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… zum Logos XLIX

Tagesmail vom 25.03.2022

… zum Logos XLIX,

Denn es wird sich zeigen, dass der Westen überlegen ist. Besser, innovativer, gerechter – und, auch das, stärker. Wir können sie übertrumpfen in so ziemlich jeder Beziehung, auch wenn die Herausforderungen immens sind.“ (SPIEGEL.de)

Wer ist es, der in prophetischer Rede das Neue verkündet? Prophetische Rede nicht als Satire, sondern als neue Erleuchtung? Es ist ein deutscher Ökonomieprofessor, der den Kriegsgesang anstimmt, denn er hat die Neue Welt entdeckt.

Der Ökonom hat das Rechnen eingestellt, die priesterliche Robe angezogen: „Denn es wird sich zeigen …“

Was wird sich zeigen?

„Dass das Evangelium des Reichtums nur der Widerhall der Worte Christi ist. Dass ein kleines Stück der großen Welt um ein wenig verbessert worden ist, weil er gelebt hat. Soviel ist sicher: gegen solche Reiche wie diese werden sich an den Pforten des Paradieses keine Schranken erheben.“ (Carnegie)

Was aber ist mit dem harten Wort: Eher kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher ins Himmelreich?

„Der gesegnete Reiche spricht:

„Heute, wo alle Fragen bis auf den Grund sondiert werden und die Normen des Glaubens die weiteste Auslegung erfahren, ist der erschreckende Vers nach dem Hintergrunde verbannt worden, um dort als eines der Dinge, die nicht ganz verstanden werden können, aber auch nicht ganz verstanden werden sollen, eine künftige milde Verbesserung zu erwarten.“ (Andrew Carnegie, Das Evangelium des Reichtums, 1907)

Sollten die Reichen ihren Überfluss nicht den Armen geben? Oh doch, aber nur in bestimmten Situationen, niemals als beliebiges Streuen unter die Massen, die mit Geld nichts Sinnvolles anfangen können. Es wäre besser, das meiste Geld, das heute den Schweinen vorgeworfen wird, ins Wasser zu werfen. Sinnvoller wäre es, die Reichen zu bewegen, mit unüberlegtem und schädlichem Geben aufzuhören. Denn diejenigen, die überflüssigen Reichtum besitzen, geben jährlich Millionen, die mehr Böses als Gutes stiften und tatsächlich den Fortschritt des Volkes aufhalten. Denn die meisten Almosen, die heute den Armen gegeben werden, stiften nur den Geist der Abhängigkeit, während es doch für den Fortschritt wesentlich wäre, dass ihnen Vertrauen in ihre eigenen, selbstständigen Kräfte eingeflößt wird. Wer dem einzelnen Bettler gibt, begeht ein schweres Unrecht. Ein einziger Mann oder ein einziges Weib, dem es gelingt, behäbig vom Betteln zu leben, ist der Gemeinschaft gefährlicher und für den Fortschritt der Menschheit ein größeres Hindernis als zwanzig wortreiche Sozialisten. (nach Carnegie)

Haben wir vergessen, dass Tony Blair keinem Bettler je einen Cent gab? Im Gegensatz zu deutschen Wertechristen, die gar nicht daran denken, asoziale Gesetze in soziale zu verändern, um Gerechtigkeit für alle herzustellen.

Deutsche Wertechristen wollen die Welt nicht grundsätzlich verbessern, das wäre sündige Hybris. Sie wollen Spuren hinterlassen, um verlässliche Zeugnisse für die Kontrolle am Himmelstor zu erhalten.

Es gibt keine universelle Gerechtigkeit. Das war doch die Erfindung der Vernunft, die Erfindung des Naturrechts. Solch einen heidnischen Schmarrn ließen sich die Deutschen nicht gefallen. Bei ihnen gab es nur punktuelle Eingriffe ihres Herren in das Weltgetriebe, das stets befleckt bleiben musste.

Hätte es allgemeine Gesetze gegeben, wären die Völker doch in der Lage gewesen, sich durch einen vernünftigen Dialog zu einigen. Aber nicht mit Max Weber, dem Vorbild aller deutschen Intellektuellen. Wie wäre er zu seinem heiligen Krieg zwischen den Nationen gekommen?

„Meine Götter liegen im Streit mit denen der anderen, meine Werte liegen im Streit mit denen der Fremden und es gibt keine höhere Autorität – ganz gewiss kein absolutes, universales Tribunal –, das über die Ansprüche dieser rivalisierenden Gottheiten urteilen könnte. Deshalb kann nur der Krieg zwischen Nationen oder Individuen die Lösung bringen.“ (bei Isaiah Berlin)

Es kann keine allgemeinen Menschenrechte geben, denn das wäre ein Triumph der universellen Vernunft, also der Aufklärung, und wäre ein Verstoß gegen das Evangelium.

„Ein falsches Bewusstsein von der eigenen Weisheit führt zum lächerlichen Stückwerk von Menschenrechtserklärungen und Freiheitsphrasen. Das Ziel des Menschen besteht jetzt darin, um jeden Preis die eigene persönliche, innere Vision zu verwirklichen; sein schlimmstes Verbrechen besteht darin, diesem inneren Ziel, das ihm und nur ihm angehört, untreu zu werden.“(ebenda)

Verstehen wir nun, wo die jetzige Regression der westlichen Demokratien – der Niedergang der universellen Freiheit und Gerechtigkeit – entsprungen ist? In der Gegenaufklärung, dem Feind der Aufklärung.

Die christogenen Demokratien hatten sich ein halbes Jahrhundert lang dem heidnischen Universalismus unterworfen. Oder sagen wir so: solange die Westdemokratien noch immer an Macht und Einfluss zunahmen.

Kaum begann das Triumphgebäude in seinen Grundfesten zu beben, zogen die Frommen ihr Bündnis zurück und rebellierten gegen alle universelle Menschenrechtspolitik.

„Der Industrialismus („der Pöbel“) mobilisierte und bewaffnete die national gesinnten Mittelklassen gegen die kosmopolitisch gesinnten Eliten in Europa. Die Romantik oder die Gegenaufklärung war ein solcher Ausbruch gegen eine moralische oder politische Zwangsjacke; universelle Ethik geriet in Verfall und zerbrach in einem Land nach dem anderen.
Er nahm die Gestalt einer Verherrlichung des Individuellen, Nationalen, des Geschichtlichen an – wider alles Universelle und Zeitlose. Man feierte das Genie, das Unerklärliche, den geistigen Sprung, der allen Regeln trotzt.“

Weshalb die deutschen Gegenaufklärer von heute nur eine chaotische und regellose Freiheit anerkennen. Universelle Moral wäre ein universelles Gefängnis. Es gibt keine rationalen Regeln, es gibt nur spontane Einfälle, die in diesem Augenblick gelten (wie bei Kierkegaard, dem Erfinder des Augenblicks): jetzt und jetzt nicht mehr.

Der Angriff gegen die Aufklärung wird zur Verherrlichung des Individuellen, Nationalen und Geschichtlichen – gegenüber dem Universalen und Zeitlosen. Man attackierte die große unpersönliche Ordnung mit ihren unumstößlichen Gesetzen – dem Inbegriff des unpersönlich-rationalen Gottes – und inthronisierte den direkten persönlichen Schöpfer mit seinen launischen Einfällen, die von Augenblick zu Augenblick ganz verschieden sein konnten.

Nicht Aufklärer Kant ist das Vorbild der heutigen Demokratie, sondern Gegenaufklärer Hamann, theologischer Widersacher Kants. Die Postmoderne ist nur eine neumanikürte Ausgabe der Gegenaufklärung, des Relativen, Unbeständigen, Augenblicklichen und Launenhaften.

Putins Feldzug gegen den Westen ist ein Kampf des Irregulären, Irrationalen, Besonderen und Willkürlichen – dem Inbegriff einer undefinierbaren Macht – gegen die Einförmigkeit und Berechenbarkeit eines immer gültigen Gesetzes.

Putins Unterstützer sind religiöse und politische Fanatiker aus allen drei Erlöserreligionen, die es nicht länger ertragen, dass ein berechenbares, unpersönliches Universalgesetz den persönlichen Erlösergott abgelöst haben soll.

„Was wirklich ist, ist immer ein Besonderes; worauf es ankommt, ist das Einmalige, das Individuelle, das Konkrete, das, worin etwas sich von anderem unterscheidet, denn das ist sein Wesen und sein Kern – nicht das, was es mit anderen Dingen gemeinsam hat und was die generalisierenden Wissenschaften zu erfassen versuchen.“

„Gott spricht zu uns in poetischen Worten, die sich an die Sinne wenden, nicht in Abstraktionen für die Gelehrten. Männer wie Kant (sein ehemaliger Freund) leiden, wie er sagt, an einem „gnostischen Hass gegen Materie“, bilden die Welt um in künstliche Schemata und leben in einer Welt von Fiktionen. Systeme sind bloße Gefängnisse des Geistes; sie führen früher oder später zur Errichtung gewaltiger bürokratischer Apparate, die nach Regeln gebaut sind, die die Vielfalt des einzigartigen und unvergleichbaren Lebens der Menschen ignorieren und die lebendigen Geschöpfe dem Mechanismus eines repressiven politischen Systems unterwerfen.“

Hamann hat versucht, eine Umkehrung aller Werte der Aufklärung zu erreichen. Er wollte zurück zu einer Religion vor dem Einbruch der Naturwissenschaften, der Dominanz des Berechenbaren: „Qualität statt Quantität, die Allgegenwart des persönlichen Gottes gegen die unpersönliche Weltseele der Pantheisten oder jenes berühmten Uhrmachers, der das Seiende per Knopfdruck von außen lenkt.“

Hamanns Religion war die des brennenden Dornbuschs, nicht die der kalten Logik, des „ich denke, also bin ich“. Er war von der Überzeugung besessen, dass die Fülle des Lebens, der sich ständig verändernde Augenblick der Erleuchtung durch den Geist der Analyse gestört wird.

Der heutige Stil deutscher Politik ist ein ständig fehlschlagender Widerspruch aus kühler Logik und brennendem Dornbusch. Bei Merkel war das Rationale die Physik, bei ihrem Nachfolger ist es die Finanzwissenschaft. Es gelingt ihnen nicht, der spontanen Realität mit lebloser Vernunft Herr zu werden.

Das Ergebnis war bei Merkel zunehmende Sprachlosigkeit, die Unfähigkeit, ihr „Volk in Worten mitzunehmen“, bei Schulz, das unberechenbare Leben in ökonomische Formeln zu fassen. Merkel kann hochemotional um Verzeihung bitten, ihre angeblichen Fehler aber kann sie in logisch-verständlichen Worten nicht erklären.

Ihr Dualismus aus lebloser Ratio und irrationaler Spontaneität konnte gelegentlich nicht anders als sich in zitternder Hilflosigkeit zu entlarven. Sie war ausgezogen, das dionysische Leben mit Physik zu bändigen, doch bei der künstlichen Paarung floh das pralle Leben – und mit ihr die eiskalte Ratio.

Nun hätte sie ihren Glauben bemühen müssen, um die beiden unversöhnten Seiten des Lebens miteinander – wie durch ein Wunder – zu versöhnen. Doch dazu fehlte ihr die Kraft des Glaubens. Nicht mal sie war imstande, mit sich so ins Gericht zu gehen, dass sie sich selbst verstanden hätte. So verschwand sie im Dunkel ihrer unbegriffenen Geschichte.

Zurzeit ist der Westen – geeint durch den gemeinsamen Feind – wieder miteinander versöhnt. So scheint es wenigstens. Gelingt es ihnen, den Erzfeind zu überwältigen, wird es zu Jubelstürmen kommen – für einen Augenblick der Geschichte.

Doch nicht lange und die siegestaumelden Nationen werden wieder übereinander herfallen. Denn ihre alten Konflikte wurden nicht gelöst. Ja, die Nationen wissen gar nicht, was sie trennt. Dass Amerika durch die biblische Siegesformel „America first“ Sieger im eschatologischen Wettbewerb werden will, verstehen die anderen Nationen – die ihre biblischen Fundamente weniger kennen – überhaupt nicht.

Der Kapitalismus, in der ganzen Welt immer mehr unter Beschuss, wird im Kontinent des christlichen Reichtums am heftigsten verteidigt werden. Aber selbst die Amerikaner können die wirtschaftlich-religiöse Symbiose à la Carnegie kaum noch verstehen.

Von Trump ganz zu schweigen. Was aber würde Joe Biden zu folgenden Sätzen sagen?

„Unser Wirken in diesem Leben ist armselig und beschränkt, unser Gesichtskreis eng und unsere beste Arbeit höchst unvollkommen. Dennoch sollten die Reichen für eins dankbar sein: es steht in ihrer Macht, sich der Schaffung von Wohltaten mit Eifer zu widmen. Das höchste Lebensideal ist wohl nicht durch eine Nachahmung des Lebens Christi zu erreichen, wie sie Graf Tolstoi zeigt, sondern dadurch, dass wir, von Christi Geist beseelt, die herrschende Realität zu verändern, zum Besten unserer Mitmenschen zu wirken, sei es auch in einer anderen Art und Weise. Dieser Reichtum, der durch die Hände der Wenigen geht, kann eine viel wirksamere Kraft zur Hebung der Menschheit werden, als wenn er in kleinen Summen an das Volk verteilt würde. Nichts Böses, sondern Gutes ist der Menschheit aus der Anhäufung des Reichtums durch diejenigen erwachsen, die die Fähigkeit besessen haben, ihn hervorzubringen.“

In Amerika gab es in den Nachkriegsjahren bewundernswerte Protestwellen gegen die Degenerierung des Westens: die der Studenten, der Wissenschaftler, der Feministinnen, der Klimakritiker. Aber einen energischen Protest gegen biblizistische Religion gab es nicht.

Da Religion das Elixier der gesamten Kultur ist, blieb die Kulturkritik im Wesentlichen wirkungslos. Deutsche Protestbewegungen hingegen waren nur Imitationen der amerikanischen. Bis heute haben die Deutschen den Ernst der amerikanischen Antikultur nicht erfasst.

Deutschland könnte die Durchschlagskraft der amerikanischen Revoltebewegungen erst dann erreichen, wenn es selbst seine historische Basis gefunden hätte – die nicht verflucht wäre, sondern die Kraft einer wieder entdeckten Aufklärung aufbringen würde, um in Auseinandersetzung mit der westlichen Entwicklung sein eigenes Charakterprofil zu suchen.

Was aber will SPIEGEL-Prophet Henrik Müller?

Er will das Reich des Bösen im Osten erneut besiegen und dem Reich des Guten den Siegespokal verschaffen. Wir sind die Guten und Erwählten – die anderen werden sehen, wo sie bleiben:

„Der neue Blockgegensatz ist letztlich ein Konflikt um Wertvorstellungen. Der universalistische Liberalismus – die Software des Westens – ist auf Toleranz, Ausgleich und Vernunft gegründet. Ein Modell, das als Reaktion auf die Konfessionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts entstand, als religiöse Intoleranz anderthalb Jahrhunderte lang zu Mord und Totschlag geführt hatte. Institutionen, Gesetze und soziale Normen bildeten sich heraus. Nebenbei erwies sich die liberale Gesellschaft als großes Fortschrittslabor.“

An diesen Worten ist alles nur halbrichtig, das sich als Ganzfalsches erweist. Der Kapitalismus war nur dem Wortlaut nach tolerant, ausgleichend und vernünftig. Er war so tolerant wie jener Bulldozer, der über Stock und Stein fuhr, laute Warntöne von sich gebend, am Ende aber dennoch alles unterschiedslos zu Matsch machte.

Alle Werte waren nur auf dem Papier universell, in Wirklichkeit waren die Bulldozerbesitzer ihren Konkurrenten überlegen. Wie begann der klassische Kapitalismus? Bestimmt nicht als Wettbewerb mit gleichen Erfolgschancen:

„Nachdem Massen von Menschen von dem Grund und Boden, den sie einst bearbeitet hatten, und aus ihren dörflichen Gemeinschaften vertrieben worden waren, blieb ihnen nichts anderes, als sich selbst in Form ihrer Arbeitskraft zu verkaufen. Zum ersten Mal in der Geschichte besaßen Heerscharen von arbeitenden Menschen keinerlei Einfluss auf die Produktion ihrer Lebensgüter mehr. Die kapitalistische Ausdehnung dehnte sich mit der – nur folgerichtigen – Entstehung des Imperialismus auf fremde Völker aus, und eine neue Kategorie von „Nichtmenschen“, gebildet aus den Eingeborenenvölkern, fand Eingang in das westliche Bewusstsein.“

Das Inhumane galt nicht nur für den Kapitalismus. Auch in Marxens Denken war kein Raum für Liebe, menschliche Schwäche, Mitmenschlichkeit oder Selbstkritik. Ein Kritiker schrieb über ihn: „Er wusste, dass die Menschheit mit sich versöhnt und glücklich sein sollte, aber er schob das bis zur Erreichung der Synthese auf, in der Gegenwart glaubte er nicht mehr an die menschliche Brüderlichkeit.“ (M. French)

Die Globalisierung begann von Anfang an nicht als gleichberechtigte Zusammenarbeit und fairer Gütertausch, sondern als Ausbeutung schwacher Völker durch die starken. Die reichen Länder wurden immer reicher, während die Schwachen sich mit Wenigem zufrieden geben mussten.

Im Westen wird immer getönt, der Kapitalismus sei bisher die einzige Wirtschaftsform der Weltgeschichte gewesen, die die Armut der Völker beseitigt hätte.

Ja, eine gewisse Zeit gab es weniger Hunger in der Welt, um aber sehr schnell Schlimmeres entstehen zu lassen: den Zusammenbruch jener Völker, die durch die Klimafolgen der reichen Völker zur Kapitulation gezwungen wurden. Ihre Rohstoffe waren geplündert, ihre natürlichen Bedingungen zerstört.

Sie benötigen keinen Putin, um ihre uralte Existenz aufgeben zu müssen. Es genügen die normalen Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen.

Müllers Fortschrittsglauben hat noch nicht wahrgenommen, dass endloser Fortschritt im Nirwana endet. Nicht der klassische Liberalismus bestimmt den heutigen Kapitalismus, sondern der Neoliberalismus. Den Unterschied zwischen Paläo- und Neoliberalismus scheint Müller nicht zu kennen.

Adam Smith war schon kein klassischer Moralist mehr. Er begann als Verehrer der Stoa, der sich aber zum Kompromissler aus Naturwissenschaft und Ethik zurückentwickelte. Seine „unsichtbare Hand“ sollte nur verschleiern, dass sie unsere eigene Hand ist. Sein „egoistischer Altruismus“ sollte nur verdecken, dass es ein Naturgesetz sein sollte, welches seinen „harmonischen“ Interessenausgleich prägte.

Müller glaubt noch immer an globale Lieferketten, die alles rund um die Welt transportieren, um „sensibler“ Vorteile willen. Und das in Zeiten klimatischer Verschärfungen, in denen wir radikal die Luftverschmutzung vermindern müssten. Längst müsste es heißen:

So viel Autarkie wie möglich, so wenig Erpressungs-Globalisierung wie nötig – also gar keine mehr.

Müller, wie fast alle Ökonomen, scheint die Geschichte seiner Disziplin kaum zu kennen. Sonst wüsste er, dass Hayeks Neoliberalismus mit Adam Smith nicht mehr das Geringste zu tun hat. Hayek vertritt einen ungetrübten Darwinismus, in dem gilt, dass der Starke überlebt, wer nicht überlebt, hat nichts Besseres verdient.

Ethik? Gleich null. Hayeks Autismus ist keine Frucht der Aufklärung, sondern der Gegenaufklärung. Der Vernunft traut er nicht zu, verlässliche moralische Regeln zu entwickeln. Dazu sei keine Vernunft in der Lage. Unsere rationalen Fähigkeiten seien viel zu gering, als dass wir universelle moralische Prinzipien entwickeln könnten.

Müller ist wie ein ökonomisch verkleideter alttestamentlicher Prophet, der am Ufer des Flusses steht und in der Ferne das Außerordentliche sieht:

„Ich werfe keine andere Last auf euch; doch was ihr habt, das haltet fest, bis ich komme. Und wer überwindet und meine Werke bewahrt bis ans Ende, dem will ich Macht geben über die Völker, und er soll sie weiden mit eisernem Stabe – wie die tönernen Gefäße werden sie zerschmissen –, wie auch ich Macht empfangen habe von meinem Vater.“

Weltenwende? Nichts Neues im Lande der Frommen, die ihre heiligen Formeln in quantitative verwandelt haben. In diesem Geist des Jüngsten Gerichts werden die westlichen Putinbezwinger nach ihrem Sieg sofort übereinander herfallen. Gottes Segen!

Fortsetzung folgt.