Kategorien
Tagesmail

Donnerstag, 23. Mai 2013 – SPD ist 150

Hello, Freunde der Schweden,

jetzt auch in Schweden. Die nordische Idylle bröckelt wie das Eis am Nordpol. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 24%. Im Arbeiterviertel von Stockholm beginnen die abgehängten Jugendlichen zu randalieren. „Es ist höchste Zeit, etwas gegen Ausgrenzung zu tun und die jungen Menschen in Lohn und Brot zu setzen.“ (Jonas Fröberg in der TAZ)

Was heißt Lohn und Brot? Dass der eigene Lohn ausreicht, um sein Leben zu unterhalten. Das geht heute immer weniger. Der Lohn fließt spärlich, das Brot muss vom Staat – nein, von der Solidarität der Gesellschaft – mitfinanziert werden. Arbeit wird zur brotlosen Beschäftigungstherapie.

Es wird Zeit, dass man die deutsche Wirtschaft aus Wettbewerbsgründen gänzlich von Lohn- und Gehaltspflichten befreit. Die Wirtschaft marschiert, ohne es zu bemerken, auf das BGE (Bedingungsloses GrundEinkommen) zu. Nur mit anderen Argumenten. Das nennt man List der Vernunft. Lasst die Unternehmer einen eigenen vollautomatischen Maschinenstaat gründen. Am besten auf einer künstlichen Insel bei Helgoland. Die malochebefreiten Menschen können dann ihr Leben beginnen.

 

Heinrich August Winkler ist zum Hauskaplan der SPD geworden. In welcher Talkshow er auch sitzt, der Emeritus emittiert wohlig schnurrende Worte über die – Vergangenheit der Partei. Man sollte diese sympathische Partei in der Tat einbalsamieren, hübsch verpacken und im Deutschen Museum dem staunenden Publikum vorzeigen: Deutschland hatte, hört, hört, eine Partei, die für Demokratie eintrat – nachdem sie einen kleinen Weltkrieg des Kaisers

unterstützt hatte. Deutschland hatte, hört, hört, eine Partei, die dem Führer die Gefolgschaft verweigerte – aber nur im Parlament. Gewerkschaften und Genossen hatten weniger Probleme mit dem deutschen Arbeiterführer.

Deutschland hatte überhaupt nur eine Partei in seiner Geschichte. Wo sind die anderen abgeblieben? Wer sind die Vorläufer der FDP? Wer die der Christenunion? Gab es da nicht eine katholische Zentrumspartei, die dem Ermächtigungsgesetz zustimmte? Haben Protestanten dem Führer nicht zugejubelt, als erlebten sie die Ausgießung des Geistes? Waren führende Theologen beider Konfessionen nicht begeisterte Unterstützer des Mannes, der da kommen sollte, um die alte Wunde der religiösen Trennung zu heilen und eine neue Ökumene der Gläubigen zu stiften? Dies alles im Zeichen des Kreuzes mit den Haken? Hatte Papa Heuss als Liberaler nicht auch geholfen, den Führer in den Sattel zu heben?

Beim heutigen 150-jährigen Geburtstag klopfen sie der alten Partei auf die Schultern: Well done, altes Haus. Das hast du für uns alle getan. Damit wir nicht über unsere eigene Vergangenheit sprechen müssen. In Fragen der Vergangenheitsbereinigung spielt die SPD eine tragende Stellvertreterrolle: ist eine Partei okay, sind alle Parteien okay. Dabei sind die Christenparteien bewusste Neugründungen. Mit der Absicht, die wenig gloriose Vergangenheit der eigenen Vorgänger zu entsorgen – indem man sich hinter den vorzeigbaren Proleten versteckt.

Die Christen beider Konfessionen taten sich nach dem Krieg zusammen, um Wiedergeburt und Neuanfang zu demonstrieren. Ihre pastoralen Vorkriegsfirmen ließen sie bankrott gehen, um keine Verantwortung für die Vergangenheit zu übernehmen. Im Wirtschaftsrecht spricht man von vorsätzlich-schuldhafter Herbeiführung der Insolvenz (§ 283 STGB). Dazu gehört das bewusste Fälschen der Bücher und Belege.

Just das taten die Kirchen und ihre neuen parlamentarischen Emissäre, die nach Kriegsende mit gefälschten Legenden ihre Wiedergeburt anmeldeten. Ein einziges flammendes Stuttgarter Schuldbekenntnis – von amerikanischen Bruderkirchen erpresst – und siehe, ihr Herr hatte sie alle neu gemacht. Das Alte war plötzlich verschwunden. Einen einzigen Satz zur Vergangenheit, dann schauten sie nur noch in die Zukunft:

„Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. Was wir unseren Gemeinden oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“

Das war mehr als eine furchterregende Fehlleistung, das war eine ungewollte Richtigleistung: Sie haben brennend geliebt. Liebe, durch Feuer beglaubigt, gehörte seit den Autodafes und der Inquisition zu den bevorzugten Liebesbezeugungen der Kirche. Dazu die Urlüge: „Wir haben lange Jahre im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat.“ Das Gegenteil war richtig.

Doch vorsichtshalber hat man immer einen Märtyrer als As im Ärmel, der pars pro toto das Ganze retten muss: Bonhoeffer. Oder einen aufrechten Priester, der den Bischöfen als Störenfried galt, post festum aber als Kronzeuge gegen die Schergen äußerst dienlich war. Bonhoeffer war die Ausnahme, die die Regel der Deutschen Christen bestätigte.

Selbst Bonhoeffer war nicht frei von merkwürdigen Tönen in der Judenfrage. Die Kirche, so Bonhoeffer in einem kleinen Aufsatz „Die Kirche vor der Judenfrage“ sei „nicht dazu angehalten, dem Staat in sein spezifisch politisches Handeln direkt hineinzureden.“ „Das staatliche Handeln bleibt frei von kirchlichem Eingriff.“

Ist das nicht putzig? In Schreckensregimes hält die Kirche sich immer raus. In Demokratien heißt das Motto: Zugreifen, den säkularen Staat melken und aus dem Hintergrund regelementieren. So elegant kann man Luthers Zweireichelehre in Praxis übertragen.

Weiter heißt es in der Schrift Bonhoeffers: „Es gibt hier keine schulmeisterliche oder gekränkte Einrede der Kirche. Die Geschichte wird nicht von der Kirche gemacht, sondern vom Staat.“

Da hätten amerikanische Kirchen aufgejault, die sich mit ihrem angeblich neutralen Staat identisch fühlten und per Politik die Ankunft des Messias vorzubereiten hatten. Sie sprachen von civil religion. Religion und Politik sind im jesuanischen Amerika identisch.

Bei Deutschen anders. Sie waren untertan der Obrigkeit, die alle von Gott eingesetzt war, selbst, wenn sie Stalin oder Hitler hieß. Woher nur die ungewohnte Distanz bei Bonhoeffer, dem neuen Regime Folge zu leisten? War die „Sache mit den Juden“ doch zu heiß? Man spürt, wie der theologische Nachwuchsstar Probleme hat, der Obrigkeit zu folgen – und ihr nicht zu folgen. Zwar stelle die „Judenfrage“ (Frage!) ein Problem dar, dennoch sei der Staat ohne Zweifel berechtigt, „neue Wege“ zu gehen. Das Neue war seit jeher der Wahrheitsbeweis des Herrn, der das Alte im Feuer verbrennt.

Klaus Scholder schreibt in seinem Buch „Die Kirchen und das Dritte Reich“: „So notwendig moralische und humanitäre Einwände dagegen als Korrekturen seien; Sache der Kirche seien solche Einwände nicht. Die Kirche „weiß um die wesenhafte Notwendigkeit der Gewaltanwendung in dieser Welt und um das mit der Gewalt verbundene „moralische“ Unrecht bestimmter Akte des Staates. Die Kirche kann primär nicht unmittelbar politisch handeln; denn die Kirche maßt sich keine Kenntnis des notwendigen Geschichtsverlaufes an. Sie kann also auch in der Judenfrage heute dem Staat nicht unmittelbar ins Wort fallen, und von ihm ein besonderes Handeln fordern.“

Der Staat hat von Gott das weltliche Schwert erhalten, um in der „Räuberhorde“ (Augustin über den Staat) für Ordnung zu sorgen. Versteht sich, dass das geistliche Schwert der Kirche dem weltlichen Schwert zeigen muss, an welcher Stelle die Köpfe der Ketzer vom Rumpf getrennt werden müssen. Das hat vor allem die Katholische Kirche in ihrer Macht und Herrlichkeit praktiziert. Die Lutheraner hingegen mussten von Anfang an – aus Überlebensgründen – sich der Herrschaft der Fürsten beugen, damit sie vom Kaiser nicht kassiert werden. Das verpflichtete zur untertänigen Dankbarkeit gegen die föderalen Mächte.

Dass die katholische Kirche sich genau so wenig in die „Judenfrage“ des Führers einmischen würde, ja, sie größenteils ausdrücklich für richtig hielt, kann man in jedem kritischen Geschichtsbuch – das es heute kaum noch gibt – nachlesen. Nachdem Hitler die ersten Kontakte mit den Hirten beider Konfessionen absolviert hatte – die katholischen Soutanenträger bewunderte er, die Evangelen in ihren schäbigen Lutherbäffchen verachtete er –, lag sein Urteil fest, dass „niemand gegen die Judenpolitik protestieren würde.“

Ja, kein Frommer wehrte sich, als Hitler sich in der „Judenfrage“ auf die katholische Kirche berief, die „die Juden ebenfalls immer als Schädlinge angesehen und sie daher ins Ghetto verbannt hätte.“

Wer sind die Vorfahren der christlichen Nachkriegsparteien? Bonhoeffer machte klar, dass es keine prästabilierte Harmonie zwischen Kirchen und Demokratien gab. Niemand wäre damals auf die Idee gekommen – wie ZDF-Frau Gerster am Pfingstmontag – den Herrn Jesus als „eigentlichen Begründer“ der allgemeinen Menschenwürde zu bezeichnen.

(Gersters Sondersendung war als Fortsetzung der ZDF-Nachrichten inszeniert. Mit derselben objektiven Miene präsentierte Gerster weltliche wie geistliche Faktoren. Ihr häufigster Satz lautete: „Die Wissenschaft schließt nicht aus, dass … , obgleich endgültige Beweise noch fehlen“. So wurde der Glaube zu einer bewiesenen Offenbarung ohne wissenschaftliche Beweise. Selbst Paulus wurde zu einem Frauenfreund erklärt. Gerster war früher die erste Moderatorin von Mona Lisa, dem feministischen Magazin des ZDF.)

Die Kirche ist nur Gast auf Erden und hat sich mit der Welt nur soviel einzulassen, dass die frommen Schafe sonntags unbelästigt den Gottesdienst besuchen können. Es konnte nicht den geringsten Zweifel geben, dass Hitler sich auf beide Kirchen stützen konnte – wenn er ihnen nur bestimmte Privilegien überließ. Das Fazit des Führers: „Die nationalsozialistische Weltanschauung – gleichgültig, ob in Italien faschistisch oder in Deutschland nationalsozialistisch – ist eine positiv christliche, und jeder Katholik kann ebenso wie jeder überzeugte Protestant ein Gegner des Parlaments und ein Anhänger der Diktatur der nationalen Idee sein.“

Wo der Führer Recht hatte, hatte er Recht. Das verseuchte Erbe der Christen wird von den heutigen C-Parteien unter der Decke gehalten. Man ist froh, an dieser Stelle die alte Proletenpartei zu haben, die am wenigsten Dreck am Stecken hat.

Ludwig Kaas, katholischer Theologe und letzter Chef der katholischen Zentrumspartei, emigrierte am Ende in den Vatikan, nachdem er sich im Jahre des Herrn 1932 der „faschistischen Lösung der Kirchenfrage“ zugewandt hatte. „Der autoritäre Staat“, so Kaas, „musste die autoritäre Kirche besser in ihren Postulaten begreifen als andere.“

Gleich und gleich gesellt sich gern. In überschwänglichen Worten pries Kaas den beispielhaften Friedensschluss „zwischen dem modernen, totalitären Staat und der modernen, vom Zentralismus des Codex Juris Canonici geprägten Kirche, der beiden, dem Staat wie der Kirche, neue und ungeahnte Möglichkeiten eröffne.“

Die friedliche Kooperation zwischen Christen und Christen eröffnete in der Tat ungeahnte Möglichkeiten an Völkerverbrechen. Heute lobt man gönnerhaft die SPD, nach der Vorgeschichte der C-Parteien. (Hier einige herablassende Lobsprüche von Leuten, die die SPD niemals wählen würdenim SPIEGEL)

Da man das Firmenlabel geändert hat, kann jeder Christdemokrat die Augenbrauen hochziehen: Vergangenheit bewältigen? Vergangenheit haben wir nicht. Die SPDler – die vor Jahren noch die meisten Pastoren in ihren Reihen hatten – wären die letzten, trauliche Erinnerungsfeiern mit unappetitlichen Fragen zu stören.

Wo immer man hinschaut: von Wagner über Bayreuth bis zur Theologie und den Parteien: alles in Butter in Deutschland. Das fürchterliche Heucheljubiläum für Luther, des giftigsten Antisemiten in vor-nazistischer Geschichte, kann 2017 kommen. Es wird eine Wiederholung des Luther-Spektakels auf dem Wartburgfest im Jahre 1817, wo Studenten unliebsame Bücher ins Feuer warfen. Unter ihnen die Bücher des jüdischen Schriftstellers Saul Ascher, der die Helden der deutschen Freiheitsbewegung, Ernst Moritz Arndt und „Turnvater“ Jahn, wegen deutschtümelnder Äußerungen kritisiert hatte. Schon damals die ecclesiogene Klumpenbildung der Deutschen, die später in den Slogan mündete: „Ein Volk, ein Land, ein Führer.“

Im Einladungsschreiben zum Fest hieß es: „Der Himmel segne unser gemeinsames Streben Ein Volk zu werden, das voll der Tugenden der Väter und Brüder durch Liebe und Eintracht die Schwächen und Fehler beider beseitigt.

Heinrich Heine hatte das Wartburgfest so gesehen: „Auf der Wartburg krächzte die Vergangenheit ihren obskuren Rabengesang, und bei Fackellicht wurden Dummheiten gesagt und getan, die des blödsinnigsten Mittelalters würdig waren! (…) Auf der Wartburg herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war als Haß des Fremden und dessen Glaube nur in der Unvernunft bestand, und der in seiner Unwissenheit nichts Besseres zu erfinden wußte als Bücher zu verbrennen!“

Deutschtümelei gibt es heute nicht mehr? Ein SPIEGEL-Artikel zeigt die Burschenschaften auf der Höhe ihrer arischen Vergangenheit.

Doch das wichtigste Deutschtümeln tritt im wirtschaftlichen Gewand auf. Deutschland ist wieder über alles. Weil es ökonomisch so tüchtig ist. Das deutsche Wachstumsrezept, die deutsche Effizienz, Sparsamkeit und Vorbildlichkeit! Ferguson brachte Deutschlands Überlegenheit bereits mit dem Geist des Protestantismus zusammen. Merkel, Gauck, Göring-Eckardt, Käßmann: die ganze „protestantische Mafia“, die magische Wirkung der Evangelischen Kirchentage werden das Ihrige dazu beitragen, Luthers Licht wieder gebührend leuchten zu lassen.

Auch die anderen europäischen Nationen ziehen sich auf ihr christliches Erbe zurück. Die Renationalisierung Europas hat die Wiederkehr der Religionen zur Bedingung.

Winklers Laudatio auf die einzige zeitenübergreifende deutsche Partei gibt sich problemvergessen. Als ob die Partei nicht schon lange im Schlamassel steckte. Die ruhmreichen Taten der Vergangenheit sollen davon ablenken, dass die Arbeiterpartei heute hoffnungslos in der Falle sitzt. Mit den Grünen wird’s nicht reichen. Am liebsten würden sie zurück zur Mama Merkel, allein: niemand darf von ihrer heimlichen Sehnsucht erfahren.

Winklers kritiklose Lobhudeleien sind parteischädigend. Sie tragen nichts dazu bei, die Partei zu einem Neustart zu motivieren. Deutschland bräuchte eine selbstbewusste und kämpferische Vertretung der „Schwachen“ und nicht nur der Schwachen. Wer die Schwachen nicht stärkt, schwächt auch die Starken.

„Aus der 150-jährigen Geschichte der SPD, ihren Leistungen wie ihren Fehlern, lässt sich vieles lernen und das mitunter auch außerhalb der deutschen Grenzen. Das Wort „Erst das Land, dann die Partei“, die Devise aller sozialdemokratischen Bundeskanzler, mag sehr deutsch klingen, aber es bleibt trotzdem richtig. Es steht für eine Haltung, für die sich die Sozialdemokraten nicht zu entschuldigen brauchen.“ (Heinrich August Winkler im SPIEGEL)

Was für ein professoraler Galiamathias. Parteiprogramme wollen das Beste für das Land. Wer seinen Prinzipien untreu wird, stellt nicht das Wohl des Landes über bornierte Parteiinteressen, sondern hat seine Prinzipien verraten. Der Kotau der SPD vor Merkel in der Großen Koalition ist kein patriotisches, sondern ein idiotisches Prinzip.

Rückgratlosigkeit wird als vaterländische Pflicht verkauft. Die Kriegskredite der SPD für den Kaiser werden von Helmut Schmidt noch immer als Patriotismus abgesegnet. Das ist Selbstverblendung im progressiven Stadium. Die SPD sitzt tief in der Patsche, während Wölfe im Schafspelz sie vollends in den Untergang loben.

Nichts kriegt diese Partei zustande. Gabriel will die katastrophale SI neu ausrichten. Was tut er? Ohne Rückendeckung der eigenen Partei macht er einen jämmerlichen Solotrip – und wird an der Biegung des Flusses begraben. Sein Vorhaben nennt er „Progressive Allianz“, womit er das „Wieselwort“ sozial endlich versenkt hat. Hayek lässt grüssen. (Heribert Prantl in der SZ)

Winkler preist das Hartz4-Programm Schröders als vorbildlich. Ohne Amputation der Kleinen und Schwachen wäre Deutschland heute nicht mehr konkurrenzfähig. Dennoch gälte: „Auf andere europäische Staaten lässt sich die Agenda 2010 gewiss nicht eins zu eins übertragen. Aber ihre Grundgedanken bleiben über Deutschland hinaus aktuell. (?) Der Euro wird sich nicht dauerhaft stabilisieren lassen, wenn einige Länder sich überfälligen Strukturreformen verweigern. Wer europäische Solidarität fordert, muss sich um Solidität im eigenen Lande bemühen.“

Wer diesen Wirrwarr versteht, bitte vertraulich der Redaktion whistleblowen. Auf theoretische Sackgassen lässt sich der Groß-Historiker gar nicht erst ein. Die Abwendung von Marx findet er gut, weil dessen prophetische Äußerungen versagt hätten. Alle Voraussagen seien nicht eingetroffen.

Ist ein Propagandist der Gerechtigkeit zur Prophetie verpflichtet? Oder soll er die Ungerechtigkeiten des „Systems“ mustergültig auf den Tisch legen? Soziologische Prognosen können nie langfristige Prophetien sein. Der klaffende Selbstwiderspruch der ganzen Partei, „eine revolutionäre, nicht aber eine Revolutionen machende Partei“ zu sein (so Kautsky), wird von Winkler nur beiläufig erwähnt.

Kein einziger Vorschlag, wie die geistverlassene Partei ihrem Dilemma entkommen könnte. Ja, es sieht so aus, als unterstütze der Historiker sogar den Widerspruch: „Mein lieber Ede, das, was Du verlangst, so etwas beschließt man nicht, so etwas tut man.“

Mein lieber Schwan: solch eine Begräbnisrede hält man nicht, wenn man einen Schwerkranken aus dem Lazarett holen will.