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Dienstag, 26. März 2013 – Amerikas Seligkeit

Hello, Freunde Europas,

Ulrike Herrmann hat die EU-Währungsunion aufgegeben. „Die Währungsunion existiert zwar noch und ist dennoch schon Geschichte: Offiziell haben wir zwar einen Euro, aber faktisch sind es längst 17 verschiedene Euros.“ Die Italiener müssten schon deutlich mehr Zinsen für Kredite zahlen als ihre deutschen Konkurrenten. „Dies ist das Ende eines fairen Wettbewerbs, zerstört den Binnenmarkt und wird die Italiener langfristig zwingen, den Euro zu verlassen.“

Wenn Italien den Euro verlassen müsste, wäre ein Gründungsmitglied der EU verschütt gegangen. Brüssel wäre nur noch ein Torso. Junker meinte es ernst, als er bereits neue Kriege in Europa heraufkommen sah.

Was wäre die Alternative gewesen? Wenn die EZB die kleine Insel durch Gelddrucken gerettet hätte. Da macht kein Deutscher mit, weil das hiesige Trauma noch immer Geldentwertung und Enteignung ist. „Spätestens beim Wort „Geld drucken“ schrecken die Deutschen jedoch auf – und wittern sofort eine Inflation. Sie merken gar nicht, welches mieses Geschäft es ist, dass sie sich ständig von ihren Ängsten und ihrer Selbstzufriedenheit leiten lassen. Denn sicher ist: Ein Eurocrash wäre die teuerste aller schlechten Lösungen.“ So pessimistisch hat man Frau Herrmann noch nie gelesen.

(Ulrike Herrmann in der TAZ)

Gestern war Kapitalismuskritik in deutschen Sendern angesagt. Da merkte man, was seit Jahrzehnten nicht gezeigt werden durfte. Erst jetzt ließ man sich herab,

Michael Moores Film „Kapitalismus – eine Liebesgeschichte“ zu senden. Ein neuer Trend, eine neue Mode – und die deutschen Kanäle sind wieder dabei.

Seit langem werden die linken Geister Amerikas von den hiesigen Medien ignoriert. Kaum einer kennt Noam Chomsky, Ralph Nader, Michael Moore, Howard Zinn. Kaum einer kennt die Atmosphäre jener Familien, die aus ihren Häusern geworfen werden. Man kann Moores Filme kritisieren, man kann sie aber nicht ignorieren.

Sein Film müsste in jedem Gemeinschaftsunterricht gezeigt werden. Vor allem die Gesichter der Verlierer, die unter dem Diktat des amerikanischen Optimismus ihre Gefühle strangulieren müssen. Selbst Kinder sind gelähmt und trauen sich nicht zu heulen. Wer den Film gesehen hat, wird Schopenhauer nachvollziehen können: Optimismus, die ruchlose Denkungsart. (Was nicht bedeutet, dass man gleich in deutschen Untergangswahn umkippen muss.)

Wäre es nicht ein Verrat am amerikanischen Traum, die Umstände anzuklagen, anstatt zu sagen: Ich habe versagt, also brauche ich eine zweite Chance. Man muss sich selbst anklagen. Das Subjekt der Seligkeit ist das Subjekt der Verdammnis. Es gibt nur versprengte Einzelkämpfer mit Charaktermasken vor dem unvergleichlichen Antlitz, in denen Gott sich spiegelt.

Eine Gesellschaft gibt’s nach Margaret Thatcher nicht. Die angelsächsische Demokratie ist keine Polis, sondern eine Arena für Raufbolde à la Kallikles, den Gegner von Sokrates im platonischen Dialog Gorgias. Was ist gerecht für den Kraftmeier? Gerecht ist der Vorteil des Starken. Jede Regierung, gleichviel in welcher Staatsform, hat die Gesetze auf den Vorteil der herrschenden Klasse zuzuschneiden.

Thrasymachos, ein Gesinnungsgenosse des Kallikles – und von dem Liberalen Dahrendorf als Ur-FDPler hoch gerühmt – geht einen Schritt weiter. Der Mann, der zu Großem fähig ist, sollte auch mehr Vorteile haben und diese seinen Freunden zuschanzen. Wenn’s sein muss, im Widerspruch zum Gesetz.

Das Leben des Ungerechten ist besser als das des Gerechten, so Dahrendorfs Vorbild (in „Lob des Thrasymachos“). Vollendete Ungerechtigkeit ist nützlicher als vollendete Gerechtigkeit. Gerechtigkeit im hergebrachten Sinn ist „Einfalt“, Ungerechtigkeit aber „Wohlberatenheit“.

Der Nietzsche- und Hayek-Vorläufer denkt nicht an kleine Beutelschneidereien. Vorbildlich seien Männer, die fähig sind, Unrecht im großen Stil zu begehen und Völker und Städte zu unterwerfen. Macht geht vor Recht. Das Leben des Ungerechten ist dem des Gerechten vorzuziehen.

Machiavelli, Schreckfigur der Gutmenschen, hat nicht als erster die Prinzipien des Naturrechts der Starken erfunden. Nicht zu verwechseln mit dem Naturrecht der Gleichheit, aus dem die Menschenrechte stammen.

Es gibt zwei diametral verschiedene Naturrechte und kein nachkriegsdeutscher Politologe hat‘s gemerkt. Wer derart mit Begriffen schlampt, sollte sich nicht wundern, dass sein Gemeinwesen Schaden nimmt. Ein Staat kann nicht gesunden, der nicht zuerst seine Begriffe reinigt, sagte Konfuzius.

Das Naturrecht der Gleichheit – oder der Schwachen – ist das Produkt der Schwachen, der minderwertigen Masse. So sehen‘s die Starken. Nur dank ihrer großen Zahl bringt die Masse etwas zustande. Sie stellt moralische und rechtliche Prinzipien auf, mit denen sie nur den eigenen Vorteil erringen will. (Dann müsste es für die Starken doch okay sein! Nur die Methoden, stark zu sein, wären andere als bei den starken Einzelpersönlichkeiten.)

Noch heute hat das Mehrheitsprinzip der Demokratie bei Eliten einen anrüchigen Geschmack. Die demokratische Mehrheit ähnelt mehr der christlichen Masse der Verlorenen als dem immer noch besten Prinzip einer demokratischen Entscheidungsprozedur. Eliten sind Electi, die Auserwählten, die nichts unterlassen, um das ordinäre Mehrheitsprinzip durch das Hierarchieprinzip zu ersetzen.

Hayek redete nicht drum herum. In Wirtschaftsdingen soll die Meute außen vor bleiben. Davon versteht sie nichts und ist nur fähig, die evolutionäre Auslese in ein Chaos zu verwandeln. Das Naturrecht der Schwachen hat nur den Sinn, die starken Löwennaturen zu zähmen und an die Leine zu legen. Menschenrechte sind nur Fiktion und Konvention, deren Bestand auf der Wirkung fortwährender Suggestion beruht.

Das Naturrecht der Gleichen erweist sich als widernatürliche Sklavenmoral, die nur von Toren, Gutmenschen und Schwächlingen gepriesen wird. In der Natur zeige es sich doch klar und deutlich, dass bei Pflanzen und Tieren die Starken die Schwachen unterwürfen.

(Auch der vielgerühmte Darwin ist nur eine Fußnote der griechischen Philosophie. Hier wird deutlich, warum die Moderne das griechische Erbe verschweigt. Wer die Leistungen der Althellenen kennt, sieht die Modernen als Epigonen und Plagiatoren. Die Originalität der Modernen ist erschlichen. Im Reich der Gedanken gibt’s nichts Neues unter der Sonne – seit dem Untergang der Antike.

Freud irrte gewaltig, als er Kopernikus, Darwin und sich selbst als die größten Kritiker des modernen Narzissmus bezeichnete. Es sind die unterdrückten Griechen, an denen sich die Modernen nicht messen wollen. Der Vergleich könnte für die Mond- und Marsfahrer unrühmlich ausfallen. Gigantische Maschinen beantworten nicht die Frage: Was sind wir? Monster oder Menschen?)

Auch in der Geschichte zeigt sich, dass die Starken sich immer wieder gegen die Schwachen durchgesetzt hätten. Der Blick auf Natur und Geschichte bestärkt die Kraftnaturen immer wieder, die Herrschaft über die Schwachen zu erobern, um sich Vorteile zu verschaffen. Dabei sei der Starke nicht an eine bestimmte soziale Schicht gebunden. Jeder, selbst ein Sklave, könne sich zum Herrscher aufschwingen, wenn er nur „von Natur aus“ dazu in der Lage sei.

Das klingt nach dem amerikanischen Traum, jeder kann alles, wenn er nur will. In Wirklichkeit ist die Durchlässigkeit der Aufsteiger in Amerika fast schlechter als in Alteuropa. Aber auch bei uns haben sich die Poren der Gesellschaft schon lange geschlossen. Die Schichten driften auseinander. Die Eliten – nach Elitenforscher Hartmann – rekrutieren sich nur aus ihren eigenen Reihen.

Das wird sich in Friedenszeiten nicht mehr ändern. Solange es keinen Krieg gibt – Kriege sind die einzigen Gleichmacher, auf die Verlass ist – wird die Brahmanisierung der Gesellschaft ungebremst voranschreiten. Wir gehen einer feudalen Aristokratie entgegen. Ob allerdings die Eliten die Aristoi, die Besten, sind, darf bezweifelt werden.

In einer Gesellschaft der Verwegensten und Unbedenklichsten, die keine Skrupel kennen, die herrschende Moral über den Haufen zu werfen, kann es nicht ausbleiben, dass herrschende Begriffe ins Gegenteil verkehrt werden. Wer an Moral festhält, gilt als unmännlich, als Schwächling. Auch die Kritik an Gutmenschen ist keine Erfindung des SPIEGEL. Leidenschaftliches Draufgängertum galt bei Kallikles und Genossen als männliche Eigenschaft.

Die aufkommende Ideologie der Starken diente als Grundlage für die neue imperialistische Politik Athens nach dem Nikiasfrieden (421: das vorläufige Ende des peloponnesischen Krieges zwischen Athen und Sparta). Das demokratische Athen hatte plötzlich keine Skrupel, den kleinen Freistaat Melos zu massakrieren. Den Tatmenschen wurde dadurch der Vorzug vor Denkern und Forschern eingeräumt.

Wilhelm Nestle: „In der Neuzeit hat der „Principe“ Machiavellis – und Nietzsche mit seiner Lehre vom „Willen zur Macht“ – seiner Forderung der „Umwertung aller Werte“ und seinem Preis des Herrenmenschentums ganz bewusst an diese sophistische Theorie angeknüpft.“ Auch Machiavelli war kein Originalgenie, sondern Schüler des Thukydides. Im Mittelalter war er nur der erste, der es wagte, dem offiziellen kirchlichen Liebesgesäusel eine moralinfreie Ideologie entgegenzusetzen.

Nicht, dass die Kirche ihre Politik an der Bergpredigt orientiert hätte: Schlägt dich jemand auf die linke Wange, halt auch die rechte hin. Das war PR-Sprache für die dummen Schafe unter der Kanzel. Der Vatikan handelte antinomistisch: die wahren Stellvertreter stehen über dem Gesetz. Moralistisch blinken und machiavellistisch zuschlagen.

Wir müssen feststellen: das Naturrecht der Starken war identisch mit der antinomistischen Gesetzesauslegung der Kirchen. Eliten und Erwählte stehen immer über dem Gesetz, das lediglich den Mob domestizieren soll. Machiavelli war alles andere als ein Antichrist. Er war einer, der die doppelte Moral des Neuen Testaments ans Licht brachte.

Die christliche Ethik ist mit dem „Naturrecht der Schwachen“ nicht identisch, ganz im Gegenteil. Fast zwei Jahrtausende verabscheute sie die Tugend- und Rechtslehre der Heiden. Gott, die höchste Macht setzt das Recht. Gegen seinen Machtspruch gibt’s keinen Einspruch im Namen der Humanität.

Im platonischen Dialog Gorgias wird das Problem erörtert, warum Sokrates sich entschloss, sich von der demokratischen Öffentlichkeit zurückzuziehen. Sind Denker doch realitätsuntaugliche Eremiten? Nein, hier beginnt Platon, seinen Lehrer historisch zu verfälschen. In Wirklichkeit war Sokrates ein zoon politicon, ein öffentlich-politisches Tier. Der „platonische“ Sokrates begründet seinen Rückzug damit, es sei zu gefährlich für ihn, sich weiterhin auf der Agora herumzutreiben und die Demokraten zu kritisieren.

Wer Demokraten kritisiert, um sie zu besseren Demokraten zu machen, ist kein Verächter der Demokratie, wie deutsche Gelehrte unablässig behaupteten. Im Gegenteil, wer Demokraten nicht kritisiert, hat die Herrschaft des Volkes aufgegeben.

Indem Platon den Denker aus dem Getriebe der Macht herausnimmt, bereitet er schon seinen utopischen Staat vor. Unter Bedingungen einer schadhaften Demokratie lebt jeder unbequeme Denker gefährlich. Also muss Demokratie durch einen perfekten Staat ersetzt werden – der von Philosophen regiert werden muss. „Wenn nicht entweder die Philosophen Könige werden […] oder die, die man heute Könige nennt, echte und gründliche Philosophen werden, und wenn dies nicht in eines zusammenfällt: die Macht in der Stadt und die Philosophie […] so wird es mit dem Elend kein Ende haben.[…] Denn es ist schwer einzusehen, dass nur in einer solchen Stadt das Glück für den einzelnen und die Gesamtheit zu finden sein sollte.“

Platon beginnt im Gorgias, seinen totalitären Staat zu legitimieren, indem er wahrheitswidrig behauptet, in einer ordinären Herrschaft der Masse konnte sein verehrter Lehrer nicht überleben. Das Todesurteil über Sokrates bleibt für immer eine Schande für das damals reaktionäre Athen. Zur Ehrenrettung der Stadt muss man aber sagen, dass der Verurteilte in eine andere Stadt hätte entfliehen können. Er zog den Tod in seiner geliebten Heimatstadt vor, der er alles zu verdanken hatte. Vor allem das Gesetz. Auch wenn es in seinem Fall ein Fehlurteil fällte.

Haben wir Michael Moore vergessen? Nein, in seinem Film beschreibt er die Entwicklung Amerikas von dem aufrecht-linken Roosevelt über Hayek, Friedman bis zu den heutigen „Plutonomisten“, die mit vollem Bewusstsein den Kampf der Reichen gegen die Armen strategisch durchführen. Nach Warren Buffett werden die Reichen die Armen besiegen. Daran kann‘s zurzeit nicht den geringsten Zweifel geben.

Ein Prozent der Amerikaner hat schon 90% des nationalen Reichtums zusammengerafft. Während der Vorführzeit des Filmes flossen mindestens 70 Millionen in die Tresore der Starken. Die Kluft erweitert sich ununterbrochen.

Unter dem Schutzmantel demokratischer Gleichheit erobert das Naturrecht der Starken das Naturrecht der Gleichen und Schwachen. Die Demokratie ist durch die Plutonomie (= Plutokratie) der Superreichen schon längst ausgehöhlt. Außen ist noch der Schutzpanzer einer demokratischen Verfassung zu erkennen, innen haben die Unersättlichen die Substanz der Demokratie fast schon aufgefressen.

Beispiele aus dem Film:

Jugendliche, die sich angeblich kriminell verhalten hatten, wurden von einem Richter wie am Fließband zu Jugendgefängnis verurteilt. Dort wurden sie von einer privaten Firma ausgebeutet. Der Richter war bestochen worden, damit er die Jugendlichen durch Gefängnisstrafen dem kapitalistischen Betrieb ausliefert.

Ohne Wissen ihrer Betriebsangehörigen hatten Firmen – unter ihnen Walmart – Lebensversicherungen für sie abgeschlossen, deren Prämien nach dem erhofften Tod – der Firma zuflossen. Mit dem Tod ihrer Angestellten machten die Firmen riesige Profite.

Die Bush-Regierung war eine Filiale des Goldmann & Sachs-Imperiums. Zur Rettung der Banken wurde der Staat um 700 Milliarden Dollar beraubt. Normale Kongressabgeordnete hatten so gut wie keine Möglichkeit, ihr Nein zu artikulieren und sich dem Wahnsinn entgegen zu stellen. Zum Dank für die milde Gabe der Steuerzahler erhöhten die Banker die Boni für ihre betrügerischen Leistungsträger.

Das alles war kein Zufall einer chaotischen Politik. In einem Geheimpapier hatten Ideologen von Goldmann & Sachs kurz nach Reagans Regierungszeit den Krieg der Starken gegen die Schwachen ausgerufen.

Es soll der überraschende Erfolg des damaligen Umweltschützers Ralph Nader gewesen sein, der die Reichen in Panik zur Notwehr veranlasste und sich dem damaligen linken Geist mit ungeheurem Aufwand von Think-Tanks, Spendensammlungen für einflussreiche Politiker, mediale Unterstützung (vor allem durch das Wallstreet-Journal) widersetzte. Die Steuern der Magnaten fielen ins Bodenlose, die Sekretärinnen der hohen Herrn zahlten höhere Steuerquoten als ihre Ausbeuter.

Die Kluft zwischen Reichen und Armen, bis dahin auf stabilem Gleichgewicht, begann jäh auseinander zu driften. Zur ruchlosen Praxis kam die passende Philosophie der Ayn Rand, einer immigrierten Weißrussin, die mit hartem Akzent den sozialen und solidarischen Gutmenschen den Marsch blies. Ihr bester Schüler war Alan Greenspan – „der intelligenteste Mensch auf Erden“, der den Menschen riet, ihr Häuschen in eine Privatbank umzuwandeln, um mit eigenem Kapital zu zocken.

Ayn Rand, eine außerordentlich erfolgreiche Schriftstellerin (bei uns wie immer fast unbekannt) hasste jeden fürsorglichen Altruismus und rief zum bedingungslosen Wettkampf der Egoismen auf. Für Michael Moore, einem naiven Christen, der selbst einmal Priester werden wollte, verstand es sich von selbst, dass die Ablehnung des Altruismus ein antichristlicher Affront war.

Das Gegenteil ist der Fall. Nächstenliebe ist nur die PR-Methode der Christen. Was die Seligkeit betrifft, muss jeder Christ für sich selbst sorgen. In der gläubigsten Familie geht’s nicht ohne Hauen und Stechen zwischen allen Brüdern, Schwestern, Vätern und Müttern (siehe Neues Testament > Matthäus 10,34 f / http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/10/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/10/“>Matth. 10.34 f). Es gibt nur wenige Plätze im Himmelreich, um die gnadenlos konkurriert werden muss. Das christliche Credo ist ein erbarmungsloser Seligkeitsegoismus.

Ayn Rand hatte die Wahrheit des Neuen Testaments als Grundlage des Neoliberalismus enthüllt.

Michael Moore bekam in Deutschland keine gute Presse. Er war zu eindeutig und kämpferisch. Das liebt man nicht bei postmodernen Relativisten. Typisch das Urteil des SPIEGEL:

„Man kann Michael Moore wie immer eine extrem selektive Wahrnehmung vorwerfen, Tatsachenverdrehung und billige Polemik. Eine echte Lösung hat er auch nicht zu bieten, er deutet höchstens an, dass man es vielleicht wieder mit etwas Sozialismus versuchen könnte. Entscheidend aber ist: „Capitalism: A Love Story“ ist ein rundherum ehrliches, leidenschaftliches Projekt. Der Film fordert Gerechtigkeit und Veränderung für eine Welt, in der es zu vielen Menschen viel zu schlecht geht.“

Wie passt das zusammen? Einerseits ein ehrliches leidenschaftliches Projekt. Andererseits billige Polemik, selektive Wahrnehmung und Tatsachenverdrehungen. Ohne Angabe von Gründen, das haben deutsche Edelschreiber nicht nötig. Wer sich erkühnt, zu kritisieren, ohne ein Patentrezept vorzuweisen, sollte sich hierzulande nicht mehr blicken lassen. Hat er ein Patentrezept, erst recht nicht.

Das Christentum bekämpfte nicht das Naturrecht der Starken. Im Gegenteil, es extremisierte die Konkurrenz um die eigene Seligkeit zum erbarmungslosen Kampf. Wenn‘s ans Eingemachte geht, steht jeder Mensch allein vor Gott.

Der amerikanische Kapitalismus ist das theologisch ins Grenzenlose verschärfte Naturrecht der Starken.

Der Kampf gegen die antike Sklaverei wurde im Namen des Naturrechts der Schwachen geführt. Ebenso die allmähliche Anerkennung der Frau als gleichberechtigtes Wesen. „Gott hat alle Menschen freigelassen, die Natur hat niemand zum Sklaven gemacht.“

Hinter der Fassade des amerikanischen Optimismus steht eine grenzenlos psychische Schuld. Wer es nicht nach oben schafft, ist ein Verworfener. Sinnlos, die Umwelt für seine Verderbtheit anzuklagen. Er allein ist Versager vor Gott.

Aus Amerika wird so schnell keine Revolution kommen. Mit soviel lähmender Schuld, nur notdürftig kaschiert durch stereotypes Siegerlachen, ist keine demokratische Grundlagenpolitik zu machen. Wie kann Freiheit bewahrt und zurückerobert werden, wenn sie das Geschenk Gottes sein soll? Wer nicht zur Riege auserwählter Milliardäre gehört, gehört zur Spreu, die ins Feuer geworfen wird.

Solange Amerika nicht in unheiligen Zorn geraten darf, solange sein erfrorenes Lachen die unendliche Trauer über seine Verworfenheit verbergen muss, werden die Tycoons nicht ruhen, bis sie die ganze Welt erobert haben.

Das ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: der Glaube an ihre menschenfeindliche Seligkeit.