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Europäische Idee LIX

Hello, Freunde der europäischen Idee LIX,

wir haben sie wieder erreicht. Die Spitze der Völker. Wir sind rehabilitiert. Die Schande ist vorbei, ist überwunden. Deutschland ist wieder das Land des Lichts. Mit den dreieinigen Lichtgestalten Merkel, Kretschmann – den glanzvollen Tätern – und Martin Walser, der auratischen Feder.

Das deutsche Licht schien in die europäische Finsternis, doch die Europäer haben es nicht begriffen. Das deutsche Licht kam in die Welt, doch die Undeutschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Taten waren böse. Doch wer nicht hören will, muss fühlen.

Das Volk des Lichts ist das Urvolk, das als solches „das Recht hat, sich das Volk schlechtweg, im Gegensatze mit anderen von ihm abgerissenen Stämmen zu nennen, wie denn auch das Wort Deutsch in seiner eigentlichen Wortbedeutung das soeben Gesagte bezeichnet.“ (Fichte, Reden an die deutsche Nation)

Als Europa ins Straucheln kam und zu stürzen drohte, eilten die edelsten Geister herbei, um zu retten, was zu retten war und stellten sich die Frage: was ist europäisch? An welcher Idee müssen wir uns orientieren, damit wir die Völkergemeinschaft retten?

Nicht so die Deutschen, nicht so BILD, ihre sprachgewaltige Gazette. Sie stellte die Frage: „Was ist deutsch? Wer sind wir, wie sind wir?“ Und Martin Walser, deutschester unter den deutschen Schriftstellern, gab die überschwängliche Antwort in BILD.de.

Wissen die Deutschen nicht, wer sie sind? Erfinden sie sich täglich neu, dass ihnen verborgen bleibt, wer sie sein könnten? Haben sie keine Biografie, die ihnen sagte, wer sie waren und sein werden, wenn sie sich nicht verändern? Wer sind wir und wenn ja, wie viele: das muss ein deutsches Gen sein.

Wollen sie frisch, fromm und frei in die Zukunft schreiten? Unbelastet von ihrer

fluchwürdigen Vergangenheit, ihrem alten Adam in täglicher Taufe abgestorben? Gedenket nicht der vorigen Dinge und des Vergangenen achtet nicht? Müssen sie ihre Vergangenheit verdrängen, damit sie ihre gloriose Zukunft nicht verpassen? Ist Alteuropäer Freud vergessen, der nur erinnerte und durchgearbeitete Vergangenheit für fähig hiellt, das Alte ad acta zu legen?

Das ist der tiefste Punkt der deutschen Nachahmung der Amerikaner, die sich einbilden, keine Geschichte zu haben, um als Wiedergeborene der Zukunft entgegen zu gehen.

Europäisch war, die Vergangenheit zu verstehen, um sich von historischen Bürden zu befreien. Amerika hingegen fühlt sich als geschichtsloses Land, dessen welthistorische Gloriole erst noch kommen wird. In Amerika gibt es keine Vergangenheit, die Gegenwart ist nur der Übergangs-Augenblick zum Kommenden. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft? Nicht für Gottes eigenes Land, das Vergangenheit als das befleckte Alte ausradieren muss, um dem Neuen täglich Platz zu schaffen.

„Es kennzeichnet die Deutschen, dass bei ihnen die Frage ‚was ist deutsch‘ niemals ausstirbt.“ (Nietzsche)

Das Ich-Bewusstsein der Deutschen muss mangelhaft sein, wenn sie ihr Ich ständig mit dem Lasso einfangen müssen. Sie wollen nicht berechenbar sein, die Welt soll rätseln, wer sie sind. Ihr wahres Ich steht noch aus, sie sind, was sie unaufhörlich werden.

Deshalb erkennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat. Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und noch ist nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Nicht, dass ich es schon ergriffen hätte oder schon zur Vollendung gekommen wäre, ich jage ihm aber nach. Ich vergesse, was hinter mir ist, strecke mich aber nach dem aus, was vor mir ist.“

Die Welt, solange sie ungläubig bleibt, soll die auserwählten Deutschen nicht erkennen. Nur Gleiches erkennt Gleiches. Der Glaube der Erwählten bleibt unerkennbar, solange die Welt im Unglauben verharrt. Die Verkannten, die Unerkannten, die Geheimnisvollen – so wollen sie von der Welt gesehen werden.

Mit ihrer trostlosen Vergangenheit konnten sie niemandem imponieren. Also müssen sie hoffen, durch zukünftige Heldentaten die Welt so zu beeindrucken, dass den Anderen die Augen übergehen. Ihr Selbst kennen sie nicht. Von der Welt wollen sie erfahren, wie ihr Selbst ist, wenn sie ihr zeigen, wozu sie fähig sein werden.

Ihr Gesellenstück war der Erste Weltkrieg, ihr Meisterstück das Völkerbrechen des 1000-jährigen Reiches. Damit hofften sie, die Völker 1000 Jahre lang zu blenden und zu beherrschen. Das Selbst, das zum Vorschein kam, mit dem sie sich zu erkennen gaben, war ein entsetzliches, das sie heute mit allen übernommenen Imponier-Mitteln ihrer „Befreier“ – der ökonomischen Gigantomanie – zu tilgen versuchen. Das Selbst ihres Vernichtungsfurors war ein Rohrkrepierer, der in alle Winde zerbarst und sie selbst beschädigte.

Ausradieren, auslöschen, ungeschehen machen: das war nicht unser wahres Selbst. Zurück zum Punkte Null: wer sind wir? Noch immer wollen wir jungfräulich und unbefleckt scheinen. Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr kein unbeschriebenes Selbst erringen, das euch vor den Völkern glaubhaft machte.

Was wollen die Deutschen? Wie sind sie? Das Sphinx- und Rätselhafte soll neugierig machen und die Völker anlocken. Die Welt soll ihnen sagen, wer sie sind. Sie bieten nur ihre Tüchtigkeit und Leistungen an, dann ist es an der Welt, ihnen das Meisterzeugnis ausstellen. Denn sie sind unfähig, sich selbst zu definieren. Sie wollen nicht kategorisiert werden. Vernunftbegriffe drücken ihre Kehle zu.

„Die Deutschen sind noch nichts, aber sie werden etwas, also haben sie noch keine Kultur, also können sie noch keine Kultur haben. Sie sind noch nichts, das heißt, sie sind allerlei. Sie werden etwas: das heißt, sie hören einmal auf, allerlei zu sein. Dass diesem Deutschen, wie er noch nicht ist, – etwas Besseres zukommt als die heutige deutsche „Bildung“, dass alle „Werdenden“ ergrimmt sein müssen, wo sie eine Zufriedenheit auf diesem Bereiche, ein dreistes „sich-zur-Ruhe-setzen“ oder „Sich-selbst-Anräuchern“ wahrnehmen, das ist mein zweiter Satz.“ (Nietzsche)

Solange sie keine Nation waren, wollten sie die Gebildetsten sein. Die Bildung hatte einen geheimen Zweck: sie sollte als Instrument der Machtgewinnung dienen. Als ihre neu erworbene Macht nicht mächtig genug war, die Welt zu beherrschen und zu faszinieren, waren sie am Boden zerstört. Und siehe, es gab ein neues Mittel, um die Völker in Erstaunen zu versetzen: es war die wirtschaftliche Macht des Produzierens und des Geldes.

Heute fürchten sie schon wieder die Wiederholung der Geschichte. Droht ihnen kein neuer Bankrott, wenn sie nichts anderes zu bieten haben als Lügenautos, misslingende Flughäfen und eine Geldlawine, mit der sie nicht nur Nachbarn, sondern die eigenen Schwachen demütigen und beschämen?

Ihre Seelen sind zwiespältig. Sie wollen Herren sein – und dennoch die Macht der Herren anprangern. Das unterscheidet sie von biblischen Amerikanern, die keine Skrupel kennen, ihre eschatologische Mission mit Waffen und Dollars der Welt aufzuoktroyieren.

In den Deutschen rangeln zwei Seelen in der Brust: sie wollen reich und mächtig – und gleichzeitig kritisch und gerecht sein. Sie imitieren den amerikanischen Triumphzug – und halten ihn für sündig und verworfen. Ihr Verständnis der heiligen Schriften – worauf Herz-Jesu-Marxisten stolz sind – verherrlicht noch immer die seligmachende Armut. Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als ein Reicher ins Himmelreich. Man kann nicht zween Herren dienen, entweder Gott oder dem Mammon. Die Amerikaner schon, nicht weil sie zynischer wären, sondern weil sie Mammon zu ihrem Gott erklärten.

Das verstehen die Geißlers und Blüms in diesem Leben nicht mehr. Nicht materielle Armut macht selig, sondern die Kapitulation in allen irdischen Dingen: in Weisheit, in politischer und ökonomischer Macht, mit denen der Mensch sich rühmen kann. Vor Gott soll er zusammenbrechen und bekennen: Herr, ich bin ein unnützer Knecht, sei meiner Seele gnädig. Wäre bloße Armut fähig, die Seligkeit zu erwerben – was wäre das für ein Kinderspiel, in den Himmel zu gelangen.

Was verlangt Jesus vom reichen Jüngling? Keine Almosen zur Finanzierung einer katholischen Soziallehre, sondern die Selbstaufgabe – die komplette Lebensuntüchtigkeit:

„Eines fehlt dir. Gehe hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach und nimm das Kreuz auf dich. Er aber ward unmutig über die Rede und ging traurig davon; denn er hatte viele Güter. Es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher ins Reich Gottes komme. Sie entsetzten sich aber noch viel mehr und sprachen untereinander: Wer kann denn selig werden? Jesus aber sah sie an und sprach: Bei den Menschen ist’s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.“

Das wollte der Erlöser: das Unmögliche, das kein Mensch leisten kann und strengte er sich noch so an. Er soll lebensuntüchtig werden, aus eigener Kraft das irdische Leben nicht meistern. Vor Gott soll er zusammenbrechen und zum Nichts werden. Die Seligkeit soll allein das Werk eines eifersüchtigen und autistischen Erlösers sein, der seinen Ruhm mit keinem Sterblichen teilt. Entweder der Mensch – oder der Herr der Heerscharen. Wie Hiob soll der Versager zu seinem Gott sagen:

„Ich habe erkannt, dass du alles vermagst, nichts, was du sinnst, ist dir verwehrt.“

Das ist der riesige Unterschied zwischen deutschem und amerikanischem Glauben. Der Deutsche ist nicht identisch mit seinem Gott wie der wiedergeborene Amerikaner, der seine Leistung als Leistung Gottes, und die des Gottes als seine eigene betrachtet. Im neuen Kanaan gibt es keinen Wesensunterschied mehr zwischen Gott und Mensch. Die Gottebenbildlichkeit des Menschen ist identisch mit der Menschenebenbildlichkeit Gottes. Nicht der Reichtum an sich ist verderblich, sondern das Rühmen desselben:

„Den Reichen von dieser Welt gebiete, daß sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den ungewissen Reichtum, sondern auf den lebendigen Gott, der uns dargibt reichlich, allerlei zu genießen, daß sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gern geben, behilflich seien, Schätze sammeln, sich selbst einen guten Grund aufs Zukünftige, daß sie ergreifen das wahre Leben.“

Das ist die christliche Grundlage der Almosenideologie der Bill Gates und Warren Buffetts. Kein amerikanischer Prediger würde von ihnen verlangen, ihren Reichtum aufzugeben. Wenn sie sich erkenntlich zeigen mit Peanuts an die Armen, steht ihrer Erwählung nichts im Weg. Käme jemand auf die Idee, sich mit Armut das Himmelreich zu verdienen, würde er sich der Werkgerechtigkeit schuldig machen. Armut wäre für ihn ein Mittel, um sich Seligkeit zu erwerben. Seligkeit aber ist ein Gnadengeschenk, kein selbsterarbeiteter Aufstieg zu Gott. Jesus denkt nicht daran, die Armut auf Erden sozialreformerisch zu korrigieren oder zu beseitigen: „die Armen habt ihr allezeit“. Sklaven sollen Sklaven bleiben.

„Denn es ist hier kein Unterschied: sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, so durch Jesum Christum geschehen ist.“

Zwischen Gott und seine amerikanischen Gläubigen passt kein Blatt Papier. Doch der deutsche Lutheraner, in seiner heilsgeschichtlichen Entwicklung zurückgeblieben, muss sich vor dem Höchsten in den Staub werfen: „Darum bereue ich in Staub und Asche.“ Der Amerikaner ist aus einem Guss. Was er tut, ist gottwohlgefällig, was gottwohlgefällig, transformiert er in Politik, Wirtschaft und technischen Fortschritt, der die alte Welt zerstört, um eine neue aus dem wiedererweckten Gehirn zu zaubern.

Der Deutsche ist schizophren. Einerseits will er am Triumph des Amerikaners teilhaben, andererseits zürnt er ihm ob seiner Reichtumsidolatrie, die er für anti-christlich hält. Hier tut sich der Graben auf zwischen den transatlantischen Verbündeten. Die Armageddon-Amerikaner ihrerseits verachten die ökologischen Skrupel, mit denen die Deutschen die heilsnotwendigen Naturkatastrophen verhindern wollen.

Während die Deutschen sich ein dünnes Mäntelchen Aufklärung zulegten, mit dem sie biblische Märchen entmythologisierten, glauben biblizistische Amerikaner wortwörtlich an den Text der Heiligen Schrift. Intellektuell fühlen sich deutsche Theologen den amerikanischen überlegen, weil sie die Mär von der Verbalinspiration durch historisch-kritische Wissenschaft überwunden haben.

Amerika ist grundlegend geprägt vom Geist nationaler Erweckungsbewegungen, mit denen der verderbliche Einfluss weniger aufgeklärter Gründerväter platt gemacht wurde. Dem latenten deutschen Antiamerikanismus entspricht das manifeste Antideutschentum der Amerikaner.

Auch die Amerikaner fragen sich in Krisenzeiten, ob sie noch die von Gott erwählte mächtigste Nation der Welt sind. Trump gewann seine Vorwahlen, weil er versprach, sein durch Obama geschwächtes Land zur alten Macht und Herrlichkeit zurückzubringen.

Die algorithmische Genieschmiede in Silicon Valley lässt keinen Zweifel aufkommen, die Welt allein durch technischen Fortschritt in die Zukunft zu führen, den Tod zu überwinden und alle Probleme zu lösen. Die Erfinder der digitalen IQ-Maschinen befragen weder Regierungen noch Völker, ob sie ins Reich der Zukunft geführt werden wollen. Sie gerieren sich als totalitäre Führer in das alleinseligmachende Reich der Zukunft.

Dem Fortschritt der Amerikaner entspricht die deutsche Philosophie des unaufhaltsamen Werdens. Bei Hegel ist Geschichte der Fortgang des Absoluten Geistes bis zur Verschmelzung mit der Natur zum irdischen Reich Gottes. Für Hegel endete die Geschichte in Berlin – was dann noch kommen würde, wäre von keinem Interesse. Nietzsche hingegen stellt das unablässige Werden ins Zentrum seines Denkens. Der Deutsche ist nicht, er wird immerzu. Also muss er sich ständig vergewissern, wo er steht und wohin er geht.

„Die Deutschen entschlüpfen der Definition und sind damit schon die Verzweiflung der Franzosen“, meinte Nietzsche. Das einzige, was man „an allem deutschen Wesen wiederfindet, ist das ewig Wechselnde, das immer Andersein, weshalb der Deutsche nicht eigentlich ist, sondern ewig wird, die unendliche Mannigfaltigkeit, der unerschöpfliche Reichtum an Einzelheit und Sonderheit, der „Abyssus der Individualität“, wie es im Überschwang der romantischen Sprechweise hieß“ (so Sombart).

Der Sonderweg der Deutschen wird hier philosophisch begründet. Das Völkische als Kollektiv, in dem die Individualität des Einzelnen seinen Untergang (Abyssus) erlebt, wird von Nietzsche vorbereitet. Der Deutsche in seiner irrationalen Besonderheit ist unergründlich und unfassbar. Der flache Westen hingegen ist von plattem Menschenverstand, pragmatisch und von ordinärer Zufriedenheit durch materielle Güter.

„Was deutsch ist, muss man nicht definieren. Man kann zeigen, was das Wort in unserer Geschichte schon geheißen hat.“

Wie Nietzsche hasst Walser die „abstrakte“ Vernunft der Franzosen. Auch von Definitionen hält er nichts. Er greift ins Lebendige: die Geschichte zeige, was deutsch ist. Doch was die Geschichte zeigt, verschweigt der greise Literat. Er spricht nur über das Dritte Reich.

„Von 1933–1945 war es deutsch, verrannt zu sein, verbohrt zu sein, missbrauchbar zu sein. Dann wird aber in einer Wirklichkeit von Trümmern und Ruinen jeder Art der Satz geprägt „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Verrannt, verbohrt und missbraucht: das soll die Beschreibung des deutschen Schreckens sein? Verharmlosender geht’s nicht, aus Tätern macht Walser missbrauchte Opfer. Ein bisschen verrannt und verbohrt, das ist die Umschreibung des verbrecherischen deutschen Nationalcharakters.

Auch das Grundgesetz ist nicht auf dem Mist deutscher Verfassungsväter gewachsen, sondern unter der sorgsamen Aufsicht der Siegermächte. Die Nachkriegsdeutschen haben die Demokratie nicht erfunden, sie wurde ihnen alternativlos auferlegt. Viel Lobhudelei Walsers für das Deutsche, nur beiläufige, pflichtgemäße Bemerkungen für das Europäische oder Humane.

„Deutsch im europäischen Kontext, das ist die Steigerung des Nationalen ins Humane oder vom Natürlichen zum Sinnvollen oder vom Schönen zum Wahren.“

Das Europäische ist die Steigerung des Deutschen ins Schöne und Wahre? Ohne Beitrag des Deutschen gäbe es demnach keinen europäischen Geist? Andere Nationen scheinen nichts Sinnvolles für die Völkergemeinschaft beigetragen zu haben. Europa muss eine einzige deutsche Erfolgsstory sein, die sich ins Übernationale ausgedehnt hat.

Kein einziges Wort deutscher Selbstkritik. Die galoppierenden Probleme der EU werden mit keiner Silbe erwähnt. Geht es noch eitler und verblendeter? Doch dies ist nur die Goldfolie für die Seligpreisung der deutschen Lichtgestalten Merkel und Kretschmann.

Auch die Flüchtlinge aus dem Osten hätten zu „dem beigetragen, was heute deutsch ist.“ Die vielen „Gastarbeiter“, Türken und andere Einwanderer werden von Walser nicht mal erwähnt. Deutsch sein muss das Werk der Deutschen sein.

Die Deutschen mögen einiges dazu gelernt haben. Ihre Aufarbeitung der Vergangenheit aber wird nur Früchte tragen, wenn sie ihr Lernen nicht als abgeschlossenen Akt, sondern als unermüdliche Selbstbesinnung und Selbstkritik begreifen.

Walser hat nichts dazu gelernt. Seine Verklärung des Deutschen ist narzisstischer Größenwahn. Bei Walser ist das Deutsche weder unfassbar noch unerkennbar. Werden ist bei ihm zum stehenden Sumpf geworden. Für ihn heißt deutsch sein, national-überheblich sein, sich mit falschen Lorbeeren schmücken, die europäischen Verbündeten übergehen und Merkel, eine der Totengräberinnen europäischer Vernunft, in den Himmel heben. Der Begriff Demokratie fällt kein einziges Mal.

Wer sind wir? Die Besten, Schönsten und Größten. Hätte Walser die deutsche Nationalhymne bemüht: seine trostlosen Selbstbespiegelungen hätte er sich sparen können.

Deutsche Merkel, deutscher Kretschmann,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten schönen Klang,
Uns zu edler Tat begeistern
Unser ganzes Leben lang.

 

Fortsetzung folgt.