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Dienstag, 16. April 2013 – Kinder sind unglücklich

Hello, Freunde der Kinder,

die Kinder in Deutschland sind unglücklich. Kinder in weniger reichen Ländern wie Griechenland, Italien sind glücklicher als deutsche Kinder. Die mittelmeerischen Länder wollen sich zusammenschließen, um die deutsche Regierung aufzufordern, mehr für das Glück der Kinder zu tun.

Demokratien sollten an glücklichen Kindern erkennbar sein, nicht am Wirtschaftswachstum. Steinbrück hat in seiner Kandidatenrede nicht über das Glück der Kinder gesprochen. Hat er das Wort Glück überhaupt in den Mund genommen? Kein deutscher Wahlredner wird über das Glück der Kinder sprechen. Auch die Linken nicht, die Erziehungsfragen für bourgeoise Luxusthemen halten. Wenn das Sein stimmt, stimmt auch das Glück.

Es gibt keine einzige Partei für Kinderinteressen. Sollte Deutschland nicht mehr für das Glück der Kinder tun, warnen die kinderfreundlichen Länder des Südens, müsste man dem mächtigen Land in der Mitte Europas den Austritt aus der EU nahe legen. Deutschland wäre eine Schande für den Westen, wenn es ständig neue Wirtschaftsrekorde aufstelle, den Zweck der Wirtschaft aber, das Glück der Menschen, völlig vernachlässige. Ist Glück das Ziel des Kapitalismus?

In Adam Smith’ Wohlstandsbuch sucht man das Wort Glück vergeblich. Er spricht nur von Wohlstand, Reichtum und Macht der Völker. Das ist seltsam, denn in seinem ersten Buch spricht er sehr wohl von Happiness, das

der Übersetzer mit dem altmodisch klingenden Begriff Glückseligkeit übersetzt.

Auch Kant spricht von Glückseligkeit und Glückswürdigkeit. Durch tugendhaftes Verhalten muss der Mensch sich das Glück erst verdienen. Da es keine Garantie gibt, dass Tugend auf Erden mit Glück belohnt wird, braucht Kant doch wieder den Gott, der den Menschen mit Seligkeit belohnt. Wenn nicht hienieden, so doch in der Unendlichkeit. Glückseligkeit ist Glück als geschenkte Seligkeit.

Hier wird Kant seiner autonomen Moral untreu. Eine autonome Moral will Moral um ihrer selber willen, nicht, um belohnt zu werden oder einer Strafe zu entgehen, wie in den Erlöserreligionen, die allesamt heteronom sind, weil sie von Gott im Himmel belohnt werden wollen oder Angst haben vor höllischen Strafen. Wenn das Ziel der Aufklärung volle Autonomie ist, muss Kant als gebrochener Aufklärer betrachtet werden: ohne Gott kommt seine moralische Selbstbestimmung nicht aus.

Die deutschen Theologen erkannten die Schwäche Kants und benutzten seine Gottesabhängigkeit, um bis heute zu behaupten, Aufklärung und Glauben seien keine Widersprüche und erforderten sich gegenseitig. Richtigerweise hätten sie sagen müssen, Deutschlands Aufklärung in der Gestalt des famosen Immanuel (hebr. = Gott sei mit uns) – der seinem Vornamen alle Ehre machte – war nicht auf der Höhe der französischen oder sokratischen Aufklärung. Glück ist keine Belohnung für saure Pflichterfüllung, sondern eine Lebensqualität, die Moral erst ermöglicht.

Man muss Kant auf den Kopf stellen. Erst Glück, dann Tugend. Und nicht: erst Tugend, dann vielleicht Glück. Echte Moral ist keine mühsam abverlangte Tugend, sondern Wirkung des Glücks, weitergegebenes, ansteckendes Glück, das unfähig ist, das Unglück anderer Menschen zu ertragen.

Wenn Deutsche moralisch sind, dann zumeist mit der Selbstergriffenheit: mein Gott, wenn die Welt wüsste, was für ein guter Mensch ich bin. Alles moralische Handeln hierzulande ist der Erbsünde, der angeborenen Schlechtigkeit des Menschen, unter hoher ethischer Kraftaufwendung abgenötigt. Wie es ein malochendes Burnout gibt, so ein Gutmenschen-Burnout. Wenn nach 10 Jahren ehrenamtlicher Betätigung nicht ein Artikel in der Revierpostille fällig ist, fühlen sich deutsche Übermoralisten von der Welt enttäuscht und denken larmoyant an ihren Erlöser, der auch erst ans Kreuz genagelt werden musste, um sich die Lizenz zur Auferstehung zu verdienen.

Deutsche Gutmenschen sind zumeist dauergekränkte und von aller Welt verkannte Miniheilande, die ihre himmlische Belohnung als gerechte Rache an denen betrachten, die dann in der Hölle schmoren müssen. Ihr tugendhaftes Leben hat – wie das clevere Neue Testament es präzise ausdrückt – den Objekten ihrer Moral glühende Kohlen aufs Haupt versammelt. Vorsicht vor heteronomen Gutmenschen, denn sie wollen für selbstverständliche Dinge mit Dankbarkeit und Bewunderung bezahlt werden. Ein kleines Bundesverdienstkreuz darf auch dabei sein. Dann ab in den Himmel, wó Jungfrauen auf den Muslim warten und nicht näher bezeichnete Freuden auf den diplomierten Christen.

Ein autonomer Mensch lebt glücklich und lässt seine Mitmenschen daran teilhaben. Wobei Glück keine Dauerbelustigung sein kann. Wann waren Sie zum letzten Mal glücklich in Ihrem Leben? ist eine der dämlichsten Fragen in Boulevardgazetten. Standardantwort: richtig glücklich war ich schon lange nicht mehr. Ja damals, als ich frisch verliebt war. Seitdem aber das normale Leben mit Kindern und untreuem Ehemann über mich gekommen ist, weiß ich gar nicht mehr, was Glück ist.

Da verwechselt jemand Hedone mit Eudamonie, oder Lust mit Identität, der tiefen Empfindung, sich gefunden zu haben, zu wissen, wer man und wozu man auf der Welt ist. Sexuelle Lusterlebnisse sind Lust, mit Glück müssen sie nichts zu tun haben. Im Gegenteil. Lust kann zur Sucht, zur Lustseuche werden. Erst das Tiefenglück lässt Lust zur Lust werden. Ein Orgasmus ist kein Glücks-, sondern ein Lusterlebnis. An Orgasmen erinnert man sich nicht, nur an Menschen, mit denen man orgastisch eins werden durfte.

Lust kann zur Droge werden. Man will immer mehr und ist unglücklich, wenn man nicht mit allen Frauen dieser Welt schlafen kann. Nein, Sisyphos und Casanova kann man sich nicht als glückliche Menschen vorstellen. Zum Glück gehören mehr als schnell vorüberziehende Sinnesreize oder qualvolle Bedürfnisse mit Instant-Befriedigung.

Die urhebräischen Patriarchen, noch von keinem Erlösungsglauben in ihrer irdischen Vitalität geschwächt, starben alt und lebenssatt. Glück ist die Summe eines Lebens, das man wiederholen würde, wenn man die Möglichkeit dazu hätte. Oder die selbsterarbeitete Fähigkeit, es mit sich auszuhalten und sich nicht davonlaufen zu müssen. Nicht zu verwechseln mit dem heteronomen Zufall, im Lotto einen Sechser zu gewinnen. Unglückliche haben ihren Gewinn im Nu verloren. Glückliche sind weniger abhängig von Zufällen und können nachhaltiger mit ihnen umgehen.

Vielleicht war Faust orgasmusfähig, glücklich war er nicht. Warum? Weil er sich das Glück verbot. Von Lustangst ist oft die Rede, von Paradies- und Glücksverbot so gut wie nie. Das herrschende Utopieverbot – „im Paradies ist es langweilig“ – ist irdisches Glücksverbot einer christogenen Kultur, die auf Erden nicht glücklich werden, sondern erst im Jenseits ihre Glücksseligkeit finden darf. (In der Boulevardpresse sollte ein VIP mal sagen: ich habe meine Familie sitzen lassen, weil es so glücklich-langweilig war! In der Politik ist diese Hirnrissigkeit zum Dogma des Utopieverbots geworden.)

Der schöne Augenblick, der beständig und dauerhaft verweilte: das wäre Glück. Dieses Glück verbietet sich Faust:

„Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch, du bist so schön!

Dann magst du mich in Fesseln schlagen, Dann will ich gern zugrunde gehen.“

Was ist die Alternative zum dauerhaften Glück, das selbst durch Unglücksfälle nicht völlig zertrümmert werden kann? Mephisto durchschaut den homo faustiensis:

„Euch ist kein Maß und Ziel gesetzt.

Beliebts euch, überall zu naschen, im Fliehen etwas zu erhaschen,

Bekomm euch wohl, was Euch ergetzt.“

Letzteres ist ironisch, das Naschen und Erhaschen wird den Menschen nicht bekommen. Aber bitte, wenn die Menschen sich einbilden, dass sie durch Tandaradei auf ihre Kosten kommen, sollen sie in ihr Verderben rennen: dann werden sie des Teufels Beute. Mephisto darf sich die Hände reiben.

Was Faust darauf erwidert, würde heute ausreichen, um jemanden zum terroristischen Psychotiker zu deklarieren:

„Du hörest ja: von Freud ist nicht die Rede!

Dem Taumel weihe ich mich, dem schmerzlichen Genuß,

Verliebtem Hass, erquickendem Verdruss.

Mein Busen, der vom Wissendrang geheilt ist,

Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen

Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern (= der Menschheit Selbst)

Und, wie sie selbst, am End auch ich zerscheitern.“

Hier haben wir den deutschen Urscheiterer. Ein Deutscher kann nicht glücklich sein, wenn er nicht unglücklich ist und in allen Dingen scheitert. Bei ZEIT-Kritikerin Iris Radisch hat kein Buch eine Chance, in dem der Held nicht scheitert.

Faust will nichts mehr wissen. Er hat Abschied genommen von Erkennen, Vernunft und Aufklärung und sich dem irrationalen Gefühlsexzess ergeben. Er will nicht mehr hellwach und präsent sein, das Leben soll ein besinnungsloser Gesamt-Rausch sein.

Hier stehen wir am Ursprung der Deutschen Bewegung, die nur noch ihren Instinkten folgte, gleichgültig, wo die rasende Fahrt enden würde. Keinen Schmerzen will sich Faust verschließen. Wer masochistisch Schmerzen benötigt, um sich zu fühlen, wird irgendwann in Sadismus umkippen und anderen Schmerzen zufügen. Der masochistische, glücksunfähige Deutsche wird zum Sadisten, der andere quälen und vernichten muss, um sich seine faustische Höherwertigkeit zu beweisen.

(Wer noch immer die Frage stellt: wie konnte ein hochkulturiertes Volk wie die Deutschen zu einem Verbrechervolk werden, kann keine Ahnung von deutscher Kultur haben. Seit wann ist Kultur identisch mit Moral? Siehe Platon, siehe den Vatikan, siehe Ludwig den XIV., siehe die moderne Gigantozivilisation mit ihrer Naturzerstörung und Menschenschinderei.)

Von Freud ist nicht die Rede: das ist der Urschoß der deutschen Kultur, aus der das Verhängnis kroch. Die Frohe Botschaft erzog die Deutschen zu gefährlichen Selbsthaderern, die ihre Freudlosigkeit auf andere projizieren mussten, um ihr tristes Dasein zu ertragen. Grausamkeit ist die letzte Notwehr jener, die sich jedes Glück verbieten und andere ins Unglück stürzen, um nicht allein in der Verzweiflung zu verenden.

Nur hochgradige Selbstquäler und Selbstverletzer können als Credo formulieren: Dem Taumel weihe ich mich, dem schmerzlichen Genuss, verliebtem Hass, erquickendem Verdruss. Diese Zeilen hätte jeder SS-Schlächter skandieren können, ohne mit der Wimper zu zucken. Wenn Schmerz und Genuss, Liebe und Hass, Erquickung und Verdruss miteinander verkoppelt werden, dann haben wir es mit dem deutschen Versuch zu tun, die coincidentia oppositorum (die Vereinigung von Gegensätzen) ins Leben zu überführen. Oder in den Tod, wenn’s mit dem Leben nicht klappt.

Die Vereinigung der Widersprüche war auch das Ziel der Hegel‘schen Dialektik. Vor der Schluss-Synthese, im Stadium der Antithesen, sollten die Widersprüche erst ihren Streit ausfechten, bevor sie in Friede, Freude, Eierkuchen enden durften. Das wäre ein selbsterarbeitetes, verdientes Happyend gewesen. Aller Streit angesprochen, ausgeräumt: lasst uns fröhlich und das Versöhnungsmahl feiern.

Was aber, wenn die Zwangsversöhnung kommt, ohne dass die Streitigkeiten ausgeräumt sind? Dann geschieht Faustisches: Liebe wird zu Hass, Vernunft zu Taumel, Genuss zu Schmerz, Erquickung zu Verdruss. Erst wird versucht, die unverträglichen Widersprüche gewalttätig zur Versöhnung zu zwingen. Klappt das nicht – und es kann nicht klappen –, werden die Widersprüche eliminiert, indem alles eliminiert wird, was widerspricht.

Was widersprach den Deutschen? Was war mit reinrassigen Ariern inkompatibel? Der Jude, der Behinderte, der Schwule, alle Untermenschen dieser Welt. Kein Volk wäre zu Massakern fähig, das glücksfähig in sich ruhte. Fausts synthetische Fähigkeiten waren mörderische Unfähigkeiten. Weil er sich nicht streiten, sich nicht auseinandersetzen konnte, war der Arier gezwungen, seine Widersprüche mit Gewalt zu lösen. Wer nicht miteinander streiten kann, muss zur Kalaschnikow greifen und sich aus dem Weg räumen.

Mephisto durchschaut, wo die faustische Glücksverachtung enden wird. Faust befindet sich längst im Delirium irrationalis germaniae:

„Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft,
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken,
So hab ich dich schon unbedingt!

Den schlepp ich durch das wilde Leben,

Durch flache Unbedeutendheit,

Er soll mit zappeln, starren, kleben,

Und seiner Unersättlichkeit

Soll Speis und Trank vor giergen Lippen schweben:

Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,

Und hätt er sich auch nicht dem Teufel übergeben,

Er müsst doch zugrunde gehen!“

Gibt es eine präzisere Beschreibung der ökonomischen Moderne? So ging der Deutsche zugrunde, indem er andere zugrunde richtete. Bis heute wird Faust in den Schulen als faustischer Drang zu Höherem gepriesen. Wer die Welt nicht mit faustischem Drang erobern will, der hat es nicht verdient – ein Neoliberaler zu sein.

Richtig gelesen. Goethe hat den Neoliberalismus erfunden und Faust ist sein irrationaler Zocker und Prophet, der nicht rasten und ruhen wird, bis er die Welt am Kragen hat. („Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält!“ Faust hat das Innerste erkannt: es war der Zaster, der über Leichen geht.) Das kann man mit Waffengewalt versuchen, dann ist man deutsch und brutal. Man kann es auch mit den Waffen des Geldes probieren, dann ist man internationaler Börsenjobber und Aspirant auf die Einprozent-Milliardärsclique, die die Welt immer mehr in den Griff bekommt.

Wann begann der Kapitalismus in der Moderne? Als zwischen den beiden Büchern von Adam Smith das Glück in den Dreck fiel und aus dem Dreck Geld wurde. In seinem ersten Buch plädierte der Schotte noch für Happiness. Glück entsteht aus „dem Bewusstsein, geliebt zu werden.“ „Jedem Menschen soll die Happiness des anderen heilig sein.“ „Happiness hängt nicht vom Reichtum ab“. „Die Happiness des Menschen und aller anderen vernunftbegabten Geschöpfe ist das Ziel des Schöpfers der Natur“.

Mit Neoliberalismus haben diese Worte über Glück nichts zu tun. Die Freiheit des Kapitalismus ist die Nötigung, auf Glück zu verzichten. Also spricht Meister Hayek:

„Es gibt keinen Grund für die Annahme, die evolutorische Selektion jener Art von Verhaltensweisen, die es den Menschen ermöglichten, sich in größerer Zahl zu ernähren, hätte viel – wenn überhaupt etwas – mit der Erzeugung von Glück zu tun gehabt, geschweige denn, sie sei von dem Streben nach Glück gelenkt gewesen. Im Gegenteil: Es spricht vieles dafür, dass diejenigen, die einfach nach Glück strebten, von jenen überwältigt worden sein müssen, die nur ihr Leben erhalten wollten.“

Mit anderen Worten: die glücklichen Schafe wurden von den unglücklichen Raubtieren gefressen, weil sie dem Kampf ums Überleben nicht gewachsen waren. Wer aus lauter Friede und Freude seine Tatzen und Krallen abschafft, der darf sich nicht wundern, dass er von den andern gefressen wird, die sich diesen arkadischen Fehler nicht erlauben. Das Leben ist kein Garten Eden, sondern eine Wildnis, wo gehauen und gestochen wird.

Hayeks Glücksphobie entspricht der Sündenfallgeschichte. Zum Menschen sprach der Gott: „Um deinetwillen ist der Erdboden verflucht. Mit Mühsal sollst du dich nähren von ihm dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen und das Kraut des Feldes sollst du essen. Und im Schweisse deines Angesichts sollst du dein Brot essen.“

Das Leben nach dem Sündenfall ist verdammt zum friedlosen Vegetieren. Sünde und Glück vertragen sich nicht. Man muss froh sein, auf dem Terrain des Teufels auf niedrigstem Niveau zu überleben.

Der Neoliberalismus ist die Wirtschaftsform der Erbsünde und des ewigen Brudermords zwischen unverdient Bevorzugten wie Abel und schuldlos Schuldigen wie Kain. Auf verfluchtem Boden ist Glück nicht vorgesehen. Begnügt euch damit, dass ihr per Zufall davonkommt.

Auch Kant – ebenfalls ein Urbegründer der Sünden-Ökonomie – verwirft das arkadische (paradiesische) Schäferleben. Es mache glücklich und träge und verhindere den notwendigen Rivalitätsgeist, um alle Naturanlagen des Menschen hervorzulocken. Alle Talente würden auf ewig in ihren Keimen verborgen bleiben. Erst der Wettbewerb und die Ungeselligkeit, „woraus so viele Übel entspringen“, würden jene Kräfte entbinden, um die Übel zu überwinden.

Übel überwindet sich mit Übel. Das Böse kann nur durch das Böse besiegt werden. Das Gute spielt keine Rolle mehr. Die Neuzeit misstraut der Kraft des Guten. Es muss das Böse sein, das sich selbst überlistet. Mephisto ist ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.

Deutsche Kinder sind unglücklich. Sie halten uns Erwachsenen den Spiegel vor. Sie misstrauen der Formel, dass Wohlstand und Reichtum zu Glück und Zufriedenheit führen.

Griechische Kinder sind glücklicher als deutsche. Das ist die eindeutige Verurteilung des Kapitalismus durch Kinder, die sich nicht verstellen können. Ohne Rücksicht auf ihre Kinder betreiben die Erwachsenen eine Ökonomie, die die Gegenwart der Kinder beschädigt und ihre Zukunft gefährdet.

„In der Bundesrepublik, insbesondere in den Großstädten, sind Kinder ja geradezu aus dem Alltag verschwunden. Mein Lieblingsbeispiel ist Erich Kästner: „Emil und die Detektive“. Das Buch spielt im Berlin der zwanziger Jahre. Keiner hatte damals offenbar ein Problem damit, dass acht- oder zehnjährige Kinder sich frei durch Berlin bewegen.“ So Professor Bertram in der FAZ.

„Es gibt fast keine Orte für Kinder mehr. Für den achten Jugendbericht hatten wir eine schöne Idee: Man sollte alle Spielplätze so miteinander verbinden, dass die Kinder sich von einem zum nächsten bewegen können“.

Wie lautet Bertrams Fazit? „Ein größeres Maß an Gelassenheit in Bezug auf die kindliche Entwicklung. Kinder sind so unterschiedlich. Aber wir haben in Deutschland ganz stark die Vorstellung, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Norm erreichen müssen.“

Die gesamte Moderne hat nichts Besseres zu tun, als die vertraute Welt der Kinder ständig umzubauen und zu zerstören. Kinder sind keine Postmodernisten, die täglich Neues erwarten. Fühlen sie sich wohl in ihrer Umgebung, soll es immer so bleiben. Das Kind wird immer mehr zum kleinen Erwachsenen gedrillt, der fix seine zukünftigen Karrierefähigkeiten ausbilden soll. Kinder wollen mit der Welt vertraut werden, verlässliche Freundschaften entwickeln.

Hört ihr die Kinder weinen? Sie dürfen nicht mehr weinen, denn sie müssen tapfer und durchsetzungsfähig sein. Also werden sie depressiv und unglücklich.

Kinder können keine verlässlichen Beziehungen aufbauen, wenn ihre Eltern mobil und flexibel von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz wechseln müssen. Kinder werden aus ihrer vertrauten Umgebung herausgerissen, wenn ihre Eltern Hartz4-Empfänger sind. Kinder haben in ihren Eltern keine Vorbilder mehr, denn Vater und Mutter sind den ganzen Tag abwesend, im kapitalistischen Joch eingespannt und abends müde und zerschlissen. Kinder müssen das Gefühl haben, dass sie nur Last sind und ein Vermögen kosten.

Am besten, Ralf Kurzweil erfindet Kinderroboter, die auf Knopfdruck reagieren, nicht einnässen, kein ADHS und keine Neurosen entwickeln und abends ihren Eltern nicht sagen: Ihr Erwachsenen seid nicht mehr zu retten.