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Dienstag, 18. Juni 2013 – Ultras in Deutschland

Hello, Freunde des Innenministers,

Friedrich heißt der Friedensreiche. Während der türkische Ministerpräsident die Untertanenruhe in Istanbul mit seiner friedensstiftenden Armee herstellen will, hat der deutsche CSU-Minister eine bessere Idee: er verteilt das Neue Testament unter seinen Polizisten. „Es ist ein Begleiter, der immer wieder zu Rate gezogen werden kann. Es spendet Kraft, Hoffnung und Trost, wenn man einfach nicht mehr weiter weiß“, schreibt der Minister in einem Grußwort in der Neuauflage des „Neuen Testaments für Polizeibedienstete“.“

Die Polizisten, die vor kurzem viele Stunden lang friedliche Demonstranten einkesselten – darunter Mütter mit Kindern –, waren nicht nur mit dem Helm des Glaubens gerüstet, sondern mit der heiligen Schrift im Tornister. „Friedrich zufolge lehrt das Neue Testament mit vielen Beispielen ein christliches Miteinander, das durch gegenseitige Rücksichtnahme geprägt sei.“ (idea.de)

Gerüchten zufolge will der christlich soziale Politiker unter den Bewerbern für den Polizeidienst die Gläubigen unter denselben bevorzugen. Durch Bibelkenntnisse sollen sie beweisen, dass sie es mit ihrer Erweckung ernst meinen. Friedrichs Ziel ist die Errichtung geschlossener Polizeikohorten mit vorgehaltenem Kreuz und blutroter Schrift: Deus lo volt. Die Christushelden sollen bei gleichem Schritt und Tritt Paulus skandieren können: jedermann sei untertan dem Innenministerium, denn es gibt keinen CSU-Minister, der nicht von Gott wäre. Besonders, wenn er sanftmütig ist und dem Bösen nicht widersteht – wenn das Böse nicht gerade antikapitalistisch auftritt. Ein bekennender Polizist: „Im Polizeidienst zählen nicht

die frommen Sprüche, sondern wie man als Christ lebt.“ Dabei werde man genau beobachtet.“

Genau beobachtet hat Jutta Ditfurth die Einkesselung von Demonstranten in Frankfurt – die es wagten, den christlichen Kapitalismus zu attackieren – durch heldenhafte Streiter für Gott. (Rede von Jutta Ditfurth)

 

Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, aber die Kranken. Parkinson-Patienten haben höhere Heilungschancen, wenn sie den rechten Glauben mitbringen. Dass Religion überhaupt die Gesundheit befördere – sie könne als die beste Medizin betrachtet werden –. bestätigt der Wiener Gehirnforscher und Psychiater Raphael Bonelli.

„Depression, Suchtkrankheiten und auch Suizid treten bei religiösen Menschen eindeutig seltener auf als bei Atheisten“, erläuterte Bonelli. Vor allem bei Sucht, Depression und Selbsttötung seien die Hinweise auf einen Schutz durch Religiosität äußerst stark.“

„Die Aussage des Begründers der Psychoanalyse, Sigmund Freud (1856-1939), dass Religion eine „kollektive Zwangsneurose“ sei, hält Bonelli für überholt. Freud scheine im Blick auf Religion von antireligiösen Vorurteilen gesteuert gewesen zu sein.“

Herr Bonelli ist Dozent an der Wiener Sigmund-Freud-Universität, die es längst verdient hätte, in Herz-Jesu-Institut umgetauft zu werden. (idea.de)

 

Sie waren einmal stolz auf die historisch-kritische Erforschung der biblischen Schriften: die protestantischen Theologen. Womit sie ihre wissenschaftlichen Fähigkeiten nachweisen wollten: dass sie zu Recht als objektive Philologen der alma mater eingegliedert waren. Die historisch-kritische Schule wollte Vernunft in den Glauben bringen und den Nachweis führen, dass Gottes Wort nicht vom Himmel gefallen, sondern in menschlich-unansehnlicher Weise von fehlbaren Menschen verfasst wurde.

Klaus Berger, emeritierter Professor für Neutestamentliche Theologie, übte scharfe Kritik an der historisch-kritischen Arbeit an den Universitäten. „Berger zufolge ist die heutige Theologie „ein lebloses Gedankengerippe, das mit Frömmigkeit und Kirche kaum noch etwas zu tun hat“. Die Bibel werde im Theologiestudium „auseinandergenommen und demoliert, so dass von ihr fast nichts mehr übrig bleibt“. Viele Theologiestudenten verlören dadurch ihren christlichen Glauben und brächen das Studium ab. Die liberale Theologie richte viel Schaden an und habe einen ähnlich durchschlagenden Erfolg wie der Kommunismus in der DDR.“

Wissenschaftliche Philologenarbeit wird von einem Theologen mit einer totalitären Ideologie verglichen. Studieren an einer staatlichen Uni soll dem Glauben kirchlicher Großsekten dienen.

Die Jungfrauengeburt sei wissenschaftlich erwiesen. Hätte Josef sonst seine schwangere Braut Maria – wie der Großbauer seine Magd entlassen wollen? „Wer die Jungfrauengeburt bestreite, schließe die Möglichkeit aus, dass Gott in dieser Welt etwas bewirken könne. Berger: «So legen Theologen dem Herrgott Handschellen an und binden ihm einen Maulkorb um, damit er ja nichts tut oder sagt, was uns irritieren könnte.»“ (idea.de)

So der protestantische Gottesgelehrte, der sich von keinem deutschen Papst in Wundergläubigkeit und Marienverehrung übertreffen lässt.

Womit die Einheit von Vernunft und Jungfrauengeburt ökumenisch bewiesen wäre. Wäre Frau Käßmann keine Frau, könnte sie längst Papst geworden sein. Päpstin Margot, würde Jan Feddersen jubeln.

 

Kommen wir zur zweiten ER-löserreligion. Von Übertritt zu seinem Glauben hält der Gottesgelehrte nicht viel. Ja, er schreckt Leute ab, die glauben, durch Konversion seiner Religion würdig werden zu können. Dem Übertrittswilligen sagt er in lakonischer Deutlichkeit: „Du kannst Gott zufriedenstellen, ohne dass es furchtbar schwierig für dich ist. Du hast ein freies Leben. Ich habe kein freies Leben.“

Der Muslim gibt keiner Frau die Hand, seine Frau bedeckt ihr Haupthaar, damit kein Fremder durch den Glanz weiblicher Haare verführt werde. Nur Muslime, so der Geistliche, „können eine göttliche Seele haben, alle anderen kommen gut mit der tiergleichen Seele durchs Leben. Göttlich oder tiergleich, das sei aber „keine Frage von Gut oder Böse“, so der Geistliche.

Nur Menschen mit tiergleicher Seele benötigen anarchische Freiheit, göttliche Menschen wollen von Gott gefordert und geprüft werden. Belaste mich, Gott mit deinen Geboten. Ich halte stand. Bin ich denn ein heidnisches Tier, dass ich Freiheit nötig habe?

Parbleu: ich habe mich vertan. Widerruf, es geht nicht um Muslime, es geht um einen orthodoxen Rabbiner.

Würde es um Muslime gehen, hätte es längst einen Aufstand unter hiesigen Philochristen, Philosemiten und Antiislamisten gegeben. So aber lesen wir die reinste Bewunderung für eine menschheitsspaltende Religion, die sich für gottebenbildlich hält, alle Ungläubigen auf die Stufe von Tieren erniedrigt. (Was voraussetzt, dass Tiere weit unter den Menschen stehen. Für manche griechische Philosophen waren Tiere den Menschen überlegen.)

Nachdem das offizielle Deutschland sich weigert, das Land Israel zu sehen, wie es ist, wie es zunehmend unter den Einfluss religiöser Ultras gerät – und demokratisch verkommt, wird es Zeit, den Einfluss dieser gottesfürchtigen Männer in Deutschland zu verstärken. Ultrachristen verstehen jüdische Ultras sehr gut, bevor sie sie zu hassen beginnen. Eichmann hat intensive jüdische Studien betrieben, um seine Taten mit gelehrtem Gewissen durchzuführen.

Im Judentum, so der allgemeine Eindruck, herrscht Ordnung. Der Alltag wird von göttlichen Geboten strukturiert, niemand muss sich die Frage der Freien stellen: muss ich schon wieder tun, was ich will? Wer sagt mir, was ich will? Die Thora sagt es ihm, die 613 Gebote aus den heiligen Schriften der Juden. Da muss man schon Ehrgeiz entwickeln, dem Gott zu zeigen, dass man keins seiner Gebote übersieht.

Es geht nicht zu wie bei lutherischen Protestanten, die den strengsten Gegenpol zum Judentum bilden. „So halten wir nun dafür, dass der Mensch durch den Glauben gerecht gesprochen werde ohne Werke des Gesetzes“. Warum Lutheraner aufgrund ihrer judenfeindlichen Glaubenslehre nicht per se als Antisemiten an den Pranger gestellt werden, weiß nur der Wind.

Juden (= gläubige Juden) müssen das lutherische Gnadengewinsel, dieses sola gratia, verachten. Sie sind in der Lage, die Werke des Gesetzes bis aufs Jota einzuhalten. Diesen Bund sind sie mit Jahwe eingegangen und diesen Bund werden sie halten. Allein und autonom, ohne einen stellvertretenden Erlöser, der sich anmaßt, ein Sohn Gottes zu sein. Den himmlischen Lohn am Ende der Tage haben sie sich redlich verdient. Leistung muss sich wieder lohnen. Wenigstens im Himmel.

Über Leistung kann man sich streiten, doch wenigstens gäbe es eine Leistungsgerechtigkeit, wenn Leistung die Grundlage der Tauschgeschäfte wäre – und wenn man sie objektiv messen könnte.

Von Leistungsgerechtigkeit hält Hayek, altösterreichischer Erfinder des Neoliberalismus, nichts. Bei ihm kommt das lutherische Gnadenprinzip zur ökonomischen Geltung. Mach dem Markt ein Angebot. Wenn du Glück hast, wirst du vom marktkompatiblen Himmel erhört. Wenn nicht, sei fair, geh zur nächsten Tafel, um nicht zu verhungern – und probier es erneut, bis du Glück hast. Hast du keins, hast du Pech gehabt. Ab ins Dunkel der Geschichte.

Über Rabbiner wissen die Deutschen so gut wie nichts. Wie ticken sie? Der SPIEGEL-Artikel sagt es uns. (Dietmar Pieper im SPIEGEL)

Shlomo Bistritzky muss sich nach dem Aufwachen die Hände waschen, „denn nachts ist der Mensch wie tot, erklärt er, „dadurch wird er unrein“. Dann muss er zehn Segenssprüche sprechen, zum Beispiel Gott dafür danken, dass er ihm seine Seele zurückgegeben hat und dass er ihm Kleidung und Essen gibt. Das Essen muss koscher sein, und er darf nicht trödeln, sonst wird es zu spät für das Morgengebet. So beginnt der Tag.“

Für die einen ist Schlaf die Regeneration von Seele und Körper. Für Ultras ist es der kleine Tod, der unrein macht. Deshalb das Schlafen als sündiger Akt bei den Jüngern Jesu auf Golgatha.

Im Judentum, so Bistritzky, könne man Glauben und Alltag nicht trennen. Was zwischen den Zeilen bedeutet: bei Christen kann man das sehr wohl. Sie machen fromme Sprüche, halten sich aber nicht daran. Müssen sie auch nicht, denn sie leben nicht vom pedantischen Einhalten seltsamer Gebote, sondern sola gratia: „Sündige tapfer, nur glaube“.

Es gibt nur ein einziges Bistro in ganz Hamburg, wo der Rabbiner koscher essen kann. Man könnte auch sagen, das Essen der Gojim ist unter seiner Würde. Solches Reden wäre aber unfein im interreligiösen Dialog. Also denkt sich jeder seinen Teil. Offenheit herrscht nicht im jüdisch-christlichen Dialog – den es nirgendwo gibt.

Moderne Menschen wollen gewöhnlich frei sein von moralischen Gesetzen. Dieses ewige Moralisieren hassen deutsche Geistesriesen, heißen sie Sloterdijk oder Schmidt-Salomon. Es gebe viel zu viel moralin-saure Gebote. Anders im Judentum.

„Die Welt des Judentums ist eine Welt der Gesetze. Alles beruht auf der Offenbarung, die Mose von Gott empfangen hat. Für Christen ist sie ein Teil des Alten Testaments. Für Juden ist sie die Tora, das Grundgesetz ihrer Religion. Christen kennen die Geschichte von den zehn Geboten, die Mose aufgeschrieben hat. Juden lesen 613 Vorschriften aus der Tora, 248 Gebote und 365 Verbote. Sie sollen Gott lieben. Sie sollen Gott fürchten. Sie sollen keine Nichtjuden heiraten.“

Endogamie nennen es Ethnologen. Rassismus nennen es Kritiker Israels. Dort kannst du keine Nicht-Jüdin legal heiraten. Was in Familienfragen legal ist, bestimmen im heiligen Land die Ultras. Was in allen säkularen Demokratien undenkbar ist. Doch kritische Hinweise auf die politische Relevanz des Glaubens auf die israelische Demokratie – die von selbstkritischen Israelis immer mehr in Anführungszeichen gesetzt wird – suchst du im ganzen Artikel vergebens.

In Deutschland ist Religionskritik immer weniger gern gesehen, Kritik am jüdischen Glauben schliddert gefährlich am Antisemitismus entlang. Der Autor des Artikels fühlt mit dem Rabbi, wenn es um Schwerverständliches und Widersprüchliches in Glaubensfragen geht. Es gibt so viele Stufen der Erkenntnis, sagt Bistritzky, wenn er die Widersprüche erklären soll.

Widersprüche sind keine Erkenntnisstufen. Über solche Kleinigkeiten ist der Rabbiner erhaben: „«Es gibt Tausende Stufen», sagt Bistritzky. Freundlich schaut er durch seine randlose Brille. Er weiß, dass vieles von dem, was er sagt, schwer zu verstehen ist. Aber was soll er machen?“

Was könnte er machen? Er könnte die Widersprüche offen darlegen, sie nicht als göttliche Erkenntnisstufen deklarieren. Er könnte dem Glauben aus intellektueller Redlichkeit den Abschied geben. Doch das wäre von einem Tiefgläubigen Unmögliches verlangt. Unmögliches verlangen können nur Gläubige von Ungläubigen.

Zum Judentum konvertieren – geht das überhaupt? Authentische Juden müssen eine jüdische Mamme haben. Wer die nicht hat, wie kann er hoffen, Jude zu werden? Indem er alle 613 Gebote lernt und penibel einhält. Aber das tun doch die wenigsten Juden, auch wenn sie die richtigen Mütter haben? Sind sie noch echte Juden, wenn sie sich vom Glauben abnabeln und die Gesetze nicht einhalten?

Wer Jude werden will, weiß ganz genau, „dass sich die meisten Juden nicht streng an die Gesetze halten, dass sie Juden sind und trotzdem ein freies Leben haben, ohne den Druck durch die Gesetze. Sie finden es ungerecht, dass mit zweierlei Maß gemessen wird.“ Antwort des Rabbi: „Bistritzky erklärt es mit Hilfe der Kabbala, einer alten mystischen Lehre: «In der Kabbala steht, jeder Jude ist gläubig. Auch wenn er sagt, er ist nicht gläubig.»“

Der Glaube des Juden ist also unabhängig davon, ob er sich selbst als gläubig definiert? Dann hat er qua Geburt das Judesein als unauslöschliches Siegel erhalten? Dann kann er sündigen und die Gesetze verletzen, wie er will, er bleibt Jude und Gottes Auserwählter. Ein konvertierter Zahnarzt erklärt die Absurdität: „Wer durch Geburt Jude ist, kann machen, was er will. Aber wer Jude werden möchte, muss sich genau an die Gesetze halten.“

Gibt es zwei Klassen rechtgläubiger Juden? Könnte Bistritzky – sofern er Sohn einer jüdischen Mutter ist – sich nicht von der Last der Gesetze befreien und sich als anarchischen Gläubigen betrachten? Bistritzky gehört zu einer ultraorthodoxen Sekte, deren verstorbenes Oberhaupt – Menachem Mendel Schneerson oder der siebte Lubawitscher Rebbe – als Messias galt. Leider ist der Messias vorzeitig gestorben, ohne die ganze Welt erlöst zu haben. Oder lebt er noch in unbekannter Gestalt irgendwo auf der Welt?

Brumlik wagt die Frage zu stellen, ob es sich hier nicht um Personenkult oder Götzendienst handelt. Wie so oft, lässt er alle Fragen offen.

Die Angehörigen der eschatologischen Sekte gehen sehr wohl auf Missionsarbeit. Ist das kein Widerspruch zur Ablehnung jeder Konversion?

Iwo! „Shlomo Bistritzky wehrt ab: Der Vorwurf tauche ständig auf, sei aber falsch. „Man missioniert, wenn man einer Person etwas bringen will, was sie noch nicht hat.“ Das sei nicht der Fall. „Wir zeigen den Juden, was sie sind. Jeder Jude auf der Welt sollte mit der Tora und der Tradition verbunden sein.“

Nur wer bereits Jude ist, kann zum wahren Judentum bekehrt werden. Werde, der du bist. Wer nicht von Geburt an Jude ist, dürfte keine Chancen zum Übertritt haben.

Nicht die geringste Andeutung im Artikel, welch reaktionäre Politik Bistritzkys religiöse Freunde in Israel verfolgen. Selbstkritische Israelis (bei uns Selbsthasser genannt) sprechen von faschistoidem Tun. Doch weg damit. Das hat mit Politik und nichts mehr mit Religion zu tun.

In Hamburg gehört der ultraorthodoxe Rabbiner zu den Honoratioren der Stadt. „Im Rathaus ist er ein regelmäßiger Gast, und die meisten Politiker wissen inzwischen, dass er Frauen nicht die Hand gibt. „Es geht darum, die Frau und mich zu schützen, dadurch, dass ich eine Grenze ziehe.“ Seine Frau gibt Männern nicht die Hand und trägt in der Öffentlichkeit eine Perücke („Scheitel“).“

Wie geht der jüdische Rabbi mit Ungläubigen um? Neulich gab es eine öffentliche Debatte um jüdische Identität. Auf der Bühne gab es nur atheistische Juden. Unter ihnen Michel Friedman, der den bemerkenswerten Satz gegen den Rabbi sagte: „Jüdische Kultur bedeutet für mich Streitkultur. Wir alle haben das kleine anarchische Recht, für das Judentum zu sprechen.“

Warum nur das kleine anarchische Recht? Warum nicht das Recht? Und wer erteilt das Recht? Die Rabbiner oder jeder Jude sich selbst?

Mit solchen Streithanseln gibt sich der Rechtgläubige gar nicht ab. Wie kann ein Unfehlbarer mit glaubenslosen Sündern debattieren? Er kann nicht: „Bistritzky versuchte erst gar nicht, mit Friedman zu diskutieren, erklärte aber, warum die Religion seiner Meinung nach für alle Juden wichtig ist: „Wieso existieren heute überhaupt noch Juden, nach so vielen Kriegen, so vielen Pogromen? Die Antwort ist: Weil wir die Tora haben.“ Die Macht der 613 Gesetze.“

Es ist eine hohe demokratische Tugend, nur mit denen zu debattieren, die derselben Meinung sind wie man selbst. Und dieser religiöse Toleranzverächter wird im SPIEGEL „vergötzt“ – würde Brumlik sagen.

Dank der vielen Gesetze also haben die Juden überlebt? Da hat der Rabbi den Zusatz vergessen, dass die vielen Katastrophen, die über die Juden kamen, vom Herrn der Heerscharen als Strafe über die untreuen Kinder Israels verhängt wurden. Auch Hitler so glauben die Ultra-Orthodoxenwar nur ein belangloses Werkzeug des Herrn, um die glaubensvergessenen, assimilierten Juden zu bestrafen, die gar nicht mehr wussten, dass sie Juden waren.

Der jüdische Philosoph Philo soll gesagt haben, nur Juden seien echte Menschen. Das entspräche der Meinung Bistritzkys, dass nur Juden eine göttliche Seele haben können, alle anderen kämen „mit der tiergleichen Seele gut durchs Leben“. Na klar, durchs tiergleiche Leben, bei dem es nur auf animalisches Vegetieren ankommt.

Wie ist es aber mit dem Leben nach dem Tod? Wo die Erwählten ins goldene Jerusalem einziehen und die tiergleichen Araber – ja wohin kommen? Keine Fragen, keine Antworten. Ein Missionsartikel hält sich nicht mit überflüssigen Fragen auf.

Ohnehin würden ungläubige Skeptiker nichts vom Glauben verstehen. Schließlich kommt Glauben von glauben und nicht von Denken und Verstehen. Im Gegensatz zu Papisten legt der Glaube Bistritzkys keinen Wert auf scheinbare Verträglichkeit mit griechischer Vernunft.

„Ob alle oder auch nur einige Teilnehmer der Runde wirklich begreifen, was sie da hören, ist schwer zu sagen. Vielleicht reicht es aber schon, wenn man das Gehörte einfach lernt, wie Ortsnamen auf einer seltsamen Landkarte. Bistritzky ist jedenfalls zufrieden. Die Menschen können nicht alles verstehen, aber sie haben eine Aufgabe, sie müssen lernen und arbeiten, sie müssen sich an die göttlichen Gesetze halten.“

Das ist noch unverfälschter Glaube von altem Schrot und Korn. Sie glauben, weil es seltsam und unverständlich ist.

Ist der Artikel ein Beitrag zum deutsch-jüdischen Dialog? Verstehen wir besser, warum Deutsche das Heilige Land nicht kritisieren? Weil die Bistritzkys dort die Gesamtatmosphäre bestimmen? Und deutsche Religionsignoranten einen Christen-Respekt vor unvernünftigen Dogmen haben? Weil sie hoffen können, ihr schlechtes Gewissen zu bekämpfen? Weil sie glauben, sie hätten ihren früheren Opfern eine Wohltat erwiesen, wenn sie beim Verstehen des jüdischen Glaubens den Verstand ausschalteten?

Dietmar Piepers Artikel unterlässt nichts, um die Vernebelungsschwaden zwischen Juden und Deutschen noch nebliger werden zu lassen.