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Tagesmail

Mittwoch, 24. Juli 2013 – Medien müssen sich ändern

Hello, Freunde der Übertreibung,

tiefer hängen. Nicht übertreiben. Sagen die, die Grundrechtsverletzungen für Peanuts halten. Sascha Lobos Wut über die Omnipräsenz der Omnipotenten ist bei ihm zum Ekel eskaliert. Dem Ekel an der Regierung, die sich nicht für zuständig hält. Das ist verständlich und doch gefährlich, weil es leicht umschlagen kann in Ekel an der ganzen Demokratie. (Sascha Lobo im SPIEGEL)

Wir fliehen, wovor wir uns ekeln. Das wollen die Eliten, die keinen Ekel kennen, wenn Demokratie in der Mülltonne verschwindet. Eliten sind ekel- und moralfrei. Wie könnten sie sonst Spekulationen betreiben, die Menschen Hunger und Tod bringen? (Die berüchtigten Initiationsriten der studentischen Geheimbünde an den amerikanischen Eliteuniversitäten sind Ekelprüfungen. Nur wer in jede Scheiße beißt, ist für höhere Aufgaben berufen.)

Schäuble hält die ganze „Aufregung“ für übertrieben. Man muss wohl Innenminister gewesen sein, um das Grundgesetz für Ballast zu halten. Ist doch nichts Neues, haben wir doch alles gewusst. Wie konnten die NSU-Morde unbemerkt von der Öffentlichkeit geschehen? Weil wir wussten, dass Neonazis zu Morden fähig sind – und getrost vergessen, was wir wissen.

Wissen ist die wirkungsvollste Form des Verdrängens. Verdrängen ist nicht Versenken in der Dunkelheit, auch in gleißendem Licht sieht man nichts. Pardonnez moi für meine Übertreibung: als Hitler an die Macht kam und im öffentlichen Licht Menschen umbringen ließ, gab‘s in ganz Deutschland – vor allem bei den Eliten, die

  Weimar hassten – nicht die geringste Empörung. Niederhängen. Das wird sich schon legen. Am Anfang muss gehobelt werden, da fallen eben Späne. Schauen Sie sich Hitlers Hände an: sind das Mörderhände?

Dass der Völkerverbrecher in spe für viele ein Sympathieträger war – wozu Schäferhunde und Kinder gehörten –, will man heute nicht mehr sehen. Selbst Hitler-Kritiker kamen mit leuchtenden Augen aus einer Audienz mit dem Führer zurück. Der Selfmademan war nicht nur ein gewandter Causeur und für sich einnehmender homo novus, er legte Wert auf demokratische Werbe-Manieren, darüber spotteten selbst seine eigenen Leute. Das Verhängnis geschah im hellsten Scheinwerferlicht. Vor aller Augen.

Sascha Lobo hat ein ausgezeichnetes Mittel empfohlen, um seine eigene Reaktion aus Distanz zu überprüfen: die memorierende Selbstbeobachtung. Es ist die sokratische Aufforderung: erkenne dich selbst. In deutschen Medien längst begraben und vergessen: sich Rechenschaft abzulegen über den Verlauf der eigenen Meinungs- und Gefühlsbildung. Auch über die Brüche des eigenen Denkens.

In Kommentaren ist nie zu lesen: Früher dachte ich anders als heute, ich muss mich bei meinem Publikum für meinen früheren Schwachsinn entschuldigen. Gemach, entschuldigen muss sich erst mal niemand, eine falsche Meinung zu haben, ist keine Schuld, sondern ein Irrtum.

Tagesschreiber leben dem Tag. Was sie vorgestern dachten und schrieben, ist ihnen Schnee von gestern. Dass ein aufmerksames Publikum sich über Meinungsänderungen wundert, ist ihnen gleichgültig.

Das langsame und gründliche Verfertigen von Meinungen im Licht der Öffentlichkeit ist damit ruiniert. Demokratische Medien, die sich das Prädikat verdienen, betrachten ihre Meinungen als Bestandteile eines fortlaufenden Gesprächs mit dem Publikum über viele Etappen hinweg, indem sie sich auch auf Gegenmeinungen einlassen.

Das klingt, als ob ich von der Rückseite des Mondes spräche. Das Publikum wird von heutigen Edelschreibern als hauseigene Claqueure betrachtet. Die Meinungen der Leser werden dem Artikel angehängt, als fielen sie unter die Rubrik: zu ertragende Belästigungsmasse.

In seinem Artikel „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ hat Kleist die Entdeckung gemacht, dass man beim Gespräch mit anderen – die von der Sache nicht mal viel verstehen müssen, aber fragend Anteil nehmen – seine eigene Meinung finden kann. Wiki:

«Die Idee kommt beim Sprechen». Kleist selbst habe diese Idee gehabt, als er beim Brüten über eine algebraische Aufgabe nicht weiter kam, aber im Gespräch mit seiner Schwester darüber eine Lösung fand. Die bereits vorhandene „dunkle Vorstellung“ wird durch das Gespräch präzisiert, da man sich durch das Reden zwingt, dem Anfang auch ein Ende hinzuzufügen (also die Gedanken zu strukturieren).“

Diesen Dialog mit dem Publikum gibt es heute nicht. Die Edelschreiber verfassen ihre Kommentare wie Wagner‘sche Fanfarenklänge. Die lästige Masse kann antworten oder nicht, die Reaktionen werden als Blinddarmfortsätze angehängt – dann hat die Seel ihre Ruh. Das ist ein Verhängnis und bedeutet die langfristige Verwandlung einer dialogfähigen Agora in geschlossene Verlautbarungsministerien. Die Meinungsäußerungen jener, die per Zufall am richtigen Redaktionstisch landen und es als Akt der Erwählung betrachten, werden zu Predigten, zu denen man sich erst nach dem Gottesdienst am Stammtisch äußern kann – wenn überhaupt.

Die undemokratischen Romantiker sprachen von einem unendlichen Gespräch, womit sie Demokratie, ohne es zu wissen, auf eine treffende Formel brachten. Es ist ein makabrer Witz, wenn Journalisten die offene Gesellschaft bei jenen einfordern, die es wagen, ihnen zu widersprechen, ohne zu merken, dass sie sich selbst in geschlossenen Redaktionshäusern verbarrikadieren.

Die Schreiber haben sich abgesetzt und bilden eine eigene Schicht – die ein diffus wabernder Ring ist. Immer rund um die Eliten herum, teils unverhüllt dazugehörend, teils per Scheinkritik auf Scheindistanz. Die Schreiber haben sich zu Trabanten der Macht entwickelt. Immer flott in Bewegung, doch stets im Anziehungs- und Einflussbereich der Entscheidungsträger. Ändern wollen sie nichts, sie könnten ja die Gespräche unter Drei im Cafe Einstein verlieren.

„Viel hat erfahren der Mensch,

Seit ein Gespräch wir sind

Und hören können voneinander“ (Hölderlin)

Je besser die technischen Kommunikationsmittel, je verkümmerter die Kommunikation. Glauben die Schreiber zu wissen, was ihre Leser denken? Stimmen diese zu, ist alles im grünen Bereich. Gibt’s Saures, war‘s ein Shitstorm – und wird mit selbstbemitleidender Pose quitttiert. Wenn man sich anhört, wie Wehner & Co sich im Bundestag beharkten und die Wehleidigkeit der heutigen Meinungsträger damit vergleicht, kann man nicht anders, als von der neuen Klasse tintenklecksender Märtyrer zu reden. Es soll ja schon ganze Friedhöfe der Shitstormopfer geben.

Gibt es in der Gesellschaft unbekannte Plätze des Gesprächs? Unbekannt müssen sie sein, denn nirgendwo tauchen sie auf. In den Medien gibt’s nur Interviews und Scheingesprächserzeugungsmaschinen namens Talk-Shows.

Das Interview ist kein Gespräch, sondern die Verfallsform desselben. Es besteht aus zwei Sackgassen, die sich niemals treffen. Bei Interviews stellt einer Fragen aus der Intelligenzrubrik: sofort abschalten. Der andere antwortet, indem er geniale Assoziationen dem Publikum zuteil werden lässt, aber nicht antwortet.

Sprich nicht so talkig, pflegte Großmütterchen zu sagen. Woher wusste sie, dass es dereinst tal(g)kige Talkshows geben wird? Hier die wissenschaftliche Erklärung des Talks oder Talgs:

„Talg (lat. Sebum, auch Ungel, Unschlitt oder Inselt) ist aus geschlachteten Wiederkäuern gewonnenes festes Körperfett. Es handelt sich um eine feste, gelblich-weiße Masse, die hauptsächlich Triglyceride mit gesättigten Fettsäure-Resten gerader Anzahl von Kohlenstoff-Atomen enthält. Es kommen jedoch auch veresterte Fettsäuren mit ungerader C-Zahl wie die Pentadecansäure (C15) und die Margarinsäure (C17) in den Triglyceriden vor.“

Hier die ästhetisierte Kurzfassung des öffentlich-rechtlichen Talgs:

                             

Da Talg und Unschlitt dasselbe sein sollen, mein Vorschlag, die Talkshows Unschlitt-Monologe zu nennen.

Seit ein Unschlitt wir sind

Und fahren Schlitten miteinander.

Wie ist der Stand unserer Demokratie? Ein Geschenk, das wir bis heute noch nicht angenommen haben und am liebsten den amerikanischen Schenkern zurückgeben würden – wenn’s nicht so unhöflich aussähe? Die wiederum geben zurzeit ihre Demokratie an Den zurück, Der es ihnen vom Himmel herunterreichte.

Himmlische Geschenke aus zweiter Hand? Nein danke, Amis. Wenn ihr grade eurer Geschenk zu Schrott macht: das können wir besser. In dieser Disziplin haben wir mehr Erfahrung als ihr. Da könnt ihr euch von uns noch ne Scheibe abschneiden.

Wie ist der Stand unserer Demokratie? Völker der Welt, schaut auf unsere Talkshows und ihr wisst, was in Deutschland die Uhr geschlagen hat. Im Presseclub, von ARD-Granden inszeniert, erhält jeder Teilnehmer exquisite Sonderfragen, damit die Gefahr vermieden wird, dass ein Teilnehmer mit dem andern ins Gespräch oder gar in ein Streitgespräch kommen könnte.

Exquisite Sonderfragen sind die liberalen Individualisten unter den Fragen und den Leibniz‘schen Monaden vergleichbar: keine Monade kommuniziert mit der Nachbarmonade. Der Funkverkehr geht ausschließlich über Gott, dem Vorläufermodell der GPS-Satelliten. Wer sind die Zensoren der Republik mit der vorauseilenden Schere im öffentlich-rechtlichen Kopf? Schließlich muss man daran denken, dass zum nächsten „Bericht aus Berlin“ Frau Merkel eingeladen ist und die darf man nicht vergraulen.

(Jetzt stehen wieder die Sommer-Interviews mit den Politikern an: etwas Trostloseres im hellen Sonnenschein mit lockeren Blusen, neuen Freizeithemden und uraltem Gewäsch gibt es unter dem ganzen Himmel nicht. Die Crew darf auf Kosten der Steuerzahler in den streng geheimen Urlaubsort einfallen und sich fühlen, als ob Obama in Berlin einflöge.)

Der Zentralismus der moderierenden Toren, äh, der Moderatoren, ist nur noch durch ein Gespräch mit NSA-Alexander zu toppen: Wir haben den Deutschen gründlich Bescheid gestoßen, ohne mit ihnen ein einziges sinnvolles Wort gewechselt zu haben.

Viel hat der Gazettenleser erfahren

Seit ein Geschwätz wir sind

Und verstummen gegeneinander.

Unsere großen graecomanischen Gelehrten wussten genau, warum die von ihnen verachtete athenische Demokratie im Staub der Geschichte verschwand: zuviel geschwätzt auf dem Marktplatz. Zuwenig gearbeitet im Schweiße des heidnischen Angesichts. Altphilologe Christian Meier beteuerte jüngst in der NZZ, eine moderne Demokratie könne vom athenischen Vorbild nichts lernen. Wegen allzu großer moderner Volksmassen. Auch hätte Athen weder Internet noch Glasfaserkabel gekannt.

Klingt einleuchtend. Dass man dann die Erfindung der Demokratie nach Golgatha verlegt, wo der Heiland der Welt keine einzige Abstimmung über den vermeidbaren oder unvermeidbaren Kelch zuließ, lässt allerdings sündige Fragen aufkommen.

Amerika legt Wert darauf, von Alteuropa nicht geprägt zu sein. So sehr hassten die Flüchtlinge den alten Kontinent, dass sie beschlossen, das Rad der Geschichte in allen Dingen von vorne zu beginnen.

Für alle politischen und philosophischen Theorien beanspruchten sie das jus primae noctis, das Recht der ersten Heckung. Unterstützt von Alexis de Tocqueville, der den Neuamerikanern bescheinigte, bereits als Erwachsene auf die Welt gekommen zu sein. Die Kindheit hätten sie übersprungen, als Ausgereifte seien sie an den Ufern Neuenglands gestrandet.

Inzwischen haben neurowissenschaftliche Untersuchungen ergeben, dass Menschen, die als Erwachsene zur Welt kommen, schwer darunter leiden, dass ihnen die Kindheit geraubt wurde. Die Folgen dieser Spätgeburten kann man heute mit Grauen besichtigen. Ich sage nur Wallstreet und Silicon Valley.

(Nebenbei: dass der Chef unseres wichtigsten BILD-Blattes ein Siliconsektierer ist, hat sich herumgesprochen. Kaum ins provinzielle Alteuropa zurückgekehrt, fordert er einen ganz neuen Typ des Journalisten: „Jetzt müssen wir dahin, wo unser Publikum ist: auf die digitalen Plattformen, vor allem auf die digitalen Endgeräte.“ Man müsse die Möglichkeiten mobiler Endgeräte besser ausloten und anfangen, Geschichten so zu denken, dass sie auf Smartphones funktionieren: „Wir müssen neue Formate entwickeln und eine eigene Sprache oder Erzählweise.“ Das klingt, als kehre Diekmann mit zwei ganz neuen Silikon-Implantaten im Gehirn zurück.

Die neuen BILD-Schreiber werden anders sein als die alten. Die Neuen sehen folgendermaßen aus: „Axel Springer legt Wert auf Chancengleichheit – deshalb ist es uns egal, wo Du herkommst, wie Du aussiehst und wie Du tickst. Sei Du und schreib mit uns Mediengeschichte!“

Bislang war es nicht egal, wie einer aussieht. Nur Adrette wie Blome und Putzmuntere wie Dieckmann erhielten eine Chance. Nun endlich dürfen die hässlichen und verfetteten Studienabbrecher ran. Hauptsache, das Internet ist für sie kein Neuland, damit sie die Kanzlerin um Haupteslänge überragen.)

Tocqueville unterstützte den Tabula-rasa-Mythos der Neuamerikaner und schrieb: „Die Demokratie entsprang groß und wehrhaft, wie es das Altertum nie zu träumen gewagt hätte.“ Wahrlich, die Griechen träumten nicht von der Demokratie, sie verwandelten sie in pralles Leben.

Dennoch kam der Franzose nicht darum herum, der Alten zu gedenken – ohne aber seinen Widerspruch zu bemerken. Das Geschehen in den neuen Gemeinden beschreibt er in griechischer Tradition: „Die Angelegenheiten, die die Gesamtheit angehen, werden auf dem öffentlichen Marktplatz und in der Vollversammlung der Bürger erörtert, wie in Athen.“

Wie apart, dass ausgerechnet Amerikaner den Altgriechen vorwerfen, sie hätten eine Sklavenhaltergesellschaft gehabt, wo sie sich selbst jahrhundertelang eine Mußeklasse in den Südstaaten genehmigten, die von afrikanischen Sklavenheeren ernährt wurde. Mußeklassen? Pardon, es muss harte Arbeit gewesen sein, die Sklaven täglich durchzupeitschen – egal, ob jene es verdient hatten oder nicht. Prophylaktisch gewissermaßen zur höheren Ehre Gottes.

Wenn wir die Demokratie an Haupt und Gliedern renovieren, müssen wir uns zuerst die Medien vorknöpfen, die im Status der vollendeten Sündhaftigkeit vor sich hinvegetieren. Das Zeitalter der vollendeten Sündhaftigkeit war nach Fichte sein eigenes. Er irrte: es ist das unsere. Diesen Triumph der Demut und Verkommenheit lassen wir uns nicht nehmen.

Die Hauptsünde – peccatum originale – der Medien ist die Trennung von Tag und Geschichte. Welcher Vollpfosten hat die Trennung von Heute und Gestern eigentlich erfunden? Wie kann man über das Heute berichten, ohne zu sehen, dass die Gegenwart die Summa aller Vergangenheiten ist?

Bis vor kurzem war es den Edelschreibern verboten, andere Leute zu zitieren. Vor allem Leute von früher, auf deren Schultern sie stehen, es aber nicht zugeben, weil sie originalgezeugte Genies sind, die sich auf nichts und niemanden berufen, da sie sich selbst erfunden haben wollen.

„Ein Quidam sagt: ich bin von keiner Schule.

Kein Meister lebt, mit dem ich buhle.

Auch bin ich weit davon entfernt,
Daß ich von Toten was gelernt.«
Das heißt, wenn ich ihn recht verstand:
»Ich bin ein Narr auf eigne Hand

Um ganz gegen unsere Gewohnheit uncharmant zu sprechen, müsste man die heutige Mediengeneration eine neue Horde Narren auf eigene Hand nennen. Aber das wäre ungerecht, solche Narren gab es schon früher.

Hallo, Medien, erwachet. Nicht zum Herrn, sondern zur Vernunft. Und schreibt, was euer kühler Kopf und heißes Herz euch eingeben. Lernt, lernt und nochmals sage ich euch: lernt. (Hatte schon der alte Augstein seinen Leuten gesagt. Vergebens, orientierungslos schippert der SPIEGEL durch die Gewässer der Zeiten. Schon bevor er anfängt, scheint ihr neuer Chef keine Lust mehr zu haben, anzugeben, wohin der seeuntüchtige Kutter steuern soll.)

Diekmann hat vollkommen recht: wir brauchen eine neue Art von Schreibern. Nämlich eine uralte, die beim Schreiben ihre eigenen Gedanken entdeckt, im Gespräch mit den Lesern fortwährend überdenkt, revidiert, mit Sachverstand verteidigt und vertieft. Diekmann hat völlig unrecht. Wir brauchen keine verkabelten Smartphones auf zwei Beinen, sondern denkende Wesen, die Auskunft geben können über ihre Erkenntnisse.

Gegenwart ist aufsummierte Geschichte. Wie kann man über westliche Politik schreiben, ohne das Christentum auswendig zu kennen? Wie kann man über Demokratie schreiben, ohne die Apologie des Sokrates zu kennen? Wie kann man über die Widersprüche des Abendlandes schreiben, ohne die Widersprüche zwischen Athen und Jerusalem zu kennen? „Was hat Athen mit Jerusalem, die Akademie mit der Kirche gemein?“ fragte Tertullian. Wo der Kirchenvater Recht hat, hat er Recht.

Geschichte in all ihren Facetten muss uns gegenwärtig werden, als sei sie Gegenwart. Sie ist Gegenwart.

„Wer nicht von 3000 Jahren sich weiß Rechenschaft zu geben,

Bleib im Dunkel unerfahren, Mag von Tag zu Tage leben.“

Von Tag zu Tage leben die heutigen Medien. Wenn sie nicht übertägig werden, muss ihnen das mündige Publikum den Titel „Vierte Macht“ aberkennen.