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Europäische Idee LXX

Hello, Freunde der europäischen Idee LXX,

was ist das Kennzeichen unserer Epoche? Wie wollen wir sie benennen?

Nein, das dürften wir nicht, das könnten wir nicht, rufen Historiker, die Überblicker der Jahrhunderte, die Verwalter und Archivare der Zeiten. Uns fehle die Distanz, keine Zeit könne sich selbst erkennen. Lange müssten wir gestorben und vermodert sein, um zu beurteilen, wie wir gelebt haben. Was vor unseren Augen geschieht, ist uns zu nah: wir sehen es nicht. Und sähen wir es, wir könnten es nicht verstehen. Und verstünden wir es, könnten wir es nicht bewerten. Objektive Bewertungsmaßstäbe gebe es nicht.

Müssten wir dann nicht verstehen, was sich vor 2000 Jahren zugetragen hat?

Nein, das dürften wir nicht, das könnten wir nicht, rufen dieselben Überblicker der Zeiten. Wir würden nur unsere heutigen Maßstäbe (die es gar nicht geben darf?) des Verstehens und Beurteilens in jene Zeiten eintragen. Jede Zeit müsse aus sich selbst verstanden werden. Müssten wir dann nicht unsere Zeit am besten verstehen …? Siehe oben, da capo al fine.

Mit anderen Worten: verstehen ist für Historiker eine kritiklose Übernahme vergangener Meinungen. Wie sahen sich die Ägypter? So sehen wir sie auch. Wie sahen sich die Römer, die Griechen? So sehen wir sie noch heute.

Aufklärer glaubten, vergangene Zeiten zu verstehen, indem sie sie nach Maßstäben der Vernunft beurteilten. Romantiker glaubten, alle Zeiten durch grenzenloses Anempfinden zu verstehen, indem sie die Maßstäbe der Vernunft verachteten. Die Selbstbewertung der fremden Kulturen übernahmen sie als eigene

Bewertung. Verstanden die Romantiker die Aufklärer?

Freud wollte die Menschen besser verstehen als sie sich selbst. Romantisches Verstehen verband er mit Maßstäben der Vernunft – solange er jugendlicher Aufklärer war. Wo Es, das triebhafte Unverstandene, war, sollte Ich, das rational Verstehende und Verstandene, werden. Durch die Schrecknisse seiner Zeit schockiert, verabschiedete er sich vom Verstehen im Dienste des Lebens und unterstellte es dem Diktat des Todes.

Warum sind seine Nachfolger zu belanglosen Seelenhirten und weltlichen Priestern geworden? Weil sie sich des mühsamen Verstehens entledigten und zu Psychagogen – Seelen“führern“ – degenerierten. Sie verteilen weise Ratschläge und sagen bald Adieu – die Warteliste ist lang.

Schon der junge Freud hatte begonnen, seine erwachsenen Patienten zu entmündigen: lebenswichtige Entscheidungen sollten sie unterlassen, solange sie nichts von sich verstünden. Zudem sollten sie sich zur Linken der Unfehlbaren niederlegen, damit sie dieselben nicht mit Blickkontakt auf gleicher Ebene belästigten. Das war katholische Prostration – nur mit Blick nach oben und in bequemer Couch-Lage. Ein gewaltiger Fortschritt der Evolution.

Im täglichen Überlebenskampf der Moderne ist Selbsterkennen eine Zumutung und Fremdverstehen ein Ärgernis. Schon der Versuch, einen anderen besser zu verstehen als er sich selbst, verfällt gesellschaftlicher Ächtung. Mehr als drei persönliche Fragen stellen dürfen heute nur Einwanderungsbehörden zur Selektion unerwünschter Immigranten und Personalchefs in luziden Bewerbungsgesprächen („wo sehen Sie ihre Zukunft in fünf Jahren? Welche Gefühle empfinden Sie beim Wort „Mutterfreuden“?).

Heute versteht sich jeder selbst am besten. Sagt er, er sei ein religiöser Mensch, so weiß er, wovon er spricht. Im Bereich des Numinosen ist er Fachmann. Sagt er, er sei überzeugter Lutheraner, so weiß er, wovon er spricht: die Schriften Luthers gegen die aufrührerischen Rotten der Bauern und die lügenhaften Juden sind ihm vertraut, die Bibel in lutherischer Originalübersetzung hat er gelesen und täglich studiert er die Losungen des Neukirchner Kalenders.

Nennt sich jemand einen Linken, so ist er auch einer. Kann er den Satz nicht auswendig hersagen: schon Marx wusste, dass …? Nennt sich einer einen christlichen Politiker, so ist er auch einer. Hat er nicht schon seit 14, 18 die CDU gewählt?

In körperlichen Dingen legen sie Wert auf Rückmeldungen objektiver Maschinen. Rund um die Uhr kennen sie alle Daten ihrer somatischen Befindlichkeit. In psychischen und politischen Dingen verbitten sie sich dämliche Rückmeldungen ihrer Zeitgenossen. Sie wissen, wohin der Hase läuft und können auf Feedback mit erhobenem Zeigefinger verzichten.

Früher waren Autoritäten unfehlbar, heute sind es ihre Zöglinge. Der erhobene Zeigefinger mutierte zum anrüchigen Mittelfinger. Ein gewaltiger Fortschritt der Evolution.

Verstehen kann man nur, wenn man sich in die historischen Zusammenhänge des zu verstehenden Vorgangs vertieft. Dennoch bleibt Verstehen die Leistung des heute Verstehenden, die sich keineswegs mit dem Verstehen früherer Epochen überidentifizieren darf. Unsere gegenwärtigen Verstehenskategorien haben sich erweitert, vertieft und sind weltförmiger geworden.

(Deutsches Verstehen der Welt ist mit Vorsicht zu genießen. Als Touristen und Journalisten sind sie ständig vom Nordpol bis zum Südpol unterwegs, dennoch kehren sie unverändert ins Heimische zurück, freilich mit dem kessen Zusatz, sie seien ganz Andere geworden. Das Lesen eines fundierten Buches wäre erkenntnisreicher – und ökologischer gewesen.)

Kein lebender Historiker kann sich anmaßen, die moderne Inkarnation von Thukydides zu sein. Nicht einmal von Ranke oder Meinecke. Wenn jeder Mensch unvergleichlich ist, so sind es auch die Historiker – sofern sie Menschen sein wollen. Mein Verstehen ist mein Verstehen und nicht das der anderen. Der Historismus verbietet das Selbstverstehen und fordert das unmündige Verstehen mit den Köpfen anderer.

Mein Verstehen bedeutet keineswegs, dass ich beim Verstehen eines Anderen scheitern muss. Können Eltern ihre Kinder nicht besser verstehen als sie sich selbst? Was keineswegs bedeutet, dass sie den Kindern ihr Verständnis der Dinge aufoktroyieren dürfen.

Selbsterkennen und Fremderkennen ist ein fragiler Balanceakt. Ich habe den anderen keineswegs besser verstanden, wenn er meinem Verstehen zustimmt: er könnte zu ängstlich gewesen sein, meinen Vorschlag abzulehnen.

Selbsterkenntnis ohne Welterkenntnis ist ausgeschlossen. Selbsterkenntnis bezieht sich nicht nur auf vermutete Innerlichkeit. Taten erst lassen auf die seelischen Ursachen derselben schließen. Bei mir und andern. Die deutsche Innerlichkeit ist ein Dekadenzphänomen und Erbe des unseligen Augustin, der nur sich und Gott erkennen wollte, sonst nichts auf dieser Welt. Dieser Hass auf die Welt, diese Angst vor der Fremde ist ein Hauptgrund deutscher Weltborniertheit und urbaner Unbeholfenheit.

„Wie kann man sich selbst kennenlernen? Durch Betrachten niemals, wohl aber durch Handeln. Versuche, deine Pflicht zu tun, und du weißt gleich, was an dir ist.(Goethe)

Die Tiefenpsychologie der unmittelbaren Nachkriegszeit war ganzheitlich und verband politische mit psychischer Ursachenforschung. Mitscherlichs und H. E. Richters Analysen erschlossen aus der Politik das Innenleben und aus dem Innenleben die politische Qualität der Deutschen. Tilmann Moser verband theologische und juristische Kritik mit der Innensicht der Betroffenen. Das war‘s. Danach kam die Ödnis.

In der Politik der Gegenwart spielen die Seelenhirten keine Rolle. Niemand vermisst sie, Seelenkunde ist zum Spielzeug von Medizinern und Theologen geworden.

Wenn ich mich nicht selbst erkenne, kann ich auch andere nicht erkennen – und vive versa.

„Willst du dich selber erkennen, so sieh, wie die andern es treiben,
Willst du die andern verstehn, blick in dein eigenes Herz.“ (Schiller)

In Merkel erkenne ich – mich. In der AfD erkennen wir – uns. Im Rechtsruck Europas erkennen wir – unsere kollektiven Verdrängungen, die in Krisensituationen ans Licht geschleudert werden. Alles andere ist medialer Mumpitz und Selbstrechtfertigung auf Kosten Schwächerer – die allerdings zum Schnellfeuergewehr greifen können. Gewalt ist immer ein Zeichen von Schwäche.

TV-Interviewer neigen zu expressiven Idiotenfragen: „Herr Baberowski, wie erklären wir uns den Hass in dieser Gesellschaft“? Wer nach Defiziten der „Rechts- und Linkspopulisten“ fragt, ohne in der elitären Spitze und bürgerlichen Mitte nachzuschauen, hat seinen Beruf verfehlt. Die extremen Ränder der Gesellschaft sind der Spiegel der etablierten Intellektuellen, Industriellen, Berufspolitiker und Medien.

Wenn Kinder Fehlverhalten zeigen, fragt inzwischen jeder nach den Mängeln der Kinderstube. Wenn „Kinder“ der Gesellschaft ausflippen, werden sie von der Mitte der Gesellschaft gedroschen wie Sünder von bigotten Priestern, die ihre eigenen Schwächen auf die erbsündige Gemeinde werfen, damit sie selbst besser davon kommen.

Verstehen ist keine isolierte Angelegenheit des Gefühls, Bewerten keine des kalten Verstands. Vernunft ist Einheit von Fühlen und Denken. Verstehe ich einen anderen, nur um ihn zu mobben und zu beherrschen, habe ich meine Vernunft ausgeschaltet.

Die Romantiker haben sich das Verdienst erworben, den Deutschen ganz neue Welten aus fremden Kulturen zu erschließen. Dennoch blieb vieles bei ihnen eine einseitige Reaktionsbildung zu einer einseitigen Ursprungssituation. Hatten die Deutschen zuvor das Eigene idolisiert, um das Fremde zu dämonisieren, stellten sie jetzt alles auf den Kopf und glorifizierten das Fremde, um das Eigene sträflich zu missachten. Goethe verehrte Mohammed, ohne zu realisieren, dass der fremde Erlöser so intolerant war wie der eigene.

Hier liegen die Wurzeln einer nicht wehrhaften Demokratie, die multikulturell alles Fremde glorifiziert, den eigenen Kern aber nicht festhalten kann. Grundgesetz-widrige Scharia-verordnungen werden ängstlich akzeptiert, indem man die eigenen Menschenrechtsgrundlagen opfert. Das ist keine Toleranz, sondern Hass gegen die eigene Demokratie. Ist das Ganze Wahnsinn, so hat es doch eine lange Tradition in der BRD.

Auch Christentum und Judentum erhielten menschenrechtswidrige Privilegien, die ihnen nicht zustehen. Dass all diese Fragen in der Gesellschaft so wankelmütig beantwortet werden, liegt daran, dass die Böckenfördierung der Gesellschaft eine lange Tradition besitzt. Wer den Koran attackiert, ohne Bibel und Talmud zu erwähnen, hat auch kein Recht, die Muslime zu sekkieren.

Wie sollen wir unsere Gegenwart verstehen, wie sollen wir sie benennen? Nichts einfacher als das. Man muss nur die Tagesgazetten durchblättern und die Prognosen fallen auf den Tisch. Schauen wir in den Abschlussbericht über den BER-Bankrott. Wie ist das Gesamtergebnis der Untersuchungskommission? Für die Regierungsparteien SPD und CDU steht fest:

Haftbar machen kann man für das Desaster, das den Steuerzahler inzwischen weit über 5 Milliarden Euro kostet, niemanden. Von „geteilter Verantwortung“ ist die Rede. Anders etwa als die Grünen sehen SPD und CDU es nicht als Grundfehler an, dass die im Baugeschäft weithin unerfahrene Flughafengesellschaft, die Berlin, Brandenburg und dem Bund gehört, den Bau übernahm. Sie sei den stark gestiegenen organisatorischen Anforderungen aber nicht angemessen begegnet. Zusammengefasst sieht der Bericht einen „kollektiven Wirklichkeitsverlust“ bei allen Beteiligten.“ (TAZ.de)

Keine erkennbare Schuld bei niemandem. Geteilte Verantwortung ist keine Verantwortung. Haftbar ist niemand. Die Kategorien Haftung und Schuld sind abgeschafft. Es gibt keine Schuldigen mehr in der Gesellschaft. Wer seiner Verantwortung nicht gerecht wurde, bleibt rein und schuldlos. Wir leben in der Epoche der Unschuldigen. (Auch auf wirtschaftlichem Gebiet dürfen wir keine Schulden machen. Wer Schulden macht, ist Schuldner des Herrn). Historiker Clark würde von Schlafwandlern reden. Somnambul produzieren wir den nächsten Kladderadatsch – doch verantwortlich und schuldig sind wir auf keinen Fall.

Ist unschuldig, wer unter Wirklichkeitsverlust leidet? Wer waren die Kontrolleure der realitätsvergessenen Neurotiker? Ein beschädigtes Kollektiv besteht aus ebenso vielen Schuldverdächtigen wie das Kollektiv groß ist. Gab es so viele Schuldige, dass es keine mehr geben durfte? Warum ist Wowi nicht der Hauptschuldige, obgleich er der Hauptverantwortliche fürs Ganze war?

„Insbesondere der frühere Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) habe durch Vermischung seiner verschiedenen Rollen – als Regierungschef, Gesellschafter, Aufsichtsratschef – „dazu beigetragen, dass sämtliche Kontrollmechanismen ausgeschaltet wurden“, sagte die Linken-Abgeordnete Jutta Matuschek der taz.“

Könnte der Virus des Wirklichkeitsverlustes auch die SPD- und CDU-Mitglieder der Untersuchungskommission angesteckt haben?

Die Voten der Regierungsparteien, die sich gleichsam selbst untersuchen wollten, sind typische Verhaltensweisen einer Gesamtgesellschaft, die sich in toto einem nationalen Wirklichkeitsverlust nähert. Es wurde „verstanden“, ohne glasklar zu „beurteilen“. Indem man alles „verstand“, musste man nicht mehr seinen Verstand benutzen. In der Nacht vernunftlosen Verstehens sind alle Katzen grau – und alle Beteiligten unschuldig. Die deutsche Gesellschaft ist nicht mehr fähig, Ursachen zu gegebenen Wirkungen zu finden.

Fallen neue Brücken ein, stehen Fachleute vor einem Rätsel. „Der Brückeneinsturz in Bayern ist nur eins von vielen Desastern auf Großbaustellen. Ob kollabierende Archive oder Brösel-Autobahnen: Richter sprechen von „Schlamperei, Ignoranz und Skrupellosigkeit“. (WELT.de)

Sind Mütter überfordert und erkranken, steht die Gesellschaft vor einem Rätsel. Zerschlägt Merkel durch deutsches Finanzdiktat die europäische Solidarität, stehen die Deutschen vor einem Rätsel. Lässt sie alles schleifen und wurstelt sich durch „nach Geräusch“, wundern sich die Deutschen, dass ungelöste Probleme akkumulieren und der perfekten Nation über den Kopf wachsen. In wenigen Jahren der Merkel‘schen Regierungszeit verfällt die stolze EU zu einem failed continent. Doch die Hauptschuldige – die mächtigste Frau der Welt – wird als Madonna der westlichen Welt gefeiert.

Schon vor Jahren schrieb Jürgen Leinemann im SPIEGEL einen kritischen Artikel über den „Ego-Trip“ der Politiker.

„Welchen magischen Reiz bietet Politik, dass so viele in die Arena drängen? Politiker inszenieren sich wie Popstars, befriedigen ihre Eitelkeit, suchen Selbstbestätigung. Dabei kennen sie auch die Preise, die sie dafür bezahlen müssen: persönliche Deformation und Wirklichkeitsverlust.“ (SPIEGEL.de)

Wirklichkeitsverlust und kein Ende. Niemand jault, niemand schreit. Wirklichkeitsverlust – wenn sonst nichts ist. Kann es größere Schuld geben als den Verlust der Realität? Dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Gesellschaft sich zielstrebig dem Verlust des Ganzen nähert: der Zerstörung der Natur. Wie kommt es, dass „Verantwortung“, einstige Lieblingsvokabel der Politiker, kaum noch zu hören ist? Wer keine Schuld zulässt, lässt auch keine Verantwortung zu.

Keine Wahrheit, keine Schuld, keine Verantwortung, keine Wirklichkeit, die wir retten müssten: das Gesamtphänomen des unaufhaltsamen politischen Nichts nennt Nietzsche – Nihilismus.

„Dass es keine Wahrheit giebt; dass es keine absolute Beschaffenheit der Dinge, kein »Ding an sich« giebt – dies ist selbst ein Nihilismus, und zwar der extremste“.

Was folgt aus dem Nihilismus?

„Denken wir den Gedanken in seiner furchtbarsten Form: das Dasein, so wie es ist, ohne Sinn und Ziel, aber unvermeidlich wiederkehrend, ohne ein Finale ins Nichts: »die ewige Wiederkehr«. Das ist die extreme Form des Nihilismus: das Nichts (das »Sinnlose«) ewig!“

Gibt es keine Wahrheit, kann es auch keine sinnvolle Meinung oder begründete Weltanschauung geben, mit der man argumentieren dürfte. Jakob Augstein hat den Gipfel der Evolution erreicht und denkt, ohne denken zu müssen. Er befindet sich bereits jenseits von Welt und Anschauung. Was interessiert mich, was ich denke? Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, grantelte Kohl. Was interessiert mich mein eigenes Bild von der Welt, bläst Augstein die Fanfare des herrlich Sorg- und Gedankenlosen. Begann die Moderne mit dem verwegenen Satz: Ich denke, also bin ich, endet sie bei Augstein mit dem Schlusschoral: ich denke nicht, also – glaube ich. Welch armselige Zeitgenossen, die ständig ihre Philosophie nutzen müssen, um ihre Stellungnahmen zu „begründen“. Wo doch jeder wissen sollte, die wahre Begründung ist die Augstein‘sche Nichtbegründung. Wer begründet, hat es nötig. Wer über allem schwebt, kann auf Gedanken und Begründungen verzichten. Er spricht – und also ist es.

„Es ist ein trauriges Schauspiel: Jeder versucht, die Tat mit seinem Weltbild zu erklären.“ (SPIEGEL.de)

Augstein versteht die Welt ohne Anhauch eines persönlichen Verstehens: das ist der postmoderne Gipfel der Evolution – oder der vollendete Nihilismus.

Was folgte? Der Wille zur Macht oder die Lehre vom weltbeherrschenden Übermenschen – als Überwindung des Nihilismus. Das Verhängnis nahm seinen Lauf.

Golo Mann formulierte es einfacher: „Von den vielen Lektionen, welche die Katastrophe Weimars noch immer für uns enthält, ist eine diese, dass freie Intelligenz mitmachen und helfen soll, anstatt bloß zu höhnen.“

 

Fortsetzung folgt.