuwerden wie: Geld regiert die Welt oder: Tycoons sind amoralisch, wurde nicht mehr ernst genommen.

Solche uralten Sprüche, die deshalb nicht falsch sein müssen, war den meisten Edelschreibern zu unterkomplex. Sie fühlten sich unterfordert, wenn sie nicht mit Foucault und ähnlich-hochkomplexen Windbeuteln einen Wirbel veranstalten konnten, dass ihnen Hören und Sehen verging. Einen schöneren Tod als Absaufen in selbstreferentiellen Komplexitäten kann man sich nicht wünschen.

Wie ist der Wandel von der einfältigen zur multidimensionalen, multipolaren Multi-Welt zu erklären? Nein, es ist nicht die Moderne, es ist die religiöse Moderne. Mathematik ist nicht überkomplex, sie ist ganz einfach, das macht sie so schwer. Auch Natur ist einfach, aber unergründlich. Kommt zur Natur aber eine Über- und Gegennatur hinzu, die die Natur erschaffen haben will, um sie wieder in die ewigen Jagdgründe zu schicken, dann wird’s unübersichtlich.

Schon der überkomplexe Anfang: alles war sehr gut, kurz danach war alles sehr schlecht, Übernatur wollte Natur vertilgen, weil sie über Nacht wegen einer einzigen Frau unkorrigierbar verdorben war. Seitdem gilt die Welt als vollkommen, gleichzeitig als verdorbens- bis vernichtenswert. Kommt noch jemand mit?

Der Schöpfer soll ein liebender Vater sein, gleichzeitig schickt er 110% seiner Kreaturen in die Hölle. Versteht das jemand? Ach so, soll man nicht verstehen: Geheimnis des Glaubens. Vermutlich ist die moderne Ökonomie ebenfalls ein großes Geheimnis, an das wir glauben  müssen.

Die Erlösungsreligion verdoppelt nicht nur die Welt. Sie spaltet auch. Die Natur selbst. Auf einmal gibt es zwei völlig unterschiedliche Menschenarten. Die normalen und natürlichen – und die erwählten und übernatürlichen. Letztere sind die eigentlichen Menschen. Die anderen sind Untermenschen, die eines Tages dafür bestraft werden, dass sie nur natürlich waren. Die übernatürlichen sind die Besonderen, die Lieblinge Gottes.

Gehört Botho Strauß zu den Lieblingen Gottes, weil er ein Besonderer sein will? Seine Definition des Besonderen klingt nach Eremiten in der Wüste. Doch die christlichen Sonderlinge hatten wenigstens ihren Herrn im Himmel, unter dessen väterlichem Blick sie sich als Besondere vorkommen konnten. Wenn Strauß keinen Gott hat, muss er den Weg in die verhasste Öffentlichkeit antreten, um ausgerechnet sie, auf die er herabschaut, von seiner Besonderheit zu überzeugen. Dafür hasst er die Öffentlichkeit umso mehr.

Der einsame Schriftsteller auf dem Lande will das Besondere rehabilitieren, damit er – ein Idiot bleiben kann. Idiotes heißt aber nicht der Besondere, wie Strauß phantasiert, sondern der sich Absondernde, der Privatmann, Laie, Stümper (nach Langenscheidt). Also der Nichtpolitische. Da es in Athen eine Demokratie gab, war derjenige ein Idiot, der sich von der Polis fern hielt, sich an den Früchten der Freiheit aber delektieren wollte. Ein Idiot war ein Parasit.

Kein Zufall, dass das Wörtchen Demokratie bei Strauß kaum vorkommt. Demokratie ist kein Problem, das ihn beschäftigen würde. Gäbe es wieder totalitäre Schergen, würden sie ihn beim Spazierengehen über die Scholle gar nicht bemerken. So hofft er, der sich einzigartig, unverwechselbar und unvergleichlich fühlt, im Gegensatz zu den Vielen und Überflüssigen, die er verächtlich Plurimi nennt. Seine Vorläufer in Einzigartigkeit hatten noch von Massen gesprochen.

Hätte der Einsame etwas von Demokratie verstanden, wüsste er, dass im Volk der Gleichberechtigten jeder Mensch ein Besonderer ist. Was er sich durch Rückzugsgehabe und eitles Spreizen nicht ständig beweisen muss. Gleichheit ist keine Gleichmacherei, wie Tycoons und ihre hayekianischen Hilfstruppen behaupten. (DER SPIEGEL 31/2013:“Der Plurimi-Faktor“ Essay von Botho Strauß)

Geldmänner in ihrer absolut verwechselbaren Gier sind viel uniformer als stolze Demokraten, die auf dem Marktplatz ihre durchdachte Meinung sagen und die Fähigkeit der Verständigung und des sozialen Ausgleichs beherrschen. Hier kann jeder sein, wie er will, wenn er jedem anderen gestattet, zu sein, wie er will.

In Geldsystemen, die viele Menschen ins Elend bringen, kann niemand sein, wie er will. Hier gibt’s keine individuelle Freiheit mehr. Tycoons müssen den ganzen Tag Kohle machen, sonst werden sie von anderen Tycoons verachtet, wenn sie auf der Liste der Reichsten nicht mehr auf Platz eins sind.

Gewiss sollte jeder Mensch die Möglichkeit haben, sich einmal im Leben grundsätzlich von allem Trubel zu verabschieden, um aus Distanz herauszukriegen, was er von Gott und der Welt hält. Doch hat er seinen Standpunkt gefunden und er teilt ihn nicht seinen Mitmenschen mit, damit sie ihre eigenen Meinungen überprüfen können, dann ist er kein Besonderer, sondern ein ordinärer Menschen- und Demokratiefeind.

Der Erlösungsglaube machte aus einer Menschheit zwei Populationen, die nichts miteinander gemein haben. Auch wenn sie im täglichen Leben nicht unterscheidbar sind. In Gottes allwissendem Auge sind sie zwei Gattungen. Die schnöde Mehrheit derer, die verloren geht – und die winzige Minderheit derer, die das Weltenspiel gewinnen wird. Der Riss geht mitten durch die Familien und trennt für immer, was sich auf Erden liebte.

Die einen sind die Guten, auch wenn sie Böses tun, die anderen die Bösen, auch wenn sie Gutes tun. Die einen sind Kinder Gottes, die anderen Kinder des Teufels. Die auserwählten Bäume sind gut, auch wenn sie ungenießbare Früchte tragen, die verworfenen Bäume sind unrettbar, auch wenn sie die schönsten Früchte zeigen.

Die eine Hälfte der Welt ist das komplette Gegenprogramm zu der anderen. Beide Hälften sind ineinander verhakt und kämpfen verbissen miteinander – an der Oberfläche aber lächeln sie sich zu. Sie sind Anhänger der multidimensionalen Welt und lieben das Motto: je bunter und vielfältiger, je besser.

Sie merken nur nicht, dass die Buntheit nicht echt, sondern ein Kampf auf Leben und Tod ist. Die Besonderen Gottes müssen die Natur im Auftrag ihres Herrn ruinieren, damit das Elend ein Ende hat. Die anderen wollen die Natur erhalten, eine zweite Ersatznatur ist ihnen unbekannt. Alles, was die einen für gut halten, empfinden die anderen als teuflische Laster. Alles was die Anderen als Gehorsam gegen ihren Gott empfinden, sind für die einen die letzten Nägel am Sarg der Natur.

Das ist der Grund, warum christliche Amerikaner nicht einfach auf die Taten der Whistleblower schauen und sich sagen: wenn sie gute Früchte zeigen, müssen sie gute Bäume sein. Nein, sie misstrauen den Taten der Angeklagten. Die sehen so vorbildlich aus, dass erfahrene Kenner des Bösen Alarm schlagen: das sind nur gut getarnte goldene Laster.

Diese Verräter haben die falsche Motivation, ihnen fehlt der rechte Glaube. Alles, was sie an vorbildlichen Taten zeigen, sind raffinierte Listen, um uns an der Nase herumzuführen. Wir müssen den Menschen ins Herz schauen, ihre Alltagstaten trügen und täuschen uns.

Das ist der Grund, warum NSA-Algorithmen der Welt unter die Haut schauen müssen. Was die Menschheit den ganzen Tag vor aller Augen treibt, ist nur Rollenspiel und Mummerei. Wir müssen hinter die Masken schauen, um den Weizen vom Spreu zu sondern. Damit die Besonderen Gottes selig werden, der Massenplebs aber zittern und zagen muss.

Hoppla, wo sind wir hingeraten? Wohin haben wir uns verirrt? Ach herrje, ich habe mich verheddert – in meiner eigenen überkomplexen Komplexität.