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Freitag, 01. März 2013 – Die Liebe des Teufels

Hello, Freunde des Papstes,

Deutschland ist ein säkulares Land, dem der heilige Vater abhanden gekommen ist. Papstspiele von morgens bis abends. Sondersendungen auf allen Kanälen. Jedes Räuspern und Spucken wird übertragen. Alles in Wirform. Wir sind nicht mehr Papst. Welchen Titel hat er im Ruhestand? Wie viel Pension steht ihm zu? „Ab jetzt bin Ich nur ein einfacher Pilger“. Mit Schlossaufenthalt am See, bedient von einem ganzen Hofstaat. Seinem Nachfolger gelobt er bedingungslosen Gehorsam. Wie das in heiligen Kreisen eben üblich ist.

Die ganze Politelite beim pompösen Abschiedsgottesdienst. Superdemokrat Ratzinger hat mal im Bundestag der deutschen Demokratie die Leviten gelesen. Wenn Bismarck sähe, wie die deutschen Eliten nach Canossa kriechen, würde er bereuen, das Deutsche Reich begründet zu haben. Wir erleben das genaue Gegenteil des Kulturkampfes, die gottlose Republik wird resakralisiert. Die Kirche hat gewonnen. Die Demokratie frisst sich selbst auf ohne das Heilige.

Was den Amerikanern die civil religion, ist Deutschen die ökumenische Nationalsynthese. Die höchsten Ämter erledigen protestantische Arbeitstiere, die Weihrauchschwaden werden aus Rom importiert. Lutherisches Arbeitsethos und ecclesia triumphans aus dem Vatikan. Was die Einzelkonfessionen nicht zuwege bringen, bringt die politsakrale Gesamtatmosphäre zustande.

Schon der Nationalsozialismus wollte die alten Religionsstreitigkeiten unter dem Sohn der Vorsehung ad acta legen und religiöse Versöhnung feiern. Nach obligaten Demokratielektionen bei unseren Befreiern, ist das spirituelle „ein Volk, ein Land, ein Glauben“ zurückgekehrt. Das könnte das kollektive Deo-dorans der Zukunft

werden. Ein Drittel Demokratie, ein Drittel Maloche, ein Sechstel Wittenberg und ein Sechstel roma aeterna.

Die Deutschen wollen keine Popen in ihrer Nähe sehen, aber der Staat soll mit Prozessionen in den Öffentlich-Rechtlichen zusammengehalten werden. Nichts hält besser als der Kitt Gottes. Jeder übertragene Gottesdienst aus der heiligen Stadt ist das Pendant zum Dschungel-Camp, das man nur erträgt, wenn man das Göttliche als Gegenhalt im Hintergrund wittert. Die Bestie Mensch im wilden Urwald schreit geradezu nach den Pilgermassen auf dem Sankt Petersplatz. Sünde und Vergebung, alles frei ins Haus, man kann es abstellen nach Belieben.

Doch man braucht die Perspektive ins Ewige, weil man die Neuigkeitssucht der Moderne mit ihren Brand- und Zeitbeschleunigern nicht mehr erträgt. Ist es nicht eine Erholung der geschundenen Seele, eine Institution zu erleben, die aus dem Jenseits zu kommen scheint? Unvergänglich, zeitlos, ewig? Welch ein Sedativ für die deutsche Innerlichkeit, die den angelsächsischen Kapitalismus im tiefen Grund schon immer hasste.

Doch die Germans wollen Weltmeister bleiben im Herstellen sinnloser Dinge. Da muss die Seele hintan bleiben und die Klappe halten. Doch einmal im Jahr darf man Mäuschen am Bildschirm spielen und bei Petrus durchs Schlüsselloch kieken. Oh, hast du die Engel gesehen, die würdigen Männer in bunten Soutanen und das blütenweiße Gewand des Vaters aller Menschen – mit Ausnahme jener, die zur Hölle fahren?

Gegen den Papst ist Dabbelju mit seiner Achse des Bösen ein texanischer Rotzbub. Der Kampf gegen das Böse ist von oberster Stelle ausgerufen. Vor 900 Jahren begannen nach solchen Hetzpredigten die Sammelbewegungen für einen lieblichen kleinen Kreuzzug. Gott wollte es.

Der Vatikan ist zum besten Verbündeten der Neucalvinisten überm Teich geworden. Auch hier sind längst atmosphärische Synthesen entstanden, die man früher nicht für möglich hielt. Der Papst bestätigt ex cathedra das Böse, das von amerikanischen Drohnen in Werke des Glaubens umgesetzt wird. Die Drohnen sind die Engel des Himmels, die ihre Flügel ausbreiten und Tod und Verderben über die Ungläubigen bringen. Satan war ein gefallener Engel.

Peu à peu realisieren die Bibelgläubigen ihre Kinderschrecken als technische und politische Wirklichkeit. Die Moderne ist die hochgradige Selbsterfüllung biblischer Allmachtsphantasien. Was sie glauben, stellen sie her. Wenn man per Internet die ganze Menschheit am Bändel hat, ist das allpräsente Auge Gottes schon Realität geworden.

Der Glaube hat schon lange nichts mehr zu tun mit Beten und Bekenntnissen ablegen. Der Aspekt des Fürwahrhaltens ist zu einer Fußnote zusammengeschrumpft. Die Heilsgeschichte ist zur Struktur der Moderne geworden. Zur Geschichte der Technik, des Kolonialismus, der Weltpolitik, der Naturzerstörung. Das Christsein besteht in Taten, die aus einem bestimmten Glauben gekommen sind und diesen schon lange nicht mehr benötigen.

Das geplapperte Credo ist belanglos geworden, weil es die Welt bereits erobert hat. Die entscheidende Frage ist nicht mehr: Bist du Christ, glaubst du an ein höheres Wesen? Oder ähnliche Borniertheiten, die vom Eigentlichen ablenken. Sondern: was tust du? Und weißt du, warum du es tust?

In diesem Sinne sind wir alle werktätige Christen. Ein echter Atheist könnte nur auf dem Mars existieren, doch auch dort hat sich der Virus bereits eingenistet. „Denn alles, was aus Gott gezeugt ist, überwindet die Welt, und das ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: der Glaube.“

Das sind keine Glaubenssätze mehr, das ist Realität rund um den Globus. Den Glauben kann man sehen, tasten und berühren. Der Sieg über die Welt ist real. Der Sieg über die Natur ist real. Der Sieg über die ungläubige Menschheit ist real. Welches Volk kann sich erlauben, die Spielregeln des Westens abzulehnen?

Markus Schulte von Drach hat in der SZ die intellektuellen Leistungen des deutschen Expapstes unter die Lupe genommen. Der päpstliche Jesusexperte wollte seinen Glauben mit der modernen Wissenschaft in Einklang bringen, auf keinen Fall aber die alten Dogmen aufs Spiel setzen. Geht das?

(Markus C. Schulte von Drach über den Papst und die Wissenschaft)

First of all, woran erkennt man auf den ersten Blick das Produkt eines deutschen Schreibers? An seiner Meinungslosigkeit, aus der er die waghaltigsten Folgerungen zieht. Alles gilt nur, doch ist es auch so? „Manchen gilt Joseph Ratzinger als Philosoph.“ Ist er denn einer? „Auf jeden Fall aber gilt es gemeinhin als vernünftig, wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen.“ Ist es denn vernünftig? Der Schreiber versteckt sich hinter dem vornehmen Wörtchen gilt. Wäre der Schein des Geltens ein trügerischer, wären alle weiteren Untersuchungen auf Sand gebaut.

Ratzinger habe sich immer bemüht, Vernunft und Glauben zusammenzubringen, so von Drach. Wer hier schon unerwähnt lässt, dass solche Synthesen aus göttlicher und menschlicher Weisheit gegen fundamentale Äußerungen des Paulus verstoßen, ist nicht auf der Höhe des Themas. Wenn der Dogmatiker nicht mal in Einklang mit der Heiligen Schrift ist, wie kann er das Buch der Widersprüche mit Naturwissenschaft und Philosophie vereinigen? Logisch gesehen ein Unding – und Logik gilt allgemein als Instrument der Vernunft. Und ist es auch.

„Sehet zu, ob euch etwa jemand dieses Glaubens berauben will durch die Philosophie und leere Täuschung, gestützt auf die Überlieferung der Menschen.“ Die aristotelisch verseuchten Katholen haben diese vernunftfeindlichen Äußerungen nie für ernst genommen. Ein nicht unwesentlicher Grund für Luthers Protest, die Vernunft eine Hure zu nennen. (Was immerhin bedeutet, dass Huren Grips im Kopf haben.)

„Nun ist Vernunft mehr als logisches Denken und rationales Verhalten.“ Hier stock ich schon, wer hilft mir weiter fort? Ist denn Vernunft per se ein Mehr-als-Vernunft, ein Glauben? Dann hätten wir die Lösung des Problems schon durch die „souveräne und undogmatische“ Definition der Vernunft erreicht. Herr Drach will schließlich kein bornierter Vernünftler sein. Da könnte er in der frommen SZ einige Schwierigkeiten kriegen.

Wie will er die Widersprüche zwischen Wissenschaft und Dogma auflösen? Das ginge nur, wenn a) der Glauben verändert b) die Wissenschaft verändert oder c) beide verändert werden. Was bevorzugt unser großer Denker?

„Wer jedoch meint, es wäre ihm dabei darum gegangen, Glaubensinhalte zu verändern, weil wissenschaftliche Erkenntnisse dies notwendig machten, irrt. Ratzinger hat es immer mit dem heiligen Anselm von Canterbury, einem Theologen des 11. Jahrhunderts, gehalten: „Ich suche nicht zu begreifen, um zu glauben, sondern ich glaube, um zu begreifen.“ Erst kommt die Glaubensgewissheit – und was Wissenschaftler herausfinden, wird entsprechend interpretiert.“

Womit Ratzinger sich schon a priori als Fälscher durch Deutung entlarvt hat. Die Widersprüche der Wissenschaft werden so lange gebogen, bis ein heilig Wörtchen irgendwie drauf passt. Herr von Drach belieben keine Stellung zu solchen Kleinigkeiten zu beziehen.

Wie steht‘s mit der Evolutionstheorie, für die Darwin beinahe ins Fegefeuer gekommen wäre? Och, kein Problem. Die Kirche hat sich längst angepasst und ist vom wörtlichen Sinn der Schöpfungsgeschichte abgekommen. Im Gegensatz zu amerikanischen Fundamentalisten, die unverrückt an der Verbalinspiration festhalten.

Allein durch Abrücken von der wörtlichen Unfehlbarkeit der Bibel hat der Vatikan seine Inhalte weitgehend verändert. Herrn von Drach scheint das nicht zu interessieren. Kreationisten sind jene Amerikaner, die die Evolution noch immer zum Teufel wünschen und das Alter der Erde mit 6000 Jahren angeben. Mit solch hinterwälderischen Buchstabengläubigen will Ratzinger nichts zu tun haben.

Evolution ja, so der Papst. Aber nicht als Werk des Zufalls, sondern als Ergebnis göttlichen Wirkens. Das sei der große Unterschied zu den Wissenschaftlern.

Unsinn, echte Naturwissenschaftler respektieren ihre Grenzen und machen keine Glaubensaussagen. Sie können nur beschreiben, wie die Dinge unter dem Aspekt kausaler Gesetze agieren und reagieren. Wer die Gesetze erfunden hat, darüber wissen sie so wenig wie Lieschen Müller.

Allerdings gibt’s inzwischen immer mehr strenge Naturwissenschaftler, die sich erkühnen, mit ihren Erkenntnissen einen Gott zu beweisen. Man denke an das Gottesgen, das Gottesteilchen, die Überlegenheit des Glaubens beim Heilungsprozess. Alles Mumpitz, der aber beweist, dass auch die heutigen Naturwissenschaftler immer mehr zum „Böckenförde-Theorem“ übergehen: ohne Glauben keine Wissenschaft, ohne Glauben keine solide Gesellschaft. Warum sie Wissenschaft betreiben – hört man immer öfter – hat ausschließlich mit dem Bestreben zu tun, Gott in seinen Werken zu erkennen und zu bejubeln. (So beim ZDF-Wissenschaftler Lesch, einem immerfröhlichen Lutheraner aus Bayern.)

Und was hat Gott mit der Evolution gewollt? Jetzt der Hammer der Hämmer: „Und die Evolution sei ausgerichtet auf ein bestimmtes Ziel: «der Mensch in der Auferstehung»“. Der ganze Aufwand der Schöpfung allein um der Christen willen. Anthropozentrismus nennt man das in der Philosophie und hält die Zentrierung der Natur auf menschliche Zwecke für die Hauptquelle des ökologischen Unheils.

Wo bleiben die Ökologen, die hier den Papst auf die Matte legen? Die merken so was gar nicht, weil sie glauben, sie könnten mit ein bisschen Beten die „Schöpfung bewahren“. Dieser Hochmut, der Mensch allein sei Zweck der ganzen Heilsgeschichte, ist ein zentraler Bestandteil aller drei abrahamitischen Religionen.

Wenn das Ziel der Schöpfung die Auserwählten sind, können sie Natur und Ungläubige getrost vernichten. Das war nur Spielmaterial für die Geschichte. Der Kampf gegen das Böse ist die logische Schlussfolgerung aus dem universellen Egoismus des homo religiosus. Der nicht nur Krone der Schöpfung, sondern Ziel und Zweck aller göttlichen Bemühungen ist.

Damit wird Natur zur Ramschware, die restlos vernichtet werden muss, um einem neuen Himmel und einer neuen Erde zu weichen. Kein Wort zu dieser Problematik vom SZ-Schreiber.

Der ganze Sinn der Schöpfung soll der finale Triumph der Auserwählten sein und die Nichterwählten sollen zum Teufel fahren. Die Verdammten werden nie erwähnt beim Schaulaufen der göttlichen Liebe. Könnte die Bilanzen des wenig erfolgreichen Erlösers trüben.

Ist Heilsgeschichte bereits ein rationaler Prozess oder das Wüten eines absurden Schöpfermolochs? Natürlich rational, behauptet Evolutionsexperte Ratzinger: weil er zum Untergang der Bösen und zum Sieg der Guten führt. Die Ratio der Natur soll darin bestehen, dass wenige Erwählte in den Himmel kommen und die massa perditionis – die Menge der Verdammten – zur Hölle fährt. Damit wäre die Einheit von Vernunft und Glauben schon bewiesen. Wenn der Glaube schon in sich rational ist, kann es nicht mehr schwer sein, ihn mit Vernunft zu vereinigen.

Worauf will Ratzinger hinaus? Damit mechanische Naturgesetze uns nicht versklaven, schwebt ein Herr über allem, der die Zwingherrschaft der Kausalität außer Kraft setzt. Nicht Gesetze sind das letzte Wort des Seins, sondern der freie Wille eines allmächtigen Schöpfers.

„Nicht die Elemente des Kosmos, die Gesetze der Materie und der Evolution herrschen letztlich über die Welt und den Menschen, sondern ein persönlicher Gott herrscht über das All; nicht die Gesetze der Materie und der Evolution sind die letzte Instanz, sondern Wille, Verstand, Liebe – eine Person. Und wenn wir diese Person kennen, sie uns kennt“, erklärte der Papst in seiner Enzyklika Spe salvi 2007, „dann ist wirklich die unerbittliche Macht der materiellen Ordnungen nicht mehr das Letzte, dann sind wir nicht Sklaven des Alls und seiner Gesetze, dann sind wir frei.“

Ratzinger beruft sich auf den Voluntarismusstreit des Mittelalters. Ist Gott den rationalen Gesetzen der Natur und Moral untergeordnet wie alle Lebewesen oder wäre das ein Widerspruch gegen seine Allmacht? Die Voluntaristen (voluntas = der Wille) betonten die Allmacht Gottes, der mit seinem Willen die Natur- und Moralgesetze außer Kraft setzen kann.

Werden Naturgesetze außer Kraft gesetzt, reden wir von Wundern. Werden Moralgesetze außer Kraft gesetzt, reden wir von Amoralismus oder Antinomismus des lieben Gottes, der haste nicht gesehen, ganz anders kann als nur Nächstenliebe säuseln. Gott ist an keine Gesetze gebunden. Mit seinem Willen kann er tun, was er will. Für Wille kann man auch Liebe einsetzen, nicht Verstand, wie Ratzinger fahrlässig tut. Wollte Gott verständig sein, dürfte er die rationalen Gesetze nicht verletzen.

Ausgerechnet Liebe wurde zum Medium des Amoralismus Gottes. Luther sprach von den beiden Gesichtern Gottes, dem offenbaren und dem verborgenen Gott. Der offenbare ist der „liebe Gott“, der verborgene ist identisch mit dem Teufel, seinem Alter Ego, der die Menschen ins Inferno schickt.

Seit dem Voluntarismusstreit bedeutet Freiheit, dass man tun und lassen kann, was man will. Hält man sich hingegen an rationale Gesetze, ist man automatisch unfrei. Rational sein heißt unfrei sein. Deutsche wollen, um mal frei zu sein, immer „über die Stränge schlagen und was ganz Verrücktes tun“. Sie sind mittelalterliche Voluntaristen.

Rationalismus ist immer kalte und lieblose Vernunft. Die Liebe beginnt erst jenseits des Reichs der Ratio. Wer sich an Gesetze hält, ist immer Sklave der Gesetze. Frei sein heißt – wie im Neoliberalismus – willkürlich tun und treiben können, was man will.

Schon Epikuräer und Stoiker stritten sich um die Bedeutung rationaler Naturgesetze. Sind die Menschen Sklaven der Naturnotwendigkeit, wenn sie sich an die Gesetze halten müssen? So sah es Epikur, der eine bestimmte Unterbrechung der Kausalität als Vorbedingung menschlicher Freiheit ansah. Die Stoiker hingegen empfanden gerade die Sicherheit, Berechenbarkeit der Naturgesetze als Garant des vollkommenen Kosmos, wo jeder Mensch glücklich werden kann, wenn er sich an die Gesetze hält.

Die modernen Gehirnheinis, die aufgrund unverbrüchlicher Gesetze den unfreien Willen des Menschen behaupten, repetieren nur einen uralten Streit, ohne zu erkennen zu geben, dass sie die Kontroverse der Antike studiert hätten. Die größten Schreihälse sind überall die, die den Anschein erwecken, als ob sie grade eben das Rad neu erfunden hätten.

Indem wir den unverbrüchlichen Gesetzen der Natur entfliehen und uns dem allmächtigen und freien Liebeswillen Gottes zuwenden, entfliehen wir auch der „unerbittlichen Macht der materiellen Ordnungen“. Natur, Reich rationaler Gesetze, muss missachtet und vernichtet werden, damit wir ins Reich der wahren Freiheit gelangen. Die materielle = mütterliche Natur ist ein schrecklicher Karzer, Freiheit gibt es nur beim himmlischen Vater.

Selbstverständlich sind auch alle demokratischen Regeln und Grundbegriffe vom Schöpfer eingegeben, wie Ratzinger im Bundestag betonte. Weswegen die Kirchen das Aufkommen der Demokratie und der Menschenrechte mit Feuer und Schwert bekämpften.

Die Rede des obersten Priesters war ein Aufruf zum Putsch gegen die säkulare Republik und zur Vernichtung jedweder rationalen Autonomie des Bürgers. Großer Beifall unserer hirnverbrannten Volksvertreter, die als Biedermänner dem Brandstifter zujubelten.

Auch das Böse muss noch eine wesentliche Rolle spielen. Es könne nicht einfach durch „unglückliche Kindheit“ und sonstige Kausalfaktoren einer menschenfeindlichen Umgebung erklärt werden. Das Böse sei Frucht einer unerklärbaren Korruption des freien Willens. Ratzinger wollte wohl nicht von Erbsünde sprechen, die jedem Mensch durch sündigen Zeugungsakt mitgegeben wird.

„Liebe“, so das Resumee des jesuanischen Tiefdenkers, „sieht weiter als der einfache Verstand.“ Da Liebe ein allmächtiges Willkürhandeln ist, liebe ich dann, wenn ich alle rationalen Gesetze missachte.

Auch der Teufel hält sich nicht an Gottes Gesetze. Liebe ist demnach ein teuflisches Geschehen. Geahnt haben wir es bereits. Jetzt wissen wir es genau: durch die übervernünftige Erleuchtung eines maßlos liebenden Papa Christianorum.